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Ausgabe:

Juni/2006

Spalte:

754–756

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Lim, Paul Chang-Ha

Titel/Untertitel:

In Pursuit of Purity, Unity, and Liberty. Richard Baxter¹s Puritan Ecclesiology in Its Seventeenth-Century Context

Verlag:

Leiden-Boston: Brill 2004. XIX, 263 S. gr.8° = Studies in the History of Christian Traditions, 112. Geb. Euro 84,00. ISBN 90-04-13812-9.

Rezensent:

Martin Ohst

Richard Baxter (1615­1691) wurde 1638 ordiniert, übernahm jedoch zunächst keine feste Pfarrstelle, sondern arbeitete als lecturer (Prädikant), weil er sich nicht in die als katholisierend empfundene kirchliche Ordnung unter König Karl I. und William Laud, dem Erzbischof von Canterbury, zu finden wusste. 1640 wurde er Pfarrer in Kidderminster/Worcestershire und nahm dann ab 1645 als Feldprediger im Parlamentsheer am Bürgerkrieg teil. 1647 kehrte er nach Kidderminster zurück. Nach dem Ende des Protektorats und der Restauration der Stuart-Monarchie (1660) lehnte er es ab, Bischof zu werden, und wurde daraufhin amtsenthoben; fortan predigte er gelegentlich und arbeitete als religiöser und kirchenpolitischer Schriftsteller.

In seiner methodisch ganz konventionellen, höchst materialreichen Studie, die auf seiner von Eamon Duffy betreuten und in Cambridge angenommenen Dissertation aufbaut, rekonstruiert L. das Kirchenbild, das der praktischen und literarischen Arbeit dieses Mannes zu Grunde liegt, der, zumal in der reformierten angelsächsischen Welt, als mustergültiger Geistlicher sowie als überragend wichtiger Praktischer Theologe und Erbauungsschriftsteller gilt. Entscheidend für das Profil Baxters war es, dass er im Wandel der Zeitläufe und in unterschiedlichen polemischen Frontstellungen die Grundintentionen des klassischen elisabethanischen Puritanismus vertrat: Die gegebene Kirche mit ihrem Anspruch auf Zugriff gegenüber jedem Engländer sollte zu einem effektiven Instrument durchgebildet werden, das möglichst viele Menschen zu ernsten, bewussten Christen machte. Für das Denken Baxters war also ein Kirchenbild konstitutiv, das einerseits Raum gab für Menschen der unterschiedlichsten Bildungs- und Lebensstände, andererseits jedoch die Inhaber kirchlicher Leitungsämter zu autoritär-erzieherischem Zugriff nicht nur berechtigte, sondern geradezu verpflichtete.

Erhellend macht L. darauf aufmerksam, dass dieses Kirchenbild tief in den antidonatistischen Schriften Augustins verwurzelt ist. Eine bedeutsame Konsequenz dieser erzieherisch zentrierten Ekklesiologie liegt darin, dass Baxter, anders als die elisabethanischen Puritaner, in reinen Lehrfragen durchaus bereit war, unterschiedlichen Meinungen Raum zu geben; er selbst bevorzugte eine Fassung der Rechtfertigungslehre, die vorwiegend die aktive Heiligung des Menschen akzentuierte und die Rede von der vorzeitlichen göttlichen Erwählung eher an den Rand schob, womit er, theologiegeschichtlich betrachtet, »arminianischen« Tendenzen nahe stand. Als konsensuelle Grundlage kirchlicher Gemeinschaft erachtete Baxter die Schrift und das vornicänische kirchliche Altertum, für ihn die eigentlich »katholischen« Normen, für hinreichend. Praktisch bestätigte Baxter diese Grundsätze durch eine Predigtweise, die sich am Fassungsvermögen der Hörer orientierte, durch katechetische Arbeit, bei der seine Mitarbeiter und er jedes Haus in ihrer Gemeinde aufsuchten, sowie durch eine Konfirmationspraxis, die zum Bekenntnis im Sinne einer Lebensübergabe hinführen wollte. In alledem rechtfertigte er sich literarisch in der Zeit des Protektorats gegenüber den Vertretern der »Gathered Churches«, der Freiwilligkeitsgemeinden: Die Separation derer, die mit Ernst Christen sein wollten, war in seinen Augen nichts weiter als ein Ausdruck von Pflichtvergessenheit und Lieblosigkeit. Es verband ihn jedoch mit den Freiwilligkeitsgemeinden das Bestreben, die empirische Gemeinde immer mehr ihrer Idealgestalt anzunähern, um sie zur Repräsentantin der unsichtbaren Kirche zu machen.

Trennte ihn von den Separatisten sein Beharren darauf, dass die ganze Gesellschaft, wie sie in einem gegebenen Kirchspiel existiert, der Gegenstand kirchlicher Erziehungs- und Erbauungsarbeit sei, so schied ihn von der bischöflich verfassten Kirche, zumal nach ihrer Wiederaufrichtung 1660, deren angebliches oder tatsächliches Versagen angesichts der Erweckungs- und Erziehungsaufgabe. Wesentlich war ihm die in der Gemeinde vom Geistlichen ausgeübte Kirchenzucht; von bischöflichen Gerichten verhängte Ordnungsstrafen, die auch mit Geldzahlungen abgelöst werden konnten, erschienen ihm demgegenüber als Perversionen kirchlichen Handelns. Nach der Restauration gehörte er anfangs zu denjenigen, die versuchten, puritanischen Gruppen und Anliegen in der neu errichteten bischöflichen Kirche Entfaltungsmöglichkeiten zu sichern (Modell der »comprehension«). Als sich stattdessen das System der ­ zunächst sehr beschränkten ­ Toleranz durchsetzte, trennte er sich zwar nicht von der großen Kirche, sondern nahm weiterhin in Gottesdiensten von Geistlichen, deren Amtsführung und Gesinnung er billigte, das Abendmahl (»occasional conformity«). Allerdings bekämpfte er die herrschende Kirchenpolitik mit weit ausholenden historischen Arbeiten, in denen er sie metahistorisch als Kampf der falschen Kirche wider die wahre deutete und in geschichtstheologische Zusammenhänge einstellte, an deren Anfang der Brudermord Kains stand. L. führte eine mit Augustin beginnende illustre Reihe von Gewährsleuten für diese Sichtweise an. Erstaunlich ist, dass er in diesem Zusammenhang nicht das »Book of Martyrs« von John Foxe nannte, wo ja genau diese Deutungsperspektive leitend ist ­ Baxter dürfte es von Jugend auf gekannt haben.