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Ausgabe:

April/2006

Spalte:

366–368

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Metzger, Martin

Titel/Untertitel:

Vorderorientalische Ikonographie und Altes Testament. Gesammelte Aufsätze. Hrsg. v. M. Pietsch u. W. Zwickel.

Verlag:

Münster: Aschendorff 2004. XVI, 225 S. m. Abb. gr.8° = Jerusalemer Theologisches Forum, 6. Kart. Euro 37,00. ISBN 3-402-07505-9.

Rezensent:

Christoph Uehlinger

»Die Anregung zu diesen Aufsätzen verdanke ich der Begegnung mit Dokumenten der vorderorientalischen Ikonographie bei Exkursionen zu Museen in Beirut, London und Paris sowie mit Mosaiken in den antiken Synagogen zu Tiberias, Bet Alfa, Sefforis und En Gedi.« (XV) Martin Metzger, langjähriger Professor für Altes Testament und Biblische Archäologie an der Universität Kiel, hat Generationen von Studierenden und Reisenden auf Exkursionen und Museumsbesuchen im Heiligen Land begleitet und ihnen auf stets sehr lebendige Weise Bild- und Lebenswelt des Alten Orients, vor allem des antiken Palästinas erschlossen.

Der Band verbindet acht Aufsätze (die meisten von ihnen ursprünglich als Festschriftbeiträge publiziert) zu einer gelungenen Kollektion, deren Zusammenhang in der Frage nach der Darstellung göttlichen Segens in altorientalischer Ikonographie, besonders im Umfeld von Sakralbauten, und der Korrelation solcher bildlicher Segenssymbolik mit biblischen Texten liegt. Der Band ergänzt eine zuvor unter dem Titel »Schöpfung, Thron und Heiligtum« veröffentlichte zweite Sammlung von exegetischen Aufsätzen des Vf.s (Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 2003 = BThSt 57), die auf ihre Weise belegt, wie sehr Tempel und Gottheit, Schöpfung und Segen im Zentrum der wissenschaftlichen Arbeit des Vf.s standen.

1. Vorwort: Bild und Text ­ Text und Bild (IX­XVI). ­ 2. Gottheit, Berg und Vegetation in vorderorientalischer Bildtradition [1983] (1­38). ­ 3. Ein Elfenbeinrelief aus Minet el-Beda, die Gottheit, die Tiere füttert, und das Motiv des von Tieren flankierten Baumes auf dem Berg [1994] (39­50). ­ 4. Zeder, Weinstock und Weltenbaum [1991] (51­76). ­ 5. Der Weltenbaum in der vorderorientalischen Bildtradition [1992] (77­89). ­ 6. Keruben und Palmetten als Dekoration im Jerusalemer Heiligtum und Jahwe, »der Nahrung gibt allem Fleisch« [1993] (90­111). ­ 7. Jahwe, der Kerubenthroner, die von Keruben flankierte Palmette und Sphingenthrone aus dem Libanon [1994] (112­123). ­ 8. Abraham, Zodiakos und Toraschrein. Verbindungslinien zwischen Bildmotiven auf Mosaikbildern spätantiker Synagogen in Palästina [2000] (124­145). ­ 9. Hananja, Mischael und Asarja auf der Mosaikinschrift der Synagoge von En Gedi [2001] (146­162). ­ Abbildungen (163­217). ­ Register (219­225).

Ikonographisch tätige Alttestamentler sind nicht Legion, und schon deshalb nimmt man dieses Buch mit Freude entgegen. Das Feld, das hier unermüdlich beackert wird, ist das der Traditionsgeschichte: Der Vf. identifiziert Traditionen in Bild und Text, will sagen: Themen, Motive und Motivgruppen (z. B. Berg ­ Baum ­ antithetische Tiere oder Mischwesen; Keruben ­ Thron ­ Baum), sucht deren oft vielschichtige und mehrdimensionale Bedeutung inhaltlich zu erheben und prüft, ob dieselben oder vergleichbare Assoziationen auch im jeweils anderen Medium wiederzufinden sind. Im Vorwort erläutert er die methodischen Prinzipien, die ihn dabei leiteten, sowie das Hin und Her zwischen Bildern und Texten, deren je eigene Darstellungs- und Aussagemöglichkeiten berücksichtigt sein wollen. Die einzelnen Beiträge durchschreiten zeitlich, geographisch und kulturell immense Räume (von Iran bis in die Levante, vom 4. Jt. v. Chr. bis ins 6. Jh. n. Chr.). Dem historisch engräumiger, kontaktorientiert denkenden Leser mag mancher Horizont etwas weit gezogen sein (allerdings fehlen Verweise auf Ägypten, für Palästina eine nahe liegende Nachbarkultur, fast gänzlich). Die traditionsgeschichtliche Fragestellung ließe sich vielleicht noch stärker profilieren, wenn deutlicher zwischen Dokumenten, die den biblischen Texten zeitlich und geographisch ferner liegen, und solchen aus der Levante bzw. aus Palästina unterschieden würde. Offene Formulierungen wie die, »daß in der Ikonographie des Alten Orients bei Gottheiten, die in Beziehung zur Vegetation stehen, auch eine Affinität zum Berg erkennbar wird« (13), lassen Möglichkeiten und Grenzen einer phänomenologisch angelegten Ikonographie mit einem Blick erkennen. Dabei ist der Vf. aber nicht nur an »Bildsymbolik«, sondern auch an deren Zusammenhang mit konkreten Lebenserfahrungen, d. h. vor allem Erfahrungen in der Wahrnehmung der natürlichen Umwelt, gelegen. Die Kontrastierung von Glücks- und Unglücksfeldern auf einem Spielbrett aus den Königsgräbern von Ur (95, leider ohne Abb.) lässt sein Interesse an den konkreten Verwendungskontexten von antiken Bildern und Texten aufblitzen. Dass der stilisierte Baum auf der Frontseite eines Götterthrons verdeckt wird bzw. würde, wenn die Gottheit auf dem Thron Platz nehmen würde (118), mag verschiedene Deutungen zulassen ­ noch vor jeder Deutung muss man erst einmal auf den (originellen) Gedanken kommen! An solchen Details zeigt sich die in lebenslanger Arbeit gewonnene Vertrautheit, fast Intimität mit den Objekten.

Insgesamt bezeugen die Studien eindrücklich, »wie der gleiche Inhalt auf verschiedene Weise zur Sprache gebracht [und ins Bild gesetzt] werden kann« (161) in den unterschiedlichsten Medien, Gattungen und Kontexten. Biblische Texte, für deren Verständnis die ikonographischen Studien des Vf.s unbedingt Gewinn bringen, sind etwa Ez 17,22­24; 19,10­11; 31,1­9; Ps 80; 104; 136; 145; 147; Dan 4,7­9. An biblischen Motiven sind vor allem die Keruben im Jerusalemer Tempel zu nennen, die der Vf. in ihrem Bezug auf Heiligkeit, Schöpfung und Königsherrschaft Jahwes, des Kerubenthroners, erläutert. Sehr anregend sind auch die beiden Studien über den Zusammenhang von Zodiak, Kalender und Kultsymbolik bzw. Schöpfung, Weisheit und Tora in Bild und Wort auf spätantiken Synagogenmosaiken (u. a. mit Verweis auf Jer 31,35 f. und Ps 19). Wer über diese Texte und Themen arbeitet, lernt beim Vf. die Kunst sorgfältigen Hinschauens und aufmerksamer Verknüpfung.

Wie oft bei Sammlungen dieser Art wollten der Vf. und die Herausgeber den unveränderten Text der Originalpublikationen wiedergeben und die Artikel nicht weiter aufeinander abstimmen (XVI). Dies hat den Vorteil, dass beflissene Fußnotenschreiber künftig jeweils auf beide Publikationen, das Original und den Neudruck, verweisen können. Beim Abschreiben der Artikel sind aber nicht nur »offensichtliche Rechtschreibefehler stillschweigend beseitigt« worden, sondern viele neue hinzugekommen. Zahlreiche Wiederholungen, fehlende Querverweise innerhalb des Bandes, Fußnotenverweise auf andere Artikel des Vf.s, die im vorliegenden Band wieder abgedruckt sind, ohne dass die Fußnote dies notieren würde, usw. erschweren den Gebrauch des Bandes beträchtlich. Wenn in einer Fußnote auf eine Bilddarstellung verwiesen, aber nicht notiert wird, dass ebendiese Abbildung als Illustration eines anderen Aufsatzes im Bildteil des vorliegenden Bandes abgedruckt ist (60, Anm. 14 = Abb. 129; 73, Anm. 49 = Abb. 145 usw.), fällt dies besonders ins Gewicht. Die redaktionelle und herausgeberische Betreuung der Aufsätze war offenbar nicht konsistent, denn in manchen Beiträgen (Nr. 6, 7, 9) finden sich (unvollständig) solche Querverweise, in anderen nicht. Da die 167 Abbildungen sinnvollerweise alle zusammen im hinteren Teil des Buches abgedruckt sind, wäre es überdies ein Leichtes gewesen, sie (z. B. chronologisch und nach Kulturkreisen) neu zu ordnen und dem Bildteil damit seine eigene Kohärenz und Konsistenz zu verleihen. Die meisten Abbildungen sind als Strichzeichnungen wiedergegeben; manche Fotos (etwa Abb. 65, 102 f., 131, 133, 150­153) sind leider kaum lesbar.

Aufsatzsammlungen dieser Art haben u. a. Archiv-Charakter, wollen Verstreutes leichter zugänglich machen und sind deshalb nicht einfach am neusten Stand der Forschung zu messen. Dass die vorderasiatische Archäologie und Kunstgeschichte, sowohl was die Materialfülle als auch was deren kulturgeschichtliche Diskussion betrifft, heute nicht mehr auf dem Stand der vom Vf. meist zitierten, verdienstvollen Gesamtdarstellungen von A. Moortgat und W. Orthmann steht, versteht sich von selbst. Vollständigkeit der Belege kann für ein Forschungsvorhaben, dem am Ende an einem dichteren Verständnis biblischer Texte gelegen ist, ohnehin kein absolutes Ziel sein. Wenn aber im Ortsregister Namen wie Mari, Nimrud und Ras Schamra dominieren, bedeutende Fundorte wie Ebla, Emar, Tall Mozan in Syrien, Gezer, Megiddo und Hazor in Palästina fehlen, ist dies schon auffällig. Eigenartig erscheint angesichts des fast alle Studien durchziehenden Interesses an Tempel und Baum auch die Tatsache, dass, wenn ich recht sehe, das Problem der alttestamentlichen bzw. israelitisch-judäischen Aschera-Verehrung in den hier versammelten Studien mit keinem Wort auch nur erwähnt wird. Umgekehrt erinnern die Aufsätze freilich auf ihre Weise daran, dass man gut daran tut, die Religionsgeschichte Israels und Judas nicht auf dieses Thema engzuführen.