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Ausgabe:

Juni/2006

Spalte:

702–704

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Harland, Philip A.

Titel/Untertitel:

Associations, Synagogues, and Congregations. Claiming a Place in Ancient Mediterranean Society.

Verlag:

Minneapolis: Augsburg Fortress Press 2003. XVI, 399 S. m. 30 Abb. u. 3 Ktn. gr.8°. Kart. US$ 22,00. ISBN 0-8006-3589-2.

Rezensent:

Reinhard Feldmeier

Die Asia Minor war ein Zentrum des Diasporajudentums wie des sich ausbreitenden Frühchristentums. Wie der Titel der Untersuchung schon zeigt, untersucht die sozialgeschichtliche Arbeit von H. die gesellschaftliche Stellung von Juden und Christen im Kontext des gesamten kulturellen und sozialen Lebens der kleinasiatischen Städte, vor allem auch im Zusammenhang mit anderen Vereinen und Gilden, die unter dem Patronat eines Gottes standen. Ein besonderes Augenmerk gilt dem Kaiserkult, der zumeist als die eigentliche Ursache für die soziale Inkompatibilität der exklusiv monotheistischen Glaubensgemeinschaften und der antiken Gesellschaft angesehen wird. Dieser verbreitete ðtension (conflict) centered bzw. sectarian focused approachÐ wird von H. als eine zu einseitige Betrachtungsweise in Frage gestellt. An zahlreichen Stellen zeigt er, wie es im alltäglichen Leben auch im Blick auf kritische Punkte wie etwa den Kaiserkult durchaus auch zu unterschiedlichen Formen des Zusammenlebens und der Interaktion kommen konnte.

Die Untersuchung besteht aus drei Hauptteilen, die ihrerseits in jeweils drei Unterabschnitte zerfallen. Ein erster Teil »Associations in Roman Asia« zeigt zum einen die Vielfalt dieser Vereinigungen im Blick auf Herkunft und Zusammensetzung auf, versucht aber zugleich eine Typologie zu bieten, indem fünf Grundtypen identifiziert werden, je nachdem, ob ihr Zusammenhang durch die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Oikos, zu einer geographisch oder ethnisch bestimmten Gruppe, zu einer bestimmten Nachbarschaft, einer festgelegten sozialen Gruppe oder zu einer Gottheit gehören. Ein zweiter Unterabschnitt stellt die religiösen und sozialen Aktivitäten der verschiedenen Vereinigungen dar und zeigt, dass solche Gemeinschaften ihren Mitgliedern zwar ein besonderes Zugehörigkeits- gefühl vermittelten, dass dieses jedoch nicht notwendig, wie gerne angenommen wird, nur die Kompensation für den Niedergang der sozialen und religiösen Strukturen der gesamten Polis darstellte und folglich in Opposition dazu stand. Vielmehr konnte sich damit durchaus auch das Zugehörigkeitsgefühl mit einem größeren Ganzen verbinden. Das wird vor allem im dritten Unterabschnitt anhand der Inschriften gezeigt, aus denen klar hervorgeht, dass die Gemeinschaften oft aktiv am Leben der Polis teilnahmen, so dass diese und ihre Strukturen weiterhin als »locus of idendity« wichtig blieben.

Der zweite Hauptteil untersucht die Interaktion zwischen den Gemeinschaften und der Gesellschaft und Kultur unter römischer Herrschaft vor allem im Blick auf den Kaiserkult. Auch hier zeigt sich, dass dieses Zusammenspiel keineswegs primär von Spannungen und Feindschaft geprägt war, sondern dass die Riten für die Reichsgottheiten im Leben der zahlreichen Vereinigungen eine gewichtige Rolle spielten. Die Spannungen, die es hier und da gab, dürfen nicht überinterpretiert werden. »In general, associations were not anti-Roman or subversive groups, let alone sects in tension with society generally« (173).

Auf dem Hintergrund dieser allgemeinen Einsichten wird nun im dritten Hauptteil das spezielle Verhältnis der jüdischen und christlichen Gemeinschaften zur Gesellschaft der Asia Minor in den Blick genommen. Im Blick auf die Diasporasynagoge weist H. nach, dass diese keineswegs als eine Einheitsfront gegen den paganen Synkretismus angesehen werden kann, sondern dass gerade auch epigraphisches Material zeigt, wie es sehr vielfältige Weisen der Zusammenarbeit und somit sehr unterschiedliche Grade der Abgrenzung und Assimilation gab. Auch dem Kaiser wurde zwar kein göttlicher Status zuerkannt, er wurde aber von vielen Juden und Christen als eine zentrale Gestalt für die Ordnung der Welt anerkannt, der auch besondere Ehren zustanden und für die sie auch beteten. Die ohne Zweifel auch vorhandenen Spannungen entzündeten sich weniger am Kaiserkult als an der anderen Lebensführung und Lehre von Juden und Christen, die in ihrer unmittelbaren Umgebung auf Widerstand stieß.

H.s Kritik einer einseitig auf Spannungen fixierten Wahrnehmung des Verhältnisses von Juden und Christen und der paganen Gesellschaft ist nicht ganz neu (vgl. F. Vittinghoff: Christianus sum) und seine Begründungen sind nicht ganz frei von einer ebenfalls einseitig harmonisierenden Wahrnehmung der Quellen (wenn er etwa ausgerechnet den ersten Petrusbrief, der wie kaum ein anderes Schreiben des Neuen Testaments die elementare Entfremdung zwischen Christen und Gesellschaft zum Thema hat, nur als Zeugnis einer positiven Interaktion deutet). Dennoch handelt es sich bei diesem Buch um eine gleichermaßen informative wie kurzweilig, ja spannend geschriebene Arbeit, die für die Sozialgeschichte des frühen Christentums eine unentbehrliche Hilfe ist.