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Ausgabe:

Mai/2006

Spalte:

524–526

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Corti, Giuseppe

Titel/Untertitel:

Lucifero di Cagliari. Una voce nel conflitto tra chiesa e impero alla metà del IV secolo.

Verlag:

Milano: Vita e Pensiero 2004. XVI, 302 S. 8° = Studia Patristica Mediolanensia, 24. Kart. Euro 25,00. ISBN 88-343-1989-3.

Rezensent:

Tobias Georges

Das Urteil der neueren Forschung über Lucifer, Bischof von Calaris (Cagliari auf Sardinien), ist häufig recht negativ ausgefallen angesichts der ungezügelten Polemik, die in allen seinen Werken im Vordergrund steht. Sein Leben und Werk kritisch zu würdigen und dabei auch seine Stärken herauszuarbeiten, ohne seine Schwächen herunterzuspielen, ist das begrüßenswerte Anliegen, welches Giuseppe Corti mit seiner Monographie über Lucifer verfolgt. Viel versprechend ist auch der Untertitel, der einen Einblick in die Rolle, die der Bischof von Cagliari im Streit zwischen Staat und Kirche in der Mitte des 4. Jh.s spielt, in Aussicht stellt.

Leider unterbleibt eine präzise Klärung des Untersuchungsgegenstandes, und so bleibt man anfangs im Ungewissen darüber, ob C. dem Haupttitel entsprechend den Schwerpunkt auf Leben und Werk allgemein legen will, ob er sich im Sinne des Untertitels auf Lucifers Rolle im besagten Konflikt konzentrieren will oder ob er diesen Konflikt selbst ausführlich zum Thema machen und von da aus Lucifers Agieren in diesem Kontext untersuchen möchte. Auf letztere Zielsetzung deutet die inhaltliche Gewichtung der Studie, in der auf 174 Seiten vorrangig kirchenpolitische Ereignisse während des trinitarischen Streits unter den Kaisern Konstantin (I.), Konstantius II. (II.) und Julian (III.) beleuchtet werden und dann auf den verbleibenden 94 Seiten das Werk Lucifers (IV. und V.) untersucht wird. Wohl zielt die Darstellung der kirchenpolitischen Ereignisse auf den Kontext von Lucifers Leben und Werk hin, und in den Kapiteln II und III wird sie mit Ausführungen zur Biographie Lucifers verbunden, Lucifer spielt dabei aber insgesamt, gerade im zentralen Kapitel II, nur eine untergeordnete Rolle.

Die Ausführungen in den Kapiteln I bis III selbst geben die Ereignisse im weiten historischen Kontext Lucifers insgesamt sorgfältig und überaus detailliert wieder. Das entsprechend dem Wirken Lucifers auf den Westen des römischen Reiches konzentrierte Kapitel II ist das ausführlichste. C. stellt Lucifers unbeirrbares Eintreten gegen alle kirchenpolitisch motivierten Versuche, am Bekenntnis des nizänischen Konzils von 325 zu rütteln, seine pauschale Ablehnung jeglicher Couleur von »ariani« und seine damit verbundenen Invektiven gegen Kaiser Konstantius II. heraus. Er beleuchtet in diesem Zusammenhang die Lebensstationen Lucifers von seiner Intervention bei Papst Liberius nach der Synode von Arles im Jahr 353 über seine Verbannung auf der Mailänder Synode im Jahr 355 auf Grund der Weigerung, der Absetzung des Athanasius zuzustimmen, bis hin zu seinen Exilsaufenthalten in Germanicia, Eleuteropoli und in der ägyptischen Thebaïs. Umstrittene Fragen zu einigen Details aus Lucifers Biographie werden in behutsam-abwägender Manier einer Lösung zugeführt, und die Entscheidungen C.s, z.B. für Lucifers sardische Herkunft und sein theologisches Heranreifen in Rom, leuchten weitgehend ein.

In Kapitel III plädiert C. dafür, die Rolle Lucifers im Rahmen des antiochenischen Schismas trotz seiner Weihe des Paulinus zum Bischof von Antiochien im Jahre 362 nicht überzubewerten. Er stellt auch eine aktive Beteiligung Lucifers am luciferianischen Schisma und an der Herausbildung der Gruppe der Luciferianer in Frage. Dabei wird allerdings nicht recht deutlich, wieso die Luciferianer ihren Namen dann gerade von Lucifer hergeleitet haben.

Die Kapitel IV und V wenden sich schließlich dem Werk Lucifers zu. In Kapitel IV stellt C. der Reihe nach die fünf Schriften Lucifers vor, die sich alle an Kaiser Konstantius II. wenden: De Regibus apostaticis, De Athanasio, De non conveniendo cum haereticis, De non parcendo in deum delinquentibus und Moriendum esse pro dei filio. In Kapitel V folgt eine an wesentlichen Themen orientierte Analyse dieser Pamphlete. Die Analyse bietet abgesehen davon, dass sie ausführlicher hätte ausfallen können, wiederum sorgfältige und abwägende Betrachtungen. C. begründet Lucifers spärliche Bezugnahme auf bedeutende Ereignisse seiner Zeit damit, dass Geschichte für ihn nur insofern von Belang ist, als sie Heilsgeschichte ist. C. weist darauf hin, wie sehr Lucifers Perspektive auf die innerkirchliche Wirklichkeit festgelegt ist, und zeigt, dass die Schrift, aus der Lucifer so häufig zitiert, für ihn normative Quelle ist. C. ist nicht sparsam in seiner Kritik an Lucifers intellektuellen Qualitäten und an seiner maßlosen Polemik, die inhaltliche Erwägungen oft in den Schatten stellt. Er streicht aber auch die Ansätze heraus, die Lucifers Denken bei aller Polemik prägen: so im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Imperium ­ genauer genommen Imperator ­ und Kirche vor allem, dass der Imperator, für Lucifer Konstantius II., kein Recht habe, sich in kirchliche Fragen einzumischen, sich nach dem Vorbild des alten Israel dem Urteil der Bischöfe unterzuordnen habe und auch im Zusammenwirken mit der Kirche seinen Auftrag von Letzterer empfange. Trete der Kaiser für einen Glauben ein, welcher der Schrift widerspreche, so seien Kirchenglieder zum konsequenten Widerstand aufgerufen ­ in diesem Zusammenhang begegnet sogar die Idee des Tyrannizids. C. rechnet es Lucifer als Verdienst an, mit seinem Leben für seine rigorosen Ansichten eingetreten zu sein. Er lastet ihm aber an, mit seiner pauschalen Trennung zwischen Orthodoxie und Häresie unterschiedslos alle als »ariani« zu verurteilen, die dem Nizänum kritisch gegenüberstanden.

Dieser völlig berechtigte Vorwurf hindert C. allerdings nicht, seinerseits in seiner gesamten Untersuchung die diversen Strömungen, die sich kritisch mit dem Nizänum auseinander setzten, fast durchweg als »ariani« zu benennen. So erscheinen seine Ausführungen hinsichtlich der Positionen im trinitarischen Streit häufig unzulässig vereinfachend. Dieser Sachverhalt ist einer Profilierung von Leben und Denken Lucifers, die C. anstrebt und auf weiten Strecken seines Buches auch zu leisten vermag, nicht eben zuträglich.