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Ausgabe:

April/2006

Spalte:

446–448

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Pirner, Manfred L., u. Thomas Breuer [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Medien ­ Bildung ­ Religion. Zum Verhältnis von Medienpädagogik und Religionspädagogik in Theorie, Empirie und Praxis.

Verlag:

München: Kopaed 2004. 272 S. m. Abb. 8° = Medienpädagogik interdisziplinär, 2. Kart. Euro 19,80. ISBN 3-938028-12-2.

Rezensent:

Bernd-Michael Haese

Mit diesem Sammelband dokumentieren Manfred L. Pirner und Thomas Breuer die im Herbst 2003 stattgefundene Tagung »Medien ­ Bildung ­ Religion. Medienpädagogik und Religionspädagogik im Gespräch«. Zugleich der zweite Band der Reihe »Medienpädagogik interdisziplinär«, lotet die Dokumentation die lohnenswerten Ziele einer gemeinsamen Arbeit von Medien- und Religionspädagogik aus. Die 20 Beiträge (ohne Pirners Einführung und die »Zugabe« des Interviews mit dem Regisseur von »Das Verlangen«, Iain Dilthey) sind in einen theoretisch gehaltenen ersten Abschnitt »Perspektiven für Dialog und Kooperation«, einen kürzeren zweiten Abschnitt »Berichte aus der Forschung« sowie einen dritten Teil »Projekte aus der Praxis ­ Impulse für die Praxis« gegliedert, womit die drei im Untertitel des Werks genannten Bereiche Theorie, Empirie und Praxis abgedeckt sind.

Die stärksten Passagen hat das Buch dort, wo mit konkretem Praxisbezug argumentiert wird. Dieses geschieht natürlich vorrangig in den Beiträgen des dritten Abschnitts, die über Unterrichtsmodelle, vorliegende Projekte und Experimente berichten, sie aber darüber hinaus in einen angemessen kurzen theoretischen Rahmen stellen. Dabei geht es um religiöse Motive in Kinofilmen und ihre Aufarbeitung (Wörther zu »Fearless«, Breuer zu »Broken Silence«), in besonderer Ausprägung dort, wo die Produzenten das Mythische und Epische selbst als Kern der umfangreichen Medienprodukte herausheben (Weschke zur Starwars-Weltraumsaga). Mit der Todesthematik in Videoclips wenden sich Peemöller-Schulz, Schulz und Surkau einem jugendlichen Mediengenre zu, das einem mehrtägigen Unterrichtsprojekt zu Grunde gelegt wurde. Die aktive Seite der anzustrebenden Medienkompetenz wird in Berichten vom Schülerlandeswettbewerb Jugend&Kultur&Religion (Wermke) und dem Schülermedienprojekt zur Fremdenangst am Beispiel des Islam (Tiemann) vorgestellt. Wünschenswert kritische Berichte zur derzeitigen Praxis von internetgestütztem Lernen und Multimedia in der Schule ­ teilweise in bewusstem Kontrast zu programmatischen Äußerungen verschiedenster Herkunft ­ von Bauer und Müller ergänzen die Praxisschau. Ohne die anderen Beiträge dieser Kategorie abzuwerten, ist schließlich der Beitrag von Inge Kirsner über Filmgottesdienste hervorzuheben, weil sie eine schon (wenn auch selten) praktizierte Form von liturgischem Medieneinsatz in die wissenschaftliche Diskussion einbringt, die bisher wenig zur Kenntnis genommen worden ist.

Doch auch die theoretischen Eröffnungen aus dem ersten Teil gewinnen an Klarheit dort, wo sie strukturierte Hilfen in dem recht offenen Themenfeld von Medien und Religion an die Hand geben. Tulodziecki liefert im zweiten Teil seines Artikels einen systematischen Aufriss über eine »reflektierte Nutzung« von medialem Lernen, der verschiedene didaktische Szenarien (Erkundung, Problemstellung, Gestaltung etc.), bisherige pädagogische Ziele im Umgang mit Medien (Bewahrung, Förderung von demokratischer Mündigkeit, Ideologiekritik etc.) und daraus resultierend die zu fördernden medialen Handlungskompetenzen in Nutzung und Gestaltung umfasst. Gottwald setzt in einer instruktiven Tabelle die Kooperationsfelder von Medienpädagogik und Religionspädagogik nebeneinander. Auch er benennt als Bildungsziele passive (wahrnehmen und unterscheiden, reflektieren und ausarbeiten) und aktive (verstehen und beurteilen, religiöse Sprache entwickeln, verantwortliches Medienhandeln) Medienkompetenzen. Im Beitrag von Fleckenstein, der verschiedene Ausprägungen der Symboldidaktik kurz darstellt und mit der religiösen Medienarbeit zusammenbringt, liegt der Akzent auf der aktiven Medienarbeit: »Wir müssen nicht einfach darauf warten, bis Menschen die unerträgliche Leichtigkeit des Seins der Medien selbst entdecken ­ wir können ihnen dabei helfen.« (94) Röll greift in seinem Beitrag die symboldidaktische Perspektive von der Seite der Medienpädagogik auf und verweist auf die innere Logik, nach der religiöse Symbolik in der Werbung und in Spielfilmen verwendet wird, dazu kommt ein Überblick, welche religiösen Traditionen (neben dem Christentum auch zunehmend hinduistische, buddhistische, animistische, schamanistische oder transreligiöse) dabei verwendet werden.

Neben der passiven und aktiven Medienkompetenz (die Beuscher in seiner kurzen Abhandlung aphoristisch ergänzt) als gemeinsamer Aufgabe von Medien- und Religionspädagogik betonen die Beiträge in diesem Band die Medienethik als gemeinsamen Angelpunkt der beiden Disziplinen. Was bei Tulodziecki in seinem zwar plastischen, aber doch auch etwas vordergründigen »Sebastian-Dilemma« schon als Erziehung zu einer sittlichen Gesamtpersönlichkeit auch im medialen Handlungsfeld anklingt, erhält durch die »Aufmerksamkeits-Ökologie«, die Niesyto im Anschluss an Thomas benennt, einen umfassenderen Fokus. Sicher ist es richtig, dass der Kampf um die Aufmerksamkeit im Laufe der Medienentwicklung härter und skrupelloser geworden ist. Dass (positive) Kommunikation durch (negative, weil schneller und weniger intensive) Wahrnehmung ersetzt wird, bringt hingegen eine belastende qualitative Konnotation der ohnehin schon sehr interpretationsbedürftigen Begriffe mit sich. Positiv verstanden ist »Aufmerksamkeit« ein Teil der pädagogisch zu fördernden Medienkompetenz und -kritik und ist darüber hinaus sehr anknüpfungsfähig an christliche Werte. Gleichzeitig ist ­ Niesyto merkt das selbst mehrfach an ­ der Grat zu einer prinzipiellen Abwertung der Medienkultur sehr schmal, wenn man mit »Aufmerksamkeit« hauptsächlich ein Defizit der modernen Medien beschreibt. Diese bieten mehr als »Schund« ­ und den hat es in allen Medienepochen gegeben.

Der Mittelteil bietet eine Explorativstudie zu Kindersendungen mit religiösem Inhalt (Götz/Knoller). Dinters Studie »Jugendliche am Computer« möchte erst einmal ohne Beurteilungen zur Kenntnis nehmen, was sich in der Lebensnormalität der Jugendlichen abspielt. Nach wie vor kranken die meisten vorliegenden Untersuchungen an einem in der Regel negativen Vorverständnis, worauf Dinter dankenswerterweise noch einmal hinweist. Auf ähnlicher Linie beschreibt Scholtz, wie Jugendliche das verbreitete PC-Spiel »Zelda« erleben. Am Ende des Abschnitts stellt Pirner erste Ergebnisse seiner Cluster-Stichprobe zum Zusammenhang von religiösen Einstellungen und Medienkonsum dar. Die dargelegten Ergebnisse zeigen, wie schwierig empirische Daten in diesem Bereich zu erheben und vor allem zu interpretieren sind.

Auf der Suche nach einem Nachweis für eine Mediensozialisation im Sinne einer Sozialisation durch die Medien übersieht Pirner zumindest bei den Einzelergebnissen (bspw. die Korrelation Mystery/Horror-Konsum ­ negatives Gottesbild bzw. umgekehrt, siehe 162), dass auch die umgekehrte Erklärung plausibel ist: Eine bestimmte religiöse und lebensweltliche Einstellung lässt mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine spezifische Medienauswahl schließen (so wiederum im Fazit, 164). Wirklich stichhaltig bleibt allein, dass es einen Zusammenhang zwischen spezifischen Fernsehinteressen und religiös-weltanschaulichen Einstellungen gibt.

Es bleiben bei der Lektüre ein paar »Unschärfezonen« zwischen Medien und Religion bestehen, die nicht in der Natur der Sache liegen. Das liegt sicher auch in der Eigenart der Publikation als Tagungsdokumentation begründet. Es würde jedoch auch der anvisierten Kooperation zwischen Medien- und Religionspädagogik dienen, wenn die zu Grunde liegenden Begriffe deutlicher gemacht würden. An vielen Stellen muss man sich erschließen, was die Autoren jeweils unter »Medien« und »Religion« verstehen. Die meistens gemeinte engere Definition der Medien als technische und vor allem elektronische Medien blockiert zum Beispiel bis auf wenige Ausnahmen den Blick darauf, dass religiöse Kommunikation zu allen Zeiten die besondere Beachtung der jeweiligen Kommunikationsmedien und ihrer institutionellen Regelung erforderte, was Religionspädagogik stets auch zur Medienpädagogik machte ­ schon als beide Disziplinen noch gar nicht so hießen. ­ Pirner hält schon in seiner Einführung fest: Viele ­ und wahrscheinlich die fruchtbarsten ­ Impulse der religions-medienpädagogischen Arbeit kommen aus der Praxis. Das belegt dieser Band vielfältig.