Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Mai/2006

Spalte:

467–486

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Michael Domsgen

Titel/Untertitel:

Michael Domsgen»Familie ist, wo man nicht rausgeworfen wird«Zur Bedeutung der Familie für die Theologie ­ Überlegungen aus religionspädagogischer Perspektive1

Die Familie ist wieder im Gespräch. Vor allem Politiker haben sie entdeckt und bekunden ihren Willen, familienpolitisch aktiv zu werden.2Konnte Konrad Adenauer familienstützende Maßnahmen noch mit der Bemerkung beiseite schieben, Kinder bekämen die Leute sowieso, so scheint sich genau diese bis dahin geltende Selbstverständlichkeit aufgelöst zu haben. Dabei ist es keineswegs so, dass die Familie für den Einzelnen nicht mehr von Bedeutung wäre. Im Gegenteil: Auf der Basis der Daten des seit 1978 durchgeführten Wohlfahrtssurveys lässt sich über die Jahrzehnte hinweg sogar ein Bedeutungsgewinn beobachten. Schätzten 1980 68 % die Familie als »sehr wichtig« ein, waren es 1998 bereits 80 %. In Ostdeutschland stieg dieser Wert von 1993 bis 1998 von 82 % auf 85 %.3

Doch mit dieser Hochschätzung der Herkunftsfamilie geht nicht mehr selbstverständlich die Gründung einer eigenen Familie einher. Die gegenwärtigen Geburtenraten liegen in Deutschland bei 1,4 Kindern pro Frau. Sie sind schon lange nicht mehr in der Lage, die für die Reproduktion der Bevölkerung notwendige Anzahl von 2,1 Geburten zu realisieren. Mittelfristig wird sich dieser Trend nicht umkehren.

Die positive Bewertung der Herkunftsfamilie führt also nicht mehr zur Gründung einer eigenen Zielfamilie. Neben dieser besonders auffälligen Veränderung gibt es weitere Tendenzen im familialen Wandel. Um diese möglichst sachgemäß erfassen zu können, ist es unerlässlich, das erkenntnisleitende Interesse zu klären und sich über den verwendeten Familienbegriff klar zu werden. Denn die Familie gibt es nicht. Vielmehr existiert eine Vielzahl von Familienformen bzw. -typen.

Im Folgenden wird die Familie unter religionspädagogischer Perspektive in den Blick genommen, d. h. aus der Perspektive eines an christlich-religiöser Erziehung, Bildung und Sozialisation Interessierten. Pädagogik und Theologie sollen miteinander vermittelt werden. Deshalb sind familiensoziologische Forschungen aufzunehmen und diese in Beziehung zu setzen mit Grundlinien der biblisch-theologischen Tradition. So werde ich zuerst Tendenzen des familialen Wandels erheben und diese dann mit biblisch-theologischen Befunden verbinden. Daran schließen sich Überlegungen zu Konsequenzen für religionspädagogisches Denken und Handeln an. Abschließend soll der Blick noch einmal geweitet werden, indem exemplarisch auf Themenfelder hingewiesen wird, die nicht nur für die Praktische Theologie, sondern für die Theologie allgemein von Bedeutung sind.

1. Was ist konstitutiv für Familie?Im pädagogischen Verhältnis, das die ältere gegenüber der jüngeren Generation eingeht, liegt ein Schlüssel für heutiges Familienverständnis. Deshalb setze ich das ­ schon in der Pädagogik Schleiermachers4 begegnende ­ pädagogische Grundverhältnis zwischen den Generationen als konstitutiv an. Ob dann Kinder (und Eltern) leiblich sind oder nicht, ist nicht grundlegend. Auch die gemeinsame Haushaltsführung ist kein ausschließliches Kriterium. Entscheidend sind die Generationsbeziehungen, die sich in der Gestaltung der Eltern-Kind-Beziehung konkretisieren. Diese implizieren ein besonderes Kooperations- und Solidaritätsverhältnis. Prägnant formuliert wird das in der Erklärung eines Kindes: »Familie ist, wo man nicht rausgeworfen wird.«5

»Der zentrale soziale Sachverhalt, der mit dem Begriff der Familie zum Ausdruck gebracht wird, liegt also darin, dass die Generationendifferenzierung durch die Übernahme und das Innehaben einer Mutter- und/oder Vater-Position im Lebensalltag des Kindes generiert wird.«6Dabei lässt sich die Eltern-Kind-Beziehung treffend mit dem Begriff der »Erziehungsleistung«7 charakterisieren, weil damit das intentionale Moment in den Vordergrund gestellt wird. Die besondere Aufgabe der Familie liegt also in der absichtsvollen Einflussnahme der älteren auf die jüngere Generation.

Auf Grund dieser Prämissen lassen sich unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Rollenzusammensetzungen (Elternfamilien mit bzw. ohne formale Eheschließung sowie Mutter-bzw. Vater-Familien) und Familienbildungsprozesse (durch Geburt, Adoption, Scheidung/Trennung, Verwitwung, Wiederheirat, Pflegschaft) insgesamt 16 verschiedene, momentan rechtlich mögliche Familientypen benennen,8 wobei zu bedenken ist, dass es auch zu einem Wechsel von der einen zur anderen Familienform kommen kann (z. B. durch Scheidung oder Heirat). Überhaupt unterliegt die Familie einer Entwicklung. Die Rollen der einzelnen Familienmitglieder verändern sich im Lebenszyklus, so dass verschiedene Stadien (Familienzyklen) unterschieden werden. Jede Phase hat ihre eigene Prägung und birgt unterschiedliche Aufgaben in sich. Gemeinsam sind jedoch in allen Entwicklungsstadien und unterschiedlichen Ausformungen von Familie die Generationenbeziehungen.

2. Welche Entwicklungen im familialen Bereich lassen sich aufzeigen?Schaut man unter dieser Prämisse die Entwicklungen der letzten 50 Jahre im familialen Bereich an, so zeigt sich, dass sich die Veränderungen eher auf den Bereich der Ehe und weniger stark auf den Bereich der Familie beziehen.9

2.1 Der Verbindlichkeits- und Verpflichtungscharakter der Ehe nimmt deutlich abDie Ehe ist keine lebensgeschichtliche Selbstverständlichkeit und Notwendigkeit mehr. Sie hat vor allem als Form partnerschaftlichen Zusammenlebens an Bedeutung verloren. Seit dem letzten Drittel des 20. Jh.s ist sie zu einer Lebensform neben anderen geworden. Mehr als ein Drittel aller Ehen wird in Deutschland geschieden. Auch für die Zukunft ist nicht mit einem Rückgang der Scheidungshäufigkeit zu rechnen.10 Die Scheidungsbetroffenheit der Kinder hat sich in den letzten Jahren nach absoluten Zahlen deutlich erhöht, dennoch fällt sie im Verhältnis zur Gesamtkinderzahl geringer aus, weil Mehr-Kind-Familien seltener betroffen sind. Es ist davon auszugehen, dass »rund ein Fünftel der in den 1990er Jahren geborenen Kinder von Ehepaaren (einschließlich vorehelich geborener gemeinsamer Kinder) im Laufe der ersten beiden Lebensjahrzehnte von der Scheidung ihrer Eltern betroffen sind. Zu den Scheidungskindern kommen nach einer Schätzung Š noch 6 % der Kinder dazu, die aus einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Eltern heraus die Trennung erleben.«11

Auch die Heiratsneigung ­ vor allem in der Gruppe der Hochschulabsolventen ­ geht zurück. Es wird immer später und seltener geheiratet. Das durchschnittliche Heiratsalter von Männern und Frauen liegt mittlerweile im Osten mit 30,7 bzw. 28,0 Jahren fast genauso hoch wie im Westen (31,3 bzw. 28,5 Jahre). Der Rückgang der Heiratsneigung betrifft vor allem die jüngeren Generationen. Hier nimmt besonders im Osten die Ledigenquote zu und liegt leicht über derjenigen in Westdeutschland, wobei Männer überdurchschnittlich oft ledig bleiben.12 Der Lebensform des Ledigseins kommt also insgesamt wachsende Bedeutung zu.

In Ostdeutschland ist die nichteheliche Familiengründung inzwischen zur mehrheitlichen Norm geworden. So wurden im Jahr 2000 51,5 % der Kinder außerehelich geboren (18,6 % im Westen).13 In Westdeutschland sind Ehe und Elternschaft viel stärker miteinander verknüpft.14 Trotzdem gilt für ganz Deutschland, dass die Ehe nicht mehr als konstitutiv für die Familie gesehen wird, sondern die Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern. Die Rechtsprechung hat dieser Entwicklung mit dem Kindschaftsreformgesetz von 1998 Rechnung getragen. Dort wird bestimmt, dass die Gemeinsamkeit des Sorgerechts nicht mehr das Bestehen der Ehe zwischen den Eltern voraussetzt. Nicht nur im Falle einer Trennung, sondern auch bei einer Scheidung bleibt das gemeinsame Sorgerecht grundsätzlich erhalten.

2.2 Die Pluralisierung der familialen Lebensformennimmt zuZwischen Lebens- und Familienformen ist genau zu unterscheiden. Denn »immer wenn Kinder zu betreuen sind, ist die Anzahl der gelebten Familienformen begrenzt. Ohne Kinder herrscht dagegen eine große Vielfalt, dann differenzieren sich die möglichen Lebensformen stark aus.«15

Von allen Familien in Deutschland mit minderjährigen Kindern waren im Jahr 2000 78,4 % Ehepaarfamilien, 15,4 % Alleinerziehende ohne Lebenspartner im Haushalt und 6,2 % nichteheliche Lebensgemeinschaften. Gesamtdeutsch dominiert also die als klassisch angesehene Form der »Normal- oder Kernfamilie« von miteinander verheirateten Eltern. Allerdings ist hier zu differenzieren. Zum einen ist die Zahl der Ehepaarfamilien seit Jahren insgesamt rückläufig. Zum anderen zeigt sich in Ost und West ein unterschiedliches Bild. Während in Westdeutschland die Zahl der Ehepaarfamilien (81,2 %) klar dominiert, liegt sie in Ostdeutschland (66,8 %) darunter. Gleichzeitig ist der Anteil der Alleinerziehenden (19,8 %) und nichtehelichen Lebensgemeinschaften (13,5 %) im Osten deutlich höher als im Westen (14,3 % bzw. 4,5 %).16

Aus der Sicht der Kinder ergibt sich eine leicht veränderte Perspektive. Da verheiratete Paare mehr Kinder haben als Alleinerziehende und unverheiratete Paare, liegt der Anteil der Kinder, die in Ehepaarfamilien aufwachsen, leicht über den o. g. Zahlen (im Jahr 2000: 83,9 % [West]; 69 %[Ost]).

Zu beachten sind zudem Veränderungen der Lebensform innerhalb des Familienzyklus. Sie nehmen insgesamt zu. Allerdings sind ostdeutsche Kinder stärker davon betroffen als westdeutsche. Sie erleben zum Beispiel die Trennung ihrer Eltern nicht nur zu einem größeren Anteil, sondern auch in einem jüngeren Lebensalter.17

Neben diesen äußeren Indikatoren gibt es weitere Faktoren, die den familialen Binnenraum in entscheidendem Maße prägen. So wächst etwa jedes fünfte Kind in Deutschland in einer Familie mit Migrationshintergrund auf. Bei einem Ausländeranteil von ca. 9 % in Deutschland steigt die Zahl der sog. transkulturellen Familien (vor allem im Westen) weiter an. Auch Belastungen auf Grund beruflicher Anforderungen sind zu berücksichtigen. Die Berufsmobilität hemmt oder verhindert sogar die Familienentwicklung.18

2.3 Die Familieneinheiten werden kleinerDie Mehrzahl der Kinder in Deutschland hat Geschwister. Ungefähr ein Fünftel bleibt während der gesamten Kindheit Einzelkind. In Westdeutschland sind die Geschwisterstrukturen von 1991­2000 »relativ stabil«19 geblieben. Dort wuchsen im Jahr 2000 47,2 % mit einem Geschwister und 29,9 % mit zwei oder mehr Geschwistern im Haushalt auf. 22,9 % waren Einzelkinder. Anders sieht das in Ostdeutschland aus. Dort stieg der Einzelkindanteil von 1991­2000 um 5 % und lag im Jahr 2000 bei 32,2 %. 18,8 % der Kinder wuchsen mit zwei oder mehreren Geschwistern im Haushalt auf. 49 % hatten ein Geschwister. Ob der Anstieg des Anteils der Einzelkinder ein vorübergehendes Phänomen ist, bleibt für Westdeutschland abzuwarten. Für Ostdeutschland kann man durchaus schon von einem Trend zur Ein-Kind-Familie sprechen.

Das Aufschieben der Familiengründung sowie die wachsende Kinderlosigkeit führen dazu, dass weniger Kinder geboren werden.20 Dadurch geraten Kinder immer stärker in eine Minoritätenstellung. Das gilt mit Blick auf die Gesamtbevölkerung, wo immer mehr Menschen (vor allem in Ostdeutschland) in ihren lebensweltlichen Bezügen Kindern nicht mehr begegnen, wie auch mit Blick auf die eigene Familie. Die geringe Geburtenzahl führt in Verbindung mit der kontinuierlich zunehmenden Lebenserwartung zur Herausbildung von Familiensystemen, die immer mehr Generationen umfassen, aber nur wenige Mitglieder derselben Generation. Rüdiger Peuckert spricht hier von »Bohnenstangenfamilien«21. Dadurch geht auch die Selbstverständlichkeit im Umgang mit Kindern verloren. Gesamtgesellschaftlich zeichnet sich hinsichtlich der Haushaltsstrukturen eine »Polarisierung der Lebensformen in einen Familiensektor und einen Nichtfamiliensektor«22 ab. Der Anteil der Bevölkerung, der in Haushalten mit Kindern lebt, ist seit Jahrzehnten rückläufig.

2.4 Die Eltern-Kind-Beziehung wird immer wichtigerDie sinkenden Kinderzahlen sind nicht gleichzusetzen mit einer abnehmenden Bedeutung von Kindern. Kinder setzt man heute in aller Regel nicht unbedacht und zufällig in die Welt. Gerade weil man dem Kind das Beste bieten will, kommt es zum Aufschub oder gar zum Verzicht des Kinderwunsches. Der »Normkomplex verantworteter Elternschaft«23, d. h. dass man nur dann Kinder in die Welt setzen sollte, wenn man für diese selbst sorgen kann (ökonomisch und psychologisch), ist hochgradig internalisiert.

Die Emotionalisierung des familialen Binnenraumes hat zu einer veränderten Position des Kindes innerhalb der Familie geführt. Es rückt als eigene Persönlichkeit in den Mittelpunkt, was mit einer Verschiebung der Machtbalancen zwischen Eltern und Kind einhergeht. Die Folge ist ein kindorientierter Erziehungsstil, dem reichlich zwei Drittel der Familien heute folgen.24

Kinder leben gegenwärtig länger als je zuvor mit ihren Eltern zusammen. Auch nach dem Auszug aus dem Elternhaus bleiben die Beziehungen in Entfernung und Kontaktdichte erstaunlich stabil. Hans Bertram spricht hier treffend von der »multilokalen Mehrgenerationenfamilie«25. Für Eltern haben Kinder einen hohen Stellenwert, wobei dies in Ostdeutschland stärker ausgeprägt zu sein scheint als in Westdeutschland. Zugleich stehen sie in der Gefahr, instrumentalisiert zu werden. An die Partnerbeziehung werden hohe emotionale Erwartungen geknüpft, denen sie oft nicht standzuhalten vermag. Das Kind verheißt nun »eine Bindung, die so elementar, umfassend, unauflöslich ist wie sonst keine in dieser Gesellschaft«.26

2.5 Die innerfamiliale Arbeitsteilung ändert sich kaumDie Chancengleichheit von Frauen und Männern im Bereich formaler Bildungsabschlüsse hat sich heute durchgesetzt, wobei Frauen bereits bessere Abschlüsse vorweisen können als Männer. Die höhere Bildungspartizipation führt zu einer verstärkten Erwerbsbeteiligung von Frauen. So stieg in Westdeutschland der Anteil erwerbstätiger Mütter kontinuierlich an, vor allem bei Frauen, deren Kinder das Schulalter erreicht hatten. Die Erwerbstätigenquote lag im Jahr 2000 bei 60,8 %. In Ostdeutschland kam es nach der Wende zu einem deutlichen Rückgang der Erwerbstätigenquote von Müttern. Im Jahr 2000 lag sie für Frauen mit Kindern bei 71,3 %.27

Auch wenn sich die bildungs- und berufsmäßige Gleichberechtigung von Frauen weitgehend durchgesetzt hat, so kann man dies keineswegs für die Frau als Mutter konstatieren.

Die zeitliche Belastung der Frauen in Hausarbeit und Kinderbetreuung ist fast doppelt so hoch wie die der Männer. In den Familien dominiert also weiterhin das traditionelle Rollenmodell. Der ungleichen Arbeitsbelastung entspricht eine deutlich weiblich dominierte Entscheidungsstruktur innerhalb der Familie. Frauen tragen die hauptsächliche Verantwortung für den Alltag und organisieren fast ausschließlich die familialen Aktivitäten. Auch für »die ðunsichtbareÐ Beziehungsarbeit in der Familie ist immer noch die Frau zuständig. Dazu zählen die Harmonisierung widersprüchlicher Ansprüche der Familienmitglieder, die Entwicklung familiärer Sinngebung und die Herstellung von alltäglicher Gemeinschaft«.28

2.6 Die Bedeutung der außerfamilialen Betreuung wächstDer Anteil aktiv erwerbstätiger Mütter mit Kindern unter drei Jahren stieg in den Jahren von 1996­2000 deutlich an. In Ostdeutschland erhöhte sich die Quote von 33,5 auf 40,4 %. In Westdeutschland liegt sie zwar mit 29 % deutlich darunter, stieg aber auch dort an. Deutlicher erhöhte sich da der Anteil aktiv erwerbstätiger Frauen mit einem jüngsten Kind im Alter von drei bis fünf Jahren. Dazu beigetragen haben dürften der seit 1996 bestehende Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz sowie die sich verschärfende ökonomische Situation in vielen Familien. Auch wenn der »Normkomplex gute Mutter«29 in Westdeutschland weiterhin eine große Rolle spielt, könnten sich darin erste Tendenzen zu einer Neuorientierung widerspiegeln.30 Die außerfamiliale Betreuung kleiner Kinder wird (insbesondere mit zunehmendem Alter) nicht mehr per se abgelehnt, wenn entsprechende Betreuungsangebote vorhanden sind. In Ostdeutschland zeigt sich ein ungebrochenes Verhältnis zur außerfamilialen Betreuung (auch schon bei Kleinstkindern). So wurden 2001 36,1 % der unter Dreijährigen außerfamilial betreut. Im Westdeutschland waren es nur 5,2 %, wobei hier das wesentlich geringere Betreuungsangebot zu beachten ist.

Der Besuch eines Kindergartens ist in Deutschland inzwischen zu einer biographischen Normalität geworden (96 % der 5- bis 6-Jährigen besuchen ihn). Allerdings unterscheidet sich der Alltag der Kindergartenkinder in Ost und West nach wie vor erheblich. Im Westen besuchen zwei Drittel der 5- bis 6-Jährigen einen Vormittagskindergarten ohne Mittagessen, und nur ein Fünftel nutzt Ganztagsangebote. Im Osten dagegen nehmen drei Viertel ein ganztägiges Angebot mit Mittagessen in Anspruch.31

Neben den außerfamilialen Angeboten spielen auch ergänzende private Betreuungsarrangements eine große Rolle. Dabei leisten Großeltern den größten Teil der Zusatzbetreuung. Das trifft vor allem auf die Mittelschicht zu. Familien mit hohem Status setzen nicht nur auf die Familie, sondern nehmen häufig bezahlte, private Zusatzbetreuung in Anspruch. Insgesamt zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen der sozioökonomischen Situation einer Region und der Länge der Kinderbetreuungszeiten.

2.7 Die strukturellen Schwierigkeiten werden nicht kleinerEs gibt verschiedene Indikatoren, die sich negativ auf die Entwicklung der Familien in Deutschland auswirken. Ein grundlegendes Problem hat Franz-Xaver Kaufmann auf den Begriff der »strukturellen Rücksichtslosigkeit«32 gebracht. In Deutschland wird die Übernahme der Elternverantwortung als private Angelegenheit betrachtet. Das bringt den Kinderlosen im Regelfall Konkurrenzvorteile. So sind die Anforderungen, die sich aus der Logik des Arbeitsmarktes ergeben, auf den Einzelnen bezogen und nicht mit den Bedürfnissen der Familie abgestimmt.

Eine große Rolle für die kindliche Entwicklung spielt die elterliche Wohnung wie auch das Nahumfeld. Knapp ein Drittel der Kinder lebt in mehrfach risikobelasteten Wohnverhältnissen (kleine Wohnung, wenig Spielmöglichkeiten im Nahumfeld, hohe Verkehrsbelastung). Ein weiteres Drittel wächst dagegen in ausgesprochen günstigen Verhältnissen auf. Kinder in Ostdeutschland leben öfter in schlechten Wohnverhältnissen als ihre westdeutschen Altersgenossen.33 Zusätzliche Risiken sind ein geringes Haushaltseinkommen, geringe Bildung, ein niedriger sozialer Status und ein Migrationshintergrund der Eltern. Sie treten oft gemeinsam mit riskanten Wohnverhältnissen auf bzw. verstärken oder verursachen diese. Allerdings lässt sich auch von diesen Faktoren nicht direkt auf das Wohl der Kinder schließen.

Insgesamt fühlen sich die meisten Kinder in Familie und Freundeskreis wohl. Zudem haben sie ein ausgesprochen positives Bild von sich. Entscheidend für das Wohlbefinden sind das Familienklima und ­ ab dem schulpflichtigen Alter ­ die Schulnoten. »Daneben ist nur noch ­ und zwar negativ ­ die Armutslage beachtlich.«34

3. In welcher Weise sind Familienbeziehungen theologisch relevant?Auch wenn heute ­ und zwar vornehmlich in Ostdeutschland ­ eine in den letzten fünf Jahrzehnten so nicht da gewesene Pluralisierung familialer Lebensformen zu beobachten und eine Änderung der Dauerhaftigkeit dieser Formen zu konstatieren ist, wäre es falsch, von einem Verfall der Familie zu sprechen. Im längeren historischen Vergleich zeigt sich vielmehr eine »Wiederkehr der Vielfalt« bzw. eine »Wiederkehr der Unbeständigkeit«.35

Schon vor und zu Beginn der Industrialisierung gab es eine große Vielfalt von familialen Lebensformen. Das hing mit den in der Regel kürzeren Lebenszeiten der Eltern sowie den schlechteren ökonomischen Bedingungen zusammen. Heute sind es andere Faktoren, die die Pluralität und Unbeständigkeit bedingen. Deshalb zeigt sich der Wandel in genau diesen Faktoren und nicht in den Tatbeständen größerer Vielfalt und Unbeständigkeit. In einem zentralen Punkt überwiegt im familialen Bereich ein Kontinuum. Mit Familie verbindet sich der Gedanke der Beständigkeit. Das Ehesystem ­ oder allgemeiner formuliert: die Partnerbeziehung ­ kann sich auflösen, »das Eltern-Kind-System nicht Š Es kann lediglich seine Form verändern.«36 Mit »Familie« wird eine besondere Form der Beziehung beschrieben, die sich im Lebensalltag manifestiert.

Unter religionspädagogischer Perspektive ist diese Stärkung des Eltern-Kind-Verhältnisses sehr genau zur Kenntnis zu nehmen, bietet sich hier doch einer der wenigen direkten Anknüpfungspunkte an die biblisch-theologische Tradition.

3.1 Die familialen Rollenbeziehungen dienen als Beschreibungsmuster für die GottesbeziehungDie Bibel kennt keinen unserem heutigen Verständnis von Familie entsprechenden Begriff.37 Schon deshalb ist es nicht ohne weiteres möglich, biblische Aussagen zur »Familie« zu formulieren. Auch die Aussagen zum familialen Zusammenleben, die in der Bibel gemacht werden, sind in ihren historischen, kulturellen und sozialgeschichtlichen Kontext eingebettet und von diesem her zu verstehen. Das schafft eine Distanz, die nicht vorschnell überbrückt werden kann.

Um diesen Befund auch sprachlich zu markieren, benutze ich beim Nachzeichnen der biblischen Traditionen an Stelle des Begriffs »Familie« den Terminus »familiales Zusammenleben«. Dadurch wird zum einen dem Trugschluss gewehrt, unser heutiges Verständnis von Familie ließe sich in die biblische Zeit zurückverfolgen. Zum anderen wird damit unterstrichen, dass für biblisches Verständnis nicht die rechtlich-institutionellen Konstruktionen, sondern die Beziehungen zueinander von Interesse sind. Gleichzeitig kann dieser Begriff eine Brücke über den historischen Graben hinweg schlagen. Denn in den Termini zur Beschreibung der Beziehungen zwischen Vater, Mutter und Kind(ern) halten sich menschliche Grundbeziehungen durch, die über die geschichtliche Distanz hinweg von bleibender Bedeutung sind. Damit ist an dieser Stelle ein Anknüpfen möglich.

In der Bibel wird der Terminus »Haus« verwendet. Der ist viel weiter gefasst als unser heutiger Familienbegriff. Weder im Alten noch im Neuen Testament ist von Familie im Sinne einer bestimmten Familienform die Rede. Die verwendeten Termini mit der Konzentration auf das gemeinsam bewohnte Gebäude (Wohnhaus) lassen vielmehr darauf schließen, dass »man von der Erfahrungs- und Lebenswirklichkeit her dachte«.38

Gleichzeitig spielt das familiale Zusammenleben jedoch eine große Rolle für die Beschreibung der Gottesbeziehung. Familientheoretisch interessant ist, dass im Alten Testament die Beziehung Gottes zu seinem Volk vornehmlich in Metaphern formuliert wird, die aus dem familialen Bereich stammen. Menschliche Erfahrungen von Liebe und Treue dienen als Verstehenshorizont für die Gottesbeziehung ­ nicht umgekehrt. Das familiale Zusammenleben wird also von seiner Funktion her in den Blick genommen. Die Familienstruktur an sich findet unter theologischer Perspektive kein besonderes Interesse, aber die Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern besitzen eine hohe theologische Relevanz. Sie dienen als Beschreibungsmuster für die Gottesbeziehung. Religionspädagogisch zugespitzt ließen sich die familialen Rollenbeziehungen sogar als hermeneutischer Schlüssel zur Gotteslehre bezeichnen.39

Der biblische Befund unterstreicht den Zusammenhang zwischen Familien- und Gottesbeziehung. Dabei sind die familialen Beziehungen an sich nicht heilsrelevant, aber sie dienen der Verdeutlichung des Heilsgeschehens, indem die Beziehung zwischen Gott und Mensch in den Kategorien von »Vater«, »Mutter« oder »Bruder« beschrieben und damit anschaulich wird.3.2 Familiale Beziehungen stehen zwischen Relativierung und StabilisierungDie familiale Gemeinschaftsform des Hauses stellt trotz der außerordentlich großen Bedeutung keinen Letztwert an sich dar. Das lässt sich bereits im Alten Testament erkennen und wird im Neuen Testament in aller Deutlichkeit betont. Das nahende Gottesreich schafft neue zwischenmenschliche Beziehungen, die über die herkömmlichen Familienbindungen hinausgehen und diese sogar zurückstellen.

Eine Vergöttlichung der Familie ist damit ausgeschlossen. Auch wenn die konkreten Strukturen familialen Zusammenlebens an sich nicht heilsrelevant sind, wird die Gestaltung des familialen Lebens dadurch nicht automatisch ins Belieben gestellt. Das wird beispielsweise an der Position Jesu zur Frage der Ehescheidung deutlich, der gegen die Scheidung plädiert. Das ist durchaus im Sinne der Stärkung des familialen Zusammenlebens zu interpretieren. Diese Richtung findet sich auch in den anderen neutestamentlichen Schriften, vorwiegend in den deuteropaulinischen Briefen, wo dem geordneten Zusammenleben der Familienmitglieder eine besondere Bedeutung beigemessen wird.

In der Summe zeigt sich also ein Nebeneinander zweier deutlich voneinander zu unterscheidender Botschaften, die in einer »gewissen Spannung«40 zueinander stehen. Der Ruf, das Zusammenleben in der Hausgemeinschaft angesichts des nahenden Gottesreiches aufzugeben, steht neben der Aufforderung zur Stärkung des familialen Zusammenlebens. Es gibt keine Form der Familie, die kurzschlüssig mit dem »Willen Gottes« gleichzusetzen wäre. Aber die Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern sind von einer solchen Bedeutung, dass ohne sie Aussagen über Gott und sein Verhältnis zu den Menschen anscheinend nicht ausreichend verstanden werden können. Die Beschreibung des »himmlischen Vaters« kann nicht losgelöst von den Erfahrungen mit den »irdischen« Vätern und Müttern gesehen werden.

Dieser Zusammenhang wird auch durch die religionspsychologische Forschung klar belegt: Die Prägung des familialen Zusammenlebens hat einen entscheidenden Einfluss auf das Verständnis Gottes und die Profilierung des eigenen Glaubens.41 In diesem Sinn sind die zwischenmenschlichen Beziehungen in der Familie von hoher theologischer Relevanz. Sie sollten deshalb möglichst genau zur Kenntnis genommen werden.

4. Welche Rolle spielt die Familie als Lernortdes Glaubens?Der Familie kommt eine herausragende Bedeutung zu: Einerseits gilt sie ­ auch in Glaubensfragen ­ als »unwillkürliches Deutungsmuster«42, beispielsweise wenn bei der Anrede Gottes als »Vater« Erinnerungen und Erlebnisse aus der eigenen Familiengeschichte auftauchen. Andererseits erhält ein Mensch hier die früheste und nachhaltigste Prägung seiner Persönlichkeit, auch in der Bestimmung seiner Religiosität. So belegen beispielsweise Kirchenbesucherzählungen, dass die in Kindheit und Jugend ausgeprägten Beteiligungsmuster weitgehend stabil bleiben.43

Die Familie ist also in ihrer Bedeutung für die religiöse Entwicklung kaum zu überschätzen. Die in der Kindheit erfahrenen Prägungen bestimmen alle späteren Sozialisations- und Bildungsprozesse. Die dort vermittelten Basiserlebnisse sowie die dazugehörigen Interpretationsmuster bleiben ein Leben lang relevant und können niemals völlig ausgeblendet oder negiert werden.

Dieser Befund zwingt zu begrifflichen Differenzierungen, um die Bedeutung der Familie für die religiöse Entwicklung klarer erfassen zu können. Denn religiöse Erziehung ­ und insbesondere diejenige im christlichen Glauben ­ beschränkt sich nicht nur auf die Weitergabe von Glaubensinhalten. Sie basiert vielmehr auf der menschlichen Grunderfahrung, unbedingt erwünscht und angenommen zu sein. Religiöse Erziehung bedeutet »nicht die Schulung ausgegrenzter Fähigkeiten«, sondern vermittelt »eine bestimmte Einstellung zur Welt und zum Leben insgesamt«.44 Deshalb sind die Grenzen zwischen religiöser Erziehung und der allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung fließend. Religion ist eine »identitätsstiftende Praxis Š, die in die Basis der Existenz eingreift und konstitutiv am Aufbau des Subjektseins beteiligt ist«.45 Es geht also nicht nur um die Vermittlung von religiösen Praktiken und Vorstellungen, sondern um die Entwicklung einer Persönlichkeit, die sich bejaht weiß und sich deshalb frei entfalten kann. Dabei geschieht Subjektwerdung bzw. Identitätsbildung nicht einseitig, sondern im wechselseitigen Prozess zwischen dem Kind und seinen Bezugspersonen.

4.1 Notwendige Differenzierungen:Implizite und explizite religiöse ErziehungNimmt man diese Grundbestimmung ernst, wird deutlich, dass zwischen einer impliziten und einer expliziten religiösen Erziehung differenziert werden muss. So besteht religiöse Erziehung in den ersten Lebensjahren im Wesentlichen darin, den Kindern Erfahrungen anzubieten, »und zwar solche Erfahrungen, die auf den ersten Blick gar nicht nach religiösen Erfahrungen aussehen, die aber dennoch dafür sorgen, daß die Wörter und Bilder unserer Kinder reich an Vorstellungen, Erinnerungen und Hoffnungen werden, die sie für die Verkündigung unseres Glaubens erst ansprechbar machen«.46 Im Kleinkindalter geht es vor allem um »die Sicherung elementarer Kindheitserfahrungen«.47 Auf diese Weise kann ein Erfahrungsfundus gebildet werden, der dazu verhilft, explizit religiöse Aussagen zu deuten und emotional positiv nachzuempfinden.48

Aus der Wahrnehmung und Würdigung der impliziten religiösen Erziehung ergibt sich die religionspädagogische Aufgabe, die Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern zu stärken. Das betrifft insbesondere diejenige zwischen Eltern und Kindern. Hier gewinnt die Erkenntnis der Zusammengehörigkeit von allgemeiner und religiöser Erziehung eine neue Bedeutung. Wer sich um die religiöse Erziehung in den Familien kümmern möchte, muss den Blick weiten und auch die Stärkung der allgemeinen erzieherischen Kompetenz von Eltern im Auge haben, damit solche Erfahrungen gemacht werden können, die für den Glauben konstitutiv sind.

Darüber hinaus jedoch sind Kinder darauf angewiesen, dass ihnen die religiöse Dimension explizit eröffnet wird. Sie benötigen Deutungsmuster und Praktiken, die Transzendenz benennbar und erfahrbar machen. Norbert Mette formuliert prägnant: »Kein Kind erfindet von sich aus Gott. Es muß sich diesen Glauben von anderen sagen und gesagt sein lassen.«49 Dabei kann die explizite religiöse Erziehung unterschiedlich ausgerichtet sein. Als einweisende religiöse Erziehung fördert sie eine ganz bestimmte Grundorientierung. Sie wird meist von Eltern gewählt, die von der Richtigkeit ihrer Glaubensposition überzeugt sind und deshalb auch ihre Kinder in diesem Glauben erziehen wollen. Anders ist es bei der hinweisenden religiösen Erziehung. Hier wird zwar die Notwendigkeit einer Grundorientierung gesehen, aber unter Anbetracht der Relativität der eigenen Sicht, ermöglicht man lediglich die Begegnung mit unterschiedlichen Sinn- und Wertannahmen, ohne die Wahrheitsfrage zu beantworten.50

Religiosität entsteht nicht unvermittelt. Sie ist ­ pädagogisch gesprochen ­ auf Fremdsozialisation angewiesen. Dabei spielt die Familie als primäre Sozialisationsinstanz eine große Rolle. Denn Gott gelangt für das Kind nur im Zusammenhang mit einer bestimmten kommunikativen Praxis zur Sprache. Je nachdem, wie diese Praxis erlebt wird, fällt die Gottesvorstellung des Kindes aus. Glaubensvermittlung geschieht wesentlich über die Personen. Die Inhalte haben einen nachgeordneten Stellenwert.Sozialisationstheoretisch gesehen, kann explizite religiöse Erziehung nur im Kontext gelungener impliziter religiöser Erziehung agieren. Sie basiert auf der impliziten religiösen Erziehung und ist in sie eingebettet. Beides ist also begrifflich zu unterscheiden, darf jedoch nicht voneinander getrennt werden.

4.2 Zur Leistungsfähigkeit heutiger Familienals Lernort des GlaubensDie Differenzierung zwischen impliziter und expliziter religiöser Erziehung verhilft dazu, die Möglichkeiten und Grenzen familialer religiöser Erziehung heute zu benennen, ohne gleich in das Lamento vom Ausfall religiöser Erziehung einstimmen zu müssen. Die vorangegangenen Überlegungen haben deutlich gemacht, dass die Familie in einzigartiger Weise eine spürbare und erfahrbare Annahme der eigenen Person mit der Explizierung der religiösen Dimension im Reden und Tun verbinden kann.

Implizite religiöse Erziehung im Sinne einer dem Kind zugewandten Erziehung findet sich in heutigen Familien wesentlich stärker als früher. Der größtenteils anzutreffende kindorientierte Erziehungsstil ist dafür durchaus förderlich. Noch nie waren deshalb für die Mehrheit die Voraussetzungen so günstig, dass sich das Kind als angenommen und erwünscht erleben kann. Allerdings gibt es auch Hemmnisse, die diese Entwicklung erschweren. So schränken strukturelle Hindernisse als permanente Bedrohung die Herausbildung von grundlegendem Vertrauen in das Leben ein. Zu erinnern ist hier an den Straßenverkehr oder auch an ökonomische Schwierigkeiten. Ebenfalls hinderlich ist die ­ besonders in Ostdeutschland ­ anzutreffende Tendenz, Kinder von vornherein auf Anpassung hin festzulegen. All das sind Hindernisse, die einer impliziten religiösen Erziehung entgegenstehen oder sie zumindest beeinträchtigen können.

Die größten Schwierigkeiten ergeben sich jedoch bei der expliziten religiösen Erziehung. Sie findet in Westdeutschland bei der Mehrheit der Familien als hinweisende Erziehung statt und fällt praktisch bei dem Großteil der ostdeutschen Familien ganz aus. Gleichzeitig mangelt es an religiöser Ausdrucksfähigkeit in denjenigen Familien, die noch ein Verhältnis zu Religion haben. Dabei stellt die mangelnde außerfamiliale Stützung in Sachen Religion ein gravierendes Hindernis dar. Positive Impulse und Anregungen werden kaum noch von außen gegeben. Die Familien sind in dieser Hinsicht weitgehend auf sich selbst verwiesen. Explizite religiöse Erziehung ist jedoch in starkem Maße von dem Umfeld abhängig, in dem sie geschieht. Dieses Umfeld kann sowohl verstärkend als auch hemmend wirken. Die Prägung des gesellschaftlichen Raumes ist also von herausragender Bedeutung. Wird er ­ wie in Ostdeutschland ­ durch ein weitgehend areligiöses Klima bestimmt, sinkt die Wahrscheinlichkeit einer explizit religiösen Erziehung.

5. Welche Aufgaben ergeben sich ausreligionspädagogischer Perspektive?»Die Familie braucht Hilfe, aber es ist schwer, ihr zu helfen.«51 Diese prägnante Aussage Franz-Xaver Kaufmanns gilt auch für den Bereich der religiösen Erziehung. Die systemtheoretische Familienforschung belegt deutlich, dass die Familie als soziales System zwar relativ autonom das eigene Zusammenleben gestaltet, aber dabei eingebettet ist in das übergreifende soziale System der Gesellschaft. Viele gut gemeinte Hilfsprogramme für Familien greifen auch deshalb nicht, weil sie die Prägekraft des außerfamilialen Umfeldes übersehen. Im religiösen Bereich haben das beispielsweise viele religiöse Gruppierungen erfahren, als sie vergebens versuchten, die Ostdeutschen für ihren Glauben zu begeistern. Eine genauere Analyse52 zeigt nun, dass in den Familien vor allem dann Religion eine Rolle spielt, wenn sie als familienstützend erlebt wird. In der Unterstützungsfunktion liegt deshalb ein grundlegender Faktor, über den nicht hinwegzugehen ist.

Familien sind auf Unterstützung angewiesen. 56 % aller Alleinerziehenden- und 46 % aller Paarhaushalte mit minderjährigen Kindern brauchen für die Gestaltung ihres Alltags Hilfe.53 In diesen Zahlen spiegelt sich einerseits die hohe Belastung, der Familien ausgesetzt sind, und andererseits das große Potential für religionspädagogisches Arbeiten. Wenn es gelingt, Religion als hilfreich für die Gestaltung des alltäglichen familialen Lebens erfahrbar werden zu lassen, ist die Wahrscheinlichkeit einer verstärkten Inanspruchnahme nicht gering. Dafür notwendig wäre allerdings ein Perspektivenwechsel. Familie darf nicht länger nur als Leistungsträger verstanden werden, der bestimmte Voraussetzungen für weitere Lernprozesse zu gewährleisten hat. Gerade im Bereich der religiösen Erziehung wird deutlich, dass nur in bewusster Unterstützung der Familie agiert werden kann. Religion hat sich als Lebenspraxis zu beweisen, die hilfreich bei der Gestaltung des Familienlebens ist. Unter dieser Perspektive scheinen mir fünf Aspekte für religionspädagogisches Handeln besonders wichtig zu sein:

5.1 Das familiale Leben als Eigenwert respektierenund fördern

Die mit der kindorientierten Erziehung verbundene Hochschätzung der kindlichen Persönlichkeit ist ein hohes Gut, das zu fördern ist. Die Bejahung der eigenen Person sowie ein Grundvertrauen in das Leben spielen eine große Rolle für den Aufbau einer positiven Gottesbeziehung. Die Erfahrungen mit Mutter und Vater haben entscheidenden Einfluss auf die Profilierung des Gottesverhältnisses. Fehlen positive Primärerfahrungen der Annahme und der Geborgenheit, wird die Aneignung des Glaubens sehr erschwert. Mangelnde emotionale Fundierung kann das Gottesbild in einer Weise entstellen, dass nur schwer ein Glaube entsteht, der die Persönlichkeit stärkt. Deshalb stellt sich als grundlegende religionspädagogische Aufgabe, die Hindernisse impliziter religiöser Erziehung zu verringern. Familiales Leben ist als eigenständiger Wert zu respektieren und zu würdigen. Das gilt auch, wenn nicht explizit religiös erzogen wird, weil die dort gesammelten Erfahrungen und Handlungsweisen grundlegend für einen religiösen Vollzug sind. Zu nennen sind hier zum Beispiel die Erfahrungen von Gemeinschaft, von Trost, von Verzeihen und Feiern.

Die bereits erwähnte Definition eines Kindes »Familie ist, wo man nicht rausgeworfen wird« markiert dabei eindrücklich die in der Familie erfahrbaren notwendigen Grundlagen für die Entwicklung einer Persönlichkeit, die sich entfalten kann. Die familial zu vollbringenden Aufgaben zum Aufbau von Selbstwertgefühl, zur Entwicklung einer positiven Lebenseinstellung, die Befähigung zu Momenten der Sammlung und der Stille sowie die Einübung in soziales Verhalten sind grundlegend für die Ausübung von Religion. Gleichzeitig sind sie offen für eine religiöse Deutung und bieten Anknüpfungspunkte für die Explizierung von Religion. Deshalb sollte Religionspädagogik an der Stärkung und Stützung von Familien allgemein gelegen sein. Dazu gehört auch die Förderung der erzieherischen Kompetenz von Eltern. Fragen der allgemeinen Erziehung dürfen also nicht ausgeklammert werden. Vom Grundsatz her ist die Auswahl eines passenden Abendgebets für Kinder genauso wichtig wie die Frage nach dem Setzen von Grenzen.


5.2 Die religiöse Kompetenz von Eltern und Großeltern stärkenOhne die erlebbare Gestaltung des Glaubens ist religiöse Erziehung nicht möglich, weil Kinder diese Dimension sonst nicht erkennen und benennen können. Deshalb sollten von vornherein Kinder und Eltern im Blick sein. Es reicht also nicht aus, Modelle für Kinder zu entwickeln, ohne dabei den Eltern eigens Aufmerksamkeit zu widmen. Einzubeziehen sind hier auch die Großeltern. Gerade für Ostdeutschland ist das von Bedeutung, weil hier einerseits die Eltern-Kind-Beziehung stärker ausgeprägt ist (Eltern bleiben auch im Erwachsenenalter der Kinder eine große Autorität) und andererseits die Großeltern für ihre Enkelkinder eine große Rolle spielen. Zudem wird durch die steigende Lebenserwartung die gemeinsame Lebenszeit immer länger. Die Aneignung des Glaubens setzt personalisierte soziale Beziehungen voraus und ist auf die erlebbare Kommunikation des Evangeliums angewiesen. Dabei sind die primären Bezugspersonen ­ in der Regel also die Eltern ­ in besonderer Weise gefordert. Für sie ist religiöse Erziehung ­ sei sie hinweisender oder einweisender Art ­ mit Herausforderungen verbunden, denen sie sich zu stellen haben. Religiöse Erziehung kann verunsichern, weil sie längst verdrängte Fragestellungen wieder ans Licht bringt und die eigene Inkompetenz in diesem Bereich offenbart. Dann fühlen sich Eltern schnell überfordert. Gleichzeitig kann religiöse Erziehung als zusätzliche Belastung erlebt werden, wenn religiöse Praktiken, die vorher keine Rolle spielten, im Alltag untergebracht werden sollen. Dann ist es wahrscheinlich, dass man sich dieser Aufgaben entledigt. Schließlich ist das im Vergleich zu anderen Herausforderungen ohne große Schwierigkeit möglich. Religion in der Familie wird vor allem dann Bedeutung gewinnen, wenn sie als stützend empfunden wird, wenn sie hilft, das familiale Miteinander zu gestalten und zu vertiefen. Dafür brauchen Eltern und Großeltern Anregungen, wobei hier entscheidend ist, dass sie Formen religiöser Erziehung finden, die ihrem Glauben und ihrer Persönlichkeit angemessen sind.

Kinder sind sehr sensibel dafür, ob Eltern selbst von der Relevanz der Glaubensfragen überzeugt sind oder ob sie nur etwas inszenieren, weil sie es bestenfalls für Kinder bedeutungsvoll finden. »Christsein ist nur für Kinder gut, wenn es für Erwachsene gut ist.«54 Deswegen sollte religionspädagogisches Handeln darauf zielen, die innerfamilialen Ressourcen aufzunehmen und zu entwickeln.55 Notwendig wäre die Gestaltung von Kommunikationsräumen, in denen Eltern die Möglichkeit haben, im Zusammenhang mit der Stärkung ihrer Mutter- und Vaterrolle eigene Erlebnisse, aber auch Fragen mit Blick auf Glauben, Kirche und Religion zu formulieren. Schon dadurch würde religiöse Kompetenz gefördert.

Letztlich stellt sich die Herausforderung, religiöse Praktiken und Deutungen so anzubieten, dass Religion als hilfreich und nicht als zusätzliche Last empfunden wird. Zu erinnern ist hier an das Abendgebet. Es kann die Gestaltung des Zu-Bett-Gehens erleichtern und das Miteinander von Eltern und Kind festigen. Biblische Geschichten können realitätsüberschreitende Hoffnungsbilder vermitteln, die das Vertrauen ins Leben stärken. Der Lernort Familie rückt noch einmal deutlich ins Bewusstsein, dass christlicher Glaube primär als Praxis zu verstehen ist. Am Anfang stehen praktische Verhaltensweisen und das emotionale Berührtsein. Dies wird danach begrifflich gefasst und in Glaubenssätzen verdichtet.

5.3 Die sekundären Sozialisationsinstanzen in Unterstützung der Familie profilierenDas Problem der Explizierung des Glaubens ist eng verbunden mit der Frage nach der Unterstützung der Familie als religiösem Lernort. Die Bedeutung des außerfamilialen Kontextes für die Herausbildung einer Familienreligiosität ist ausgesprochen hoch. Das gilt für Familien, in denen explizit religiös und in denen nicht explizit religiös erzogen wird. Wird in der Familie explizit religiös erzogen, entscheidet das Umfeld wesentlich mit über die Intensität und Ausrichtung dieser Erziehung. Eine besondere Rolle spielen dabei die sekundären Sozialisationsinstanzen der Kinder (wie Kindergarten, Schule und ggf. die Gemeinde). Sie prägen sowohl die einweisende als auch die hinweisende religiöse Erziehung. Keine Familie kann alle Dimensionen der Religiosität gleichermaßen entwickeln und entfalten. Hier können entsprechende außerfamiliale Impulse bereichernd und erweiternd wirken. Begegnen Kinder aus Familien, in denen nicht explizit religiös erzogen wird, in ihrem außerfamilialen Umfeld nicht der religiösen Dimension, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass die Gottesfrage vollständig aus ihrer Lebenswelt verschwindet. Dann herrschen religiöse Sprach- und Verständnislosigkeit.

Insgesamt gesehen ist die Prägung des außerfamilialen Umfeldes in Ostdeutschland56 noch wichtiger als in Westdeutschland, da Kinder hier früher und intensiver außerfamilial betreut werden. Ostdeutsche Eltern verbringen täglich eine dreiviertel Stunde weniger mit ihren Kindern als westdeutsche Väter und Mütter.57 Ihre Kinder sind also stärker den Einflüssen der außerfamilialen Betreuungspersonen ausgesetzt. Die große Mehrheit der Familien in Ost und West ist auf die außerfamiliale Explizierung von Religion in besonderer Weise angewiesen, weil sonst die Begegnung mit expliziter Religion überhaupt ausfallen würde. Dieser Tatsache sollte bei der Profilierung religionspädagogischer Arbeit wesentlich mehr Gewicht beigemessen werden.

Die sekundären Sozialisationsinstanzen, zu denen zum Beispiel Gemeinde und Schule gehören, sollten sich deutlicher als familienstützend profilieren, indem sie Begegnungen mit expliziter Religion ermöglichen bzw. vorhandene Ansätze verstärkend aufnehmen. Eine besondere Rolle kommt hier den kirchlichen Kindergärten zu. Sie könnten dazu beitragen, dass die religiöse Dimension wieder in den Familien präsent wird.

Gerade in Ostdeutschland stellt sich diese Aufgabe mit besonderer Dringlichkeit. Gleichzeitig ergeben sich hier jedoch enorme Probleme, da sich nur schlecht Personal findet, das entsprechend agieren könnte. Die kirchlichen Träger stehen hier vor der religionspädagogischen Herausforderung, die Wiederentdeckung der eigenen Religiosität zu fördern. Damit sind sie jedoch meist überfordert. Gleichzeitig scheuen viele Kirchengemeinden vor der Übernahme einer Trägerschaft mit dem Argument zurück, sich um die »eigentlichen« Aufgaben kümmern zu müssen und sich auf Grund der angespannten finanziellen Situation keine zusätzliche Belastung aufbürden zu wollen. Dabei wird die Verantwortung zur Stützung der Familien völlig außer Acht gelassen, was angesichts des hier dargestellten Zusammenhangs äußerst problematisch ist. Grundsätzlich sollten sich die Kirchengemeinden wesentlich intensiver um die Familien als religiöse Lernorte kümmern. Die Eltern- und Familienarbeit verdient Priorität. Was hier versäumt wird, lässt sich an anderer Stelle nicht kompensieren.

Auch der Lernort Schule und in besonderem Maße der Religionsunterricht sollten stärker auf die Familie zugehen.58 Notwendig dafür wäre einerseits eine größere Öffnung und Transparenz des Unterrichtsgeschehens sowie andererseits eine (stärkere) Einbeziehung familienbezogener Inhalte.

5.4 Die traditionellen Anknüpfungspunkte im Verhältnis von Familie und Religion gut pflegenFamilie und Religion finden in ihrer kirchlichen Ausprägung vor allem in den Gottesdiensten zum Lebenslauf zusammen. Familienreligiosität ist hier lebens- und jahreszyklisch orientiert und dient der Gestaltung markanter Übergänge in der Lebensgeschichte. Vor allem in Westdeutschland werden diese Schnittstellen in Anspruch genommen. So werden fast alle Kinder evangelischer und katholischer Eltern getauft. Selbst unter den aus der Kirche ausgetretenen Müttern und Vätern besitzt dieses Ritual eine große Bedeutung. In Ostdeutschland spielt diese Form der Familienreligiosität jedoch nur noch für eine Minderheit der Familien eine Rolle.

Die herkömmliche gemeindliche Familienarbeit stößt aber im Osten auch deshalb an ihre Grenzen, weil die klassischen Anschlussstellen so nicht mehr gegeben sind. Hinter den traditionellen Kasualien steht das Modell der permanenten Familienbeziehungen. Brüche und Scheidungen werden nicht religiös begleitet. Das jedoch schließt per se einen großen Teil der Familien ­ unabhängig von ihrer Einstellung zur Religion ­ von einer kirchlich-christlichen Begleitung ihres Lebensweges aus. Gleichzeitig herrscht vielerorts noch das Bild der »heilen« Familie vor, weshalb die steigende Zahl der Alleinerziehenden bzw. der nichtehelichen Lebensgemeinschaften eine neue Herausforderung darstellt. Sie markieren in aller Deutlichkeit, dass die althergebrachten Überschneidungen zwischen Familie und Religion nicht mehr vorhanden sind.

Für West und Ost stellt sich die grundsätzliche Aufgabe, die traditionellen Anknüpfungspunkte im Verhältnis von Familie und Religion sorgfältig zu pflegen. Dort kann die lebensfördernde Perspektive von Religion besonders deutlich zum Tragen kommen. Diese Aufgabe schließt die Bereitschaft ein, die Zentrierung auf die Gemeindearbeit zu überdenken und stärker familienorientiert zu arbeiten. Dabei zeigt die Entwicklung in Ostdeutschland, wie schwer es ist, einmal verloren gegangene Berührungspunkte zwischen Familie und Kirche neu zu knüpfen.

5.5 Neue Anknüpfungspunkte suchenVor allem in Ostdeutschland stellt sich die große religionspädagogische Herausforderung, nach neuen Anknüpfungspunkten zur Religion zu suchen, weil die althergebrachten nicht mehr greifen. Dabei nimmt die Familie eine wichtige Rolle ein, weil sie in sich ein transzendentes Potential birgt. Sie ist in besonderem Maße mit Geburt und Tod, mit höchstem Glück und tiefster Freude verbunden. Gleichzeitig bietet sie in diesen Situationen Halt und die Möglichkeit zur umfassenden Kommunikation, in der der Mensch mit seiner ganzen Person gefragt ist. Auch lässt sich aufzeigen, dass sie hinsichtlich der religiösen Entwicklung nicht nur für Kinder eine große Bedeutung hat, sondern auch für deren Eltern. Gerade in der Phase der Familiengründung zeigen Menschen eine besondere Offenheit für die Beschäftigung mit religiösen Fragen.

Trotz der ausgeprägten Minoritätenstellung der Kirchen in Ostdeutschland kommt ihnen bei der Suche nach neuen Anknüpfungspunkten zur Religion eine wichtige Rolle zu. Da die unterschiedlichen Ausprägungen von Religion im Osten stärker zusammenrücken als im Westen, steht der Lernort Gemeinde damit für das Religiöse überhaupt. Kirche ist unverkennbar Religion und kann deshalb zum Impulsgeber des Religiösen werden. Religion entsteht deshalb »jedenfalls in Ostdeutschland primär in der Kirche«.59 Entscheidend ist jedoch, dass die Kirchen dabei den Betreffenden den Freiraum gewähren, ihre eigene Religiosität zu entwickeln. Die Relevanz von Religion für die Gestaltung des familialen Alltags liegt für die meisten inzwischen so weit außerhalb ihres Horizontes, dass es bereits ein enormer Schritt ist, wenn religiöse Fragen und Themen überhaupt wieder einer Auseinandersetzung für würdig erachtet werden.

Die partielle Öffnung der jüngeren ostdeutschen Generationen für religiöse Fragen60 bedarf der Unterstützung. Ob die Kirchen hier Räume und Möglichkeiten bereitstellen können, die die eigene Sinnsuche unterstützen, ohne gleich vereinnahmen zu wollen, bleibt zu hoffen. Auch wenn das angesichts der zu bewältigenden innerkirchlichen Probleme zumindest bezweifelt werden kann, sollte es aber trotzdem angestrebt werden. Auf alle Fälle sind der Religions- und der Ethikunterricht gefragt, aber auch die Medien, deren Bedeutung in Ostdeutschland besonders groß ist.61 Ansätze für ein solches diakonisch ausgerichtetes Handeln zeigen sich im Engagement um die Installation eines Rituals zum Übergang ins Jugendalter (zwischen Jugendweihe und Konfirmation) oder beim Bemühen, Kontakte zu kommunalen Kindergärten herzustellen, um beispielsweise in der Weihnachtszeit die religiöse Verankerung dieses Festes neu in Erinnerung zu rufen.

Interessant sind in diesem Zusammenhang Erfahrungen, die in Erfurt bei Feiern mit Christen und Nichtchristen gesammelt wurden. Das »Nächtliche Weihnachtslob«, Segnungsgottesdienste zum Valentinstag sowie das monatliche Totengedenken sind übrigens alle mit der familialen Einbindung des Einzelnen verwoben.62 Hier wird versucht, Konfessionslosen ein Angebot zu unterbreiten, das sie mit christlichen Themen, Räumen und Personen in Beziehung setzt, ohne sie dabei zu vereinnahmen. Letztlich geht es darum, den Glauben als hilfreich für die eigene Lebensführung und Persönlichkeitsentwicklung erlebbar werden zu lassen. Genau darin liegt der Schlüssel für die Profilierung solcher Angebote. Für die religionspädagogische Theoriebildung liegt darin die Herausforderung zur Profilierung eines religionspädagogischen Gesamtkonzepts, das Klarheit schafft über die Spezifik der jeweiligen Lernorte und deren Zuordnung zueinander. Soll Religion als relevante Lebenspraxis von Bedeutung sein, müssen Verbindungen hergestellt werden, damit Menschen an unterschiedlichen Orten mit durchaus unterschiedlicher Ausrichtung von Religion hören und sich damit auseinander setzen können.63 Die große Aufgabe liegt in der verknüpfenden Sichtweise. Es gilt, eine systemische Religionspädagogik zu entwickeln.

6. Familie als Ort beziehungsorientierten Lernens stärker ins Blickfeld rücken und theologisch bedenkenEvangelische Religionspädagogik hat sich bisher mit der Familie sehr schwer getan. Die hier vornehmlich nicht intentional ausgerichteten Lernprozesse waren nur selten im Blick. Denn unter pädagogischer Perspektive ist Familie im Vergleich mit anderen Lernorten ein »unspezifischer Ort«.64 Hier vermischen sich Nähe und Distanz, Ritualisierungen und spontanes Handeln. Aber gerade darin liegt ihre Stärke. In der Familie kann im »entspannten Feld«65 gelernt werden. Die Intensität des Lernens ist sehr hoch, weil vornehmlich am Modell gelernt wird und sich der Einzelne mit seiner ganzen Person zu erkennen geben kann. Alle Gefühlsregungen können gezeigt werden. Dadurch erhält die familiale Kommunikation eine Intensität, die in diesem Maße an einem anderen Lernort nicht möglich ist. In der Familie wird also vornehmlich beziehungsorientiert gelernt.

Die Erfahrungen innerhalb der Familie können deshalb in besonderer Weise die Beziehung zwischen Gott und Mensch plausibilisieren. Dabei ist nicht von vornherein eine bestimmte Familienstruktur anzustreben, sondere eine dem Wirken Gottes angemessene Gestaltung des familialen Miteinanders zu suchen, die sich durchaus unterschiedlich konkretisieren kann. Eindrücklicher kann man es kaum ausdrücken: »Familie ist, wo man nicht rausgeworfen wird«. Gleichzeitig kann an der Familienthematik die Verbundenheit der einzelnen theologischen Disziplinen deutlich werden. So liefert beispielsweise eine exegetische Untersuchung von Rainer Albertz zum Verhältnis von persönlicher Frömmigkeit und offizieller Religion zahlreiche Impulse, die praktisch-theologische Relevanz besitzen.66 Das gilt auch umgekehrt. An zwei Beispielen sei das kurz illustriert: Der Zusammenhang zwischen Eltern- und Gottesbild verweist die Systematische Theologie auf eine schon lange verfolgte Fragestellung. Wie kann man von Gott als Vater reden, ohne zugleich die Erfahrungen mit den irdischen Vätern und Müttern zu thematisieren? Schließlich bilden diese einen unwillkürlichen Deutehorizont. Menschliche Erfahrungen von Liebe und Treue, die sich in besonderer Weise in familialen Strukturen manifestieren, dienen als Verstehenshorizont für die Gottesbeziehung ­ nicht umgekehrt. Deutlich wird das bei den Propheten Hosea und Jeremia, die das Ehebild zur Verdeutlichung von Gottes Zuwendung zu seinem Volk benutzen. Aber »in puncto ðLiebeÐ herrscht in der Theologie Schweigen und Unklarheit.«67 Eine Gotteslehre sollte diese Aspekte stärker thematisieren. Der biblische Ansatzpunkt, die Gottesbeziehung anhand der Familienbeziehungen zu plausibilisieren, könnte dabei als Herausforderung verstanden werden. Es geht um die Explizierung von Anknüpfungspunkten zur Beschreibung des Gottesverhältnisses.

Aber auch sozialethische Fragen stellen sich. Die Bedeutung der Elternschaft für die Profilierung eigener Religiosität ist nicht hoch genug einzuschätzen. Die Erfahrung, Vater und Mutter zu sein, geht mit einer großen Offenheit religiösen Fragen gegenüber einher. Sollte die Elternschaft deshalb eine nicht viel größere Rolle bei der Profilierung sozialethischer Entwürfe spielen? Gehört zum Menschsein nicht in stärkerem Maße als bisher betont die Bereitschaft, erzieherische Verantwortung für die nachfolgende Generation zu übernehmen? Die religionspädagogische Sicht auf die Familie eröffnet einen Gestaltungsspielraum, den es zu nutzen gilt.

Mit der Familienthematik ist die Frage nach dem Woher und Wohin menschlicher Existenz in besonderer Weise verbunden. Schon deshalb sollte sie für die Theologie insgesamt eine wichtige Rolle spielen.

SummaryAlthough the family is once more increasingly moving into the centre of interest, it has not yet attracted sufficient attention in theology. The author seeks to correct this. He outlines the basic developments in the realm of the family in Germany, examines the theological relevance of family relationships, and presents learning-oriented thoughts on the family. Taking a religious education perspective, he names five problem areas which must be tackled in order to elevate the family¹s profile as a learning place of faith. In conclusion, Domsgen points to the general theological significance of the family

Fussnoten:

1) Der Beitrag basiert auf Überlegungen, die ich auf Einladung des Freundeskreises der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg am 23.06.2005 in Halle vorgetragen habe.

2) Inzwischen findet die Thematik auch in der Praktischen Theologie verstärkt Interesse. Vgl. z. B. Michael Domsgen, Familie und Religion. Grundlagen einer religionspädagogischen Theorie der Familie, Leipzig 2004; Albert Biesinger/Hans-Jürgen Kerner/Gunther Klosinski, Friedrich Schweitzer (Hrsg.), Brauchen Kinder Religion? Neue Erkenntnisse ­ Praktische Perspektiven, Weinheim-Basel 2005 (als erste Veröffentlichung des Tübinger Forschungsprojekts »Religiosität und Familie«), sowie das sich daran anschließende Themenheft von WzM 53 (2005). Am Institut für Praktische Theologie der Universität Bern wird ein Forschungsprojekt »Rituale in Familien mit kleinen Kindern ­ religiöse Dimensionen und intergenerationelle Bezüge« bearbeitet. Zu ersten Ergebnissen vgl. Christoph Morgenthaler, »Š habe ich das halt für mich alleine gebetet« (Mirjam 6-jährig). Zur Ko-Konstruktion von Gebeten in Abendritualen, in: A. Biesinger u. a., a. a. O., 108­121.

3) Vgl. Stefan Weick, Steigende Bedeutung der Familie nicht nur in der Politik. Untersuchung zur Familie mit objektiven und subjektiven Indikatoren, in: Informationsdienst Soziale Indikatoren 22 (1999), 12­15.

4) Vgl. Friedrich Schleiermacher, Pädagogische Schriften, hrsg. v. Erich Weniger, Bd. 1: Die Vorlesungen aus dem Jahre 1826, Düsseldorf-München 1957, 11.

5) Zit. nach Gesine Hefft, »Kinder ­ Küche ­ Kirche: ja bitte!« Über mögliche Zusammenhänge zwischen Familienbildung und Zukunftsfähigkeit der Kirche, in: Ferdinand Barth/Gottfried Buttler (Hrsg.), Bildung und Diakonie. Festschrift für Ernst-Ludwig Spitzner zum 60. Geburtstag, Darmstadt 2000, 91­100, 98.

6) Karl Lenz, Familien als Ensemble persönlicher Beziehungen, in: Friedrich W. Busch/Rosemarie Nave-Herz (Hrsg.), Familie und Gesellschaft. Beiträge zur Familienforschung, Oldenburg 2005, 9­31, 16.

7) Franz-Xaver Kaufmann, Zukunft der Familie im vereinten Deutschland. Gesellschaftliche und politische Bedingungen, München 1995, 49.

8) Vgl. Rosemarie Nave-Herz, Familie heute. Wandel der Familienstrukturen und Folgen für die Erziehung heute, Darmstadt 22002, 16. Zur Kritik an ihrer Familiendefinition vgl. K. Lenz 2005 (Anm. 6), 13.

9) Zu den grundlegenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wie auch zu den Tendenzen des familialen Wandels vgl. M. Domsgen 2004 (Anm. 2), 25­99.

10) Jürgen Dorbitz und Karla Gärtner prognostizieren ein hohes Niveau von 40 bis 50 % geschiedener Ehen. Vgl. dies., Bericht 1998 über die demographische Lage in Deutschland mit dem Teil B »Ehescheidungen ­ Trends in Deutschland und im internationalen Vergleich«, in: Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft 23 (1998), H. 4, 373­458, 452.

11) Rüdiger Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, Wiesbaden 52004, 180.

12) Vgl. Jan H. Marbach, Familiale Lebensformen im Wandel, in: Walter Bien/Jan H. Marbach (Hrsg.), Partnerschaft und Familiengründung. Ergebnisse der dritten Welle des Familien-Surveys, Opladen 2003, 141­187, 155 f.

13) Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Die Familie im Spiegel der amtlichen Statistik. Lebensformen, Familienstrukturen, wirtschaftliche Situation der Familien und familiendemographische Entwicklung in Deutschland, Berlin 2003, 77.

14) Rosemarie Nave-Herz sprach deshalb Mitte der 80er Jahre von der Tendenz zu einer »kindorientierten Eheschließung« (dies. 2002 [Anm. 8], 19). Allerdings bedarf es ­ vor allem mit Blick auf die Jüngeren ­ einer Relativierung dieser These. Vgl. R. Peuckert 2004 (Anm. 11), 52 f.

15) Christian Alt, Kindheit in Ost und West. Wandel der familialen Lebensformen aus Kindersicht, Opladen 2001, 96.

16) Zu den Zahlenangaben vgl. Bundesministerium 2003 (Anm. 13), 218.

17) Vgl. C. Alt 2001 (Anm. 15), 139.

18) Vgl. Norbert F. Schneider/Ruth Limmer/Kerstin Ruckdeschel, Berufsmobilität und Lebensform. Sind berufliche Mobilitätserfordernisse in Zeiten der Globalisierung noch mit Familie vereinbar?, Stuttgart 2002, 438.

19) Bundesministerium 2003 (Anm. 13), 27. Vgl. auch zu den folgenden Zahlenangaben a. a. O., 215.

20) Wie die vergleichende bevölkerungswissenschaftliche Forschung (»value of children studies«) sowie familienökonomische Untersuchungen zeigen, ist die sinkende Geschwisterzahl in der Familie nicht auf eine mangelnde Kinderzuneigung der Eltern zurückzuführen, sondern »auf einen Funktionswandel von Kindern in der Familie. Kinder waren in der vorindustriellen Zeit vor allem Träger materieller Güter und wurden nicht­ wie heute ­ ausschließlich um ihrer selbst Willen und/oder zur eigenen psychischen Bereicherung gewünscht und geplant, dazu reicht Š aus, dass ein oder zwei Kinder geboren werden.« Rosemarie Nave-Herz/Michael Feldhaus, Geschwisterbeziehungen. Psychologische und soziologische Fragestellungen, in: F. W. Busch/R. Nave-Herz 2005 (Anm. 6), 111­123, 119.

21) R. Peuckert 2004 (Anm. 11), 342.

22) R. Peuckert 2004 (Anm. 11), 384 f. (für Westdeutschland); 397 (für Ostdeutschland) (im Original teilweise kursiv).

23) F.-X. Kaufmann 1995 (Anm. 7), 42.

24) Vgl. Yvonne Schütze, Zur Veränderung des Eltern-Kind-Verhältnisses seit der Nachkriegszeit, in: Rosemarie Nave-Herz (Hrsg.), Kontinuität und Wandel der Familie in Deutschland. Eine zeitgeschichtliche Analyse, Stuttgart 2002, 71­97, 88.

25) Vgl. Hans Bertram, Die multilokale Mehrgenerationenfamilie ­ Von der neolokalen Gattenfamilie zur multilokalen Mehrgenerationenfamilie, in: Michael Feldhaus/Niels Logemann/Monika Schlegel (Hrsg.), Blickrichtung Familie. Vielfalt eines Forschungsgegenstandes, Würzburg 2003, 15­32.

26) Elisabeth Beck-Gernsheim, Von der Liebe zur Beziehung? Veränderungen im Verhältnis von Mann und Frau in der individualisierten Gesellschaft, in: Johannes Berger (Hrsg.), Die Moderne ­ Kontinuitäten und Zäsuren, Göttingen 1986, 209­233, 228.

27) Vgl. Bundesministerium 2003 (Anm. 13), 107.

28) R. Peuckert 2004 (Anm. 11), 288.

29) Dahinter steht die Vorstellung, dass es für die kindliche Entwicklung am besten sei, wenn das Kind bei seinen Eltern (meistens bei der Mutter) aufwächst. Vgl. Yvonne Schütze, Die gute Mutter ­ zur Geschichte des normativen Musters »Mutterliebe«, in: Maria-Eleonora Karsten/ Hans-Uwe Otto (Hrsg.), Die sozialpädagogische Ordnung der Familie. Beiträge zum Wandel familialer Lebensweisen und sozialpädagogischer Interpretationen, Weinheim-München 1997, 45­66.

30) So stößt beispielsweise auch das Angebot zur Ganztagsbetreuung im Rahmen des Investitionsprogramms »Zukunft, Bildung und Betreuung« der Bundesregierung insgesamt auf positive Resonanz. Vgl. Katrin Höhmann/Heinz Günter Holtappels/Thomas Schnetzer, Ganztagsschule, in: Heinz Günter Holtappels u. a. (Hrsg.), Jahrbuch der Schulentwicklung. Daten, Beispiele und Perspektiven, Bd. 13, Weinheim-München 2004, 253­289, 265 f.

31) Vgl. Christian Alt/Karen Blanke/Magdalena Joos, Wege aus der Betreuungskrise? Institutionelle und familiale Betreuungsarrangements von 5- bis 6-jährigen Kindern, in: Christan Alt (Hrsg.), Kinderleben ­ Aufwachsen zwischen Familie, Freunden und Institutionen, Bd. 2: Aufwachsen zwischen Freunden und Institutionen, Wiesbaden 2005, 123­155. Dieselbe Tendenz zeigt sich auch hinsichtlich der schulischen Betreuungszeiten. Vgl. Karen Blanke, Wie viele Stunden sind ein Tag? Institutionelle Betreuungsformen von 8- bis 9-jährigen Schulkindern, in: C. Alt 2005, a.a. O., 157­182.

32) F.-X. Kaufmann 1995 (Anm. 7), 174 u. ö.

33) Vgl. David Steinhübl, Sag mir, wo du wohnst Š Risiken und Ressourcen unterschiedlicher Räume für Kinder, in: Christian Alt 2005 (Anm. 31), 239­276.

34) Gerhard Beisenherz, Wie wohl fühlst Du Dich? Kindliche Persönlichkeit und Umwelt als Quelle von Wohlbefinden und Unwohlsein bei Grundschulkindern, in: Ch. Alt 2005 (Anm. 31), 157­186, 183.

35) Trutz von Trotha, Zum Wandel der Familie, in: KZfSS 42 (1990), 452­473, 453.455.

36) Rosemarie Nave-Herz, Wandel und Kontinuität in der Bedeutung, in der Struktur und Stabilität von Ehe und Familie in Deutschland, in: Dies. 2002 (Anm. 24), 45­70, 63. Zur Kritik an dieser These vgl. K. Lenz 2005 (Anm. 6), 17.

37) Vgl. ausführlicher dazu M. Domsgen 2004 (Anm. 2), 263­277. Auffällig ist, dass die evangelische Theologie sehr zurückhaltend in der Beschäftigung mit der Familienthematik ist. Es finden sich nur wenige Untersuchungen. Im katholischen Raum sieht das anders aus. Außerdem zeigt sich, dass biblisch-theologische Überlegungen zu dieser Thematik in den letzten Jahren verstärkt im englischsprachigen Raum angestellt wurden.

38) Hans-Josef Klauck, Die biblische Familie ­ eine Fehlanzeige?, in: Lebendige Katechese 21 (1999), 80­84, 81.

39) Ich lehne mich hier begrifflich an Gerhard Ebeling an, der im Rahmen seiner Gotteslehre davon spricht, dass das Gebet ein »Schlüssel zur Gotteslehre« sei. Ders., Dogmatik des christlichen Glaubens, Bd. 1: Prolegomena, Erster Teil: Der Glaube an Gott als den Schöpfer der Welt, Berlin 1986, 193.

40) H.-J. Klauck 1995 (Anm. 38), 23.

41) Zum Einfluss der Eltern auf die Religiosität ihrer Kinder vgl. z. B. Hartmut Beile, Kinder glauben anders. Religiosität in der Familie aus entwicklungspsychologischer Sicht, in: Albert Biesinger/Herbert Bendel (Hrsg.), Gottesbeziehung in der Familie. Familienkatechetische Orientierungen von der Kindertaufe bis ins Jugendalter, Ostfildern 2000, 44­72.42) Dietrich Korsch, Weihnachten ­ Menschwerdung Gottes und Fest der Familie. Systematisch-theologische Gedanken zu gelebter Religion, in: IJPT 3 (1999), 213­228, 225.

43) Vgl. Michael N. Ebertz, Einseitige und zweiseitige liturgische Handlungen, in: Benedikt Kranemann/Eduard Nagel/Elmar Niebold (Hrsg.), Heute Gott feiern. Liturgiefähigkeit des Menschen und Menschenfähigkeit der Liturgie, Freiburg i. Br. 1999, 14­38, 21.

44) Norbert Mette, Voraussetzungen christlicher Elementarerziehung. Vorbereitende Studien zu einer Religionspädagogik des Kleinkindalters, Düsseldorf 1983, 235.

45) A. a. O., 250. Religion liefert nicht per se einen positiven Beitrag zur Subjektwerdung des Menschen. Vgl. Gunter Klosinski, Religiosität als Chance und Hindernis der Persönlichkeitsentwicklung, in: A. Biesinger u. a. 2005 (Anm. 2), 22­35.

46) Lothar Krappmann, Symbole, Riten, Festlichkeit, in: Caritasverband der Diözese Münster (Hrsg.), Religiöse Erziehung und christliche Gemeinde. Dokumentation der religionspädagogischen Wochen im Bistum Münster, Münster 1981, 16­33, 16 f.

47) N. Mette 1983 (Anm. 44), 286.

48) Vor Augen führen kann man sich das an der Deutung des aaronitischen Segens in Verbindung mit dem abendlichen Zu-Bett-Geh-Ritual. »Wenn die Mutter sich lächelnd über das Bett des Kindes beugt, geht für das Kind die Sonne auf. Seine Existenzgrundlage wendet sich ihm zu. Im Bereich religiöser Sprache wird dieses Bild vom aaronitischen Segen Š aufgenommen: ðDer Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir, der Herr erhebe sein Angesicht auf dich.Ð Auf der frühkindlichen Erlebnisbasis können diese Worte auch vom Erwachsenen unmittelbar nachempfunden werden.« Hans-Jürgen Fraas, Die Religiosität des Menschen. Ein Grundriß der Religionspsychologie, Göttingen 21993, 169.

49) N. Mette 1983 (Anm. 44), 284.

50) Vgl. Günter R. Schmidt, Religionspädagogik. Ethos, Religiosität, Glaube in Sozialisation und Erziehung, Göttingen 1993, 131 f.

51) F.-X. Kaufmann 1995 (Anm. 7), 164.

52) Vgl. dazu die nach den vier Dimensionen »Kirchlichkeit«, »Christlichkeit«, »Atheismus« und »außerkirchliche bzw. außerchristliche Religiosität« entfaltete Analyse bei M. Domsgen 2004 (Anm. 2), 100­260.

53) Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Wo bleibt die Zeit? Die Zeitverteilung der Bevölkerung in Deutschland 2001/2002, o. O. 2003, 28.

54) Wolfgang Bartholomäus, Christsein lernen von Anfang an. Zürich-Einsiedeln-Köln 1981, 23 f.

55) Sehr interessant ist an dieser Stelle ein Blick auf die Interviews der EKD-Mitgliedschaftsumfragen. Vgl. Studien- und Planungsgruppe der EKD, Quellen religiöser Selbst- und Weltdeutung. Die themenorientierten Erzählinterviews der dritten EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft, Bd. I: Dokumentation, Hannover 1998. Vgl. auch Ulrich Schwab, Familienreligiosität. Religiöse Traditionen im Prozeß der Generationen, Stuttgart-Berlin-Köln 1995.

56) Zu den Problemlagen in Ostdeutschland differenziert nach den verschiedenen Lernorten des Glaubens vgl. Michael Domsgen (Hrsg.), Konfessionslos ­ eine religionspädagogische Herausforderung. Studien am Beispiel Ostdeutschlands, Leipzig 2005.

57) Vgl. Bundesministerium, Statistisches Bundesamt 2003 (Anm. 53), 24.

58) Vgl. bezogen auf die Herausforderungen in Ostdeutschland: Michael Domsgen, Religionsunterricht und Familie in Ostdeutschland. Überlegungen zu einem vernachlässigten Verhältnis, in: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie 57 (2005), H. 1, 65­77.

59) Jan Hermelink, Fremde Heimat Religion. Konturen kirchlichen Lebens in Ostdeutschland, in: PrTh 27 (2002), 99­116, 116.

60) Vgl. Wolfgang Jagodzinski, Religiöse Stagnation in den neuen Bundesländern: Fehlt das Angebot oder fehlt die Nachfrage?, in: Detlef Pollack/Gert Pickel (Hrsg.), Religiöser und kirchlicher Wandel in Ostdeutschland, Opladen 2000, 48­69; Michael Terwey, Glaube an ein Leben nach dem Tod, in: Detlef Pollack/Irena Orowik/Wolfgang Jagodzinski (Hrsg.), Religiöser Wandel in den Postkommunistischen Ländern Ost- und Mitteleuropas, Würzburg 1998, 179­203; Monika Wohlrab-Sahr, Konfessionslos gleich religionslos? ­ Überlegungen zur Lage in Ostdeutschland, in: Götz Doyé/Hildrun Kessler (Hrsg.), Konfessionslos und religiös. Gemeindepädagogische Perspektiven, Leipzig 2002, 11­27.

61) Vgl. Christian Grethlein, »James Bond hatte ein Haus in Jericho und feierte dort riesige Partys.« Die Medien als Lernort des Glaubens im ostdeutschen Kontext, in: M. Domsgen 2005 (Anm. 56), 241­282.

62) Vgl. Reinhard Hauke, Feiern mit Christen und Nichtchristen, in: rhs 48 (2005), H. 1, 36­41.

63) Vgl. M. Domsgen 2004 (Anm. 2), 293­303, sowie speziell für Ostdeutschland: Michael Domsgen/Helmut Hanisch, Den Herausforderungen begegnen: Grundzüge einer ostdeutschen Religionspädagogik, in: M. Domsgen 2005 (Anm. 56), 389­407. Wie Veränderungen an einem Lernort Auswirkungen auf die anderen Lernorte haben, habe ich am Beispiel der Ganztagsschule zu zeigen versucht. Vgl. Michael Domsgen, Die Ganztagsschule ­ eine Herausforderung für die Religionspädagogik, in: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie 57 (2005) H. 2, 118­128.

64) Wolf-Eckart Failing, Religiöse Erziehung in der Familie, in: Gottfried Adam/Rainer Lachmann (Hrsg.), Gemeindepädagogisches Kompendium, Göttingen 1987, 199­232, 201. Diese Charakteristik gilt hauptsächlich im Vergleich mit den Lernorten Schule und Gemeinde. Nimmt man die dort geltenden Lernformen nicht als Maßstab, ist die Familie durchaus ein »spezifischer« Ort. Ihre Besonderheit liegt in der Beziehungsorientierung.

65) F.-X. Kaufmann, zit. nach ebd.

66) So seine Hinweise auf die »Eigenart« von Familienreligiosität und die Bedeutung dieser spezifischen Ausprägung von Religiosität in Zeiten der »schwersten Bedrohung« des Jahweglaubens. Vgl. Rainer Albertz, Persönliche Frömmigkeit und offizielle Religion. Religionsinterner Pluralismus in Israel und Babylon, Stuttgart 1978, 190. Interessant ist auch sein bereits damals formuliertes Votum: »In ihrem eigenen Interesse muß der Kirche somit gelegen sein, das religiöse Leben in den Familien zu stärken« (209).

67) Eilert Herms, Liebe, Sexualität, Ehe. Unerledigte Themen der Theologie und der christlichen Kultur, in: ZThK 96 (1999), 94­135, 96.