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Ausgabe:

September/2006

Spalte:

994 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Wilson, Kevin A.:

Titel/Untertitel:

The Campaign of Pharaoh Shoshenq I into Palestine.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2005. VIII, 151 S. m. Abb. gr.8° = Forschungen zum Alten Testament. 2. Reihe, 9. Kart. Euro 39,00. ISBN 3-16-148270-0.

Rezensent:

Bernd U. Schipper

Seitdem im Jahr 1828 der Entzifferer der Hieroglyphen, Champollion le Jeune, erstmals auf die Verbindung zwischen einer Reliefdarstellung am Bubastidenportal des Karnaktempels und den Notizen über einen Feldzug des Pharao »Schischak« in 1Kön 14,25­28 und 2Chr 12,1­12 hingewiesen hat, befasst sich die alttestamentliche und ägyptologische Forschung mit dem Thema. Dabei wird der Palästinafeldzug jenes Pharao, Scheschonq I., mittlerweile auch in der Palästinaarchäologie kontrovers diskutiert, dient er doch als ein wesentliches Argument für die »low chronology«. Die bisherige Forschung kreiste vor allem um die Frage, wie der Text zu lesen sei (B. Mazar: Boustrophedon) und wie das Verhältnis zwischen Inschrift und biblischen Notizen bestimmt werden kann (kritisch M. Noth u. a., den biblischen Angaben vertrauend K. A. Kitchen). Dabei sind nahezu alle bisherigen Arbeiten zum Thema wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass es möglich ist, aus der Ortsnamenliste den Weg des Pharaonenheeres zu rekonstruieren.

An diesem Punkt setzt die vorliegende Dissertation (John Hopkins University) an, die allein schon dadurch Beachtung verdient, dass es sich um die erste monographische Bearbeitung des Themas handelt. Nach einem knappen forschungsgeschichtlichen Überblick (Kapitel I) untersucht der Vf., inwiefern solche Triumphszenen auf Itinerare von Feldzügen zurückgehen. Eine Analyse von Triumpfreliefs aus der Zeit des Neuen Reiches (Kapitel II) führt zu dem Ergebnis, dass dies nicht möglich ist. Ausgehend davon (Kapitel III) analysiert der Vf. alle verfügbaren Quellen zum Feldzug selbst (Inschrift des Hrw, Gebel es-Silsilah-Stele Nr. 100, Karnakstele Scheschonq I., Triumphszene und -inschrift am Bubastidenportal, Megiddo-Stelenfragment, alttestamentliche Texte), wobei erstaunt, weshalb er auf die Paralleldarstellung im Tempel von el-Hibe nicht eingeht (nur 48, Anm. 1, vgl. R. Wenke bei H. Ranke, Koptische Friedhöfe bei Karara und der Amontempel Scheschonks I bei El Hibe, Berlin-Leipzig 1926) und auch nicht auf das Berliner Fragment (R. Giveon, EI 15, 1981, 137­139). Da bis auf das Stelenfragment Scheschonqs I. aus Megiddo alle anderen ägyptischen Quellen (Kapitel IV) keinerlei Hinweise auf den tatsächlichen Verlauf des Feldzuges geben, stützt sich der Vf. auf die alttestamentlichen Nachrichten (Kapitel V) und verzichtet auf jeden Versuch, den Weg des Pharaonenheeres zu rekonstruieren. So sei Jerusalem das Ziel des Feldzugs gewesen (1Kön 14,25), wie auch die Ereignisse im Kontext der Flucht Jerobeams zu Scheschonq und der Verbindungen zwischen dem israelitischen und ägyptischen Königshof (1Kön 11,40; 12,2) zu sehen seien. Dementsprechend lautet das Ergebnis (Kapitel VI), dass der Feldzug Scheschonqs I. sich primär gegen Israel und Juda richtete und letztlich die biblischen Quellen (einschließlich der literarisch komplexen Kapitel 1Kön 11,26­40 u. 12,1­20) die »primary sources« für die Rekonstruktion der historischen Sachverhalte darstellen (97).

Das Buch erhält seinen Wert durch die ausführliche Dokumentation der Inschriften und den Anhang mit Abbildungen der Palästinaliste und Nennung der Ortsnamen (102­133), bei der jedoch auf eine philologische Diskussion der Lesungen verzichtet wird. Auch vermisst man die Beschäftigung mit Fragen, die von der Forschung immer wieder aufgeworfen wurden. So geht der Vf. nicht auf das Problem der Mehrfachnennung von Ortsnamen in der Liste ein (bei 72 Nummern sind 29 Plätze doppelt belegt) und diskutiert nicht, inwiefern der Feldzug wirklich in das Ende der Regierungszeit Scheschonqs I. (des Nachfolgers Psusennes¹ II. und nicht »Psammeticus II«, 2) datiert werden kann, wenn das einzige Argument darin liegt, dass die Stele in Gebel-el-Silsilah unvollendet sei (was so laut neuem Grabungsbericht des OIP Chicago nicht zutrifft). Und schließlich wäre es angesichts der Bedeutung der Liste für die Diskussion um die »low chronology« interessant gewesen, einmal zusammenzustellen, welche der dort genannten Ortschaften überhaupt zerstört wurden bzw. welche der Ortsnamen sich womöglich aus dem Namenspool älterer Ortsnamenlisten erklären, wenn die Triumphszene, wie der Vf. überzeugend zeigt, so deutlich in der Tradition des Neuen Reiches steht.

So bietet das Buch letztlich eine gute Zusammenstellung der Quellen, die jedoch durch die historisierende Lesart der alttestamentlichen Texte und die Nichtberücksichtigung des archäologischen Befundes nicht unproblematisch ist.