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Ausgabe:

Mai/2006

Spalte:

505 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Herrmann, Wolfram

Titel/Untertitel:

Theologie des Alten Testaments. Geschichte und Bedeutung des israelitisch-jüdischen Glaubens

Verlag:

Stuttgart: Kohlhammer 2004. 384 S. gr.8°. Kart. Euro 29,00. ISBN 3-17-018074-6.

Rezensent:

Ernst-Joachim Waschke

Angesichts der Vielzahl an Möglichkeiten, die theologischen Aussagen des Alten Testaments zur Darstellung zu bringen, wählt H. insofern einen eigenen Weg, als es ihm im Kern um eine Geschichte des Glaubens Israels, seiner Gotteserfahrungen und der Veränderungen seiner Gottesvorstellung geht. Entgegen dem Trend der Forschung in den letzten Jahrzehnten sucht er wieder nach dem Subjekt hinter den Texten. »Mythen, Riten, religiöse Funktionäre, Lehren und Verhaltensnormen« sind Gegenstand der Religion und ihrer Geschichte, aber nicht »Subjekt« theologischer Betrachtung (35). Dementsprechend formuliert er in den Prolegomena (13­39) an gleicher Stelle weiter: »Folglich steht hier nicht die israelitisch-jüdische Religionsgeschichte im Vordergrund. Die Erwägungen zielen vielmehr darauf zu erkennen, wie die israelitischen und jüdischen Menschen die Welt Gottes, die Götter und schließlich in entscheidendem Maße Jahwe erlebten und wie sie sich auf ihn einstellten, wie sie ihm gegenübertraten, auf seinen Anruf antworteten und sein Wirken verarbeiteten«. Dennoch wird die israelitisch-jüdische Glaubensgeschichte weitgehend aus einem religionsgeschichtlichen Kontext entfaltet.

Die Darstellung ist in vier Epochen untergliedert. Die erste, überschrieben als »Die altisraelitische Zeit« (41­88), beinhaltet den von H. hoch veranschlagten Einfluss der kanaanäischen Umwelt auf die religiösen Anschauungen Israels und die Anfänge des Jahweglaubens. Die zweite Epoche: »Die Auseinandersetzung mit politischer Großmacht« (89­141) besitzt im Aufkommen des Prophetentums (Elia, Elisa) und in der Gerichtsverkündigung der Propheten des 8. Jh.s ihre theologische Dynamik, durch die der Jahweglaube in seiner Geschichte grundlegend geprägt und durch die ebenso die deuteronomische Bewegung beeinflusst worden ist. Die Prophetie bildet für H. auch das bestimmende Element der dritten Epoche: »Das Ende staatlichen Eigenlebens und die Gewinnung neuer Glaubenskomponenten« (143­236). Maßgeblichen Einfluss gewinnen in dieser Zeit die Propheten Jeremia, Ezechiel, Deuterojesaja und ihre Schülerkreise sowie die deuteronomistische Redaktion.

Die Themenkreise angesichts des Verlustes politischer Selbständigkeit sind die Aufarbeitung der Geschichte, die Neubegründung des Rechts und die Auseinandersetzung um ein neues Gottesverständnis. Dabei widerspricht H. der Auffassung, dass es sich bei der Ausschließlichkeitsforderung des Jahweglaubens um die Ausprägung eines Monotheismus oder um monotheistische Tendenzen handelt. Die Ausschließlichkeitsforderung ist vielmehr als »angespannte Konzentration und Affirmation, nicht aber [als] eine nach außen gerichtete Negation zu beurteilen« (227).

Die Darstellung der vierten Epoche: »Die Wendung des Glaubens in die Zukunft« (237­333) setzt wieder bei der Prophetie ein, indem zunächst die prophetische Naherwartung (Haggai, Sacharja) thematisiert wird. Nach einer Skizzierung der Bedeutung der Priesterschrift (es fehlt allerdings jeder Hinweis auf das Theologumenon der Gottebenbildlichkeit!) und des chronistischen Werkes für die Entwicklung des Glaubens im Frühjudentum wird ein Bogen von den eschatologischen zu den apokalyptischen Vorstellungen gespannt. Unter den Überschriften »Das zukunftsgewandte Testimonium Dei« und »Der Mensch in seiner Spannung zwischen Leben und Glauben« wird abschließend ein Resümee der Glaubensgeschichte unter den theologischen und anthropologischen Implikationen der Spätzeit gezogen.

H. schreibt einleitend: »Man muß es einem Entwurf zubilligen, daß er nicht den Gesamtgehalt erfaßt, sondern lediglich eine wichtige Linie, einen wesentlichen Gedanken oder einen dem Glauben Israels eignenden Zug herausarbeitet« (24). Letzteres wird man ­ trotz manchen Vorbehalts gegenüber dem Religionsverständnis (R. Otto) und der Überbewertung des Prophetischen (J. Wellhausen) ­ auch dem vorliegenden Entwurf zugestehen können.