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Ausgabe:

Juni/2006

Spalte:

719–721

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Hardmeier, Ch., E. Talstra u. A. Groves [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Stuttgarter Elektronische Studienbibel (SESB). Stuttgart Electronic Study Bible.

Verlag:

Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft; Haarlem: Nederlands Bijbelgenootschap 2004. CD-ROM u. Handbuch (118 S. 8°). Euro 240,00. ISBN 3-438-01963-9 (Deutsche Bibelgesellschaft); 90-6126-846-X (Nederlands Bijbelgenootschap).

Rezensent:

Luc Herren

Mit der Stuttgarter Elektronischen Studienbibel (SESB) sind das Nestle-Aland Novum Testamentum Graece (27. Aufl.) und die Biblia Hebraica Stuttgartensia erstmals mitsamt ihren textkritischen Apparaten in einer Bibelsoftware verfügbar. Ebenfalls zum ersten Mal kommerziell erhältlich ist hiermit die linguistische WIVU-Datenbank für die BHS, erschlossen durch die SESB/ Quest-BHS-Suche. Weitere Vorzüge des Softwarepakets aus der Sicht unseres Sprachraums sind folgende Optionen: deutsche Benutzerschnittstelle, deutsches Handbuch (gedruckt und elektronisch), Wörterbücher mit Zielsprache Deutsch (Kassühlke für N-A27; Bosman, Oosting, Postma für BHS) und fünf zum Teil lemmatisierte deutsche Bibelübersetzungen. Enthalten sind auch die LXX (Rahlfs) mit Wörterbuch (Lust, Eynikel, Hauspie) sowie die Vulgata (Fischer, Weber). Die technische Basis der SESB ist das Libronix Digital Library System (LDLS) der Firma Logos. Gegenstand der Rezension ist SESB 1.0 auf der Basis von LDLS 2.1d.

Zunächst zur Wiedergabe der BHS und des Nestle-Aland: Die Bibeltexte werden wie bei solcher Software üblich ohne Randapparate dargestellt (d. h. es fehlen in N-A27: Parallelstellen, Eusebs Kanonzahlen; in der BHS: kleine Masora sowie Verweise auf die große Masora). Die textkritischen Apparate erscheinen jeweils als eigenständige Bücher innerhalb der SESB. Sie lassen sich auf zweierlei Arten zusammen mit dem Bibeltext der BHS bzw. des Nestle-Aland anzeigen: 1. Durch Bewegen des Mauszeigers über einen textkritischen Verweis wird ein Pop-up-Fenster erzeugt, das den dazugehörigen Apparateintrag enthält; 2. durch entsprechende Konfiguration (Handbuch, 60) bewegt sich der in einem separaten Fenster geöffnete Apparat synchron zur dargestellten Bibelstelle. Wird in einem textkritischen Apparat der Mauszeiger über ein Handschriftensigel oder eine Abkürzung bewegt, erscheint ein Pop-up-Fenster mit entsprechenden Informationen. Dies ist ein wesentlicher Vorteil gegenüber den gedruckten Ausgaben. Im Umgang mit mehrdeutigen Siglen schöpft die SESB das Potential der Technik allerdings nicht ganz aus: Beim Nestle-Sigel D etwa erscheinen die Informationen sowohl zur Handschrift 05 als auch zur 06, so dass man selber herausfinden muss, welche Handschrift im konkreten Fall gemeint ist.

Bei N-A27, LXX und BHS kann zu den einzelnen Wörtern eine vollständige morphologische Analyse eingeblendet werden. Für N-A27 wird dazu auf die hoch angesehenen GRAMCORD-Datensätze zurückgegriffen, für die LXX auf die bewährte CCAT-Analyse. Bei der BHS kommt die WIVU-Datenbank zum Einsatz (mehr dazu weiter unten).

Die Suchfunktionen bieten viele Möglichkeiten wie z. B. die Suche mit Booleschen Operatoren (AND, OR, NOT etc.) Die grammatischen Formen zu suchender Einzelwörter können präzise bestimmt werden. Die syntaktische Suche ist allerdings nicht so ausgereift wie bei anderen Softwarepaketen. Die Überprüfung etwa der These, dass bei Matthäus das Adjektiv häufiger vorangestellt ist als bei Mk, lässt SESB auf dem Rechner des Rezensenten abstürzen. Auch die Apparate können durchsucht werden. Bei N-A27 kommt hier die so genannte Suche nach Feldern zum Einsatz, damit z. B. beim Suchen nach der Minuskel 1 nicht auch alle sonstigen Vorkommen der Zahl 1 im Nestle-Apparat gefunden werden. Die Feldsuche funktioniert auch bei Handschriften, die in einem Gruppensigel »versteckt« sind. So werden bei der Suche nach Minuskel 69 auch die Treffer für f 13 aufgelistet. (Die Suche nach Feldern wird nicht im gedruckten Handbuch, sondern nur in der elektronischen Hilfefunktion erläutert; ich verdanke den Hinweis darauf Rubén Gómez.)

Für die linguistische Arbeit an der BHS steht die WIVU-Datenbank zur Verfügung, die Eep Talstra und die Werkgroep Informatica der Vrije Universiteit Amsterdam erarbeitet haben. Damit sind erstmals linguistische Suchaufträge auf Phrasen- und Satzebene möglich (derzeit in Genesis bis 2Könige; auf Wortebene in der ganzen BHS). Erschlossen wird die Datenbank durch die SESB/Quest-BHS-Suche, die unter der Leitung von Christof Hardmeier an der Universität Greifswald entwickelt wurde. Der Preis des großen Funktionsumfangs ist eine Benutzerschnittstelle, die für einfache Suchaufträge umständlicher zu bedienen ist als diejenige anderer Programme.

Zu beachten ist außerdem, dass gerade auf Phrasen- und Satzebene die Kodierung des BHS-Texts von der zu Grunde gelegten Grammatik abhängig ist. Bis der Vergleich entsprechender WIVU-Suchresultate mit denjenigen anderer Kodierungen möglich ist, sollte man im Umgang damit die gebührende Vorsicht walten lassen. Nichtsdestotrotz kann die SESB/Quest-BHS-Suche Analysen ermöglichen, die ohne Computer zeitlich nicht zu bewältigen wären. ­ Die Hardware-Anforderungen sollten nicht unterschätzt werden. Die Verpackung gibt zwar als Mindestkonfiguration einen PC mit Pentium II 300 MHz und 128 MB Arbeitsspeicher sowie Windows 98 an. Damit läuft das Programm aber nur zähflüssig. ­ In N-A27 sind mir fünf Druckfehler aufgefallen, im Kassühlke-Wörterbuch 14.

Insgesamt liegt eine wertvolle Ergänzung im Werkzeugkasten für die Bibelexegese vor, insbesondere in den Bereichen Textkritik und BHS-Textlinguistik.