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Ausgabe:

April/1998

Spalte:

417–422

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

McCormack, Bruce L.

Titel/Untertitel:

Karl Barth’s Critically Realistic Dialectical Theology. Its Genesis and Development 1909-1936.

Verlag:

Oxford: Clarendon Press 1995. (2. Aufl. 1997). XX, 499 S. 8°. ISBN 0-19-826956-0.

Rezensent:

Georg Pfleiderer

Anzuzeigen ist die wohl wichtigste englischsprachige Barthstudie der letzten Jahre, vielleicht überhaupt. Daß sich ihr Vf., ein junger Professor des Princeton Theological Seminary, über die Bedeutung seiner wissenschaftlichen Leistung nicht im klaren wäre oder daß er seine Leser darüber im unklaren ließe, kann man nicht sagen: "What is offered here, ... is the first truly genetic-historical treatment of the whole of Karl Barth’s theological development" (IX). Die Frucht solcher historisch-genetischer Untersuchung sei nichts weniger als ein "completely new way of reading Karl Barth’s theology" (ebd). Zwar beziehen sich diese Ankündigungen "nur" auf die ersten zweieinhalb Jahrzehnte der insgesamt sechzigjährigen Schaffenszeit Karl Barths, aber damit zweifellos auf deren entscheidende Phasen.

Das beträchtliche Echo, das die Erstauflage des Buches in der angelsächsischen theologischen Welt gefunden hat, bestätigt diesen hohen Anspruch; u. a. wurde das Buch einer ganzseitigen Besprechung im Times Literary Supplement gewürdigt. Das aus einer Dissertation hervorgegangene Werk ­ es ist das Ergebnis neunjähriger Forschungsarbeit ­ kann schon heute als Standardwerk der englischsprachigen Barthforschung bezeichnet werden. Die materielle Voraussetzung dafür liefert die Paperbackausgabe, die jetzt an die Stelle der vergriffenen Erstauflage tritt. Schon aus diesem Grund, um nämlich den vielleicht künftig resonanzkräftigsten Meinungsführer der englischsprachigen Barthforschung an die deutschen Barthdebatten anschlußfähig zu machen, wäre, wie es Dietrich Korsch in der Zeitschrift für Dialektische Theologie (Jg. 12, 1996, 218) aus inhaltlichen Gründen getan hat, eine deutsche Übersetzung dringend zu begrüßen.

Daß der Vf. genau jenen Anschluß der weitgehend auseinandergedrifteten Debatten deutscher und englischsprachiger Barthforschung herstellt, ist das mindeste, was seinem Buch inhaltlich und methodisch gutgeschrieben werden muß. Der Autor rezipiert die wichtigsten Leistungen und Ergebnisse der neueren und neuesten deutschsprachigen Barthforschung und bündelt diese auf der Basis eigener intensiver Quellenstudien zu einer eindrucksvollen Gesamtsicht, die außer historiographischen auch deutlich systematischen Interessen folgt. In der deutschen theologischen Geographie wäre McC. in der Nähe der (in sich sehr differenzierten und individualisierten) "Göttinger" bzw. H.-G. Geyer-Schule (I. Spieckermann, D. Korsch, H. Ruddies u. a.) anzusiedeln. Es ist ein ebenso pointiert theologischer wie moderner "Barth", der hier entworfen wird. Ebendies will die Rede vom "kritischen Realismus" im Buchtitel anzeigen.

Dementsprechend wird das philosophische Potential Barths (sein kantianischer und neukantianischer Hintergrund) ebenso stark herausgearbeitet wie in seiner genetischen Bedeutung für den systematischen Aufbau und die Entwicklung der theologischen Position Barths domestiziert; dasselbe gilt strukturell für die politischen und kulturellen Bezüge und Verflechtungen der Barthschen Theologie, die ebenfalls plastisch und differenziert dargestellt, deren Einfluß auf den Gang von Barths Denken jedoch auf den Rang von Entdeckungszusammenhängen und Entfaltungsräumen der nach ihrer eigenen inneren theologischen Logik progredierenden Denkbewegung beschränkt werden. Barth, so soll nachgewiesen werden, nimmt die philosophischen und kulturellen Herausforderungen der in die Krise geratenen Moderne souverän und auf genuin theologische Weise auf; aber er verhält sich zu ihnen streng genommen nicht reaktiv.

So seien für die Abwendung Barths vom Liberalismus nicht die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs oder des Sozialismus verantwortlich, für die Krisistheologie des zweiten "Römerbriefs" nicht die Kulturkrise der Nachkriegszeit, für den Umschwung vom expressionistischen Jargon jenes Werkes zur nüchternen Dogmatikdiktion, die mit den Göttinger Vorlesungen 1925/25 einsetzt, nicht die "neue Sachlichkeit" der mittleren Zwanziger Jahre. Das Verhältnis Barths zu den Zeitläuften ist das des selbständig-erratischen "Outsider(s)" (29 ff.), der gleichwohl "always zeitgemäß" (27) ist. Lediglich an einer einzigen signifikanten Stelle verhält sich Barth nach McC. reaktiv zu außertheologischen Zeiteinflüssen: bei der Ersetzung seiner ersten gedruckten dogmatischen Grundlegung, bei der Umschreibung der Christlichen Dogmatik (1927) zur Kirchlichen Dogmatik (1932). Diese Korrektur sei von Barth nämlich vor allem unternommen worden, um unter den Auspizien des aufkommenden Faschismus ein sichtbares Zeichen der Abwendung von den bisherigen Weggefährten (F. Gogarten, E. Brunner, R. Bultmann) zu setzen (vgl. 446). Die theologischen Gründe, die Barths Selbstauskünften folgend in der Forschung normalerweise für diesen Neueinsatz geltend gemacht werden, hält McC. für nicht ausreichend. Die Reaktivität ist hier also nur Schein, tatsächlich ist sie Funktionsmoment der Autogenität des Barthschen Denkens.

In der amerikanischen theologischen Forschungslandschaft dient diese Akzentuierung einer Abgrenzung nach mehreren Seiten. Erstens und vor allem soll von Barth das ihm in liberaltheologischen amerikanischen Kreisen seit Urzeiten anhaftende Label der Neo-Orthodoxie abgelöst werden (vgl. 24 f.). Dogmatische Theologie im Sinne Barths und Modernitätsfähigkeit der Theologie sollen nicht länger als Gegensätze dastehen. Damit wird zugleich zweitens (ohne daß diese Front allerdings ausdrücklich gekennzeichnet wird) der in vielen amerikanischen Barth-Dissertationen gepflegten affirmativen Neo-Orthodoxie der Zahn gezogen. Drittens wird der "kritisch-realistisch" und insofern theologisch-moderne "Barth" den postmodernen Barth-Geschichten, wie sie im Anschluß an Hans Frei insbesondere in Chicago geschrieben werden, entgegengehalten.

Nun hat gerade ein Vertreter dieser letzteren Richtung, Stephen H. Webb, McC. nicht ohne Süffisanz respondiert, daß dessen Studie das story-Konzept in bestimmter Weise reproduziere; zwar nicht als Interpretament, wohl aber hinsichtlich seiner Interpretationstechnik. In der Tat kann man McC.s Buch als besonders gut erzählte Barth-Geschichte lesen, genauer gesagt: als gewissermaßen autogenetischen ideengeschichtlichen Entwicklungsroman. Denn der für das Umweltverhältnis der Barthschen Theologie in Anschlag gebrachten durchgängigen (jeweils synchronen) Autogenität entspricht in ihrem inneren diachronen Entwicklungsgang die These von einer durchgängigen Kontinuität seit dem Zeitpunkt ihrer Abwendung von der liberalen Theologie.

Das ist die vom Vf. selbst pointiert ins Licht gerückte erste Hauptthese des Buches, auf der sein forschungsgeschichtlicher Innovationsanspruch vor allem gründet. Es ist die immer noch einflußreiche, wenn auch schon lange nicht mehr unumstrittene These Hans Urs v. Balthasars von der mit dem Anselmbuch von 1931 prinzipiell eingeleiteten und dann in den ersten Bänden der Kirchlichen Dogmatik mehr und mehr durchgeführten "Ersetzung des Prinzips der Dialektik durch das der Analogie" (H. U. v. Balthasar, Karl Barth, 2. Aufl. Köln 1962, 116; vgl. McC., 3, 5, 12-15 u. ö.), als deren zwar nicht erster, aber doch erster prinzipieller und also grundstürzender Revisionist sich McC. betrachtet (vgl. 14, 20 ff.). An die Stelle der Annahme einer solchen Wende die These von einer sich zwar innerlich stufenweise modifizierenden, aber prinzipiell einheitlichen, in allen ihren Phasen immer schon analogischen und immer noch dialektischen Theologie zu setzen, ist das "new paradigm" (IX, 20), das der Autor in der Barthforschung etablieren möchte.

Um diese These zu stützen, relativiert McC. erstens die methodologische Bedeutung, die dem Anselmbuch für die Kirchliche Dogmatik gewöhnlich zugeschrieben wird. Die späteren Selbstdeutungen Barths, die das insinuieren, seien nicht zwingend. Zweitens sucht er nachzuweisen, daß die v. Balthasarsche These auf einem Methodenfehler ("category error", 18) beruhe. Im Barthschen Denken verwiesen "Analogie" und "Dialektik" nämlich auf zwei kategorial verschiedene Sachzusammenhänge. Die "analogia fidei" habe zwar "methodological implications" (19). "But it was not itself a method" (ebd.). Sie beschreibe nämlich lediglich "the result of a divine act over which human beings have no control" (ebd.).

Der Akt göttlicher Selbstbezeugung, der das menschliche Zeugnis aktualiter sich entsprechen ließe, sei selbst zwar eine Erkenntnis Barths, aber nicht eigentlich eine methodische Entscheidung der Barthschen Theologie, sondern deren gewissermaßen meta-methodologischer Ermöglichungsgrund (vgl. ebd., 313 f.). Nur die Dialektik sei als methodologisches Instrument der Barthschen Theologie zu werten, und zwar als ihr grundlegendes, weil es nämlich die der vorausgesetzten göttlichen Analogie immanente Dialektik methodisch abbilde und entfalte. Diese der analogischen göttlichen Selbstbezeugung im Glauben immanente Dialektik ­ "the Realdialektik of the divine movement in revelation" (18) ­ nicht erkannt zu haben, sei der andere, der systematische Konsistenzfehler der v. Balthasarschen These. Sowohl in seiner sogenannten "dialektischen" Frühphase, also etwa und insbesondere im zweiten "Römerbrief", als auch in seiner sogenannten "analogischen" Reifephase, also in der Kirchlichen Dogmatik, habe Barth immer zugleich analogisch und dialektisch, nämlich im Sinne jener realdialektischen Analogie gedacht, die auf dem Sachverhalt basiere: "God unveils himself by veiling Himself in human language. In truth, the Realdialektik of veiling and unveiling is the motor which drives Barth’s doctrine of analogy and makes it possible" (ebd.).

Sieht man nun aber näher zu, dann kommt auch das hier entworfene Kontinuitätsmodell um eine Sollbruchstelle nicht ganz herum. Auch McC. markiert eine Stelle in der kontinuierlichen Entwicklung des Barthschen Denkens als einen signifikanten "turn" (371). Er vollzieht sich jedoch früher als bei v. Balthasar und ist auch strukturell anders akzentuiert. Allererst in der Göttinger Dogmatikvorlesung von 1924/25 läßt sich nämlich das vom Interpreten analysierte dialektische Analogiemodell als methodische Grundlage der Theologie reflektiert und verwendet (vgl. ebd.) nachweisen. Demnach wäre (was McC. allerdings nicht ausdrücklich tut) historisch und systematisch zwischen einer frühen Phase impliziter dialektischer Analogik und einer späteren, reifen Phase methodisch-expliziter, nämlich explizit dogmatischer, dialektischer Analogik zu unterscheiden.

Zur Erklärung dieses "turns" wie auch aller anderen Graduierungen bringt McC. eine weitere These ins Spiel, die neben der gegen v. Balthasar gerichteten Kontinuitätsthese als die zweite interpretative Hauptthese der Untersuchung zu verstehen gegeben wird. Diese lautet: Für die Entstehung jeweils neuer Stufen innerhalb der kontinuierlichen Entwicklung der Barthschen Theologie, ja sogar schon für deren Konstituierung gegen die liberale Vätertheologie selbst, seien nicht jeweils voranschreitende methodologische, d. h. erkenntnistheoretische Grundlagenreflexionen, sondern "certain material dogmatic decisions" (IX, vgl. 9, 19 u. ö.) verantwortlich. Methodologische Modifikationen seien als "reflex of material decisions" (IX) zu bewerten, nicht umgekehrt.

Dementsprechend ordnet McC. die Entwicklung Barths in ein materialdogmatisch strukturiertes Schema ein. Auf den ersten selbständigen Entwurf des ersten "Römerbriefs", den McC. als "process eschatology" (127 ff.) deutet, folge die "consistent eschatology" (207 ff.) der Neuauflage. Diese werde von der "anhypostatic-enhypostatic christology" der dogmatischen Theologie abgelöst, die wiederum zwei Hauptphasen habe, eine "pneumatozentrische" (von 1924 bis 1936[!], vgl. 327 ff.) und eine "christozentrische", die mit der 1936 eingeleiteten und in KD II/2 (1942) dann gültig ausgearbeiteten christozentrischen Revision der Erwählungslehre erreicht ist und danach nur noch modifiziert wird.

Es ist klar, daß im Rahmen dieser Konzeption von der methodologischen Bedeutung der Materialdogmatik dem ersten materialdogmatisch elaborierten Entwurf Barths eine Schlüsselbedeutung zukommt. Für McC. ist die Göttinger Vorlesung ein "Sentence Commentary" (349) zu Heinrich Heppes reformiert-orthodoxem Kompendium. Barths Entdeckung von Heppes Kompendium erhält in dieser Deutung die Funktion, die bei v. Balthasar Anselms Proslogion innehat: "The decisive ’turn’ from the theology of Romans II occurred in 1924 and when it did the major influence was not Anselm of Canterbury but Heinrich Heppe’s Reformed Dogmatics" (23).

Daß diese zweite Interpretationsthese, die "materialdogmatische", alles andere als ein zusätzlicher Einfall ist, sondern für ihren Urheber von höchster systematischer und prinzipientheoretischer Bedeutung, wird aus der Ankündigung erkennbar, seiner Studie als erstem Band einen zweiten folgen zu lassen, der exemplarisch an der Göttinger Dogmatikvorlesung die grundlagentheoretische Bedeutung materialdogmatischer Themenbestände für die Methodik der Barthschen Theologie aufzeigen will (vgl. VII). Durch eine genaue Untersuchung von "Barth’s relationship to the Reformed tradition on the one hand and modernity on the other" (VII) soll offenbar das eigentümliche Modernitätspotential der Barthschen Theologie auch systematisch herausgearbeitet werden, das seine prinzipientheoretische Bestimmtheit nach Auffassung McC.s gerade darin hat, daß es die theologische Methodik aus materialdogmatischen Einsichten gewinnt. Eben darin läge dann die bei Karl Barth gegebene Überwindung der Alternative von substanzhaft denkender, vormoderner (Neo-)Orthodoxie und einer Moderne, die die theologischen Bestände einer abstrakt erkenntnistheoretisch gewonnenen Methodik unterordnet.

Gelingt McC. der Nachweis seiner beiden Hauptthesen? Ja und nein. Zwar kann er in präzisen Einzelrekonstruktionen plausibel machen, daß Barths Denken seit 1914/15 bis zum Ende des Untersuchungszeitraums einer im Prinzip gleichbleibenden Problemstellung und theologischen Grundeinsicht verpflichtet ist, die es systematisch und ohne kategoriale Brüche reflexiv weiterentwickelt. Auch und gerade der "turn" von 1924 läßt sich ja gut als reflexive Weiterentwicklung des implizit schon zuvor Angelegten verstehen. Aber genau in dem Maße, in dem McC. es plausibel machen kann, daß die Entwicklung des Barthschen Denkens sich der Logik einer progressiven Selbstreflexion verdankt, wird seine zweite, die materialdogmatische These unwahrscheinlicher. Die progressive Logik, die McC. in der Barthschen Entwicklung rekonstruiert, ist nämlich nichts anderes als eine sich immer wieder auf ihre eigenen Voraussetzungen richtende erkenntnistheoretische Reflexionsbewegung, die man genau demjenigen Typus prinzipientheoretischer Grundlagenreflexion zuzuschreiben hat, den man gemeinhin den modernen nennt.

Die erkenntnistheoretische Rekonstruktion der Entwicklung des Barthschen Denkens, die McC. tatsächlich vorlegt, ist ­ für sich betrachtet ­ sehr überzeugend. Allerdings ist er damit zumindest für die entscheidenden formativen Jahre 1909-1924/25 nicht der erste; das behauptet er auch nicht. Im Anschluß an Herbert Anzinger, Michael Beintker und insbesondere Ingrid Spieckermann rekonstruiert er zunächst und sehr differenziert Barths Abwendung von der liberalen Theologie seiner theologischen Väter. Bruchstelle und programmatischer Grundgedanke für Barths geistige Entwicklung insgesamt ist die 1914 noch vor Kriegsbeginn prinzipiell erreichte theologische Grundabsicht "to protect the sovereign freedom of the divine Subjekt in the process of revelation" (107, vgl. 238). Eben dafür steht die Konzentration auf den Reich-Gottes-Begriff; er steht in einer erkenntnistheoretischen Perspektive. "From now on, knowledge of God ... would be the central question in Karl Barth’s new theology" (125, vgl. 248). Die im ersten "Römerbrief" ausgeführte Abwendung von der liberalen Theologie ist "the shift from an idealistic to a critically realistic starting-point" (159). Gotteserkenntnis wird aus dem subjektivitätstheoretischen in einen theologischen Reflexionszusammenhang verlagert: "The possibility of the knowledge of God is ... grounded in Himself (i. e. possibility is grounded in Reality) and not in the possibilities established by the function of human con-sciousness" (159).

Der zweite "Römerbrief" unterscheidet sich vom ersten dadurch, daß er die Bedingung der Möglichkeit aktualer theologischer Gotteserkenntnis reflektiert: "(H)ow can God make Himself known to human beings without ceasing ­ at any point in the process of Self-communication ­ to be the Subject of revelation?" (207). In Aufnahme des Neukantianismus von Bruder Heinrich und gegen denselben entwickelt Barth im zweiten "Römerbrief" eine Dialektik der Selbstveranschaulichung Gottes. Offenbarung soll nun gedacht werden als stattfindend "in history, but not of history" (233). Es ist die Dialektik von Kreuz und Auferstehung, mittels derer das Problem der Gotteserkenntnis nun gelöst wird: "(T)he unintuitable, unhistorical event of the resurrection becomes, by an act of God’s grace, intuitable in the event of the cross" (253). Alle Krisisrede könne nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch die Theologie der Neuauflage des Römerbriefs "the clear lines of a theory of how God is known" (261) erkennen lasse. Es ist die in diesem frühen Hauptwerk dominante "dialectic of veiling and unveiling in revelation" (274), welche die sonstigen dialektischen Konzeptionen, etwa und insbesondere die eschatologische Dialektik von Zeit und Ewigkeit, leitet und bestimmt. Und diese erkenntnistheoretische Offenbarungsdialektik bleibe im folgenden "a permanent feature of Barth’s thought ..." bis hin zur Kirchlichen Dogmatik, wo sie "... finally found its home in the ’Doctrine of God" (274).

Unterscheidet sich der zweite vom ersten "Römerbrief" durch die gewissermaßen transzendentale Reflexion auf den Ermöglichungsgrund seiner erkenntnistheoretischen Grundaussage, so gilt genau dies auch vom weiteren Gang des Barthschen Denkens. Sie werden nun theologisch gewendet: "What is the condition of the possiblity of revelation in God Himself?" (261). In dieser ­ allerdings vom Interpreten formulierten Frage ­ sieht er die Wendung zur dogmatischen Theologie angelegt; und zwar der Sache nach schon im zweiten "Römerbrief", dessen Offenbarungslehre "already functionally Trinitarian" (262) zu nennen sei.

Diese erkenntnistheoretische Problemstellung steuert ganz offensichtlich, eben weil sie schon zur Zeit der Neuauflage des "Römerbriefs" präsent sein soll, die "folgenschwere Entdeckung’" (327), die nach McC. dann 1924 die Initialzündung für die Durchführung einer dogmatischen Theologie bilden soll, nämlich die Entdeckung des "anhypostatic-enhypostatic Christological dogma of the ancient Church" (ebd.) in Heppes Kompendium. Die "Entdeckung" ist die Entdeckung einer Strukturanalogie ("proximity", ebd.) zwischen Barths erkenntnistheoretischer Grundfigur, seiner "Dialektik von Verhüllen und Enthüllen" (ebd.), und dem altkirchlichen Dogma. Ferner, und das ist nun der entscheidende Fortschritt gegenüber der Römerbrieftheologie, wird mit dem Inkarnationsdogma nun "(t)he contingency of revelation" (339) an die Stelle einer "eternal revelation" (ebd.) gesetzt. Die kontingente Perfektizität der Offenbarung strukturiert jene Vorgängigkeit des Handelns Gottes im Offenbarungsbegriff, an der Barth nach McC. zwar von seinen theologischen Anfängen an gelegen war, die er aber jetzt erstmals formulieren kann. "What we see emerging here is the first tentative articulation of the analogia fidei in the strict sense in which Barth would later employ the term" (341).

Allerdings bleibt, so wird man McC.s hier nicht ganz leicht zu erschließende Argumentation zu deuten haben, der Begriff der Perfektizität der Offenbarung ("Deus Dixit", 337), 1924 noch der Logik des Kontingenzgedankens unterworfen; sie ist insofern noch präsentisch und darum "pneumatocentric" (21) gedacht. Das bleibt nach McC. so bis 1936. Erst dann sieht er die christozentrische Form des Offenbarungsbegriffs, und mit ihm die Zielform der Dogmatik, als erreicht an. Denn jetzt erst gelingt es Barth, die Perfektizität der Offenbarung tatsächlich, und damit ihre theologische Vorgängigkeit, zu denken und diese zugleich als Offenbarung für uns, hier und heute zu formulieren: "The election of the human race has taken place in Jesus Christ ­ ’there and then’... The election of the individual has already been decided in Jesus Christ" (459).

Bruce McCormack hat ein Buch vorgelegt, das es verdiente, auch im deutschen Sprachraum ein Standardwerk der Barthforschung zu werden. Es ist bestechend klar geschrieben und meistert die Quellen souverän. Das der Rekonstruktion des Entwicklungsgangs von Barths theologischem Denken tatsächlich zugrundegelegte Rekonstruktionsprinzip, die Logizität des Offenbarungsbegriffs als des Begriffs göttlicher Selbstoffenbarung, entspricht Barths Selbstverständnis und führt ins konstruktive Zentrum der Barthschen Theologie. In der konsequenten Durchführung dieser Konstruktion leistet der Autor einen wichtigen Beitrag zur Beantwortung der Schlüsselfrage der Barthforschung nach dem Verhältnis von Barths Denken zur Neuzeit. Denn Barths Konzept göttlicher Selbstoffenbarung und dieser Begriff als solcher ist in der Tat "wholly" (360) und "thoroughly modern" (466).

Gerade darum ist es mehr als wahrscheinlich, daß der vermeintliche "category error" v. Balthasars, nach welchem die analogia fidei kein methodischer Gedanke K. Barths, sondern ein der theologischen Konstruktion vorgängiger Sachverhalt sein soll, auf den Autor selbst zurückfällt. Außerdem war es gerade die Pointe der Balthasarthese, daß die dialektische Diastasentheologie des zweiten "Römerbriefs" allererst auf der Basis einer "ursprünglichen, vorausgesetzten Identität ... möglich" (v. Balthasar, Karl Barth, 2. Aufl. 1962, 77 f.) werde. Sicherlich zutreffend allerdings und in der neueren Forschung ebenfalls zunehmend anerkannt ist die Einsicht, daß von einer "Ersetzung des Prinzips der Dialektik durch das der Analogie" (v. Balthasar, 116) nicht so umstandslos die Rede sein kann. Zu halten könnte die These aber sein, wenn man sie als innere Modifizierung eben jener Logik des Offenbarungsbegriffs nachzeichnet, die McC. mit Recht zur Grundlage seiner Rekonstruktion macht.

Daß diese Modifizierung mit der theologischen Selbstreflexion Barths zu tun hat, für die wiederum sein Eintritt in die akademisch gelehrte Theologie ein signifikantes Datum, mithin die Göttinger Dogmatik in der Tat ein Schlüsseltext ist, ­ diese sich in der Forschung allmählich durchsetzende Einsicht wird von McC. weiter gefestigt. Daß für den Gang der theologischen Selbstreflexion Barths hier oder sogar überhaupt materialdogmatische Entdeckungen ursächliche Bedeutung gehabt hätten, diese These dürfte durch die von McC. vorgelegte lucide erkenntnistheoretische Rekonstruktion nicht plausibler, sondern unplausibler geworden sein. Gerade eine solche Rekonstruktion allerdings verstärkt das hermeneutische Problem, wie die jedem Leser ins Auge stechenden literarischen Differenzen zwischen den theologischen Texten Karl Barths und denjenigen seiner philosophisch-neukantianischen Gewährs- und Nebenmänner zu interpretieren seien. Um die spezifische "Theologizität" (I. Spieckermann) des Barthschen Denkens zu erfassen, dürfte der Hinweis auf die mittlere der drei Kennzeichnungen von Barths "critically realistic dialectical theology" als Richtungsangabe geeignet sein.