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Ausgabe:

September/2006

Spalte:

984–986

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Weiss, Zeev:

Titel/Untertitel:

The Sepphoris Synagogue. Deciphering an Ancient Message through Its Archaeological and Socio-Historical Contexts.

Verlag:

With contributions by E. Netzer, K. Cytryn- Silverman, L. Di Segni, O. Eliahu-Oron, J. Gärtner, Y. Gorin-Rosen, Y. Meshorer. Jerusalem: Israel Exploration Society; Institute of Archaeology, The Hebrew University of Jerusalem 2005. XIV, 360 S. m. zahlr. Abb. 4°. Lw. $ 80,00. ISBN 965-221-057-9.

Rezensent:

Günter Stemberger

Erst bei Abschluss der Grabungen in Sepphoris, einem städtischen Zentrum Untergaliläas, wurde zufällig 1993 die Synagoge entdeckt und bis 1998 ausgegraben. Sie wurde im frühen 5. Jh. an einer Ausfallstraße der Stadt errichtet. Das lange, schmale Hanggrundstück (Außenmaße 20,8 x 7,7 m) bedingte einen ungewöhnlichen Grundriss: Der in die Straße vorspringende Narthex konnte nur von der Seite betreten werden; der Gebetsraum selbst (16,1 x 6,5 m) bestand aus einem Hauptschiff, von dem rechts durch fünf Säulen ein sehr schmales Seitenschiff (2,1 m ab Säulenmitte) abgegrenzt war, das kaum zu nutzen und auch für die Dachkonstruktion nicht notwendig war. Wie die Ausgräber argumentieren, dürften die Säulen eine Fensterwand getragen haben, die vom Nachbarhaus genügend Abstand hatte, um guten Lichteinfall für das Hauptschiff zu erhalten.

Doch nicht die eigenwillige architektonische Lösung macht die Synagoge bedeutsam, sondern ihr relativ gut erhaltener Mosaikfußboden. Vom einfachen Mosaik des Narthex sind nur wenige Stücke erhalten. Das Mosaik des Seitenschiffs bestand aus geometrischen Mustern, in die aramäische Stifterinschriften eingefügt waren (ursprünglich wohl 13, weitere vier zwischen den Säulen). Das langgestreckte Mosaik des Hauptschiffes (13,5 x 3,6 m) überrascht durch sein umfassendes Bildprogramm. Der vom Eingang aus gesehen erste der sieben Bildstreifen ist sehr schlecht erhalten; auch vom zweiten Streifen, der Opferung Isaaks, fehlen wichtige Teile. Ein Vergleich mit den Mosaiken von San Vitale in Ravenna, die die Darstellung von Gen 18 mit der von Gen 22 verbinden, erlaubt die Identifikation der Reste des ersten Streifens mit Gen 18, Abrahams Bewirtung der drei Engel; am linken Bildrand sieht man noch Spuren von Sara im Hauseingang. Die Verheißung der Geburt Isaaks ist also mit seiner Opferung verbunden; die zwei Paar Schuhe links unter einem Busch zeigen, dass Abraham und Isaak, von denen fast nichts erhalten ist, ihre Schuhe abgelegt haben, die Opferstätte heiliger Boden ist. Im zentralen Bildstreifen darüber ist der Tierkreis dargestellt, umgeben von den vier Jahreszeiten und gerahmt von einer griechischen Stifterinschrift. An Stelle des Helios ist im vierspännigen Wagen nur die Sonne mit ihren Strahlen zu sehen. Es folgen zwei Streifen, die zusammengehören: vor einem Altar steht Aaron (wieder nur in Spuren erhalten, doch durch den hebräischen Namen identifiziert), neben ihm sind zwei Opferlämmer, darunter der Schaubrottisch, der Korb mit den Erstlingen und verschiedene Gefäße und Kultgeräte. Wie die hebräischen Beischriften klarmachen, ist die Weihe der Priester für den Tempeldienst (Ex 29) dargestellt. Darüber folgt die Darstellung einer Tempelfassade, flankiert von zwei siebenarmigen Leuchtern, dem Feststrauß für das Laubhüttenfest und anderen Kultgegenständen. Der siebente Bildstreifen schließlich, der zum Teil bei einer Erweiterung des Bema, des Podiums für die Toralesung, beschädigt wurde, enthält eine Stifterinschrift, flankiert von zwei Löwen, die ihre Pranke auf den Kopf eines Stiers setzen.

In der Synagogenkunst Palästinas war der Tierkreis als zentrales Element schon lange bekannt (frühester Beleg Hammat Tiberias, 4. Jh.); dass unter ihm die Opferung Isaaks dargestellt ist, darüber eine Tempelfassade, flankiert von Kultsymbolen, kennt man schon von Bet Alfa (6. Jh.). Neu dagegen ist die Darstellung von Gen 18 und die breit ausgeführte Darstellung der Amtseinführung Aarons (Teilmotive wie der Schaubrottisch haben ihre Parallele in der etwas jüngeren samaritanischen Synagoge von El Khirbe). Sepphoris bietet das nach Dura Europos (3. Jh.) reichste Bildprogramm, das je in einer Synagoge gefunden wurde. Man versteht, dass darum sofort eine rege Diskussion eingesetzt hat. Manche Autoren wollen hier einfach eine Auswahl biblischer Szenen und Motive sehen, die um den Zodiak gruppiert werden, ohne ein Gesamtprogramm anzunehmen. Dagegen vertritt W. ein einheitliches Konzept, das dem Mosaikboden zu Grunde liegt, in einer Erstpublikation (Ausstellungskatalog, Jerusalem 1996, gemeinsam mit E. Netzer) mit dem Titel Promise and Redemption überschrieben. Diese Deutung hat er hier ausführlich begründet und mit zahlreichen Texten aus der rabbinischen Literatur zu belegen versucht. Der Zodiak in der Mitte stellt Gott als Herrn des Universums und der Geschichte dar; Gen 18 und 22 verweisen auf die Verheißung an Abraham und ihre alsbaldige Gefährdung. Die Einsetzung des Opferkults hat in der Bindung Isaaks ihre Begründung, wie die Rabbinen betonen. Doch mehr noch, so W., sei die Szene mit Aaron Hinweis auf die Erneuerung des Kults und die Erlösung am Ende der Zeiten, wenn, wie die Erstlingsfrüchte andeuten könnten, das Land wieder reichen Ertrag bringt. Das ganze Programm sei im Rahmen der Auseinandersetzung mit christlichen Ansprüchen zu sehen, wonach die Verheißung an Abraham an die Christen übergegangen und die Opferung Isaaks in Jesus erfüllt sei, der Tempel und seine Opfer keine Berechtigung mehr hätten, das Judentum nichts mehr zu erwarten habe.

Details der Auslegung und ihrer Begründung mit rabbinischen Texten sind angreifbar; ins Einzelne zu gehen fehlt hier der Raum. Ob eine durchgehende antichristliche Intention den Darstellungen zu Grunde liegt (dass etwa die beiden jungen Männer mit dem Esel, die nach Gen 22,5 in einem getrennten Feld links von der Aqeda zu sehen sind, auf die Christen weisen, die an der Aqeda nicht Teil haben), ist nicht so sicher, auch wenn viele Beschauer es so verstehen konnten. Sicher Recht hat W. aber damit, dass die Szenen bewusst ausgewählt wurden und man eine Gesamtdeutung versuchen muss, auch wenn man diese nie ganz absichern kann.Die Synagoge, deren Datierung durch Münz- und Keramikfunde abgesichert ist, war bis ins 7. Jh. fast unverändert in Verwendung. Sie war ein relativ bescheidener Bau, von Material und Ausführung her eher mäßig. In ihr fanden etwa 65 Personen Platz, maximal 135, wenn auch das Mosaik und das Seitenschiff besetzt waren. Fast alle Mitglieder waren an der Finanzierung beteiligt, wenn man die 20 aramäischen und elf griechischen Stifterinschriften (davon elf bzw. neun erhalten) in Betracht zieht. Um so mehr verwundern Reichtum und (nach bisherigen Kenntnissen zu urteilen) Originalität des Bildprogramms. Der Bau mit seinem Mosaik gewährt einen wichtigen Einblick in jüdisches Leben und Denken Palästinas; er gibt auch Anlass, über das Verhältnis von Juden und Christen in Palästina etwa 100 Jahre nach Konstantin nachzudenken, auch wenn manches offen bleiben muss. Sepphoris wird in der weiteren Diskussion nicht nur dazu noch lange eine wichtige Rolle spielen. W. und seinen Mitautoren ist für die vorbildliche, hervorragend illustrierte und vor allem so schnelle Publikation der Ausgrabung zu danken.