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Ausgabe:

Juli/August/2006

Spalte:

921–923

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Werbick, Jürgen

Titel/Untertitel:

Von Gott sprechen an der Grenze zum Verstummen.

Verlag:

Münster: LIT 2004. 366 S. gr.8° = Religion ­ Geschichte ­ Gesellschaft, 40. Geb. Euro 29,90. ISBN 3-82587946-1.

Rezensent:

Christian Danz

Der in Münster Fundamentaltheologie lehrende katholische Theologe Jürgen Werbick hat unter dem programmatischen Titel Von Gott sprechen an der Grenze zum Verstummen 14 bereits an anderen Orten publizierte Aufsätze aus den letzten Jahren zusammengestellt. Thematisch umfassen die hier versammelten Arbeiten Untersuchungen zum Wissenschaftsverständnis, zur Gotteslehre, Christologie und Pneumatologie, welche die Geschichte der Theologie seit der Aufklärung ebenso einbeziehen wie gegenwärtige theologische und philosophische Debatten.

Seine eigene Position entwickelt W. einmal in Auseinandersetzung mit der so genannten pluralistischen Religionstheologie. Insbesondere die von John Hick eingeführte und seinem pluralistischen Modell zu Grunde gelegte Unterscheidung zwischen einem Realen an sich und dem Realen, wie es von Menschen wahrgenommen wird, sowie die damit verbundene Behauptung, dass für die religiösen Traditionen als kulturell variable Deutungen ein invarianter Transzendenzbezug konstitutiv sei, wird von W. der Kritik unterzogen. Dieses Modell sei aus dem Grunde für ein konstruktives interreligiöses Gespräch unzureichend, weil es die Bestimmtheit und Verbindlichkeit nicht nur der eigenen theologischen Position nivelliert. Dies hat dann auch Konsequenzen für den Umgang mit der Wahrheitsfrage im interreligiösen Dialog. »Ein religionstheologisches Konzept, das die religiösen Differenzen im Wesentlichen auf die wahrheitsindifferente bunte Vielfalt der Sprach- und Kulturwelten zurückführt, Š wird auch ­ so ein nicht unbegründeter Vorwurf ­ der Verwechselbarkeit des biblischen Gottes mit Unheilsmächten und von Menschen gemachten Absolutheiten Vorschub leisten.« (23)

Die Frage nach möglichen Kriterien zur Unterscheidung zwischen dem biblischen Gott und Unheilsmächten entwickelt W. in Auseinandersetzung mit dem katholischen Theologen Thomas Ruster. Dieser hatte in seinem Buch Der verwechselbare Gott (siehe hierzu meine Besprechung in: ThLZ 127 [2002], 87­89) dafür plädiert, die Explikation des Gottesgedankens von dem Religionsbegriff zu lösen. Da in der Moderne das Geld zur alles bestimmenden Wirklichkeit geworden sei, führe ein an dem Leitgedanken ðalles bestimmender WirklichkeitÐ orientierter Gottesgedanke zur Verwechslung des biblischen Gottes mit den Unheilsmächten dieser Welt. W. nimmt die von Ruster exponierte Frage auf, wendet sie jedoch gegen die von ihm vorgenommene Trennung zwischen dem biblischen Gottesgedanken und dessen vernünftig philosophischer Entfaltung, die auf Allgemeinheit zielt (26).

Damit lässt sich das von W. in seinem Buch entfaltete Programm so zusammenfassen, dass es ihm einerseits um einen solchen Umgang mit dem religiösen Pluralismus geht, der nicht zu einem Bestimmtheitsverlust von religiösen Traditionen führt und der zum anderen nicht der vernünftigen, argumentativen Begründung entraten soll. Fundamentaltheologie wird auf diese Weise als eine vernünftige, auf rationale Zustimmung rechnende kritische Reflexion des christlichen Glaubens verstanden, die dessen Wahrheitsgehalt in Kritik und Begründung entfaltet. Ihm Rahmen dieser Rezension ist es freilich nicht möglich, die Argumentationen und Ausführungen von W. im Einzelnen zu würdigen. Es können im Folgenden lediglich einige Grundlinien des von W. vorgelegten fundamentaltheologischen Programms kritisch diskutiert werden.

W.s Explikation des Gottesgedankens hat ihren Fluchtpunkt in einer Konstitutionstheorie menschlicher Freiheit. Dieser Gedanke zieht sich wie ein roter Faden durch seine Diskussion von kritischen Anfragen an den biblischen Monotheismus (49­77), seine Diskussion des traditionellen Allmachtgedankens (97­117) oder die von ihm vorgelegte Rekonstruktion des Handelns Gottes (133­178). »Die Wahrheit, die der Gott der Bibel den Menschen erschließt ­ in der er den in dieser Wahrheit sich Festmachenden seinen guten Willen erschließt ­, ist die Wahrheit, in der und durch die die Menschen zu ihrer Bestimmung finden sollen.« (70) Die Bestimmung des Menschen versteht W. als Freiheit im Sinne von Wahlfreiheit (109). Sie konstituiert sich im von Gott selbst erschlossenen Gottesverhältnis des Menschen. Diesen Gehalt des biblischen Monotheismus gilt es gegenüber den Einwänden gegen den Monotheismus aus philosophischer (Odo Marquard) und religionswissenschaftlicher Perspektive (Jan Assmann) argumentativ auszuweisen. Auf Grund seiner befreienden Impulse, die der vernünftigen Rekonstruktion zugänglich sind, führe nämlich der biblische Monotheismus nicht, wie die modernen Befürworter eines toleranten Polytheismus unterstellen, zu einem monotheistischen Wahrheitsfanatismus, der durch eine alles nivellierende pluralistische Toleranz zu ersetzen ist. Selbstverständlich entlastet der Rekurs auf den biblischen Monotheismus auch nach W. nicht von der Angabe von Kriterien, die eine Unterscheidung zwischen Gott und Götzen erlauben. Unter Aufnahme des von Johann Baptist Metz formulierten Gedankens einer messianischen Nachfolge sieht W. das entscheidende Kriterium in der »Bestimmtheit der Nachfolge«. »Sie wird alle Überlegungen der Gotteslehre begleiten, insbesondere die ðEigenschaftslehreÐ prägen und auch die trinitätstheologischen Überlegungen mit bestimmen müssen.« (27; vgl. 254) Die mit dem biblischen Gottesgedanken verbundene Befreiung zielt also nicht auf theoretische Einsichten, sondern auf ein solidarisches Handeln, auf eine »Praxis heilsam-notwendigen Unterscheidens« (47). Die Konstitution einer solchen solidarischen Praxis mit den »Leidenden« (74) wird durch die Christologie (119­132) sowie die Pneumatologie (179­198) beschrieben. Eine solche Praxis, die in der »ðeschatologischenÐ Solidarität« (74) Gottes fußt, muss dann freilich auch Konsequenzen für das Kirchenverständnis sowie das kirchliche Amt haben. »Es dient dem Geist, der die Kirche aufbaut, wenn es [das Amt] ­ soweit das an ihm liegt ­ den guten Geist herein lässt, der die Neigung zur Unterdrückung des Unbequemen, zur Ausschaltung des Unverstandenen, zur Diskriminierung derer, vor denen man sich fürchtet, durcheinander wirbelt und vielleicht sogar überwinden kann.« (197)

Dem liegt ein Gottesgedanke zu Grunde, der von W. als absolute Beziehungswilligkeit und Beziehungsmächtigkeit verstanden wird (129 f.). Mit dieser relationalen Fassung des Gottesgedankens, dessen Explikation der Trinitätslehre obliegt, möchte W. die in der Moderne erfolgte Enthierarchisierung des Gottesgedankens so aufnehmen, dass einerseits eine Funktionalisierung und andererseits ein Bestimmtheitsverlust des Gottesgedankens vermieden wird. Die Bestimmung Gottes als Mit-Sein mit den Menschen versteht W. nun nicht nur als theologisch unumgängliche Aufnahme der Theodizeefrage, sondern auch als mögliche Umgangsweise mit ihr. Selbstverständlich kann es einer Theologie, die an der eschatologischen Solidarität Gottes mit den Leidenden orientiert ist, nicht darum zu tun sein, Gott angesichts des ungerechten Leidens in der Welt zu entlasten und so die Frage einer eindeutigen Lösung zuzuführen. »Sie hat vielmehr zu reflektieren, wo die jeweils versuchten Lokalisierungen zuviel an Eindeutigkeit ­ an ðLösungÐ ­ erzwungen und zu wenig Problembewusstsein bewiesen haben.« (76) Die Theologie hat also die Aufgabe, die Theodizeefrage offen zu halten und sie nicht durch vermeintlich eindeutige Antworten zu verdrängen.

W. geht es um eine Theologie, die sich den Fragen und Problemen ihrer Zeit stellt und die verbindliche Orientierung in einer unübersichtlich gewordenen Welt ermöglicht. Es ist allerdings nicht immer deutlich, wie die von W. dargestellte Position über die von ihm selbst kritisierten Positionen hinausführen soll. So kritisiert er an dem von Hans Urs von Balthasar vorgelegten Entwurf einer dramatischen Trinitätslehre, dass in dieser »die Dramatik der Welt-Geschichte Š unzulässig entdramatisiert« ist, da in dem »Drama der innergöttlichen Kenose« das »ðÄußersteÐ ja immer schon erreicht und eben eingeholt« (87) sei. Wenn es wenig später heißt, Gott »wird, was er ist« (93) und dies durch eine Aufnahme des Liebesgedankens als »die Geschichte ihres Sich-Offenbarens (Schelling) als der alles bestimmenden Wirklichkeit« (93) erläutert wird, dann ist nicht zu sehen, worin der Gedankenfortschritt gegenüber von Balthasar nun liegen soll. Nicht ganz frei von apologetischen Interessen ist auch die These von W., dass ohne ein Handeln Gottes im Sinne einer eschatologischen Solidarität mit den Leidenden »ethisches menschliches Handeln haltlos wird« (163). Weiterhin wird man fragen können, ob die von W. vorgelegte Konzeption des Verhältnisses von Judentum und Christentum wirklich weiterführend ist (245­272). Zwar ist ihm zuzustimmen, dass sich die Bestimmtheit des Christentums nicht durch Abgrenzung vom Judentum gewinnen lässt (272). Ob jedoch eine inklusivistische Sicht, wie sie W. mit Karl Rahner und dem 2. Vatikanischen Konzil vertritt (255), über eine Vereinnahmung des Judentums seitens des Christentums hinausführt, wird man mit Recht fragen können. Zu einer überzeugenden Bestimmung des Verhältnisses beider Religionen wird man erst dann kommen, wenn man auch die Differenzen zwischen Judentum und Christentum sowie deren beiderseitige hochgradige interne Ausdifferenzierung angemessen berücksichtigt. Dieser Anfragen ungeachtet, legt W. ein Buch vor, das man nicht ohne Gewinn aus der Hand legt.