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Ausgabe:

April/1998

Spalte:

370 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Steck, Odil Hannes

Titel/Untertitel:

Die Prophetenbücher und ihr theologisches Zeugnis. Wege der Nachfrage und Fährten zur Antwort.

Verlag:

Tübingen: Mohr 1996. XIV, 224 S. 8°. Kart. DM 58,­. ISBN 3-16-146619-5.

Rezensent:

Rainer Kessler

Stecks neuestes Buch ­ sein erster Teil ist bisher unveröffentlicht, sein zweiter Teil geht auf eine Zürcher Ringvorlesung zurück und war dort 1993 schon publiziert worden ­ stellt sich die Aufgabe, methodisch den Weg darzulegen, auf dem das Zeugnis der Prophetenbücher ­ aller Nachdruck liegt auf dem Wortteil "Bücher" ­ ausgehend vom vorliegenden Buch bis zurück zum Propheten und von da wieder in der Bewegung bis hin zum fertigen Buch aufgespürt werden kann.

Ausgangspunkt also sind "das gegebene Prophetenbuch und seine Sinnsignale" (22), die in ihrer Vielfalt zu erheben sind ­ St. widmet ihrer Beschreibung immerhin 44 Seiten (22-66). Von besonderem Gewicht ist dabei "die Erwartung metahistorischer Orientierung für das Jahwevolk unter den Völkern", die St. als Schlüssel zu der Frage ansieht, "wie die Prophetenbücher in Schlußformation gelesen werden wollten" (63). ­ Erst wenn so die Endgestalt historisch gedeutet ist, kann die "Rückfrage nach literarischen Vorstufen des gegebenen Prophetenbuches" (67) einsetzen. Das damit gestellte Problem der Literarkritik führt St. zur Forderung nach einer "prophetenbuchgemäßen Literarkritik" (83), die sich dadurch auszeichnet, daß sie nicht nur die jeweilige kleine Einheit, sondern letztlich den ganzen Buchhorizont mitbedenkt. Diese Art Literarkritik wird auch mit der Möglichkeit rechnen, "daß die für sich gesehen komplexe Erscheinung" kleinerer Textstücke nicht "durch diachrone Schichtung", sondern durch bewußte Bezugnahmen auf den "weiteren Rahmen" des ganzen Buches verursacht ist (82). Fragt man von der gegebenen Buchgestalt nach Vorstufen zurück, muß man sich im klaren sein, mit welchen Modellen man rechnet. St. erwähnt die Möglichkeit von bloßen Kompilationen oder von Fortschreibungen allein an Einzeltexten (90-93). Seine ganze Leidenschaft aber gilt der Frage nach dem "Erkennen buchredaktionellen Textguts" (104), das der Vernetzung größerer Komplexe dient (93-120). ­ Ist die Frage der literarischen Vorgeschichte des Prophetenbuches erhellt, kann schließlich die "Rückfrage nach vorliterarisch-mündlichem Überlieferungsgut" (120) überhaupt erst gestellt werden. Daß St. dieser Frage nur drei Seiten widmet (120-123), ist ausreichend damit begründet, daß bei der "Erstverschriftung" nur selten zu entscheiden ist, ob "Verdichtung nicht mehr rekonstruierbarer mündlicher Formulierungsgestalt" oder tatsächlich "Kodifizierung einer erreichbaren, schon mündlich vorgetragenen Fassung" (122) vorliegt.

Der zweite Teil der Abhandlung unternimmt es dann, unter dem Titel "prophetische Prophetenauslegung" (125) den Traditionsprozeß von den Anfängen der Überlieferung bis zur Buchgestalt nachzuzeichnen. Wichtig ist nach St., ihn als einheitlichen Prozeß zu erfassen, dessen Einheit darin begründet ist, daß es sich vom namengebenden Propheten über die Tradenten bis zur Endgestalt des Buches immer um "Jahwebotschaften" (146) handelt (Hervorhebung bei St.). Dabei ist das "Anwachsen der Prophetenbücher" kein wildes Wuchern, sondern gezielte "Prophetenauslegung" (157). Diese ist nicht schriftgelehrt in dem Sinn, daß sie den ihr vorgegebenen Text nicht mehr ändern, sondern nur noch kommentieren könnte. Sie ist vielmehr selbst prophetisch, wofür St. den Ausdruck "Tradentenprophetie" verwendet (167). An diese "Tradentenprophetie mit ihrer prophetischen Prophetenauslegung" "sich heranzutasten" bezeichnet St. zusammenfassend als eigentliches Ziel seines Beitrags (177).

St.s Buch ist nicht einfach zu lesen. Dies liegt vordergründig am Stil des Autors (es läßt schon schmunzeln, wenn St. ein vierzeiliges Zitat von Klaus Koch in einer achtzeiligen Periode paraphrasiert und dies mit den Worten "vereinfacht gesagt" einleitet [132]).

Aber warum soll der Vf. seinen Leserinnen und Lesern nichts zumuten? Schwieriger ist, daß in St.s Beitrag nur "zusammengefaßt und methodisiert" (103) wird, was er und seine Schüler ("wir in Zürich", 142) anderswo an Einzeltexten vor allem des Jesaja- und des Zwölfprophetenbuches untersucht haben. Nicht nur wird im Grunde die Kenntnis dieser Exegesen vorausgesetzt, sondern zumindest gelegentlich hängt auch die Akzeptanz der Steckschen Methodisierung daran, ob man seine Einzelergebnisse teilt oder nicht.

Inhaltlich ist zwar zu begrüßen, daß St. davon ausgeht, daß es sich bei der Prophetenrelecture "nicht um Vorgänge direkt in einer Gemeinde oder für eine Gemeinde, was immer dieses protestantische Exegetenkonstrukt in der damaligen Zeit heißen soll, handelt". Aber seine Sicht des Traditionsprozesses als "ein theologisch-professionelles Vergewisserungsgeschehen ... unter Fachleuten" (168), als "professionelle ’Schul’-Diskussionen" (169) erinnert seinerseits durchaus an die nicht weniger protestantische Erscheinung des Theologieprofessors und seiner Schüler, eben "wir in Zürich". Hier ­ bei der Frage nach der sozialen Verortung des Überlieferungsvorgangs sowie seiner Träger ­ muß die Untersuchung weitergehen. Hinter St.s methodisches Postulat, den Traditionsprozeß als ganzen zu beachten und dabei bei der einzig sicher gegebenen Größe, dem vorliegenden Prophetenbuch, einzusetzen, würde sie dabei aber nur zum größten eigenen Schaden zurückgehen.