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Ausgabe:

Juli/August/2006

Spalte:

835–838

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Kunz-Lübcke, Andreas

Titel/Untertitel:

Salomo. Von der Weisheit eines Frauenliebhabers

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2004. 312 S. m. Abb. 8° = Biblische Gestalten, 8. Kart. Euro 16,80. ISBN 3-374-02185-9.

Rezensent:

Pekka Särkiö

In der Reihe »Biblische Gestalten« sind bisher schon neun Bände über alttestamentliche (Josef, Noah, Saul) und neutestamentliche (Petrus, Maria, Herodes, Johannes der Täufer, Paulus und Judas Iskariot) Figuren erschienen. Das vorliegende Buch über König Salomo ist eine erfreuliche Ergänzung der Reihe. Es handelt sich um eine Gesamtdarstellung der biblischen Gestalt, einschließlich der Wirkungsgeschichte in der modernen Belletristik. Dies bedeutet, dass eingehende Analysen der Salomo-Abschnitte in der Bibel nicht möglich sind. Dass das Buch einen großen Überblick gibt, bietet Vorteile, bringt aber gleichzeitig eine gewisse Oberflächlichkeit der Betrachtung mit sich.

In der Einführung (9­29) macht der Vf. den Unterschied zwischen der historischen und der literarischen Gestalt Salomo deutlich. Er neigt zum Skeptizismus (vgl. H-M. Niemann) hinsichtlich der Existenz eines davidisch-salomonischen Großreiches, lehnt jedoch eine Verneinung der Historizität Salomos ab. Dafür spricht schon die Namengebungsätiologie Salomos als »Ersatz«.

Nach Ansicht des Vf.s gehört die Nathan-Episode in 2Sam 11 zur Grundschicht (31.79), was bedeutet, dass Salomo ein Ersatz für das erstgeborene, durch Ehebruch gezeugte Kind Bathsebas wäre. Aber wie sollte Salomo das gestorbene Kind für seine Mutter, die Witwe Urijas, ersetzen? M. E. ist die später zugesetze Nathan-Episode über den Tod des Erstgeborenen Bathsebas nur ein Versuch, die schändliche Geburt Salomos zu verschleiern. Daraus folgt, dass Salomo Ersatz für Bathsebas gestorbenen Ehemann Urija bedeutet, wie Timo Veijola ausführlicher gezeigt hat (»Salomo ­ Erstgeborener Bathsebas, in: Studies in the Historical Books of the OT, SVT 30, 1979, 230­250). ­ Mein verehrter Lehrer Timo Veijola ist am 1. August 2005 plötzlich im Alter von 58 Jahren verstorben.

Der Vf. weist darauf hin, dass es nur wenige Erwähnungen Salomos im Alten Testament gibt: Die Propheten erwähnen nur die zeitgenössischen Könige; über David wird zwar mehr berichtet, aber nicht als König, sondern als Gründer der Dynastie. Die Überlegungen des Vf.s gelten also nicht dem historischen, sondern dem literarischen Salomo (22). Das ist ein begründeter Ausgangspunkt.

Der Vf. hat wahrscheinlich Recht mit seiner These, dass die Entstehungszeit der Salomogeschichte später zu datieren ist als Salomo selbst. Er weist darauf hin, dass die alttestamentliche Salomodarstellung an die sozial-geschichtliche Situation der Perserzeit (also Ende 6. Jh. bis 5. Jh.) erinnert (26 f.148.152). Archäologisch ist die Perserzeit in Palästina jedoch schlecht erschlossen. Der Vf. betrachtet die Endgestalt des Textes, nimmt aber die lange Entstehungsgeschichte des Textes in mehreren Bearbeitungsphasen nicht wahr (1Kön 5,1.4 sind in diesem Kontext spät-/nachexilische Einschübe. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die ganze alttestamentliche Salomogeschichte aus der Perserzeit stammt). Doch nur eine diachrone Betrachtung des Textes macht den allmählichen Entstehungsprozess des Textes in mehreren Phasen deutlich. Der Text besteht aus Schichten und Traditionen unterschiedlichen Alters, von der frühen Königszeit bis zur Perserzeit.

Der Vf. findet mehrere interessante altorientalische Parallelen für die alttestamentlichen Geschichten über Salomo (Merire-Erzählung; Bathseba-Erzählung; Nabots Weinberg, in denen eine Frau die Ursache für einen Mord ist (59 f.). Ihm zufolge bot die Erzählung über Asarhaddons Thronbesteigung (um 681 v. Chr.) die Grundlage für die alttestamentliche Geschichte (82). Ungeachtet der vielen Ähnlichkeiten braucht man jedoch keine literarische Beziehung zwischen den Texten zu postulieren. Die Konstellation (intrigante Männer und Frauen um einen altersschwachen König) ist relativ allgemein. Dies bedeutet zwar nicht unbedingt, dass es eine literarische Beziehung zwischen den Texten gäbe, weist aber vielleicht auf eine gemeinsame Gattung bzw. einen gemeinsamen Kontext hin. Der Vf. untersucht gründlich die Rolle Bathsebas in den Hofintrigen. Teilweise übersieht er jedoch frühere literarkritische Beobachtungen der Forschung, die manche Besonderheiten des Textes hätten erklären können (67­69). So ist z. B. der vermeintliche Eid des senilen Davids zu Gunsten der Thronfolge Salomos wahrscheinlich eine Erfindung der intriganten Bathseba und Nathans. Der Vf. weist auf die Lücken der Erzählung als literarkritisches Kriterium hin (69). Etwas später stellt er folgende zutreffende Überlegungen an: »Oder machen sich Natan und Batscheba gemeinsam Davids Senilität zu Nutze, indem sie David an einen nie gegebenen Schwur erinnern?« (80) In ähnlicher Weise übertreibt Nathan die Aktionen Adonijas, um einen Grund für dessen Beseitigung zu geben (71, vgl. 104).

Nach Ansicht des Vf.s ist die Abischag-Episode (1Kön 1,1­4.15; 2,13­26) später der Erzählung zugefügt worden, um die Sünde Salomos (durch den Mord an Adonija) abzumildern und Adonijas Schuld als Usurpator herauszustreichen (114). Die schöne Abischag hat eine für die Hofintrige wichtige Stellung: Sie hat freien Zutritt zum König und damit (erotische) Macht, die Situation am Hof zu bestimmen. Versucht Adonija, diese Macht für sich zu gewinnen, oder ist er nur ein naiver, verliebter junger Mann, der nicht ahnt, wie seine Bitte, Abischag zur Frau zu bekommen, gegen ihn verwendet werden wird? Ich würde Adonija in der Erzählung eher als einen naiven und unschuldigen Prinzen denn als einen intriganten Usurpator ansehen.

Der Vf. zieht über die alttestamentliche Salomohistoriographie und ihre vielen Frauen und Reichtümer folgende Bilanz: »Sowohl die verfehlte Außenpolitik Salomos, die ihren Ausdruck in seinen zahlreichen ausländischen Frauen findet, als auch seine verfehlte Steuerpolitik werden als Gründe für den Zerfall des Großreiches angeführt. In den Salomogeschichten in 1Kön 1­11 selbst erfolgt keine direkte Kritik an den kostspieligen Projekten Salomos. Zwischen den Zeilen kann der Leser aber dennoch erkennen, dass Glanz und Prunk Salomos nicht dem Wohle Israels dienlich waren. Demgegenüber ist die Bewertung der ðFrauengeschichtenÐ Salomos weniger zurückhaltend. Es sind die fremdländischen Frauen, die den Untergang des Reiches Salomos besiegeln« (162).

Auch der Rezensent hat in der Salomohistoriographie verdeckte Salomokritik gesehen: Salomos Reichtümer (Pferde, Bauarbeiten, tägliches Essen, Gold, Silber, Frauen) werden übertrieben, um Salomos Sünde gegen das Königsgesetz (Dtn 17) deutlich zu machen (vgl. P. Särkiö, Die Weisheit und Macht Salomos in der israelitischen Historiographie [SFEG 60], 1994, 239; Exodus und Salomo. Erwägungen zur verdeckten Salomokritik anhand von Ex 1­2; 5; 14 und 32 [SFEG 71], 1998, 5­13).

Die Königin von Saba als namentlich bekannte fremdländische Frau, die zu Salomo kam, wurde später in der jüdischen Literatur zum Prototyp der verführerischen fremden Frauen, die Salomo dazu brachten, den fremden Göttern zu opfern. Dies entzündete den Zorn Gottes, was die Spaltung des salomonischen Reiches und letztendlich die Zerstörung des Tempels zur Folge hatte. Das ist der Grund, warum die Königin von Saba im Verlauf der Traditionsgeschichte allmählich zur Dämonin Lilith wurde. Entsprechend wurde Salomo nicht nur als mächtiger Beschwörer der Dämonen (TSal), sondern auch selbst als Dämon, sogar als deren Anführer (ApkAd 7, vgl. Mt 12) angesehen (vgl. Särkiö 1998, 11 f.; ders., Salomo und die Dämonen, in: FS Tapani Harviainen, Studia Orientalia 99 [2004], 305­322).

Der Vf. nimmt auch die Wirkungsgeschichte der Salomotexte in den Blick, bis hin zu modernen Romanen und Filmen. Häufig wird die Salomogeschichte auf die erotische Episode mit der Königin von Saba reduziert. Dies ist besonders in der Filmindustrie der Fall.

Eine interessante Frage ist, welche Folgen das Bild des DtrG über Salomo als »Frauenliebhaber« und Ehemann von vielen fremden Frauen (1Kön 11,1­9) hatte, wenn dieses Salomobild zusammen mit dem Fremdheiratsverbot aus Dtn 7,3 betrachtet wird. Die Überschriften einiger alttestamentlicher Bücher lassen dies erahnen.

Diese Überschriften in späten Büchern (Spr, Pred, Hld) werden häufig so gedeutet, dass Salomo als Gründer der israelitischen Weisheitsliteratur geehrt werde. Die Überschrift »Salomo zugehörig« kann man jedoch auch in dem Sinne verstehen, dass diese Bücher über Salomo sprechen und darauf hinweisen, dass er gegen den Befehl des Gesetzes fremde Frauen hatte.

In den Sprüchen Salomos (Überschriften in 1,1; 10,1) wird ein Sohn vor verführerischen fremden Frauen gewarnt (Spr 2, 16; 5,1­5.15­20; 6,24; 7,5; 9,13­18) und ermahnt, der Weisheit zu folgen (Spr 1,1­7; 2,1­5; 3,13­16; 4,4­9; 8,1 ff.; 9,1­12). Diese Sprüche konnte man so lesen, dass mit dem jungen Sohn (vgl. 1Kön 3,7) Salomo gemeint war, der einen guten Grund hatte, fremde Frauen zu fürchten (vgl. 1Kön 11,1­9). Die Sammlung der Sprüche Salomos endet passend: »Keine Weisheit gibt es, keine Einsicht,/keinen Rat gegenüber dem Herrn. Das Ross wird gerüstet für den Tag der Schlacht,/doch der Sieg steht beim Herrn« (Spr 21,30 f.).

In ähnlicher Weise scheinen die Überschrift von Kohelet (1,1) und manche Abschnitte dieses Buches (1,12­18; 2,4­9) auf Salomo, dessen Weisheit und Reichtümer ­ einschließlich Frauen (2,8) ­ hinzuweisen, und zwar in negativem Sinne. Auch die Überschrift des Hohenliedes (1,1) zusammen mit einigen weiteren Versen (1,5; 3,7­11; 6,8­10; 8,11­12) deuten auf Salomo hin. An zwei Stellen (4,9; 7,6) wird beschrieben, wie die Braut den Bräutigam (bzw. König) »verzaubert« und »gefangen« hat. Diese Belege könnte man als eine kritische Schilderung Salomos lesen: Seine (fremden) Frauen übten Macht über ihn aus, weshalb er seine Weisheit verlor.

In der apokryphen Weisheit Salomos (Sapientia Salomonis, entstanden zwischen 80­30 v. Chr. in Alexandria) findet sich ein autobiographischer Abschnitt über König Salomo (Kapitel 7­9), der bestrebt ist, Salomo in einem positiven Lichte darzustellen: Er habe die Lehre der Sprüche befolgt und Frau Weisheit von Jugend auf geliebt und gesucht. Letztendlich habe er beschlossen, die Weisheit als Lebensgefährtin heimzuführen (8,9). Es scheint, das Buch Weisheit reagiere auf die früheren unter dem Namen Salomos verfassten Bücher (Spr, Pred, Hld) und deren Kritik an ihm: Salomo habe seine Weisheit und Gottesfurcht bewahrt und sei nicht fremden Frauen und Göttern nachgegangen.

Dieses Buch über König Salomo eröffnet interessante neue Perspektiven über die Figur des Königs und die israelitische Literatur insgesamt.