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Ausgabe:

Juni/2006

Spalte:

727 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Knierim, Rolf P., and George W. Coats

Titel/Untertitel:

Numbers.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2005. XII, 367 S. gr.8° = The Forms of the Old Testament Literature, IV. Kart. US$ 55,00. ISBN 0-8028-2231-2.

Rezensent:

Ludwig Schmidt

Mit diesem Kommentar liegt ein weiterer Band der Reihe »The Forms of the Old Testament Literature« vor, in der die Bücher des Alten Testaments vor allem unter formkritischem Aspekt ausgelegt werden. Die Analysen bestehen jeweils aus Structure ­Genre ­ Setting ­ Intention. Im 1. Kapitel (3­26) beschreibt K. Numeri als »The Saga of the Migratory Campaign«. Das Buch sei in die beiden Abschnitte Vorbereitung (1,1­10,10) und Ausführung (10,11­36,13) zu gliedern. Diese Struktur sei eine typische literarische Form, die in Berichten und Erzählungen über Bauten oder Feldzüge belegt sei (20 ff.). In seiner Endgestalt sei Numeri das eigene theologische Programm der aaronitischen Priester für die wahre Gemeinde, zusammen mit der Warnung, das Versagen der ursprünglichen Generationen zu wiederholen (26). In Kapitel 2 »The Legend of the Organization of the Sanctuary Campaign (1:1­10:10)« (27­41) führt K. aus, dass das Lager der Israeliten in Num 1­4 als »sanctuary camp« organisiert werde. Damit werde ihre Wüstenwanderung als »sanctuary campaign« gedeutet. Das entspreche der Gattung der vorpriesterlichen Darstellung, in der die Wüstenwanderung der Feldzug eines Heiligen Krieges sei. P habe aber in Num 1­4 diese Gattung durch wunderhafte und ideale Elemente zur Legende abgewandelt (37 f.). Der Kern von Num 1­4 entwerfe wohl die Vision einer Rückkehr in das Land durch »an epiphanic sanctuary campaign accompanied by the Yahweh-host, not unmilitary in nature« (40). Die einzelnen Einheiten in 1,1­10,10 analysiert K. im 3. Kapitel (42­134).

Für die Makrostruktur von Num 10,11­36,13 vertritt K. im 4. Kapitel (135­147) im Anschluss an Won W. Lee (Punishment and Forgiveness in Israel¹s Migratory Campaign, Grand Rapids-Cambridge, 2003) die konzeptionelle Einheit. Hier seien die wesentlichen theologischen Aspekte: Jahwes Gegenwart, Führung und Plan sowie das Versagen Israels und die Reaktion Jahwes (144 f.). Im 5. Kapitel (148­331) werden die einzelnen Einheiten in 10,11­36,13 behandelt. Hier stammen die Analysen von Num 11­36 von C. Er unterscheidet zwischen dem Jahwisten (J), der Priesterschrift (P) und Ergänzungen. In seinen Analysen vertritt C. für die Struktur von Num 11­36 eine andere Auffassung als K. in Kapitel 4. Aus ihnen und dem Kommentar von C. zu Ex 1­18 in FOTL IIA (vgl. zu ihm W. H. Schmidt, ThLZ 126 [2001], 369) rekonstruiert David Palmer im »Appendix« (332­336) für den Komplex Num 11­36 und für seine J- und P-Bestandteile jeweils die Makrostruktur, die C. vermutlich annahm. Im »Glossary« (337­367) werden für die Gattungen und Formeln die Begriffe und ihre deutschen Äquivalente erläutert.

Die Stärke des Kommentars besteht in den meist ausführlichen Textbeschreibungen in »Structure«. Er kann aber verschiedentlich nicht überzeugen. Dafür können hier nur einige Beispiele genannt werden. So bestimmt K. Numeri formkritisch als »Saga/Sage«. Nach seiner Definition ist »Saga/Sage a long narrative in prose or poetry about the progression of events in human groups from the ­ often distant ­ past« (144). Aber der Begriff »Sage« wird in der Regel als Gattungsbezeichnung für eine mündliche Einzelerzählung mit bestimmten Kennzeichen gebraucht. Numeri ist formkritisch keine Sage. Das Buch lässt sich wegen seines komplexen Inhalts keiner Gattung zuweisen. Er spricht auch gegen die von K. vertretene Gliederung in Vorbereitung (1,1­10,10) und Ausführungsbericht (10,11­36,13). Da die Angabe in 22,1 (»in den Steppengebieten von Moab Š«) mit kleinen Unterschieden in 36,13 aufgenommen wird, beginnt in 22,1 ein neuer Abschnitt. Dagegen hat K. eingewandt, dass bei dieser Gliederung inhaltliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt würden (143). Aber schon aus der lockeren Verbindung von Vorschriften und Erzählungen in 10,11­36,13 geht hervor, dass diesem Komplex keine einheitliche Konzeption zu Grunde liegt. Das gilt auch für den ersten Teil (1,1­10,10). K. weist darauf hin, dass es sich bei 5,1­10,10 überwiegend um Nachträge zu der ganzen Sinaiperikope handeln könne (33). In der Tat wird z. B. mit der Schilderung der Weihegaben in Num 7 der Bericht über die Aufrichtung des Heiligtums in Ex 40 ergänzt. Hier wird also nicht die Wüstenwanderung vorbereitet. Die Endgestalt von Numeri enthält m. E. eine territoriale Gliederung in die drei Abschnitte: Israel in der Wüste Sinai (1,1­10,10) ­ sein Weg von der Wüste Sinai bis zur Einnahme von Baschan (10,11­21,35) ­ Israel in den Steppengebieten von Moab (22,1­36,13).

Eine konzeptionelle Einheit lässt sich weder für das Buch als Ganzes, noch für seine einzelnen Teile aufweisen. Auch die literarkritischen Urteile, die C. in seinen Analysen von Num 11­36 voraussetzt, sind teilweise problematisch. C. weist z. B. die Bileam-Perikope (Num 22­24) mit Ausnahme der Sprüche in 24,20­24 J zu (252 ff.). Da sie aber markante Spannungen enthält, ist sie sicher nicht literarisch einheitlich. Auch wenn der Kommentar zu kritischen Rückfragen Anlass gibt, wird er für die weitere Diskussion über Numeri berücksichtigt werden müssen.