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Ausgabe:

Mai/2006

Spalte:

507–509

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Saur, Markus

Titel/Untertitel:

Die Königspsalmen. Studien zur Entstehung und Theologie

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 2004. XII, 367 S. gr.8° = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 340. Lw. Euro 98,00. ISBN 3-11-018015-4.

Rezensent:

Bernd Janowski

Die von H.-Chr. Schmitt betreute und im Sommersemester 2003 von der Theologischen Fakultät Erlangen als Dissertation angenommene Arbeit wendet sich einer Psalmengruppe zu, der in jüngster Zeit besondere Aufmerksamkeit bis hin zu den ikonographischen Aspekten zuteil wurde.

Vgl. K.-P. Adam, Der königliche Held. Die Entsprechung von kämpfendem Gott und kämpfendem König in Psalm 18 (WMANT 91), Neukirchen-Vluyn 2001; R. Schmitt, Bildhafte Herrschaftsrepräsentation im eisenzeitlichen Israel (AOAT 283), Münster 2001; E. Otto/E. Zenger (Hrsg.), »Mein Sohn bist du« (Ps 2,7). Studien zu den Königspsalmen (SBS 192), Stuttgart 2002; D. Sänger (Hrsg.), Heiligkeit und Herrschaft (BThSt 55), Neukirchen-Vluyn 2003, mit vier Beiträgen zu Ps 110; ders. (Hrsg.), Gottessohn und Menschensohn (BThSt 67), Neukirchen-Vluyn 2004, mit vier Beiträgen zu Ps 2; H.-U. Steymans, Psalm 89 und der Davidbund (ÖBS 27), Frankfurt a. M. 2005.

Die seit H. Gunkel als »Königspsalmen« bezeichneten Psalmen 2; 18; 20; 21; 45; 72; 89; 101; 110; 132; 144 ­ die nach Gunkels schlichter Definition »sämtlich von Königen handeln« (vgl. 24) ­ gehören zu denjenigen Texten, die auf Grund ihrer ðZwischenstellungÐ zwischen altorientalischer Königsideologie und messianischer/en Hoffnung/en religions- und theologiegeschichtlich von besonderem Interesse sind. Der Vf. geht jedenfalls von der Vermutung aus, dass »die Königspsalmen eine Brücke zwischen vorexilischer Königsideologie und nachexilischem Messianismus bilden und daher als ðdeuterokönigsideologischÐ bzw. ðprotomessianischÐ zu verstehen sind« (21).

Die aus drei Teilen bestehende Arbeit gibt in Teil I (3­24) zunächst einen Überblick über die bisherigen Interpretationen und die Abgrenzung der Königspsalmen. Im Mittelpunkt stehen dabei die von H. Gunkel und S. Mowinckel formulierten Perspektiven ­ die Königspsalmen handeln von einem Ideal, dessen Verwirklichung man von einem konkreten König erwartete (vgl. 7) ­, die den weiteren Gang der Psalmenforschung im 20. Jh. bestimmt haben. Zum einen wurde das Verhältnis zur altorientalischen Königsideologie (myth-and-ritual-school, Theorie eines ritual pattern, Kritik daran durch H. Frankfort, M. Noth, J. de Fraine, K.-H. Bernhardt u. a.) und zum anderen zu den messianischen Texten der Prophetenbücher thematisiert (christologische Relecture von Ps 2 und 110 im Neuen Testament, typologische Exegese bei F. Delitzsch, Wiederaufnahme der Debatte durch G. von Rad, W. H. Schmidt u. a.). Ein dritter, mit diesen beiden Sachfragen zusammenhängender Problemaspekt besteht in der Frage der Datierung und des literarischen Charakters der Königspsalmen, die seit den 60er Jahren des 20. Jh.s verstärkt ins Zentrum rückte (J. Becker, R. Kilian, A. Deissler u. a.) und zur These ihrer sukzessiven Fortschreibung führte (K. Seybold, F.-L. Hossfeld/E. Zenger u. a.). Hieran knüpft der Vf. in seinen Textanalysen methodisch an (vgl. 21 ff.).

In Teil II (25­268) werden die elf Königspsalmen sodann nach dem Muster: 1. Übersetzung (mit typographischer Unterscheidung von Grundbestand und Fortschreibung/en), 2. Struktur (formaler und inhaltlicher Aufbau) und Entstehung (literarische Entwicklung) und 3. Rezeption, Transformation und Integration analysiert. Diese Analysen sind sehr kompakt und übersichtlich gehalten, so dass man jetzt auf 250 Seiten eine konzentrierte Auslegung dieser wichtigen Psalmengruppe in Händen hat. Was der Rezensent dabei u. a. vermisst, sind übersichtliche Aufbauskizzen, die einen schnelleren Zugriff auf die Darlegungen des Vf.s erlaubt hätten (s. aber die knappen Hinweise 53 f.67 zu Ps 18; 115 zu Ps 45; 157 zu Ps 89; 226 f. zu Ps 132 und 251 zu Ps 144); sinnvoll wäre auch der Abdruck des jeweiligen hebräischen Textes gewesen. Hier und da fehlt überdies wichtige Literatur (s. etwa zu Ps 18 M. Köckert, Die Theophanie des Wettergottes Jahwe in Psalm 18, in: T. Richter/D. Prechtel/J. Klinger [Hrsg.], Kulturgeschichten [FS V. Haas], Saarbrücken 2001, 209­226 u. a.). Dennoch haben die vorgelegten Textanalysen ein hohes Niveau und können neben den neueren Kommentaren von K. Seybold, B. Weber und vor allem F.-L. Hossfeld/E. Zenger als Ausgangspunkt für die weitere Forschung gelten.

Den Ertrag seiner Analysen fasst der Vf. in Teil III (269­338) zusammen und zwar im Blick auf die theologische Intention der Königspsalmen (269 ff.) wie im Blick auf ihre kompositionelle Funktion im Psalter (283 ff., mit der Übersicht 329). Theologisch stehen diese Texte, die weisheitlich imprägniert sind, eine theokratische Position einnehmen und eine »prophetisch-protomessianische Linie« (277 ff.) vertreten, zwischen der Königsherrschaft JHWHs und der Königsherrschaft des irdischen Königs (279 ff.). Dass die Auseinandersetzung der Gemeinde des Zweiten Tempels mit den Fremdherrschaften besonders der hellenistischen Zeit zur Ausbildung der in den Königspsalmen greifbaren protomessianischen Strukturen geführt haben, macht der Vf. abschließend anhand redaktions- und zeitgeschichtlicher Überlegungen deutlich (326 ff.). Damit lässt sich auch die hohe Bedeutung des Königtums in königloser Zeit und seiner identitätsstiftenden Kraft für die nachexilische Gemeinde erklären: »Aus dem vorexilischen Königtum und der damit verbundenen Königsideologie wurde eine die Identität der nachexilischen Gemeinde stabilisierende Erinnerungsfigur; auf der Grundlage dieser Erinnerung kam es dann letztlich zur Ausbildung einer die Gegenwart prägenden Hoffnung auf einen zukünftigen Heilskönig« (336). Mit dieser These sucht der Vf. die seit W. M. L. de Wette schwelende ­ und von diesem negativ beschiedene ­ Frage nach dem spezifischen Beitrag der Königspsalmen für die Entstehung des biblischen Messianismus zu beantworten.

Alles in allem liegt mit dieser Arbeit, die durch ein Literaturverzeichnis und ein Stellenregister abgeschlossen wird, eine anspruchsvolle und weiterführende Monographie zu den Königspsalmen vor, zu der man ihren Vf. beglückwünschen kann.