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Ausgabe:

April/2006

Spalte:

425–427

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Landesmann, Peter

Titel/Untertitel:

Die Himmelfahrt des Elija. Entstehen und Weiterleben einer Legende sowie ihre Darstellung in der frühchristlichen Kunst

Verlag:

Wien-Köln-Weimar: Böhlau 2004. 328 S. m. Abb. gr.8°. Lw. Euro 39,00. ISBN 3-205-77184-2.

Rezensent:

Hans Georg Thümmel

P. Landesmann legt eine Untersuchung über die Himmelfahrt des Elias (Elija) vor. Das Vorwort formuliert als Aufgabe: »Mit welchem möglichen Vorwissen und in welcher geistigen Atmosphäre haben die Künstler ihre Wiedergaben der Himmelfahrt des Elija ausgeführt?« (13), der Untertitel spricht von einer Legende sowie ihrer Darstellung. Letzteres entspricht mehr der Durchführung. L. behandelt ausführlich die religionsgeschichtlichen Grundlagen, die biblischen Texte, die jüdischen Traditionen (zum Teil bis ins 20. Jh.), aber auch griechische Vorstellungen (15­78). Nur ein kleiner Abschnitt ist dem Vergleich von Aussagen der Kirchenväter mit dem jüdischen Schrifttum gewidmet (70­74).

Der 2. Teil behandelt die frühchristlichen Denkmäler. Doch werden zunächst mögliche heidnische Vorbilder, die Ausmalung der Synagoge von Dura Europos (wo die Himmelfahrt des Elias nicht vorkommt) und allgemeine Erwägungen vorgetragen (81­120). L. führt dann 12 oder 13 frühchristliche Denkmäler mit der Himmelfahrt des Elias vor, die er nach Kunstgattungen ordnet (121­203). Eine zeitliche Ordnung ergibt zwei frühe (vorkonstantinisch/konstantinische) Darstellungen auf Sarkophagen, eine Malerei in der Katakombe an der Via Latina, die vielleicht in die Mitte des Jahrhunderts gehört, dann eine Kumulation im späteren 4. Jh. und bis in das 5. hinüberreichend, und zwar ebenfalls in der Grabeskunst (Sarkophage, Katakombenmalerei, die Kapelle S. Aquilino an S. Lorenzo/Mailand, die wohl ein Mausoleum war), dazu eine mit Relief versehene Tischplatte und die Szene auf der Tür von S. Sabina in Rom. Eine Gussform in Berlin gehört schon dem 6. Jh. an, weiteres ist wohl noch später entstanden. Die Darstellungen zeigen meist Elias in einer Quadriga (einmal in einer Biga) in den Himmel fahrend und dem Elisa (Eliseus) seinen Mantel hinterlassend. Dass bukolische Elemente in diese Darstellung aufgenommen werden konnten, scheint sicher. L. will einiges davon auf Elisa als Bauer oder auf die Reinigung der Quelle durch Elisa deuten.

Einige Anhänge (219­249) führen die alttestamentliche Textanalyse und die jüdischen Elias-Traditionen weiter aus. Besonders hervorzuheben sind die Aufarbeitung des rabbinischen Schrifttums und die Ausführungen über die Darstellung von Engeln sowie des wundertätigen Stabes. Die Engel werden nur in ihrer Annäherung an die antiken Niken betrachtet, ältere Darstellungen, wie etwa in der Bileams-(Balaams-)Geschichte, sind übergangen (246 f.).

L. stößt dauernd in weiten Exkursen über die selbstgestellte Thematik hinaus. Nicht auf alle strittigen Fragen kann hier eingegangen werden.

Der Aufriss lässt bereits Weichenstellungen erkennen. Wie zutreffend die Deutungen der älteren Elias-Tradition sind, müssen die Exegeten entscheiden. In der Darstellung des neutestamentlichen Befundes ist die Verklärungsgeschichte zu ergänzen, in der ja doch wohl die beiden in den Himmel Gefahrenen, Elias und Moses, die himmlische Sphäre bezeichnen, zu der Christus gehört. Wenn L. meint, Jesus sei erst im 2. Klemensbrief als »Gott« bezeichnet worden (56), so ist auf das »Kyrios«-Prädikat als LXX-Übersetzung von Adonai = Jahweh zu verweisen wie auf die Rahmung des Johannesevangeliums (1,1 und 20,28). Ob und wie die aufgezeigten Traditionen in den Darstellungen wirksam geworden sind, bleibt unsicher. L. rekurriert ja vor allem auf jüdische Traditionen, von denen kaum nachweisbar ist, dass sie in der christlichen Kunst wirksam wurden. Freilich gibt es einige wenige Fälle (aber kaum bei der Himmelfahrt des Elias), wo auf dem Wege der Literatur Jüdisches in der christlichen Bildkunst wirksam wurde.

L. geht von einer Unterscheidung von Altem und Neuem Testament aus, die zwar heute üblich ist, aber nicht den historischen Verhältnissen entspricht. Vielmehr wurde das Alte Testament als Buch gelesen, das von Christus handelt. Das Alte Testament nennt L. auch gern die »hebräische Bibel« und die philologischen Erwägungen beziehen sich vorzugsweise auf diesen Text. Doch konnten weder Philon noch die Kirchenväter (von Hieronymus abgesehen) Hebräisch, ihr Altes Testament waren die Septuaginta und lateinische Übersetzungen. L. rekurriert auch auf die Kirchenväter, aber nur an bestimmter Stelle und eher negativ (204­209). Dabei macht die Fülle angebotener Möglichkeiten des Verstehens gleichzeitig das hermeneutische Problem deutlich. Einem Kirchenvater stand es frei, in der Auslegung eines Textes beliebige Assoziationen zu knüpfen. In der Bildkunst möchte man eher durchgängige Vorstellungen verbildlicht sehen. Beides gehört verschiedenen Bereichen an, wie auch Missverständnisse bei Auftraggebern und bei Handwerkern zeigen, was L. richtig sieht (212).

Im Mausoleum unter S. Peter/Rom ist gewiss Sol dargestellt. Dass Christus mitgemeint sei (91), ist zwar behauptet worden, aber nicht zu erweisen und unwahrscheinlich. Ebenso wenig dürfte die Sol-Darstellung auf dem Konstantinsbogen die »Apotheose Konstantins« meinen (89).

L. bietet eine Fülle von Vermutungen und Hypothesen. Lobenswert ist, dass er doch immer dazu sagt, dass die Aussagen hypothetisch sind.

Obwohl nicht zum Thema gehörend, muss auf die Frage nach einer spätantiken jüdischen Bildkunst eingegangen werden. Die leidige Frage, ob es eine solche gegeben hat, von der dann auch die christliche Kunst abhängig sein könnte, will L. wiederum positiv beantworten, obwohl er den Mangel an Denkmälern sieht und auch die solcher These entgegenstehenden Texte kennt und zitiert. Jüdische Darstellungen bleiben im Symbolischen (Thorahnische, siebenarmiger Leuchter, Lulab und Etrog etc.; Tierkreis mit Sol, Putten u. a.). Bekannt sind nur drei jüdische Denkmäler, wo Biblisches dargestellt ist: die Synagoge von Beth Alpha, wo im frühen 6. Jh. auf dem Fußboden das Abrahamsopfer erscheint, offenbar in Anlehnung an Christliches; die Synagoge von Gerasa, wo nach einem beliebten Prinzip, auf dem Fußboden übliche Tierdarstellungen thematisch zusammenzufassen, klein die Familie Noes hinzugefügt war; und schließlich die um 255 mit einer reichen Bilddekoration ausgemalte Synagoge von Dura Europos. Diese muss in jeder Hinsicht als Ausnahme gelten. Sie wird wohl einer Sondergruppe zuzuschreiben sein, die zumindest in der Frage des Bilderverbotes nicht orthodox war. Es mag einige Beispiele von Darstellungen mehr gegeben haben, aber daraus kann keine verbreitete jüdische Bildkunst abgeleitet werden. Und es gibt Denkmälergruppen, die nur die oben genannte Symbolik zeigen, wie die jüdischen Katakomben Roms.

Bleibt die Frage, was die Himmelfahrt des Elias auf den Denkmälern, vor allem der Grabeskunst, meint. L. verweist u.a. auf vier oder fünf Väterzitate, in denen diese Szene auf die Taufe gedeutet worden ist (74.208). Ob dies ausreicht, ist fraglich. Im weitesten Sinne wird man weiterhin daran denken müssen, dass für den Verstorbenen eine ähnliche Aufnahme in die himmlische Sphäre, wie sie Elias erfahren hat, gewünscht wird.S. 90 unten lies »Elagabal« und »Aurelian«.