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Ausgabe:

September/2006

Spalte:

1058–1060

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Grethlein, Christian:

Titel/Untertitel:

Fachdidaktik Religion Evangelischer Religionsunterricht in Studium und Praxis.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005. 348 S. m. 1 Abb. 8° = UTB, 2668. Kart. Euro 19,90. ISBN 3-525-03609-4 (Vandenhoeck & Ruprecht); 3-8252-2668-9 (UTB).

Rezensent:

Reinhold Mokrosch

Die »Fachdidaktik Religion« des renommierten Münsteraner Praktischen Theologen und Religionspädagogen Christian Grethlein ist als »Arbeitsbuch für Studium und Praxis des Religionsunterrichts« konzipiert. Seine Adressaten sind also werdende und praktizierende Religionslehrkräfte. Das Buch unterscheidet sich damit grundlegend von der »Religionspädagogik« des Vf.s aus dem Jahr 1998, die sich als »Lehrbuch« vorrangig an Wissenschaftler gerichtet und außerdem nicht nur Religionsunterricht, sondern religiöse Erziehung auch in Familie, Gemeinde, Medien, peer-groups usw. im Auge gehabt hatte. Gelegentliche Verdoppelungen (Geschichte der Religionspädagogik, Medien, Religiöse Entwicklungstheorien u. a.) tragen deshalb in dieser »Fachdidaktik« einen anderen Charakter als in der »Religionspädagogik« von 1998.Ich kann dieses Arbeitsbuch allen Studierenden und Praktizierenden nur wärmstens empfehlen. Der Vf. führt in viele, ja, in fast alle Themen und Probleme des evangelischen Religionsunterrichts ein. Er setzt keine Kenntnisse voraus, sondern nimmt die Studierenden und Religionslehrkräfte an die Hand und führt sie behutsam durch den Dschungel religionspädagogischer, -soziologischer, -psychologischer und -philosophischer Theorien und Befragungen hindurch. Es handelt sich um eine echte Einführung. So etwas braucht die neue Religionspädagogen-Generation!

Die Einführung ist aber glücklicherweise nicht neutral, sondern positionell konzipiert: Schon im Vorwort plädiert der Vf. emphatisch für eine konfessionell evangelische Religionsdidaktik, die sich an CA VII orientiert und das »christliche Profil« schärfen sollte. Und im Verlauf des Buches kommt er immer wieder auf sein Konzept » Religionsunterricht als Kommunikation des Evangeliums« (148 ff.) mit »Beten, Segnen und Gesegnet-Werden« (183 f.276 ff.) als Kerncurriculum des evangelischen Religionsunterrichts zu sprechen. Sein Ziel ist es, im Religionsunterricht »zum Christsein zu befähigen« und Schülern und Schülerinnen die christlichen Dimensionen des Lebens zu erschließen. (267 ff.) Religionslehrkräfte sollten »jungen Menschen Einblick in Formen christlich spirituellen Lebens geben« (232). Mit dieser Position müssen und sollen die Leser und Leserinnen sich auseinander setzen. Sie können sie ablehnen oder ihr zustimmen. Der Vf. gibt ausreichend Kriterien zur Entscheidung an die Hand.

Kurze Hinweise auf die drei Teile und acht Kapitel des Buches seien erlaubt: In der »(A) Einführung« (1.­2. Kapitel) erfährt der Leser, warum und wie Religionsunterricht heute theologisch, pädagogisch, rechtlich und politisch begründet wird und welche verschlungenen Wege zu seiner heutigen Gestalt seit Luthers Schulschriften geführt haben.

Unter der Überschrift »(B) Heutiger Religionsunterricht ­ Rahmenbedingungen und Perspektiven« (3.­5. Kapitel) führt der Vf. dann in die gegenwärtige Rechtslage, in die schulischen und in die kirchlichen Rahmenbedingungen von Religionsunterricht ein. Seine christlich-evangelische Position scheint dabei trotz aller neutralen Deskription in wünschenswerter Klarheit immer wieder hervor: Der konfessionellen Kooperation gibt er den Vorzug vor einem ökumenischen Religionsunterricht; das Karlsruher LER-Urteil kritisiert er, weil es Art. 7,3 GG nicht als »Recht des einzelnen« anerkenne und damit einer »Privatisierung von Religion Vorschub« leiste (71); »multi-faith-approach« lehnt er ab; islamischen Religionsunterricht unterstützt er; das Phänomen »Schulreligion« durchforstet er skeptisch; die kinder- und jugendkulturellen Veränderungen im Pluralismus analysiert er sorgfältig und zieht Konsequenzen für den Religionsunterricht; die Integrations- und Reformversuche der katholischen compassion- und der protestantischen Diakonie-Schulprojekte legt er den Lesern ans Herz; im bildungsdidaktischen Vergleich zwischen Benner und Klafki nimmt er für Benner Partei, ohne den Leser zum gleichen Urteil zu nötigen; bei seiner Analyse der jüngsten Kirchen- und Gemeindereformen angesichts von Entkirchlichung, Pluralismus und Christentums-Relevanzverlust kritisiert er »kirchenvergessene« Reformversuche; und an den beiden EKD-Denkschriften »Identität und Verständigung« und »Maße des Menschlichen« bemängelt er, dass sie die konkrete evangelische Glaubenspraxis »Beten, Singen, Danken, Segnen, Klagen, Bitten« im Religionsunterricht einer verschwommenen Schulreligion mit einem unklaren Bildungsbegriff opfern würden. Das sind harte Angriffe, denen ich persönlich nicht zustimme. Aber sie werden vom Vf. als mögliche und nicht notwendige vorgetragen. Der Leser lernt argumentieren.

Im letzten Teil »(C) Heutiger Religionsunterricht als kommunikatives Geschehen« (6.­8. Kapitel) referiert er anhand der empirischen Studien von Feige, Lück, Bucher u. a. die religiösen, kirchlichen, konfessionellen, ökumenischen und religionsunterrichtlichen Einstellungen von Religionslehrkräften, Schülern und Schülerinnen. Seine Konsequenz lautet: Religionsunterricht müsse verstärkt die christlich spirituellen Seiten des Lebens anbieten und praktizieren. »Befähigung zum Christsein« mit Beten und Segnen als Glaubensgrundformen sei, so wiederholt er, das Ziel des Religionsunterrichts in allen Schulstufen und Schularten. Mit einem Ausblick auf eine Orientierung der Medien und Methoden im Religionsunterricht am Kriterium der drei Artikel des Apostolikums (!) bekräftigt er dieses Ziel.

Ich selbst stimme diesem Ziel nicht als Haupt-, sondern nur als Nebenziel (in einigen Schulstufen und Schularten) zu, empfehle das Buch aber gerade deshalb nachdrücklich. Es sollte in religionspädagogischen Einführungsseminaren und in der Religionslehrerfort- und -weiterbildung angeschafft und zur Lektüre dringend empfohlen werden.