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Ausgabe:

Mai/2006

Spalte:

522–524

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Wedderburn, Alexander J. M.

Titel/Untertitel:

A History of the First Christians

Verlag:

London-New York: T & T Clark (Continuum) 2004. XII, 296 S. 8°= Understanding the Bible and its World. Kart. £ 19,99. ISBN 0-567-08413-2.

Rezensent:

Anna Maria Schwemer

Für die neue Reihe »Understanding the Bible and its World« hat Alexander Wedderburn eine knappe Geschichte des frühesten Christentums verfasst. Das Buch ist in 11 Kapitel gegliedert.

Kapitel 1 als Einleitung (1­15) begründet, warum W. den Umfang begrenzt, mit den Ostererscheinungen beginnt, im Jahr 70 n. Chr. mit Ausblicken auf die spätere Zeit endet, und behandelt die Quellenfrage: Hauptquellen sind die paulinischen Briefe und die Apg (8). Die Apg sei zwar nicht von einem Paulusbegleiter geschrieben, aber der Verfasser verwende (gerade in den Wir-Berichten) die Erzählung eines tatsächlichen Paulusbegleiters als Quelle (11­14). Dem Verfasser der Apg unterlaufen Fehler, die zur Vorsicht mahnen. Auf der anderen Seite kann man auf die Darstellung der Apg nicht verzichten (15), ihre Informationen müssen sorgfältig geprüft und dürfen nicht vernachlässigt werden. Die Paulinismen in Apg sieht W. als Indiz für die Kenntnis der Paulusbriefe (201, Anm. 27).

Kapitel 2 »The First Beginnings« (16­40) behandelt die Ostererscheinungen: In Jerusalem entdeckten die Frauen das leere Grab, was keine spätere Erfindung sein kann. Die Jünger verließen wahrscheinlich die Stadt schnell nach Jesu Tod, um nach Galiläa zurückzukehren; dort erlebten sie Visionen (19 ff.). Der Zwölferkreis, der von Jesus vorösterlich eingesetzt wurde, bildete den nucleus des restituierten Israel (23). In Jerusalem kam der Gebrauch des Aposteltitels auf, dort ereignete sich wohl auch die Erscheinung vor 500 Brüdern, von der Apg als »Pfingsten« berichtet (26). In der frühesten Zeit machten das Verhältnis zum Tempel, Mahl- und Gütergemeinschaft, Taufe und die Erfahrung der Geistbegabung und vor allem der Glaube an Jesus die Christen zu einer unterscheidbaren Gruppe innerhalb des Judentums. Die Begründung für die Feindschaft der hochpriesterlichen Familien, die sich durch die Proklamation eines Mannes als Messias, dessen Tod am Kreuz sie veranlasst hatten, provoziert sah, in Apg sei plausibel.

Kapitel 3 »Stephen and His Group« (41­58) beschreibt die Öffnung der Griechisch sprechenden Gruppe der »Hellenisten« gegenüber Nichtjuden und ihre Gesetzeskritik nach dem Vorbild Jesu als einen wichtigen Schritt hin zur Heidenmission: War dieser offen gegenüber »Sündern« und vermied den Kontakt mit Heiden nicht, so nahmen jene Heiden in die Mahlgemeinschaft auf und brachten sie in den Tempel, deshalb wurden sie verfolgt (vgl. 1Thess 2,14 ff.) und es kam zum ersten Martyrium. Paulus wurde aus diesem Grund zum Verfolger, sein Berufungserlebnis überzeugte ihn dann von der »rightness« dieser Form des Christentums. »Stephen¹s offence lay in anticipating already Š Paul¹s attitude towards the observance of the law« (49).

Kapitel 4 »The Spread of Christianity« (59­78) befasst sich mit der Mission des Philippus in Samarien (mit einem Exkurs zu Simon Magus), der in Antiochien, dann mit Petrus und Cornelius. Da die Darstellung der Apg zu schematisch sei, löst sich W. von ihrer Chronologie (68) und datiert die erste Heidenbekehrung vor die Stephanusverfolgung. Die Corneliusepisode sei zentral für den Autor der Apg als Beginn der Heidenmission (71­75), deshalb habe er stark übertrieben. Die Frage, warum Apg von Petrus nach dem Apostelkonvent nichts mehr berichtet und den Streit in Antiochien verschweigt, wird offen gelassen; aber der 1Petr ist ein Hinweis, dass er als Heidenmissionar wirkte (77 f.)

Kapitel 5 »Paul ­ the Hidden Years« (79­88) stellt den vorchristlichen Paulus, seine Bekehrung und die Zeit vor dem Konvent in Jerusalem dar. W. hält am römischen Bürgerrecht und der Ausbildung des Apostels in Jerusalem fest. Den Aufenthalt in Arabien nach der »conversion« vor Damaskus nutzte Paulus zum Nachdenken, nicht zur Mission. Beim kurzen Besuch in Jerusalem bei Kephas tauschten beide ihre Erfahrungen aus (87).

Kapitel 6 »Agreement and Strife« (89­120) behandelt die paulinische Chronologie (89­112), den Konvent in Jerusalem (104­113) und den Streit in Antiochien (114­120). W. setzt die Bekehrung im Jahr 31/32 an, auch für den Konvent in Jerusalem nimmt er die Frühdatierung 45/46. Alle Missionsreisen, die in Apg beschrieben werden, setzt W. nach dem Konvent an. Den Streit in Antiochien legt er dagegen zu Recht ins Jahr 51/52. Kapitel 7 »Paul the Missionary« (121­150) beschreibt den Verlauf der Mission (121­127), den Charakter der Gemeinden (128­137), Probleme in den Gemeinden (138­146) und die Kollekte (147­150).

Kapitel 8 »Judaizing Christianity« (151­166) unterstreicht, dass »Jewish Christianity« kein homogenes Phänomen war (151). Der Herrenbruder Jakobus (153­155) wurde rasch zu einer führenden Gestalt in der Urgemeinde, deren Leitung er nach der Flucht des Petrus bis zu seinem eigenen Martyrium 62 n. Chr. übernahm. Als »Writings of a Judaizing Christianity« (156­161) werden Jakobusbrief, Matthäusevangelium, Offenbarung und Didache vorgestellt. »The Jerusalem Church« (162­166) behandelt das Problem der Flucht nach Pella, den Verlust des Einflusses der judenchristlichen Gruppen auf die weitere Entwicklung der Kirche nach der Zerstörung Jerusalems und die judenchristliche antipaulinische Polemik.

Kapitel 9 »Pauline Christianity after Paul« (167­177) beginnt mit der Paulusverehrung in Apg, die damit die Stellung des Petrus als erster Heidenmissionar vereinen kann, den bitteren Konflikt in Gal 2,11­14 jedoch verschweigt. Für 1Clem sind beide Apostel zusammen die größten Säulen der Kirche, Ignatius wünscht, sich als Nachahmer des Paulus zu bewähren. Die Vielfalt der Überlieferung führt zur Frage: »A Pauline School or Pauline Schools?« (169­174) in den Deuteropaulinen und den Pastoralbriefen. Daran schließt sich das Problem »Early Catholicism?« an (175­177).

Kapitel 10 »Johannine Christianity« (178­185) stellt das Corpus Johanneum vor. Die Gestalt des bedeutenden Theologen, nach dem diese Texte benannt wurden, kennen wir leider viel weniger als die des Paulus. Kapitel 11 »The Church in the Roman Empire« (186­195) beschließt mit einer Darstellung der zunehmenden Spannungen und Verfolgungen von staatlicher Seite ­ von der Vertreibung aus Rom durch Claudius, der blutigen neronischen Verfolgung (wo die Denunziation nicht von Juden ausgegangen sei). Im Nachwort unterstreicht W., warum die Wahrnehmung der Geschichte theologisch wichtig sei. Es sei heilsam, sich vor Augen zu führen, dass keine ideale Anfangszeit einem späteren Verfall gegenüberstehe, sondern von Anfang an Vielfalt bestanden habe.

Diesen kurzen Überblick wird man Studenten gern empfehlen und dazu sagen, wo man anderer Meinung ist. So hat mich nicht überzeugt, dass Stephanus gesteinigt wurde, weil schon er einen Heiden in den Tempel gebracht habe. Die Reise nach Zypern und Galatien gab den Anlass für den Apostelkonvent (Gal 2,5). Die Argumente für Lukas als Paulusbegleiter halte ich für schwerwiegend etc. Völlig zu Recht beklagt W. das »fragmentary« der Quellen (4 ff.), eben deshalb lasse sich keine durchgehende Geschichte über die Anfänge des Christentums schreiben. Das gilt auch für mehrbändige Untersuchungen zum selben Thema.