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Ausgabe:

Juni/2006

Spalte:

775–777

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Agu, Ambrose Chineme

Titel/Untertitel:

The Eucharist and Igbo Communal Spirit Towards a Solid Inculturation of the Christian Faith in Igboland

Verlag:

Würzburg: Echter 2004. 256 S. gr.8° = Bonner Dogmatische Studien, 39. Kart. Euro 25,00. ISBN 3-429-02660-1.

Rezensent:

Heinrich Balz

Bei dogmatischen Studien nichteuropäischer, besonders afrikanischer Autoren zögern theologische Redaktionen, wem sie zur Besprechung zuzuweisen sind: ob der Systematischen Theologie oder der Religions-, Missions- und Afrikawissenschaft. Beides lässt sich begründen. Interessant und dem Erkenntnisfortschritt dienend wird es, wenn solches Zögern, solche sachgemäße Unentschiedenheit sich in den Untersuchungen afrikanisch theologischer Autoren selbst findet, wenn also vorwiegend afrikanische mit eindeutig nichtafrikanischen Kapiteln zusammengefügt sind. In diesem Sinne bringt das verbindende »und« in A. C. Agus »The Eucharist and Igbo Communal Spirit« den Leser auf mögliche neue Gedanken.

Die an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Bonn bei J. Wohlmuth geschriebene Dissertation setzt ein mit der These, dass alle Schwächen des christlichen Glaubens bei den Igbo im südöstlichen Nigeria ­ sonst unter dem Namen Ibo bekannter ­ von der bisher nicht hinreichend vollzogenen Inkulturation herstammen. Kapitel 1 artikuliert die bei der Eucharistie im katholischen Afrika entstehenden Probleme: nach der einen Seite wird sie, wie bei B. Bujo aus dem Kongo, zu schnell zum Mahl des Proto-Ahnen Christus afrikanisiert, nach der anderen steht sie in den von Missionaren geschriebenen Katechismen in Igboland noch immer unter dem Einfluss weltlos-dualistischer Missionstheologie und einer Lehre von der Realpräsenz, der das communio-Element fehlt. Ohne dieses ist aber an die Seele der Igbo und ihre Kultur nicht heranzukommen, wie Kapitel 2 über den »Igbo Communal Spirit« konkret und mit sozialanthropologischem Detail darlegt. Erst zum Schluss des Kapitels erwähnt A., dass auch die vorkoloniale Igbo-Gesellschaft ihre Rechtlosen und Nichtintegrierten kannte: die Sklaven und die kultisch stigmatisierten Osu. Ein kontrastierender Vergleich mit anderen afrikanischen Völkern, der die relative Stärke des Individuums in der traditionalen Gemeinschaft der Igbo zeigen würde, findet nicht statt.

Kapitel 3, »Towards the Theology of Eucharistic Communio«, ist das längste, das eigentlich dogmatische und das Gegengewicht zu den afrikanischen Kapiteln. In Anlehnung an J. Wohlmuth und A. Gerken geht es die ganze Geschichte der Theologie der Eucharistie durch, um zu zeigen, wie das neutestamentlich bei Jesus und Paulus (1Kor 11) angelegte communio-Motiv hinter dem Opfer- und Wandlungsmotiv schrittweise verloren ging bis hin zum Tiefpunkt des »materialistischen Realismus« im Mittelalter, der das Personal-Relationale im Geschehen der Eucharistie nicht mehr verstand. Hiergegen protestierte die Reformation zu Recht; aus ihrer »Einseitigkeit« habe die katholische Kirche bis heute noch zu lernen und hat dies auch, beginnend mit dem Tridentinum bis hin zum Vaticanum II mit der Wiederentdeckung der communio des Volkes Gottes und ihrer Verankerung in der innergöttlich trinitarischen communio getan. Nur ein ganzheitliches, auf relationaler Ontologie sich begründendes Verständnis der Eucharistie, wie von Rahner, de Lubac und anderen entwickelt, kann sie überhaupt wieder zur Mitte des katholisch christlichen Lebens werden lassen.

Von Inkulturation und den Igbo ist in Kapitel 3 nicht die Rede; sie bestimmen aber um so deutlicher wieder die drei verbleibenden kürzeren Kapitel. Kapitel 4 weist nach, wie der Katechismus der Missionare bei der falschen, ungeeigneten Opferart der alten Religion anknüpfte, und zeigt die richtige Anknüpfung beim festlichen Opfer mit Gemeinschaftsmahl auf. Kapitel 5 unterscheidet den schon in der Tradition gewussten wahren Gott von den bis heute auch bei Igbo-Christen fortbestehenden falschen »Gottesbildern« und konfrontiert die richtig verstandene eucharistische communio mit den Stärken und Schwächen gegenwärtigen Igbo-Sozialverhaltens. Kapitel 6 öffnet die Perspektive hin zur eschatologischen Vollendung und warnt die katholische Geistlichkeit vor einem communio-feindlichen Klerikalismus, wie er in Nordafrika zur Zeit des jungen Islam Ursache des Zusammenbruchs der christlichen Kirche geworden sei.

»Solide Inkulturation« des christlichen Glaubens verspricht A. im Untertitel seiner Untersuchung. Unübersehbar ist, dass er, im Unterschied zur ersten Generation afrikanisch christlicher Theologen, auch von den dunklen, veränderungsbedürftigen Seiten seiner angestammten Kultur, nicht nur von denen des Westens, weiß: Die Igbo-Seele ist nicht ungebrochen und naturaliter christiana. Sie nimmt am Evangelium denselben Anstoß wie andere menschliche Kulturen auch. Dass der christliche Mensch nicht nur in Kult, Nachfolge und Selbstverleugnung, sondern wesentlich im Glauben an den Sohn Gottes lebt, dies findet bei A., trotz seiner Berufung auf Gal 2,20 (216), keine eigene Aufmerksamkeit; hierüber wäre das katholisch-evangelische Gespräch mit ihm aufzunehmen. Nur angedeutet, aber nicht eigentlich ausgesprochen ist die folgenreiche theologiegeschichtliche Einsicht, dass unbedachte, spontane Inkulturation auch zu weit gehen und zu solide werden kann: Das mittelalterliche Missverständnis der Eucharistie war das Werk der germanischen Völker, welche Bibel und Kirchenväter zwar lasen, aber nicht mehr verstanden (125­138). Die schrittweise Wiedergewinnung des symbolischen und communio-bestimmten Eucharistieverständnisses in neuerer Zeit andererseits speiste sich aus unterschiedlichen Quellen, die afrikanischem communio-Denken sachlich nahe stehen, ohne irgend von ihm herzukommen: Ecclesia naturaliter africana. Von hier aus wäre mit der Inkulturation zusammen auch die Frage nach der Universalität und Katholizität des christlichen Glaubens noch einmal neu zu artikulieren.