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Ausgabe:

Juli/August/2006

Spalte:

871–873

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Ehrenschwendtner, Marie-Luise

Titel/Untertitel:

Die Bildung der Dominikanerinnen in Süddeutschland vom 13. bis 15. Jahrhundert.

Verlag:

Stuttgart: Steiner 2004. X, 399 S. gr.8° = Contubernium, 60. Geb. Euro 74,00. ISBN 3-515-07838-X.

Rezensent:

Erik A. Panzig

Die Arbeit von Marie-Luise Ehrenschwendtner wurde 1999 von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Sie ist in vier große Abschnitte untergliedert:

Die Einleitung (1­73) umreißt das Thema, indem sie den zu untersuchenden Zeitraum und die geographische Eingrenzung angibt, dem Begriff Bildung im Kontext der Dominikanerinnen nachgeht und Überlegungen zur Methodik und Vorgehensweise darlegt. Außerdem beinhaltet die Einleitung einen Überblick über die Quellenlage und die Forschungsliteratur. Der Hauptteil (75­273) untersucht die Bildungssituationen und deren Funktionsträger im klösterlichen Leben. Hier werden die Unterweisung der Novizinnen abgebildet, Grundelemente des Klosterlebens als Bildungsquellen nachgezeichnet und Auskünfte über die seelsorgerliche Beziehung zwischen Beichtvätern und Schwestern gegeben. Ein weiterer Teil (275­331) stellt den Bücherbesitz und die Bibliotheken als Voraussetzung klösterlicher Bildung dar. Es kommen die allgemeine Entwicklung der Bibliotheken in Dominikanerinnenkonventen vom 13. bis zum 15. Jh. und die Klosterbibliothek im Besonderen (Büchererwerb, Ämter, Bestände) zur Sprache. Schließlich legt E. zusammenfassend dar (333­337), wie die Eigenart der Bildung der Dominikanerinnen als Ausdruck ihrer religiösen Lebensform verstanden werden kann. Der Arbeit ist ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis (339­385) sowie ein Personen-, Orts- und Sachregister (387­399) beigegeben. Löblicherweise werden darin auch die eingesehenen Handschriftenkataloge benannt.

E.s Absicht ist es, die Bildung der Dominikanerinnen in der Ordensprovinz Teutonia zwischen etwa 1220 und 1500 darzustellen. Einen wesentlichen Impuls dazu bildet die Unterstellung der süddeutschen Frauenkonvente unter die Observanz des Dominikanerordens, der bereits mit der Bildung der Provinz Teutonia 1221 anhebt. Der unter Frauen weit verbreitete Wunsch nach einem religiösen Leben hatte zuvor bereits in vielfältigen, oft noch vorläufigen Gründungen von Frauengemeinschaften seinen Ausdruck gefunden und band sich nun in dieser Ordensprovinz vor allem an die Dominikaner. Innerhalb dieser Entwicklung ist auffällig, dass sich religiös motivierte Frauen jeweils dem Orden anschlossen, dessen Angehörige sich ihrer zuerst annahmen, und damit gewissermaßen eine Tradition begründeten, der andere Frauen folgten. Das Ergebnis dieser Konstellation war eine hohe Konzentration von Dominikanerinnenkonventen im süddeutschen Raum (65 Frauenklöster).

E. konzentriert sich in ihrer Untersuchung auf Frauenkonvente in Süddeutschland, was dem Gebiet des heutigen Bayern, Franken, Schwaben, des Elsass und der Nordschweiz entspricht. Diese Region kann im Hinblick auf die Dominikanerinnen als über innere Merkmale verknüpft angesehen werden. Vor allem der nachweisliche Kontakt der Konvente untereinander (Briefe, Geschenke, Austausch) ist dafür maßgebliches Movens. Dabei fällt auf, dass diese innere und äußere Grenzziehung den historischen Tatsachen vollkommen entspricht, denn nur in wenigen Ausnahmefällen sind Kontakte zu Frauenklöstern rheinabwärts und in das Gebiet des heutigen Österreich nachweisbar.

Die innere Stringenz des untersuchten Zeitraums ergibt sich aus dem Beginn der Ordensobservanz in der Teutonia, die mit der erstmaligen urkundlichen Erwähnung der cura monialium 1225 anhebt und die mit dem Ende des 15. Jh.s allmählich abklingt, wobei nicht nur der schwindende Eifer der Reformbemühungen innerhalb der Observanzbewegung zu sehen ist, sondern vor allem die Reformationszeit, die das Ende vieler Frauenklöster nach sich zog.

E. stellt heraus, dass an den im Titel genannten Begriff Bildung nicht unsere heutige Vorstellung davon herangetragen werden kann. Bildung bestand nicht in selbstdienlicher Wissensaufnahme, sondern ordnete sich in den Rahmen klösterlicher Zielsetzung ein. Dieses Ziel ist im monastischen Kontext als das Streben nach größtmöglicher innerlicher und äußerlicher Angleichung an eine vorgegebene Norm zu verstehen ­ und zwar an Gott sowie die wahrhafte und vollkommene Seligkeit dessen, der diesem Weg folgt. Angestrebt wird folglich eine Umbildung des Menschen durch die Nachfolge Christi, indem der Mensch sich in das Leben und Wirken Jesu Christi hinein bildet und eine neue Seinsform gewinnt, aus der heraus er dann handelt. Die imitatio Christi stellt aber nicht den Versuch dar, diesbezüglich eigene Wege zu finden, die schließlich mit dem Gemeinschaftsinteresse kollidieren und die kollektive vita religiosa stören würden. Sie kann folglich nicht außerhalb des ordo geschehen, der das monastische Leben der Gemeinschaft sicherstellt.

Das Bildungsverständnis der Dominikanerinnen bezieht ein breites Spektrum von Einflüssen ein, denen die Schwestern ausgesetzt waren. Dabei ist Bildung als ein Prozess zu begreifen, der für die angehenden Novizinnen bereits vor dem eigentlichen Klostereintritt beginnen konnte, alle Bereiche des klösterlichen Lebens umfasste und zu keinem Zeitpunkt als abgeschlossen betrachtet werden konnte, da die imitatio Christi den Schwestern als Ziel vorgegeben war und deren Leben in einer von der Umwelt möglichst abgeschlossenen Umgebung den entsprechenden Rahmen darstellte. Damit war nicht nur der Einfluss des saeculums in den inneren Konventsbereich verhindert, sondern zugleich die Wirkung der Schwestern nach außen unterbunden. Denn darin unterschied sich der weibliche Zweig des Dominikanerordens von den Dominikanern: War den Brüdern die imitatio Christi durch Predigt und Seelsorge auf der Grundlage einer soliden theologischen Bildung vorgegeben, so bestand sie bei den Schwestern in einem Leben in Klausur bei Gottes- und Gebetsdienst nach der Maßgabe der Augustinerregel und der Konstitutionen. Im Zentrum des klösterlichen Gemeinschaftslebens standen somit die Liturgie, die Stundengebete und die täglichen Konventsmessen.

E. fragt folglich in ihrer Untersuchung, welche Kenntnisse für die Erfüllung dieser Hauptpflichten notwendig waren. Die Dominikanerinnen mussten Latein lesen können und den Chorgesang beherrschen, ohne dabei über grundlegende grammatische Kenntnisse und ein wortwörtliches Verständnis der Sprache zu verfügen. Anders als bei den Angehörigen anderer monastischer Frauengemeinschaften, die der lateinischen Sprache und der Ausbildung in den artes liberales eine größere Bedeutung beimaßen, finden sich bei den Dominikanerinnen bereits im 13. Jh. Anhaltspunkte für ein Zurücktreten der Lateinkenntnisse, das eng mit ihrer Spiritualität verknüpft war: Zuviel Wissen mag als Ballast empfunden worden sein, der der spirituellen Armut im Wege stand. So wurde der Mangel an traditioneller Bildung keineswegs als Nachteil empfunden, sondern Kontemplation und Andacht wurden als höherwertiges theologisches Wissen angesehen, wie E. anhand von einzelnen Zeugnissen von Schwestern anschaulich herausgearbeitet hat. Allerdings darf man aus all dem nicht schließen, dass diese Schwestern von der christlichen Tradition und zeitgenössischen Theologie nichts wussten. Sie waren seit den Anfängen des Ordens Adressatinnen volkssprachlicher Schriften (Briefe, Predigten, Traktate), deren Verfasser so tief in der lateinischen Schriftkultur verwurzelt waren (Meister Eckhart, Heinrich Seuse, Johannes Tauler), dass ihre volkssprachlichen Werke nach Inhalt und Methode sehr vom Lateinischen geprägt waren. Nicht zuletzt der in Inhalt und Anzahl bis ins 15. Jh. hinein stetig wachsende Bücherbestand der Dominikanerinnenkonvente gibt davon beredtes Zeugnis.