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Ausgabe:

September/2006

Spalte:

992 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Premstaller, Volkmar: Fremdvölkersprüche des Ezechielbuches

Titel/Untertitel:

Fremdvölkersprüche des Ezechielbuches

Verlag:

Würzburg: Echter 2005. XII, 292 S. gr.8° = Forschung zur Bibel, 104. Kart. Euro 30,00. ISBN 3-429-02687-3.

Rezensent:

Peter Höffken

Diese Habilitationsarbeit an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Innsbruck stellt, wie der Vf. richtig sieht, die erste umfassende Behandlung der Thematik der Völkersprüche im Buche Ez dar. Sie ist also gegenüber den Arbeiten von F. Fechter (Bewältigung der Katastrophe. 1992) und J. T. Strong (Ezekiel¹s Oracles against the Nations within the Context of his Message. 1993) auf Vollständigkeit hin angelegt. Wie die Einleitung (1­12) zu erkennen gibt, geschieht die Behandlung auf synchroner Bearbeitungsebene, vorrangig im Hinblick auf das Gesamtbuch. Demzufolge werden nicht nur die Völkerworte 25­32, sondern zunächst der Ammoniterspruch 21,33­37 (13ff.) und im Anschluss an 25­32 das Edom-Wort 35 (211 ff.) und die »Gog-Perikope« 38 f. (222 ff.) behandelt. Die Behandlung der Kapitel 25­32 wird sinnreicherweise untergliedert in 25 (25 ff.), in die mit Tyros und seinem König befassten Einheiten in 26,1­28,19 (52 ff.) sowie in die Behandlung des Sidon-Wortes 28,20­26 (123 ff.) und die der sieben Ägypten-Sprüche in 29­32 (134 ff.). Das Abschlusskapitel (250 ff.) beschließt und bündelt. Zu notieren sind noch ein knappes Literaturverzeichnis und ein Bibelstellenregister.

Die Methodik synchroner Textauslegung wird in einem recht überschaubaren Horizont praktiziert, wobei sich die Textpräsentierung (betont auf der Basis des MT, die Anmerkungen setzen sich vor allem von der Septuaginta-Version ab) modifiziert an H. Schweizers »Äußerungseinheiten« orientiert, um dann den Text auf »Abgrenzung« hin zu untersuchen und ihn anschließend zu gliedern (»Aufbau«). Dem schließt sich eine Erarbeitung des »Inhalts« an, was dann in ein »Resümee« mündet (zur Fundierung vgl. vor allem 9­11). Das bildet die Normalform der Textbearbeitungen. Bei der Bearbeitung der Tyros-Worte und der Ägypten-Sprüche kommt jeweils noch eine abschließende »Zusammenfassung« hinzu (120 ff.207 ff.). Die Entscheidung für den MT wird ziemlich durchgängig durchgehalten, was manchmal zwangsläufig zu sperrigen Übersetzungstexten führt.

Dabei haben in meinen Augen manche der unter »Aufbau« gegebenen Textschemata (vor allem an Formelsprache orientierte Abfolgen im jeweiligen Text) wenig Aussagekräftiges und werden durch die Texterläuterungen häufig zum Besseren gehoben, die eine Beschreibung der Aufbaustrukturen der einzelnen Worte offensichtlich besser leisten. Ein Beispiel: Das Aufbauschema (125) zum Sidon(-Israel)-Spruch trägt im Unterschied zur Erläuterung (126) der Doppelheit der Adressaten Sidon und Israel nicht genügend Rechnung.

Die Analyse zielt vor allem auch auf die Erörterungen der Bezüge zur sonstigen Botschaft des Buches Ez, wobei der Vf. immer wieder zeigt, dass die Völkerworte sich weithin als Neuanwendung oder Fortführung der Israel-Juda-Botschaft des Buches verstehen lassen: Sie betrifft in ihrem Geschick das, was auch Juda/Jerusalem getroffen hatte, wobei einzig der Zukunftsaspekt für Juda/Jerusalem eine größere Differenz bildet, da Hoffnung jenseits der Katastrophenszenarios in den Völkerworten Mangelware ist (bei Ägypten, vgl. 29,11­16) oder bei den weiteren Adressaten ganz ausfällt. Damit zusammen hängt der Charakter der Strafe als hart und endgültig (vgl. 258). Diese Gemeinsamkeit betrifft auch die Verwendung von Texten aus dem Pentateuch für Israel wie für die Völkerwelt (Beispiel: Lev 26). In der Eruierung solcher Bezüge liegt vielleicht die eigentliche Stärke der Arbeit. Weniger stark ist das Interesse an dem Vergleich mit anderen Völkerworten in prophetischer Literatur. Der Vf. kommt hier über knappe Bemerkungen nicht hinaus, die meist auf die Frage zielen, ob es literarische Bezüge zu anderen Stücken gibt oder aber eher nicht (vgl. z. B. zum Ammonspruch 40; zum Moabspruch 41; zum Edomspruch 46; zu den Ägypten-Pharao-Worten vgl. 209 f.). Und Letzteres ist dann meistens anzunehmen. Die zu diesen Themenkreisen wichtigen Beobachtungen werden im Abschlusskapitel (»Die Völkersprüche des Ezechielbuches«, 250­265) übersichtlich gebündelt.

Der synchrone Ansatz bringt es mit sich, dass der Vf. mit dem Buchganzen etwas unkritisch-harmonistisch umzugehen droht. Ich nenne nur ein Beispiel: Wenn man die in 29,21 formulierte Sicht, dem Propheten werde der Mund wieder geöffnet, mit den Notizen in Kapitel 24 und 33 über die Stummheit und die Erneuerung seiner Redefähigkeit in Verbindung bringt, so ist das zwar thematisch in Ordnung. Die eigentliche Schwierigkeit ist freilich (und die wird überhaupt nicht gesehen), dass 29,21 durch die Datierung in das 27. Jahr in einen ganz anderen zeitlichen Horizont gehört als die um den Fall Jerusalems kreisenden Stellen in 24 und 33. Mit anderen Worten: Man wird genötigt zu differenzieren. ­ Entsprechend treten auch geschicht- liche Fragen sehr zurück. Dass sie sich vom Charakter vieler Texte her zwangsläufig stellen, ist freilich klar. Aber in meinen Augen bleiben diese historischen Erwägungen sehr blass. Auch hierzu ein Beispiel: Dass 26,2 einen tyrischen Machtzuwachs im Kontext der babylonischen Eroberungen in Syrien/Palästina meine (62 f.70 f.), leuchtet kaum ein. Eine solche Auffassung macht wohl nur Sinn, wenn Tyros in das babylonische Herrschaftssystem integriert ist. Dann kann auch die ökonomische Stärke von Tyros stärker zum Tragen kommen.

Ich gehe nicht in eine Kritik an Einzelheiten. Was mir freilich auffällt, ist, dass bestimmte Probleme vielleicht doch zu vorschnell ausgeblendet werden. So finde ich keine Überlegungen dazu, was 29,17­21 für die Tradierung der Tyros-Worte bedeuten. Wie werden sie eigentlich jetzt verstanden? (Ablösung durch die Ägyptenworte? Festhalten für spätere Zeiten nach Nebukadnezar? Für Letzteres könnte 28,25 f. sprechen, sofern Restitution Israels und Gericht an den Umweltvölkern sachlich und zeitlich verbunden sind; vgl. auch P., 133). Entsprechendes gilt für das Prophetenverständnis, das sich in 38,17 ausdrückt (vgl. dazu 240). Auch der zweite Teil des Sidon-Spruchs 28,20­26 hätte wohl einen genaueren Blick auf die Rolle des Gerichts über die Umweltvölker anlässlich der Restitution Israels verdient gehabt (130­133.263). Zudem vermisse ich Ausführungen zu ungewöhnlichen Textelementen. Nur ein Beispiel: die Anredewechsel (seine-deine-ihr) in 35,8 f. (vgl. 218). Insofern bleibt viel offen in dieser Arbeit.

Die entscheidende Akzentsetzung der Arbeit auf die Bezüge zum restlichen Ezechielbuch drückt sich auch im Literaturverzeichnis aus. Dass hier manches fehlt, was über das Buch Ez hinausreicht, ist deutlich. Aber auch spezielle Literatur zu Ez fehlt. Ich nenne nur stellvertretend für anderes zwei Arbeiten von B. Gosse: Isaïe 13,1­14,23 (von 1988, dort auch mit Überlegungen zur Beziehung von Ez 32,17 ff. zu Jes 14), und seinen Aufsatz über Ez 35­36 in RB 96 (1989), 511 ff., dazu noch den Aufsatz von J. T. Strong, Tyre¹s Isolationist Policies in the Early Sixth Century B. C., VT 47 (1997), 207­219.