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Ausgabe:

September/2006

Spalte:

987–989

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Janowski, Bernd, u. Beate Ego [Hrsg.] in Zusammenarb. m. A. Krüger:

Titel/Untertitel:

Das biblische Weltbild und seine altorientalischen Kontexte.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2001. IX, 587 S. m. Abb. gr.8° = Forschungen zum Alten Testament, 32. Lw. Euro 99,00. ISBN 3-16-147540-2.

Rezensent:

Martin Rösel

Aus verschiedenen Gründen kann die Besprechung dieses Sammelbandes zum alttestamentlichen Weltbild erst mit Verspätung erscheinen. Dieser Umstand macht jedoch prognostische Aussagen entbehrlich, denn das Buch hat sich bereits einen so festen Platz in der wissenschaftlichen Diskussion gesichert, dass eine zweite, im Preis deutlich günstigere Studienausgabe erscheinen konnte (2004).

Der Band sammelt die in einem Tübinger Oberseminar zum Thema »Himmel-Erde-Unterwelt. Neuere Arbeiten zur alttestamentlichen Kosmologie« gehaltenen Referate, zusätzlich wurden einige weitere Beiträge hinzugefügt. Dieser ursprüngliche Titel ist in seiner Beschränkung auf das Alte Testament sachgemäßer, denn das Neue Testament kommt gar nicht, die zwischentestamentliche Zeit nur in Ansätzen in den Blick.

Die Reihe der Aufsätze beginnt mit zwei programmatischen Studien: Bernd Janowski, Das biblische Weltbild. Eine methodologische Skizze (3­26), zeigt knapp die Fragehorizonte an und gibt erste Linien am Beispiel der Jerusalemer Tempeltheologie vor. Othmar Keel, Altägyptische und biblische Weltbilder, die Anfänge der vorsokratischen Philosophie und das arche-Problem in späten biblischen Schriften (27­63), weist in seinem reich bebilderten Beitrag auf die Bedeutung ägyptischer Vorstellungen hin, die in der alttestamentlichen Exegese oft zu Unrecht hinter den mesopotamischen zurückstehen. Seine Überlegungen zur griechischen Philosophie sind dagegen nur locker angebunden; hier hätte sich eine stärkere Verzahnung mit Vorstellungen des hellenistischen Judentums und des Neuen Testaments gelohnt. In diesem wie in anderen Beiträge ist misslich, dass die Abbildungen nicht dem beschreibenden Text zugeordnet sind und zusätzlich die Bildlegenden nicht auf den Bildtafeln stehen.

Der erste, einführende Teil des Bandes wird abgeschlossen mit dem Aufsatz von Annette Krüger, Himmel ­ Erde ­ Unterwelt. Kosmologische Entwürfe in der poetischen Literatur Israels (65­83). Sie beschreibt exemplarisch, wie in Mesopotamien und Ägypten belegbare zwei-, drei- und viergliedrige Formeln (etwa: Himmel-Erde-Meer) im Alten Testament Verwendung fanden und später auch zur Gliederung größerer Textkompositionen verwendet wurden. Belege aus Ugarit oder der näheren Umwelt (etwa KAI 222) fehlen leider.

Der zweite Hauptteil ist mit »Gott und Gestirne ­ der Himmel« überschrieben. Rüdiger Bartelmus, s¯amajim ­ Himmel. Semantische und traditionsgeschichtliche Aspekte (87­124), hat dazu seinen ThWAT-Artikel von 1995 beigesteuert, dem ein Abschnitt über das äthiopische Henochbuch beigefügt wurde ­ bei dem leider die wichtige Dimension der Astrologie fehlt. Zu bedauern ist auch, dass keine neuere Literatur nachgetragen wurde. Jedenfalls sollte dieser Artikel parallel zu dem von Friedhelm Hartenstein, Wolkendunkel und Himmelsfeste. Zur Genese und Kosmologie der Vorstellung des himmlischen Heiligtums JHWHs (125­179), gelesen werden, wo manches anders gesehen wird, etwa die Vorstellung vom Wohnen JHWHs im Himmel, die vorexilisch nur in Bethel, nicht in Jerusalem belegbar sei. Die hier angesprochene astrologische Dimension, die etwa hinter Am 9,6 und 5,8 steht, wird im Aufsatz von Matthias Albani, »Kannst du die Sternbilder hervortreten lassen zur rechten Zeit Š?« (Hi 38,32). Gott und Gestirne im Alten Testament und im Alten Orient (181­226), weitergeführt. Hier wird die interessante These entfaltet, dass eine neue astronomische Sicht der Gestirnswelt in Mesopotamien zu einem veränderten Verständnis der Götterwelt führte, was wiederum den Monotheismus Israels mit prägte.

Der dritte Hauptteil ist mit »Peripherie und Zentrum ­ die Erde« überschrieben. Bernd Janowski, Der Himmel auf Erden. Zur kosmologischen Bedeutung des Tempels in der Umwelt Israels (229­260), stellt reichhaltiges Material zur Thematik »Tempelbau und Weltschöpfung« aus rabbinischen, mesopotamischen und ägyptischen Quellen zusammen, der Bezug zur priesterschriftlichen Theologie wird in einem knappen Resümee hergestellt. Beate Pongratz-Leisten, Mental Map und Weltbild in Mesopotamien (261­279), zeigt anhand einer babylonischen Weltkarte die Raum- und Weltvorstellungen Babylons und das auf einer Karte mögliche Nebeneinander von historisch-realer und mythischer Welt; instruktiv sind auch ihre Hinweise auf die Rolle des Königs beim Tempelbau.

An dieser Stelle hätte ein ergänzender ägyptologischer Beitrag hilfreich sein können, der die parallelen Vorstellungen der Differenzierung von Ägypten als geordnetem Kulturland und der umliegenden Welt als chaotischer Wüste dargestellt hätte. Manfried Dietrich, Das biblische Paradies und der babylonische Tempelgarten. Überlegungen zur Lage des Gartens Eden (281­323), versucht, Parallelen zwischen Gen 2 und mesopotamischen Schöpfungsmythologien zu verdeutlichen; das Bild des Gartens im nichtpriesterlichen Bericht ist möglicherweise vom Tempelgarten in Eridu beeinflusst. Herbert Niehr, Die Wohnsitze des Gottes El nach den Mythen aus Ugarit. Ein Beitrag zu ihrer Lokalisierung (325­360), zeigt, dass El keinen himmlischen Wohnsitz hatte, sondern dass sich in den Überlieferungen verschiedene Traditionen irdischer Wohnungen finden. Hier drängt sich ein Gespräch mit F. Hartensteins Beitrag (s. o.) auf, gerade wenn man annimmt, dass das JHWH-Bild Altisraels von El-Vorstellungen mit beeinflusst wurde. Der Abschnitt wird beschlossen mit Beate Egos Aufsatz: Die Wasser der Gottesstadt. Zu einem Motiv der Zionstradition und seinen kosmologischen Implikationen (361­389). In sorgfältigen Exegesen der Psalmen 46, 65 und 42/43 wird das Motivinventar der Vorstellung des Wassers in der Gottesstadt geklärt und dann mit den realen Gegebenheiten Jerusalems konfrontiert. Schließlich wird die nachexilische Neudeutung der Vorstellung in Ps 87 und Ez 47 dargestellt.

Der vierte Hauptabschnitt »Tod und Leben ­ die Unterwelt« setzt ein mit Stefanie Gulde, Unterweltsvorstellungen in Ugarit (393­429), die zum einen die Parallelen ugaritischer Vorstellungen mit solchen aus Anatolien, Ägypten und dem Zweistromland zeigt, zum anderen belegt, dass die Unterwelt als Nebenwelt verstanden wurde, deren Vorstellung eindeutig von der Geographie und sozialen Lebenswirklichkeit Ugarits geprägt wurde. Michaela Bauks, »Chaos« als Metapher für die Gefährdung der Weltordnung (431­464), führt eine Fülle von Chaos-Texten vor und zeigt Übereinstimmung (die in der Historisierung der Vorstellung liegt) und Differenz (im Wesentlichen der JHWH-Bezug) zu außerbiblischen Parallelen. Erneut tritt die Königsideologie als bestimmendes Merkmal in den Mittelpunkt, so dass die Ergebnisse von B. Janowski und B. Pongratz-Leisten hier weitergeführt werden. Angelika Berlejung, Tod und Leben nach den Vorstellungen der Israeliten. Ein ausgewählter Aspekt zu einer Metapher im Spannungsfeld von Leben und Tod (465­502), gibt nicht, wie der Titel erwarten lässt, einen Überblick über die einschlägigen Vorstellungen des Alten Testaments oder den archäologischen Befund in Israel, sondern konzentriert sich vor allem auf die Metapher vom gefangenen Vogel (Ps 124,7) und ihre mesopotamischen Parallelen. Klaus Bieberstein, Die Pforte der Gehenna. Die Entstehung der eschatologischen Erinnerungslandschaft Jerusalems (503­539), zeichnet die Entwicklung der jüdischen, christlichen und moslemischen Vorstellung vom jüngsten Gericht im Hinnom-/Kidrontal nach; eine sehr anregende, in den verbindenden Details aber manchmal unsichere Gedankenführung.

Eine ausführliche, geordnete Bibliographie zum biblischen Weltbild und zu seinen altorientalischen Kontexten von Beate Ego und Bernd Janowski (543­558), Hinweise zu den Autorinnen und Autoren und Text- und Sachregister beschließen den Band, der zum Weiterdenken und -arbeiten anregt, besonders hinsichtlich der in verschiedenen Beiträgen als unverzichtbares Element der Weltordnung erwiesenen Königsideologie.

Auffällig ist aber, dass auch in diesem Band die im Aufsatz von O. Keel beklagte Tendenz festzustellen ist, ägyptische Vorstellungen im Vergleich mit mesopotamischen zu gering zu gewichten ­ so fehlt etwa die Vorstellung vom ägyptischen Grab als Weltall im Kleinen ­, obwohl die ikonographischen Funde aus Israel breite Beeinflussung durch Ägypten belegen. Vielleicht lässt sich dies in einer erweiterten, dritten Auflage ändern?