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Ausgabe:

September/2006

Spalte:

1040 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Honecker, Martin:

Titel/Untertitel:

Glaube als Grund christlicher Theologie

Verlag:

Stuttgart: Kohlhammer 2005. 216 S. gr.8°. Kart. Euro 22,00. ISBN 3-17-018525-X.

Rezensent:

Martin Seils

Der ­ offenbar vom Verlagslektor vorgeschlagene ­ Titel dieses Buches von Martin Honecker gibt nicht genau wieder, was das Werk tatsächlich enthält. Die Titelwendung »Glaube als Grund christlicher Theologie« lässt erwarten, dass in dem Buch thematisch darüber gesprochen werden solle, ob und inwiefern der Glaube bzw. das Glauben als Grund christlicher Theologie bestimmt werden könnten und in welchem Sinne Glaube und Glauben dies seien. Darum handelt es sich aber nicht. Es handelt sich vielmehr darum, dass hier ein Theologe, der im Wesentlichen als Ethiker gearbeitet hat, über die »Grundlagen christlichen Glaubens« Rechenschaft geben möchte, »auf welche [die] theologische und christliche Ethik sich berufen und berufen können« (14). Es wird also ­ auch nach Meinung des Vf.s ­ eine Art von Fundamentaltheologie vorgelegt, die allerdings »kein Gesamtentwurf« (9) sein will, sondern eher »als Essay oder als Traktat« (10) darauf zielt, »Grundfragen und Grundaussagen des Glaubens« (9) zur Darstellung zu bringen. Dabei allerdings spielt dann auch der Glaube als Grund, Merkmal, Kennzeichen und Voraussetzung christlicher Theologie eine mitbestimmende Rolle (80).

Das Buch hat nach einer Einleitung, in der es um »Ethik und Dogmatik« geht, zehn Kapitel. Die ersten drei behandeln grundlegende und situationelle Vorausfragen, indem sie besprechen, was Theologie und was Religion sei und ob »Ideologie und Weltanschauung eine Alternative zu Theologie und Religion« bilden (22­79). Darauf folgt im 4., in gewisser Weise basishaften Kapitel eine Erörterung über »Glaube ­ Kennzeichen christlicher Theologie« (80­92). Die nächsten beiden Kapitel befassen sich mit den Themen »Kirchliche Lehre und wissenschaftliche Theologie« und »Quellen des Glaubens und Normen der Lehre« (93­128). Das 7. Kapitel wird noch einmal eher grundsätzlich, indem es mit der Frage »Was ist das grundlegend Christliche, das Fundamentale?« konfrontiert (129­143). Es schiebt sich sodann ein Kapitel zu »Vernunft und Offenbarung« ein (144­160). Das 9., wieder mehr thetische Kapitel behandelt Schöpfung, Versöhnung und Erlösung als »Grundworte des Glaubens« sowie zusammenfassend das »Heil in Jesus Christus« (161­185). Hierauf schließt das Werk mit einer Darlegung zu »Wahrheit ­ die letzte offene Frage«. Hier wird von »Gott als Geheimnis der Wirklichkeit«, vom »Geist der Erleuchtung« und letztlich auch vom »dreieinige[n] Gott« gesprochen (186­209).

Der gedankliche Rahmen, in dem der Vf. seine Erörterungen ansiedelt, ist derjenige einer durch die europäische Aufklärung geschaffenen Situation der kritischen Infragestellung traditioneller christlicher Glaubens- und Lehrüberzeugungen. Diese Situation ist nach Meinung des Vf.s jedoch in der »postmodernen« geschichtlichen Lage der Gegenwart dadurch entschärft, dass eine Zeit des weltanschaulichen »Pluralismus« (leider wird zwischen »Pluralität« und »Pluralismus« nicht genau unterschieden) angebrochen ist, in der weder eine Ideologisierung rationaler Weltanschauungen noch eine solche christlicher Lehrüberzeugungen mehr möglich erscheint. Der entstandenen »Offenheit« rationaler Welterklärung muss und kann eine »Offenheit« christlicher Einsichten und Aussagen entsprechen. Für den Christen grundlegend ist der Glaube als lebensweltliche, existentielle Heilserfahrung, als »Erleuchtung« unter der »Präsenz des Geistes« (205), in der »Gott als Geheimnis der Wirklichkeit« (200) sich begegnend erschließt. »Glaube ist eine bestimmte Form der Lebensorientierung« (86), wobei »Fundament christlichen Glaubens Š Jesus Christus« ist und die Trinitätslehre den Sinn hat, »das Verhältnis von Gott als Grund des Glaubens, Christus als Zeuge des Glaubens und das Wirken des Geistes als Zueignung des Glaubens zu bedenken« (205).

Unbeschadet der Ausrichtung des Glaubens »auf das Individuelle hin« (159) kann er sich ­ so der Vf. ­ dem äußernden Wort, der Weitergabe, der Vermittlung, also auch der Formulierung eines »Grundwissen[s], das ein Christ benötigt, um über seinen Glauben sprechen zu können« (129), nicht entziehen. Dabei entstehen Konflikte zwischen Glaube und Denken und Glaube und Wissen, die sich aber als Scheinkonflikte entlarven lassen, wenn man bedenkt, dass der Glaube »auf das Besondere«, Vernunft und Denken hingegen »auf das Allgemeine« gerichtet sind (159) und Vernunft »nicht das einzige, totale Prinzip von Welterklärung und Lebensdeutung« ist (158).

Unter diesen Gesamtaspekten entfaltet der Vf. eine problemreiche, immer aber auch auf das Zentrale des christlichen Glaubens hin tendierende fundamentaltheologische Orientierung und Belehrung. Charakteristikum dessen sind umfangreiche begriffsgeschichtliche Erhebungen und sorgsam vorgenommene begriffliche Unterscheidungen. Die Wissenstradition des Christentums wird ausgreifend aufgenommen und in die gedanklich schwierige Gegenwart transponiert, wobei dann Lehraussagen als offene, diskussionsbereite und eschatologisch vorläufige Aussagen zur Sprache gebracht werden. Nie möchte der Vf. zu viel sagen. Und alles, was er sagt, sagt er in einer sich begrenzenden, sich zurücknehmenden, auf Verantwortbarkeit ausgerichteten Weise.

Es lässt sich vielleicht fragen, ob der Horizont der europäischen Aufklärung und damit das Verhältnis von Glaube und Vernunft eigentlich immer noch den vorgegebenen Rahmen heutiger theologischer Erwägungen darstellen. Es mag auch sein, dass sich aus der gewissen Reichhaltigkeit geschichtlicher Nachweise und Problemanalysen und aus dem grundsätzlichen Offenseinwollen des Ausgesagten eine Grenze dieser Fundamentaltheologie ergibt. Dem steht jedoch gegenüber, dass der Leser ­ es ließe sich an etwas fortgeschrittene Studierende der Theologie oder an akademisch vorgebildete Nichttheologen denken­ hier jedenfalls eine grundlegende, bedachtsame und förderliche Information zu Fragen und Beständen des christlichen Glaubens erhält.