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Ausgabe:

April/1998

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Schwarz, Hans

Titel/Untertitel:

Schöpfungsglaube im Horizont moderner Naturwissenschaft.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Bahn 1996. 256 S. 8° = Reihe Apologetische Themen, 7. Kart. DM 29,80. ISBN 3-7615-9105-5.

Rezensent:

Jack Brush

Die Arbeit von Hans Schwarz erscheint als Band 7 der "Reihe Apologetische Themen" (R.A.T.) und dient dem Dialog zwischen Naturwissenschaft und Theologie, indem sie die biblische Schöpfungstheologie im Horizont der modernen Kosmologie, Evolutionstheorie und Relativitätstheorie interpretiert. Die Untersuchung gliedert sich in drei Hauptteile: 1) die Natur ohne Gott, 2) die Welt aus naturwissenschaftlicher Sicht und 3) die Wiedergewinnung eines christlichen Schöpfungsglaubens.

Im ersten Hauptteil bietet der Vf. einen kurzen historischen Überblick über die Entwicklung der modernen Naturwissenschaft von ihren Anfängen im 17. Jh. bis zu ihrer Herrschaft im 19. Jh. Dabei stellt es sich heraus, daß die klassische Physik (etwa bei Laplace) und die Evolutionstheorie (bei Darwin und Haeckel) ein materialistisches Verständnis des Kosmos und des Lebens darstellten, das keinen Platz mehr für die Existenz und Wirksamkeit Gottes hatte. Heute herrscht jedoch eine andere Stimmung unter den Naturwissenschaftlern. Da man nicht nur die Macht, sondern auch die Gefahr der Naturwissenschaft wahrgenommen hat, ist man merklich bescheidener geworden und zum Gespräch mit der Theologie bereit .

Im zweiten Hauptteil wendet sich der Vf. in drei Abschnitten dem Wirklichkeitsverständnis der heutigen Naturwissenschaft zu. Im ersten Abschnitt erörtert er verschiedene naturwissenschaftliche Theorien über die Entstehung und die Zukunft des Universums. Aufgrund der allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins bewies der russische Mathematiker Friedmann die Unmöglichkeit eines statischen Universums. Später wurde die Expansion des Universums durch die Arbeit Edwin Hubbles experimentell bestätigt. Daß das Universum kontinuierlich expandiert, führte konsequent zur Einsicht, daß am Anfang der ganze Kosmos durch die Explosion eines Nullpunktes entstanden ist (Urknalltheorie). Was die Zukunft des Universums betrifft, bekommt man von der Naturwissenschaft keine befriedigende Antwort, und demzufolge berichtet der Vf. über verschiedene Theorien einschließlich der des Wärmetodes, ohne daß er sich für eine bestimmte Theorie entscheidet. Im zweiten Abschnitt behandelt der Vf. die Entstehung des Lebens und erläutert die Synthese der Darwinschen Evolutionstheorie und der Erkenntnisse der Genetik. Der dritte Abschnitt greift das Thema der Physik wieder auf unter der Überschrift "Ein relativistisches Weltverständnis"; diese Bezeichnung ist aber insofern irreführend, als der Vf. nicht nur relativistische, sondern auch quantentheoretische Gedanken vorbringt. So lesen wir z. B. im gleichen Zusammenhang von der Trägheit aller Energie nach Einstein und von der Unschärferelation Heisenbergs (90-91). In diesem Abschnitt wird erläutert, daß Materie, Zeit und Raum "keinen absoluten, sondern relativen Charakter haben" (99) und daß der strenge Kausalbegriff der klassischen Physik keine absolute Gültigkeit mehr besitzt.

Im dritten Hauptteil, der mehr als die Hälfte der ganzen Arbeit ausmacht, nimmt der Vf. das Problem der Schöpfungstheologie im Lichte des naturwissenschaftlichen Wirklichkeitsverständnisses in Angriff. Obwohl die Theologie der Neuzeit bis zu Vertretern wie Karl Barth, Friedrich Gogarten und Rudolf Bultmann eine Fluchttendenz vor der Herrschaft der Naturwissenschaft in die Innerlichkeit des Menschen zeigt, erblickt der Vf. in der Theologie Teilhard de Chardins auf katholischer und in der Karl Heims und Wolfhart Pannenbergs auf protestantischer Seite eine neue Orientierung, die im Dialog mit der Naturwissenschaft bleiben und die Naturwelt theologisch verstehen will. Die eigene Reflexion des Vf.s über die Schöpfungstheologie erscheint im letzten Abschnitt des Buches und ist auf den Begriff "göttliche Bewahrung" konzentriert. Zunächst untersucht er die biblischen Texte über die Schöpfertätigkeit Gottes und zieht daraus zwei wichtige Schlüsse. Zum einen besteht nach biblischem Zeugnis eine enge Verbindung zwischen Schöpfung und Erlösung, so daß das Erschaffen der Welt durch Gott nicht als ein einmaliges Faktum, sondern als bleibende Dynamik zu verstehen ist. Zum andern bedeutet die creatio ex nihilo, daß "Gott völlig voraussetzungslos handelt" (171). Daraufhin betont der Vf. die Souveränität Gottes der Welt gegenüber und lehnt das von Ian Barbour vertretene Prozeßverständnis der Schöpfertätigkeit Gottes ab, "nach dem Gott ein schöpferischer Teilnehmer in der kosmischen Gemeinschaft ist" (171). Während die Naturwissenschaft von einer kosmologischen Singularität und einem Urknall am Anfang des Universums spricht, weiß die Theologie diese säkularen Gedanken dadurch zu vertiefen, daß sie die Entstehung der Welt dem Willen und der Macht Gottes zuschreibt. Die Gottebenbildlichkeit wird dahin ausgelegt, daß sie den Menschen zum Stellvertreter Gottes, zum Mitschöpfer macht; die imago Dei hat also nicht primär ontologischen, sondern ethischen Charakter. Daraus folgt, daß die göttliche Bewahrung der Schöpfung, die sich auf die Natur (die Erhaltung der Ordnung der Naturwelt), auf das menschliche Verhalten (die Offenbarung grundlegender moralischer Normen) und auf den Geschichtsprozeß (die Zielrichtung auf das Eschaton) erstreckt, die Menschheit auf keinen Fall von ihrer ethischen Verantwortung entbindet. Zum Schluß behandelt der Vf. das Gebet und das Wunder im Kontext der außerordentlichen Vorsehung Gottes.

Das Verdienst dieser Arbeit liegt vor allem darin, daß sie die Notwendigkeit des interdisziplinären Dialogs wahrnimmt und eine umfassende Darstellung des Schöpfungsglaubens vor dem Hintergrund der Physik und Biologie wagt. Angesichts der vielen Sammelbände zu diesem Thema ist es lobenswert, daß der Vf. aus systematischer Perspektive ein Gesamtbild darbietet, auch wenn es der Untersuchung zum Teil an innerer Kohärenz mangelt. Die Schriften Luthers werden z. B. immer wieder ins Feld geführt, aber von der antithetischen Denkweise Luthers merkt man in dieser Arbeit sehr wenig. Wenn man sich etwa auf Luthers Äußerungen über die ratio beruft (197-198), wäre m. E. zu fragen, ob Luthers Verständnis von ratio und fides eine theologische Vertiefung der Ergebnisse der Naturwissenschaft im Sinne des Vf.s erlaubt oder ob die Naturwissenschaft und die Theologie nicht letztlich zwei Denkarten sind, die sich nicht so leicht miteinander harmonisieren lassen.

Die Sachkenntnis des Vf.s im Bereich der Naturwissenschaft ist durchaus respektabel, wenn auch nicht in jedem Fall exakt. Die von Edwin Hubble festgestellte Rotverschiebung z. B. hat streng genommen mit dem Dopplereffekt nichts zu tun, wird vielmehr von der Expansion des raumzeitlichen Kontinuums verursacht (38). Während solche Ungenauigkeiten keineswegs gravierend sind, liegen die Dinge anders bei der Unvollständigkeit der Behandlung des Kausalproblems. Da der Vf. die Arbeit Alain Aspects gar nicht erwähnt, läßt er den Leser im Dunkeln hinsichtlich einer der revolutionärsten Entdeckungen des letzten Jahrzehnts, nämlich der Bestätigung der nicht-kausalen Quantenkorrelationen durch die Durchführung des Einstein-Podolsky-Rosen-Experiments.

Nichtsdestoweniger stellt die Arbeit von Hans Schwarz einen wichtigen Beitrag zur heutigen Diskussion dar.