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Ausgabe:

April/2006

Spalte:

389–391

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Wolf, Gerhard Philipp

Titel/Untertitel:

Armut ­ Judentum ­ Lutherforschung. Beiträge zur fränkischen und französischen Kirchengeschichte.

Verlag:

Nürnberg: Verein für bayerische Kirchengeschichte (in Kommission bei Degener & Co., Neustadt a. d. Aisch) 2004. XVIII, 453 S. m. 9 Abb. gr.8° = Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns, 83. Geb. Euro 26,90. ISBN 3-7686-4223-2.

Rezensent:

Hermann Ehmer

Der Band vereinigt 18, teilweise recht umfangreiche Beiträge des Vf.s, die er in den letzten drei Jahrzehnten neben seiner Tätigkeit als Gymnasiallehrer verfasst hat, wobei zwei bisher ungedruckt waren. Den Anfang des Bandes machen sechs biographische Arbeiten über Theologen aus der Zeit zwischen dem 16. und 20. Jh., von denen jeweils unterschiedliche Verbindungslinien zu den drei Themenkreisen des Titels gezogen werden können. Der erste dieser Aufsätze befasst sich mit dem in manchen Punkten neu einzuschätzenden Leben und Denken des aus Waischenfeld in Oberfranken gebürtigen Friedrich Nausea (1496­1552). Neu zu bewerten ist auch Nauseas Stellung zur Reformation. Er hatte es ja bis zum Bischof von Wien gebracht, nahm als solcher am Konzil in Trient teil und starb dort.

Mit Johann Christoph Georg Bodenschatz (1717­1797) wird ein fränkischer Pfarrer und Talmud-Experte vorgestellt, der zwar viel mit Juden umging, den aber diese engere Bekanntschaft nicht davon abhielt, landläufige Legenden über die Juden weiterzugeben. Johann Friedrich Esper (1732­1781), dem der folgende Beitrag gilt, war ein weiterer fränkischer Pfarrer, der aber zugleich Naturforscher war. Besonders anziehend ist dieser Beitrag dadurch, dass Espers Predigttätigkeit ebenso ins Blickfeld kommt wie sein Beitrag zur Höhlenforschung. Es folgt Georg Friedrich Seiler (1733­1807), eine Gestalt zwischen Orthodoxie und Aufklärung, seit 1771 Mitglied der Erlanger Theologischen Fakultät. Die oberfränkischen Lehr- und Wanderjahre von Wilhelm Löhe (1808­1872) in den Jahren 1831­1834 werden sodann anhand der Tagebücher Löhes ebenso detailfreudig wie aufschlussreich dargestellt. Den Beschluss dieser Abteilung macht eine Arbeit über Leben und Werk des Kirchenhistorikers Walther von Loewenich (1903­1992), den akademischen Lehrer des Vf.s.

Die Arbeiten über das Judentum werden ebenfalls mit einer biographischen Darstellung eröffnet. Es geht hier um Josel von Rosheim (1478­1554), der als Repräsentant der Judenschaft im Reich zu deren eifrigem Verteidiger wurde. Anlässlich der Ausweisung der sächsischen Juden 1536 versuchte Josel mit Luther Verbindung aufzunehmen, der sich jedoch einem Einsatz für die Juden versagte. Ein Gegenbild zu Luther stellt in gewisser Weise Andreas Osiander (1498­1552) dar, dessen Verhältnis zum Judentum im folgenden Beitrag untersucht wird. Der Nürnberger Reformator war ein seinerzeit bedeutender Hebraist, der auch für die Juden eintrat.

Exemplarisch wird sodann die Geschichte zweier jüdischer Gemeinden in Franken, nämlich Aufseß und Kunreuth, dargestellt. In der Aufseßer Geschichte steht ein Streit um die auch von den Juden zu entrichtenden Stolgebühren (Neujahrsgelder) für den Pfarrer im Mittelpunkt, in Kunreuth geht es besonders um innergemeindliche Angelegenheiten. Nach diesen beiden Gemeindegeschichten weitet sich der Blick wieder und wird auf die evangelische Judenmission in Bayern im 19. Jh. gerichtet. Interessant ist, dass die Judenmission unter dem Verdacht stand, Eingriffe in die freie Religionsausübung vornehmen zu wollen.

Die Beiträge zur Armutsforschung werden mit einem übergreifenden Aufsatz eröffnet, der anhand der gesetzlichen Rahmenbedingungen das Verhältnis der evangelischen Kirche zur staatlichen Armenpflege in Bayern im 19. Jh. untersucht. Dies wird konkret durch Beispiele der Wirksamkeit evangelischer Landpfarrer als Vorstände der lokalen Armenpflegschaftsräte belegt. Als Lokalstudien folgen hier jeweils eine Untersuchung des Armenwesens im ehemaligen Landgerichtsbezirk Pegnitz und in der Stadt Pegnitz. Der Vf. hat damit die Mahnung »Grabe, wo du stehst« beherzigt und seinen Wohnort zum Gegenstand seiner Forschung gemacht. Im Übrigen belegen die zahlreichen Beispiele, die der Vf. besonders in diesen Arbeiten anführt, eine intensive Arbeit an den Quellen.

Die als letzter Abschnitt des Bandes folgenden »Gallica« verdanken sich in erster Linie der Dissertation des Vf.s von 1972 über das neuere französische Lutherbild. Es geht hier in zwei Beiträgen zunächst um die Revision der politisch-ideologischen Lutherauffassung in Frankreich, in der in einer Literaturübersicht neuere und neueste Arbeiten zu Luther vorgestellt werden. Der folgende Aufsatz ist ein unmittelbarer Beitrag zur Geschichte Luthers, indem hier dessen Beziehungen zu Frankreich zwischen 1526 und 1546 dargestellt werden.

Eine wichtige Verbindung zu Frankreich stellen gerade in Franken die Hugenotten dar, die unter anderem in Brandenburg-Ansbach eine neue Heimat fanden. Zwei Beiträge zu den Gedenkjahren 1985 (300 Jahre Widerrufung des Edikts von Nantes) und 1986 (Ansiedlung der Hugenotten vor 300 Jahren, z. B. in Erlangen und Bayreuth) befassen sich mit dieser Thematik.

Der inhaltsreiche Band wird u. a. beschlossen durch eine Liste der Veröffentlichungen des Vf.s und durch ein gegliedertes Register, das den vielfältigen Inhalt des Bandes erschließt. Die hier vorliegende Sammlung ist ein Musterbeispiel dafür, dass die regionale Kirchengeschichte dieselben Themen behandelt wie die »allgemeine Kirchengeschichte«. Die Arbeiten verdanken sich nämlich, wie der Vf. in seinem Nachwort darlegt, Anregungen aus der überregionalen Forschungsliteratur, die hier auf den Prüfstand der regionalen Kirchengeschichte gestellt wurden. Die Aufsätze zeigen darüber hinaus, dass der regionale Zuschnitt ein näheres Zusehen nötig macht, das auch vor Verallgemeinerungen schützt.