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Ausgabe:

April/2006

Spalte:

374–376

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Crook, Zeba A.

Titel/Untertitel:

Reconceptualising Conversion.Patronage, Loyalty, and Conversion in the Religions of the Ancient Mediterranean.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 2004. XVI, 310 S. gr.8° = Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft, 130. Lw. Euro 8,00. ISBN 3-11-018265-3.

Rezensent:

Heike Omerzu

Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine von John S. Kloppenborg betreute Dissertation. C. will darin zeigen, dass Konversion in der Antike kategorial anders wahrgenommen und damit auch kommuniziert wurde als in der modernen Welt, nämlich im Rahmen des antiken Patronats- und Loyalitätsdenkens. Vor diesem Hintergrund interpretiert er die Mission des Paulus als Ausdruck seiner Loyalität angesichts der in der Damaskusvision erfahrenen Wohltat Gottes (»benefaction from God«; 192­197 u. ö.).

Ausgangspunkt der Studie ist die Beobachtung, dass das Phänomen der Konversion in der Antike bislang ­ explizit oder implizit ­ mit psychologischen oder emotionalen Kategorien erfasst worden ist, die der grundlegenden Verschiedenartigkeit von antiker und moderner Kultur nicht gerecht werden (Kapitel 1: »The Influence of Psychology on Contemporary Society and Scholarship«; 13­52). Dabei wertet C. auch das Verdienst der kulturvergleichenden Psychologie kritisch, da diese eine psychologische Kontinuität suggeriere, die letztlich weder überprüfbar sei noch der dyadischen Persönlichkeit antiker Menschen gerecht werde. Er möchte stattdessen die im Zuge kulturanthropologischer Exegese gewonnenen Einsichten in die fundamental andere Struktur der Persönlichkeit antiker Menschen bzw. deren unterschiedliche Stiftung von Identität für die Interpretation von Konversion fruchtbar machen. »People in the ancient (as well as modern) Mediterranean thought in allocentric (social) terms; they did not, as we do, think in idiocentric (psychological) terms.« (47) Dieses verschiedene Selbst-Verständnis bedinge notwendig eine von der unseren abweichende Konstruktion und Erfahrung von Wirklichkeit. Zugleich ist das Handeln antiker Menschen damit viel stärker extern (z. B. durch Wertesysteme) als intern (durch moralische Kategorien) motiviert und dabei wesentlich durch die Institute des Patronats- und Klientelwesens geprägt, die ihrerseits auf einem Verhältnis der Gegenseitigkeit beruhen. In Kapitel 2 (»General Reciprocity Among Humans and their Gods«; 53­89) nimmt C. entsprechende Begriffsklärungen vor und will zeigen, dass das System des Patronats ­ wie seit langem erkannt ­ nicht nur für zwischenmenschliche Verhältnisse, sondern ebenso für die Interaktion ­ dieser Begriff bleibt durchweg unpräzise ­ mit Göttern gilt, und zwar in der paganen Welt ebenso wie in jüdischer Vorstellung. Diese grundsätzliche Erkenntnis soll im Anschluss durch die Herausarbeitung rhetorischer Konventionen gestützt werden (Kapitel 3: »The Rhetoric of Patronage and Benefaction«; 91­150). Im Einzelnen benennt C. als konstitutive Elemente, dass 1. die Initiative zur Etablierung eines Patron-Klienten-Verhältnisses idealerweise vom Patron ausgeht, 2. auch die Philosophie bzw. Philosophen als Patron oder Wohltäter dargestellt werden können, 3. Gebet, Lobesbekundungen und Werbung (»prayer, praise, and proselytism«) Ausdruck der Dankbarkeit und Loyalität der Klienten sind, die vor allem den Ruhm des Patrons mehren sollen, 4. in Form patronaler Synkrisis das jetzige vom früheren Leben abgehoben werde, 5. die charis des Patrons oder Wohltäters als angemessenes reziprokes Verhalten gegenüber den Klienten gelte.

Anhand von 1Kor 9,16 f.; 15,8­10; Gal 1,11­17; Phil 3,4b­11 stellt C. sodann dar, dass sich diese Patron-Klient-Topik auch in den paulinischen Bezugnahmen auf seine Konversion findet (Kapitel 4: »The Rhetoric of Patronage and Benefaction in Paul¹s Conversion Passages«; 151­197). Dabei kommt er zu folgendem Schluss: »God remained Paul¹s divine patron unchanged. Throughout Paul¹s letters and the New Testament, Jesus is depicted solely as God¹s divine broker and thus is the agent through whom salvation was now to be attained. Š Both (scil. Gott und Jesus) are honoured and are the recipients of Paul¹s words and actions of praise, gratitude, and loyalty. Significantly, however, in the letters of Paul, Jesus as broker is always subordinate to God as divine patron.« (195)

Weshalb erst im Anschluss (Kapitel 5: »Patronage and Benefaction, Loyalty, and Conversion«; 199­250) die zentrale Bedeutung des Loyalitätsverhältnisses zwischen Patron und Klient herausgestellt wird, wobei auch (nochmals) auf Paulus Bezug genommen wird, bleibt unklar. Es folgt eine kurze, systematisierende Zusammenfassung (251­256). Der Band wird durch ein Literaturverzeichnis (257­285) und Register der Primärquellen, der Namen und Sachen sowie der modernen Autoren gut erschlossen (287­310). Er ist sorgfältig redigiert, sieht man von einer fehlerhaften Systematik innerhalb der Kapitelzählung ab (auf 1.1.1; 1.2.1; 2.2.1; 4.1.1 folgen jeweils die übergeordneten Kapitel 1.2; 1.3; 2.3; 4.2).

Die zuvor von der Rezensentin gewählte unbestimmte Rede von »Konversion« versucht das Anliegen C.s widerzuspiegeln, nicht zu fragen »how people convert, what they convert to, under what conditions they convert, what leads them to convert« (251), sondern stattdessen zu erhellen, »how we (as a culture) talk about, how we understand, how we frame the conversion experience, both of ourselves and others« (ebd.; Hervorhebung im Original). Ausgehend von dieser Zielsetzung sind jedoch einige grundlegende Anfragen an C.s Untersuchung zu richten. Zunächst ist zu fragen, ob nicht gerade in Bezug auf Paulus ­ der C. als »most accessible example of conversion« (1) gilt ­ zwischen Bekehrung und Berufung (bzw. »conversion« und »call«) zu differenzieren ist, zumindest aber doch die zu Grunde liegende Problematik diskutiert werden müsste. Stattdessen lehnt C. eine Berücksichtigung der einschlägigen Stellen der Apostelgeschichte mit der (unbefriedigenden) Begründung ab, hierbei handele es sich lediglich um sekundäre Interpretationen, welche letztlich die Gefahr eines psychologisierenden Verständnisses der Konversion des Paulus fördern (151­155). Dies ruft die zweite Anfrage hervor, inwieweit nämlich die der Studie zu Grunde gelegten Quellen überhaupt vergleichbar sind; sie stammen aus den Bereichen der griechisch-römischen Literatur, der Epigraphik und des hellenistischen Judentums (vgl. zur Auswahl 76­88): Können philosophische mit religiösen Texten, autobiographische mit fiktionalen Äußerungen, epigraphische mit literarischen Zeugnissen so weitgehend gleichgesetzt bzw. für eine Matrix rhetorischer Konventionen fruchtbar gemacht werden, wie C. dies voraussetzt? Schließlich ist zu problematisieren, dass C. entgegen seiner in der Einführung benannten Zielsetzung an späterer Stelle betont, dass es ihm gerade nicht um eine externe Perspektive, sondern um eine Erfassung der Konversion (in der Antike!) in kulturimmanenten Kategorien geht (vgl. 51 f.). Damit muss die Untersuchung freilich bei den antiken Primärquellen einsetzen, welche uns aber wiederum nur von modernen Voraussetzungen her zugänglich sind. Mit der Frage des Vorverständnisses ist man dann aber auf ein Grundproblem der Hermeneutik überhaupt verwiesen, welches von C. durch sozialwissenschaftliche Terminologie zwar scheinbar operationalisiert, aber letztlich nicht hinreichend reflektiert und gelöst wird.

Positiv zu würdigen ist C.s Standpunkt hinsichtlich der Konversion des Paulus, die nicht (oder zumindest nicht ausschließlich) durch introspektive, psychologische Kategorien erfasst werden kann und überdies keine so exzeptionelle Stellung einnimmt, wie es die christliche Wirkungsgeschichte suggerieren mag. Zugleich bleiben jedoch viele ­ im Einzelfall durchaus erhellende ­ Beobachtungen und Ergebnisse isoliert. Insbesondere wäre die in der Arbeit entfaltete These, die Mission des Paulus sei Ausdruck seines Klient-Patron-Verhältnisses zu Gott, hinsichtlich ihrer weitergehenden Implikationen zu bedenken. So wäre etwa zu untersuchen, inwiefern dieses Verhältnis auch Niederschlag in seiner Theologie gefunden hat oder ob und wie es sich in der lukanischen Darstellung widerspiegelt.