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Ausgabe:

Juni/2006

Spalte:

756–758

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Montgomery, Ingun

Titel/Untertitel:

Sveriges kyrkohistoria. Bd. 4: Enhetskyrkans tid.

Verlag:

Stockholm: Verbum 2002. 331 S. m. Abb. gr.8°. Geb. SEK 445,00. ISBN 91-526-2459-5.

Rezensent:

Heinrich Holze

Dieser Band ist in dem von Lennart Tegborg herausgegebenen Sammelwerk zur schwedischen Kirchengeschichte, dessen acht Bände von der Missionszeit bis in die Gegenwart reichen, erschienen. Autorin ist Ingun Montgomery, emeritierte Kirchenhistorikerin an der Universität Oslo, die bereits durch zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte Skandinaviens in der Neuzeit hervorgetreten ist. Die Darstellung von Bd. 4 behandelt die Zeit von der Wiedereröffnung der Universität Uppsala 1595 bis zum Anfang des 18. Jh.s, beschreibt also den Zeitraum zwischen Reformation (Bd. 3) und Pietismus (Bd. 5). Der Untertitel »Die Zeit der Einheitskirche« ist mit Bedacht gewählt. Er benennt die aus kirchengeschichtlicher Sicht entscheidende Signatur der Zeit, die im engen Zusammenwirken zwischen geistlicher und weltlicher Sphäre ihren Ausdruck findet. Schweden entwickelt sich zu einem politisch und kirchlich homogenen Staat, in dem die Kirche eine tragende Rolle einnimmt. Die Darstellung ist in vier Kapitel gegliedert.

Kapitel 1 schildert den Konsolidierungsprozess der Kirche an der Wende zum 17. Jh. im Zeichen des lutherischen Konfessionalismus (1595­1611). Die Synode von Uppsala 1593 bildet den Ausgangspunkt einer Entwicklung, die dem Aufbau des zentralistischen Nationalstaates entspricht. Der Universität Uppsala fällt die Aufgabe zu, Prediger und Beamten für Kirche und Staat auszubilden. Das Legitimitätsproblem königlicher Herrschaft, das mit dem Übergang der Machtausübung vom katholischen König Sigismund auf den evangelischen Herzog Karl entsteht, wird unter entscheidender Mitwirkung der lutherischen Bischöfe auf dem Krönungsreichstag 1607 zu Gunsten Karls IX. entschieden.

Kapitel 2 beschreibt den Aufstieg Schwedens unter Gustav II. Adolf (1611­1632). Schweden wird zur führenden Macht des Protestantismus im europäischen Glaubenskampf. Die baltische Politik und der Einstieg in die kontinentalen Kriegshandlungen beenden Schwedens Isolierung und öffnen den Weg zu einer europäischen Politik. Das religiöse Herrschaftsverständnis des Königs wird mit der Herleitung des eigenen Geschlechtes aus dem Alten Testament begründet. Zu den königlichen Aufgaben gehört der Schutz der reinen Lehre und der Rechtsordnung ebenso wie die Hoheit über das Heer. Ein brennendes ethisches Problem ist die Vorstellung vom ðGerechten KriegÐ und die Frage, ob ein Angriffskrieg außerhalb der Landesgrenzen begründet werden kann. Die Kirche erhält in dieser Zeit mehr Selbständigkeit. Zu ihren wichtigsten Repräsentanten gehört Johannes Rudbeckius.

Kapitel 3 behandelt die Zeit nach dem überraschenden Tod Gustav II. Adolfs (1632­1672). Es ist eine Zeit vormundschaftlicher Regierungen, in der dem Adel bedeutende Macht zuwächst, was zu Spannungen mit den Ständen führt. Königin Katharinas Neigung zum Katholizismus, die nach ihrem Thronverzicht 1654 zur Konversion führt, hat zur Folge, dass sich in der Kirche eine an die Konkordienformel anknüpfende strenge lutherische Orthodoxie entwickelt. Im Ringen um die rechte Lehre spielt der Einfluss des synkretistischen Streites in Deutschland eine Rolle. An den Universitäten wird zur gleichen Zeit ein heftiger Streit zwischen den Schulen des Aristotelismus und des Cartesianismus ausgetragen.

Kapitel 4 hat die Stellung der Kirche in der Zeit des Absolutismus zum Gegenstand (1672­1705). In der Ausbildung einer starken Königsmacht hat Schweden an der kontinentalen Entwicklung Anteil. Der Erlass kirchlicher Gesetze gehört ebenso wie die Einführung kirchlicher Bücher in die königliche Hoheit. Der Druck der Bibel Karls XII. 1703 ist dafür ein deutliches Zeugnis. Zu den weiteren Themen gehören die Bedeutung der Religion für das Staatswohl, die Entstehung kirchlicher Uniformität und das Wirken einzelner Bischöfe. Die Kirche behält auch im Absolutismus eine wichtige Machtstellung und hat durch Buchzensur Aufsicht über alle Druckerzeugnisse, die religiöse Fragen betreffen. Die Provinz Schonen wird unter Mitwirkung der Kirche in das schwedische Königreich integriert. In diese Zeit fällt auch die Verbreitung von Aberglaube und Volksreligiosität. Im Ausgang des Jahrhunderts werden die Vorboten des beginnenden Pietismus erkennbar.

Die Darstellung des Hauptteils wird durch vertiefende Artikel ergänzt, die von Fachgelehrten verfasst sind und weitere Aspekte der Kirchen- und Geistesgeschichte des 17. Jh.s beleuchten. Allan Ellenius bietet Informationen über die kirchliche Kunst und künstlerische Auffassung in der Großmachtszeit. Die Entwicklungen in den außerhalb des schwedischen Kernlandes liegenden kirchlichen Gebieten werden in zwei Aufsätzen beleuchtet: Simo Heininen schreibt über die finnische Kirchenprovinz, die ein integrierter Teil des schwedischen Königreiches ist; M. schreibt über das Ingermanland und das Baltikum, wo lutherische Kirche und Theologie durch die Begegnung mit der Orthodoxie herausgefordert werden. Unter den Regenten nimmt Königin Kristina eine besondere Stellung ein. Eva Hætter Aurelius analysiert ihr Bild in Literatur und Kunst und beschreibt die zwiespältige Wahrnehmung unter den Zeitgenossen. Das kirchliche Leben in den Gemeinden wird in drei Artikeln behandelt. Ragnar Norrman untersucht den Weg eines schwedischen Pfarrers ins Pfarramt; Egil Johansson gibt unter Auswertung von Visitationsprotokollen einen Einblick in die Praxis des kirchlichen Unterrichts; Christer Pahlmblad beschreibt das gottesdienstliche Leben. Göran Inger analysiert die Kirchengesetzgebung, welche u. a. die Machtverteilung zwischen König und Kirche regelt. Valborg Lindgärde untersucht die Erbauungs- und Gebetsliteratur der Zeit, in der eine wichtige Seite des geistlichen Lebens erkennbar wird. Zwei Artikel sind der kirchlichen Musik gewidmet: Erik Kjellberg schreibt über geistlichen Gesang und Musik, Bernt Olsson über das Gesangbuch von 1695, in dem sich die Vorboten einer neuen Frömmigkeit ankündigen. Die vertiefenden Artikel werden abgeschlossen mit einem Aufsatz von Inger Estham über die Ikonographie der liturgischen Gewänder.

Die schwedische Kirchengeschichte, die der Band bietet, ist anregend und spannend zu lesen. M. hat die Darstellung aus einer profunden Kenntnis der Epoche und des Forschungsstandes heraus geschrieben. In prägnanten Einführungen, die jedem Kapitel vorangestellt sind, werden die Fragestellungen des jeweiligen Zeitabschnittes benannt. Erhellend sind die zahlreichen Verbindungen zwischen der schwedischen und der deutschen (Kirchen-)Geschichte. Die vertiefenden Artikel behandeln wichtige Themen, die in der fortlaufenden Darstellung nur angedeutet werden können. Durch zahlreiche Abbildungen von Kirchen, Urkunden und Gemälden sowie durch Überblickskarten und Tabellen gewinnt die Darstellung an Plastizität. Das Literaturverzeichnis gibt Hinweise zur Weiterarbeit, das Sach- und Namensregister erschließt die Darstellung diagonal. Es ist erkennbar, dass in das Konzept pädagogische Überlegungen eingeflossen sind. Kirchengeschichte wird auf eine anschauliche Weise vermittelt.

Als Adressaten kommen nicht nur Studierende der Theologie in Betracht, sondern alle, die an der Geschichte Schwedens Interesse haben. Das Buch bietet ein lebendiges Bild von einer Zeit, die nicht nur für die Geschichte Nordeuropas von Bedeutung gewesen ist, sondern in der sich ein wichtiges Stück europäischer Geschichte spiegelt.