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Ausgabe:

Juni/2006

Spalte:

704–706

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Piñero, Antonio [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

En la frontera de lo imposible: Magos, médicos y taumaturgos en el Mediterráneo antiguo en tiempo del Nuevo Testamento

Verlag:

Cordoba: Ediciones el Almendro; Madrid: Universidad Complutense 2001. 348 S. gr.8° = En los origenes del Cristianismo, 13. Kart. Euro 21,00. ISBN 84-8005-029-2.

Rezensent:

Christoph Stenschke

Der vorliegende spanische Sammelband gibt einen ausgewogenen Überblick über das komplizierte Verhältnis von Magie, Medizin/Ärzten und Wunder(tätern) im antiken Mittelmeerraum zur Zeit des Neuen Testaments. Im Vorwort führt der Herausgeber, Professor an der Universidad Complutense in Madrid, in das Thema ein, versucht einige Definitionen und Abgrenzungen in Begriff und Sache (mit der entsprechenden Problematisierung: was für einen modernen Leser scheinbar klar zu unterscheiden ist, war in der Antike untrennbar verwoben) und umreißt die folgenden Beiträge (13­17). Zum Thema schreibt Piñero: »Diese Überlappung von Medizin/Heilung und Wunder im Neuen Testament sowie auf seinem Hintergrund ­ dem Alten Testament ­ zusammen mit der Diskussion möglicher magischer Elemente, die manche Forscher in den neutestamentlichen Berichten, besonders in den Evangelien und in der Apostelgeschichte wahrzunehmen glauben, berechtigen dazu, die Verbindung dieser drei Themen in diesem Buch zu behandeln Š im Zentrum des Interesses steht es, direkt oder indirekt die unauflösliche Beziehung dieser drei Themen darzulegen« (14).

Jesús-Luis Cunchillos untersucht Medizin, Wunder und magische Praktiken in den Kulturen Kanaans (19­38). Überraschend ist dabei, welche geringe Rolle Wunder in den Religionen Kanaans spielen. Piñero gibt einen ebenso instruktiven Überblick über Überreste von Magie, die sich in den Erzählungen, Bräuchen und Riten Israels finden (41­75). In der Mehrheit sind diese magischen Elemente lediglich Überreste vergangener Zeiten, die abgelegt werden sollen. In einigen Texten lässt sich der Übergang von einer magischen Mentalität zu einer streng religiösen aufzeigen (doch wo genau liegen die Unterschiede?).

Robert North vom Päpstlichen Bibelinstitut beschreibt Medizin und Therapien im Alten Testament (77­115). Dazu gehören Erfahrungen von Schmerz und körperlichen Fehlfunktionen im Alten Testament (an Kopf, Augen, Ohren, Nase, Zähnen, Herz als Sammelbegriff der inneren Organe, Haut und Knochen, Sexualorganen), Heilmittel im Umfeld der Bibel (Salben und Verbände, chirurgische Instrumente), die Rolle des Arztes (die Schilderung des Arztes in Jesus Sirach 38,1­15, sozialer Status und Ausbildung von Ärzten, Strafen für mutmaßliche Fehler, Imhotep und Hippokrates als Idealbilder des Arztes, Krankenhäuser, öffentliche Medizin und Prävention) sowie die Rolle Gottes als Arzt nach Exodus 15,26.

Luis Gil stellt das Verhältnis von Medizin, Religion und Magie in der griechischen Welt dar (117­139). Carmen Padilla untersucht »Theioi andres und Wundertäter in der Antike am Beispiel des Apollonius von Tyana« (141­162 ; vgl. dazu A. M. Reimer, Miracle and Magic: A Study in the Acts of the Apostles and the Life of Apollonius of Tyana, JSNT.S 235; Sheffield: SAP, 2002), damit in den weiteren Beiträgen die Analogien und Unterschiede zum Wunderwirken Jesu besser erfasst werden können. Ein entsprechender Beitrag über Wunder im Frühjudentum fehlt (vgl. z. B. E. Eve, The Jewish Context of Jesus¹ Miracles. JSNT.S 231; Sheffield: SAP, 2002 oder M. Becker, Wunder und Wundertäter im frührabbinischen Judentum: Studien zum Phänomen und seiner Überlieferung im Horizont von Magie und Dämonismus; WUNT II, 144; Tübingen: Mohr Siebeck, 2002).

J. Peláez von der Universidad de Córdoba und Herausgeber der Zeitschrift Filología Neotestamentaría widmet sich der Frage »Die grundsätzliche Möglichkeit und Geschichtlichkeit der Berichte der Wunder Jesu in der synoptischen Tradition« (165­195). Sind die Berichte über Jesu Wunder als einer literarischen Gattung zugehörig zu sehen, die die Tugenden und Fähigkeiten eines Helden hervorheben will, oder sind sie als wahre historische Berichte einzuschätzen oder liegen sie irgendwo dazwischen? Nach einem (dogmen)geschichtlichen Überblick über die Diskussion der Möglichkeit von Wundern (von Augustin bis Bultmann) reflektiert Peláez gekonnt deren Geschichtlichkeit (178­195). Nach einem nicht unproblematischen Ausschluss einer ganzen Reihe von Wundern argumentiert er bei anderen Berichten »für ein historische Grundlage, die in den Wundergeschichten auf authentische Taten im Leben Jesu hinweist« (194; vgl. die Diskussion bei G. Theißen, A. Merz, Der historische Jesus, 3. Aufl.; Göttingen: V & R, 2001, 256­84). In seinem zweiten Beitrag beleuchtet Luis Gil die Wunderheilungen im Neuen Testament von der Volksmedizin Palästinas her, um zu verstehen, welche Botschaft die neutestamentlichen Autoren durch die Erzählung dieser Wundergeschichten vermitteln wollten (192­215). H. C. Kee fragt, ob es Magie im Neuen Testament gibt (217­235), und untersucht die Faktoren Magie, Wunder und Medizin in griechisch-römischen Texten, die griechischen Zauberpapyri, Magie in den Evangelien und der Apg (ohne Berücksichtigung von Apg 28,7­10, auch Apg 19 hätte mehr als zehn Zeilen verdient!), die Unterschiede zwischen dem Neuen Testament und magischen Texten.

Angeles Navarro stellt Medizin (Situation des Arztes, Quellen medizinischen Wissens, Chirurgie), Magie und Wunder im nachbiblischen Judentum dar (237­260). François Bovon beleuchtet Wunder, Magie und Heilung in den apokryphen Apostelgeschichten (263­287). Er vertritt die These, dass nur die Zusammenschau mit der Verkündigung der Apostel, den Sakramenten und dem Martyrium es erlaube, die Funktion der Wunder in diesen Berichten richtig einzuschätzen. Neben den Erwähnungen bei Kee (230­233) und einzelnen Hinweisen hätten freilich sowohl die Apg des Lukas, Paulus als Wundertäter oder die apokryphen Evangelien einen eigenen Beitrag verdient (s. o. oder S. Schreiber, Paulus als Wundertäter: redaktionsgeschichtliche Untersuchungen zur Apg und den authentischen Paulusbriefen, BZNW 79; Berlin: W. de Gruyter, 1996 oder S. Alkier, Wunder und Wirklichkeit in den Briefen des Apostels Paulus: Ein Beitrag zu einem Wunderverständnis jenseits von Entmythologisierung, WUNT 134; Tübingen: Mohr Siebeck, 2001)! Auch für die Zeichen im JohEv stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Magie, Medizin und Wunder.

Im letzten Beitrag stellt Gustavo Bueno philosophische Überlegungen zum Thema an (289­322). Vom Herausgeber stammen »Abschließende Reflektionen über Magie und Wunder als den beiden Hauptthemen des Bandes« (323­328, ein Kapitel, das in vielen Sammelbänden fehlt!), die die Beiträge zusammenfassen und zuspitzen sowie das Verhältnis von antiken literarischen Formen, Konventionen, theologischer Interpretation und Historizität sowie den heutigen Umgang mit diesen Berichten diskutieren. Autorenregister (329­337) und Bibelstellenregister (339­348) runden den anregenden Band ab, der eine wichtige Fragestellung exemplarisch aufgreift, jedoch vom neutestamentlichen Befund her nicht umfassend behandelt. Der Band hat ein ausführliches Inhaltsverzeichnis (mit detaillierter Untergliederung der einzelnen Beiträge (7­12). Jedem Beitrag geht eine spanische Zusammenfassung voran.

Von Piñero und J. Peláez stammt auch die hervorragende Einführung in eine philologisch-historisch orientierte Exegese (El Nuevo Testamento: Introducción al estudio de los primeros escritos cristianos; Córdoba: Ediciones el Almendro, 1995; vgl. www.elalmendro.org; englisch als The Study of the New Testament: A Comprehensive Introduction, Tools for Biblical Study 3, Leiden: Deo, 2003; vgl. meine Rezension in Religion und Theology).