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Ausgabe:

Juni/2006

Spalte:

758–760

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Lee, Kye Won

Titel/Untertitel:

Living in Union with Christ. The Pr.actical Theology of Thomas F. Torrance

Verlag:

New York-Washington/Baltimore-Bern-Frankfurt a. M.-Berlin-Brussels-Vienna-Oxford: Lang 2003. XVI, 357 S. gr.8° = Issues in Systematic Theology, 11. Geb. Euro 86,70. ISBN 0-8204-5715-9.

Rezensent:

Thomas Zeilinger

In der leicht überarbeiteten Veröffentlichung seiner von Ian R. Torrance (University of Aberdeen, Scotland) betreuten Dissertation hat Kye Won Lee den bemerkenswerten Versuch unternommen, die Theologie Thomas F. Torrance¹ in ihrem inneren Zusammenhang nachzuzeichnen. Dem in Princeton geschulten koreanischen Theologen gelingt es auf ebenso schlüssige wie überzeugende Weise die (theo-)logische Struktur eines der großen europäischen Theologen des 20. Jh.s systematisch im titelgebenden Bild der »Union with Christ« zusammenfassen. Eine ähnlich umfassende Darstellung der Kerngedanken von Torrance¹s theologischem Denken lag bisher nicht vor. Die Sorgfalt, mit der L. sich seiner Aufgabe gestellt hat, ermüdet freilich in der Ausführlichkeit der Entfaltung gelegentlich, zumal nicht an allen Orten der zusätzliche Erkenntnisgewinn gleichermaßen deutlich wird.

Die Gliederung seiner Arbeit entfaltet L. vom inhaltlichen Zusammenhang des bei Torrance erkennbaren Kerngedankens aus: »Our union with Christ is to be understood as union in our whole being, i. e. knowing (epistemological), being (ontological), and action (sacramental and eschatological)« (8). Unter dem Titel Union-in-Distinction entfaltet L. im ersten Kapitel die Epistemologie von Torrance (9 ff.), Union in Christ überschreibt er den zweiten, soteriologischen Teil (99 ff.) und Union with Christ die Darstellung und Diskussion der sakramentalen und eschatologischen Aspekte (195 ff.), ehe die Zusammenfassung den Ertrag bündelt (295 ff.). Eine sorgfältige Bibliographie sowie Namens- und Sachverzeichnis beschließen das Buch.

L. betont das christologische ðPraeÐ und setzt dennoch bei ontologischen und methodologischen Aspekten ein, weil sich so Torrance¹ Theologie aus der »Vogelperspektive« (8) einordnen lasse. L. zeichnet die Kritik Torrance¹ an der Dominanz dualistischen Denkens in der westlichen Hemisphäre nach, zu der er sich mit Verweis auf Einsteins integratives Weltbild berufen fühlt. Gegenüber der Subjekt-Objekt-Trennung plädiert Torrance (in Aufnahme von K. Barth) für eine »kritisch-realistische« Epistemologie (29 f.). Dabei gelingt es L., die theologischen Zusammenhänge präzise herauszuarbeiten, die Torrance¹ onto-relationale Epistemologie fundieren. Zusammenfassend formuliert er: »The knowledge of God finally realized in hypostatic union is given to us through union with Christ. Therefore, union with Christ is the alpha and omega of T.s theological epistemology. Š The humanity of Christ is the essential norm and pattern of our knowledge of God. Cardinal to T.s epistemology and methodology, hence, is union with Christ. In a word, it is Christocentric sacramental epistemology.« (297) L. erkennt zu Recht, dass es Torrance nicht um formale Schematisierung, sondern um die »christologische Analogie« zu tun ist. Ob und wie diese zu Recht so »rational« und »realistisch« gefasst werden kann, wie Torrance dies der Theologie zutraut, wird von L. nicht grundlegend hinterfragt, da er sich selbst hier ganz der Position von Torrance anschließt. »In sum, T.s theological epistemology is formally trinitarian, materially Christological and actualistically or practically pneumatological.« (298)

Der zweite Teil rückt das Moment der Inkarnation in den Mittelpunkt: »Christ¹s incarnational union with us is central to Torrance¹s whole theology, so that his theology can be in a sense characterized us an incarnational theology« (121). Dementsprechend beleuchtet L. Torrance¹ Offenbarungsverständnis in der Beziehung zu Israel (103 ff.) und zu den Koordinaten von Raum und Zeit (111 ff.; Inkarnation nicht außerhalb von Raum und Zeit, sondern als raumzeitliches Ereignis). L. zeigt, wie Torrance das katabatische und das anabatische Moment der Christologie zusammensieht. Dabei versteht er die »Union in Christ« ganz von der Person Christi her: »Š everything revolves around the Person of Christ. Cardinal to his theology is, therefore, Christ¹s homoousial relation to God and the hypostatic union in his Person Š By homoousion, Torrance combines redemption and creation, revelation and reconciliation, Incarnation and atonement, grace (the gift) and God¹s own Being (the Giver)« (300). Akribisch arbeitet L. heraus, wie Torrance die traditionelle Vorstellung der hypostatischen Union dynamisiert und den soteriologischen Horizont mithilfe des Gedankens der Enhypostasie betont (137 ff.). In der Logik seines theologischen Ansatzes versteht Torrance das Versöhnungswerk Gottes in Jesus Christus als objektiv-ontologische Realität und lehnt von daher moralische oder juridische Versöhnungsvorstellungen als ungenügend ab. L. diskutiert in diesem Zusammenhang auch die Frage, welche Rolle in einem solch stark ausgeprägten ontologischen Stellvertretungsdenken dem Handeln der Christen überhaupt noch zukommt. Dazu unterscheidet er die »objektive« von der »subjektiven« Seite, die freilich ihrerseits eindeutig Gott als dem Subjekt der Versöhnung nachgeordnet bleibt (178 ff.).

Dieser Gedanke bildet die Brücke zum dritten Teil »Union with Christ«. Die Koinonia-Vorstellung wird von Torrance so bestimmt, dass die Christen durch den Heiligen Geist an der Vater-Sohn-Beziehung teilhaben. »This insertion of hypostatic union by the atonement and resurrection of Christ actively and critically creates room or space for itself in our midst, i. e. the Church.« (199) Auch hier zeichnet L. akribisch nach, wie für Torrance die Vorstellung der »hypostatic union« den Dreh- und Angelpunkt für Sakramentsverständnis und Ekklesiologie bildet. »An important clue for our trinitarian understanding of union with Christ may now be drawn: the cause (causa) of ðunion with ChristÐ is prothesis, the election of God. Its substance (materia) is mysterion, the hypostatic union in Jesus Christ, and its fulfillment (effectus) is koinonia, the communion of the Holy Spirit.« (201) L. zeigt, wie Torrance sich zwar in der Tradition Calvins bewegt, diese Tradition aber zugleich unter den Bedingungen gegenwärtigen Denkens entscheidend dynamisiert. Deutlich wird dabei, wie Torrance von seiner (im ersten Teil entfalteten) integrativen Struktur her »objektiv-ontologische Wirklichkeit« und »subjektiv-eschatologische Realisierung« (303) zusammenzudenken vermag. L. zeigt dies sowohl an den Themen Rechtfertigung und Heiligung (211 ff.), erläutert aber die Beziehung Kirche ­ Christus zugleich auch in ihren sakramentalen, pneumatologischen und eschatologischen Perspektiven (221 ff.). Es überrascht dabei nicht, dass das letzte Kapitel (251 ff.) die Identität der Kirche in all diesen Dimensionen in dezidiert protestantischer Weise noch einmal entschieden an ihre christologischen Voraussetzungen zurückbindet ­ nicht ohne diese ihrerseits trinitarisch zu verstehen: »In the end, union with Christ is not a static or metaphysical concept, but rather a dynamic and onto-relational one ultimately grounded in the union and communion of the Trinity. Therefore, it is by being dynamically united with Christ that we are exalted and elevated into the Life and Love of the Triune God. Thus, Torrance upholds both katabasis and anabasis.« (307)

Auch ans Ende seiner eigenen zehn Anmerkungen bzw. »Empfehlungen« zur Bewertung der Theologie von Torrance (309 ff.) stellt L. (m. E. zutreffend) die trinitarische Struktur von dessen theologischem Denken. Zur Charakterisierung von Torrance¹ Theologie bietet L. dabei zwei Bilder an: wenig überzeugend das eines römischen Streitwagens mit drei Rädern (perichoresis, unio hypostatica, koinonia), die an der Achse von »union and communion« aufgehängt seien. Anregender und treffender dagegen das zweite Bild einer »prismatischen Theologie«: »Torrance¹s crystal prism is a theological instrument which is made with biblical materials. Three facets Š of this prism are perichoresis (meta-theological), unio hypostatica (theological) and koinonia (doxological). Š Torrance shows splendid radiance by slightly twisting his prism towards the eternal Light. This is probably the main reason why readers of Torrance cannot but expericence difficulty, fascination and confusion.« (318)