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Ausgabe:

März/2006

Spalte:

304 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Ahlers, Rudolf

Titel/Untertitel:

Der »Bund Gottes« mit den Menschen. Zum Verhältnis von Christen und Juden.

Verlag:

Hildesheim-Zürich-New York: Olms 2004. XII, 226 S. 8° = Theologische Texte und Studien, 11. Kart. € 29,80. ISBN 3-487-12660-5.

Rezensent:

Katja Kriener

Das christlich-jüdische Gespräch ist in seinen Erneuerungsbemühungen von allem Anfang an von der Frage nach der christlichen Identität in Israels Gegenwart bestimmt gewesen: Wer sind wir Christinnen und Christen im Gegenüber zu Israel und dem Judentum vor Gott in unserem Bezug auf Jesus Christus? Diese Frage ist Ausgangspunkt zahlreicher Untersuchungen, Symposien und nicht zuletzt der Lehrgespräche der Gemeinschaft reformatorischer Kirchen in Europa gewesen. Dort legte im Jahr 2000 die Leuenberger Kirchengemeinschaft in ihrer Studie »Kirche und Israel« die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zu Verhältnisbestimmung von Kirche und Israel vor. Die Vorstellung des »ungekündigten Bundes« bzw. einer Hineinnahme der Kirche in den einen Bund Gottes mit seinem Volk Israel wurde auch hier intensiv diskutiert. – Nun hat Rudolf Ahlers eine weitere Studie vorgelegt, die sich mit Hilfe des Bundesbegriffs in die theologische Diskussion um die Klärung einer Verhältnisbestimmung von Kirche und Israel einmischt. Angenommen als wissenschaftliche Abhandlung (Dissertation) zum Erwerb des Grades eines Doktors der Philosophie der Universität Hildesheim setzt sie sich mit dem Synodalbeschluss der Evangelischen Kirche im Rheinland aus dem Jahre 1980 auseinander, durch den die Vorstellung vom »Bund Gottes mit den Menschen« zur Kennzeichnung des christlich-jüdischen Verhältnisses eingeführt wurde. »Auf der Basis des geschichtlichen Befundes zum Bundesbegriff und der Auseinandersetzung mit der Kritik am Synodalbeschluss wird untersucht und entschieden, ob und in welchem Sinne der Bundesbegriff geeignet ist, zur Bestimmung des Verhältnisses von Christen und Juden beizutragen.«
In einem ersten Schritt wird die Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden nach der Schoa bis zum Jahre 1980 aufgearbeitet, anschließend wird der Rheinische Synodalbeschluss »Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden« der Evangelischen Kirche im Rheinland aus dem Jahre 1980 einer genaueren kritischen Analyse unterzogen. Viel diskutiert und sehr umstritten war er Ausgangspunkt einer weiterführenden theologischen Bundesdiskussion.
In einem zweiten Schritt wird der begriffsgeschichtliche Befund zum Bundesbegriff untersucht. Zu diesem Zweck werden die Semantik des hebräischen Wortes »berit« und des griechischen Wortes »diatheke« und die These vom »Bundesschweigen« als Zusammenfassung des exegetischen Befundes zur Verwendung des Bundesbegriffes im Neuen Testament aufgearbeitet. Eine besondere Bedeutung wird neueren Ergebnissen der Erforschung des Alten Testamentes eingeräumt, die zu einem neuen Verständnis des Gottesbundes in Israel führen. Dabei glückt dem Vf. der Versuch, eine gesamtbiblische Basis für die Bearbeitung der Verwendung des Bundesbegriffes für eine neue Verhältnisbestimmung von Christen und Juden zu finden.
In einem dritten Schritt werden repräsentative Veröffentlichungen in dieser Auseinandersetzung dargestellt und kritisch erörtert: das Ein-Bund-Modell in den modifizierten Fassungen des Leitsatzes II der Hauptversammlung des Reformierten Bundes 1990, die Positionen Bertold Klapperts und Friedrich Wilhelm Marquardts sowie die Darstellung und Erörterung des Zwei-Bünde-Modells im Nebeneinander von Kirche und Israel von Wolfhart Pannenberg bzw. dem Modell des zweifachen Bundesschlusses von John T. Pawlikowski. Favorisiert wird das Ein-Bund-Modell für eine Neuorientierung der Verhältnisbestimmung von Christen und Juden. Dies »geschieht vorwiegend in der Absicht, die Herabsetzung der theologischen Bedeutung des Bundes Gottes mit Israel zu überwinden«. Auf diesem Wege soll, »vom Ansatz her sicher zu Recht, den antijudaistischen Vorurteilen, die das christlich-jüdische Gespräch in der Kirche seit Jahrhunderten belasten, endgültig die theologische Legitimation entzogen werden«.
In einem vierten, die Untersuchung abrundenden Schritt werden bundestheologische Konsequenzen für das Verständnis des christlich-jüdischen Verhältnisses gezogen. Dabei wird die Bedeutung der Bundeserfahrung in Israel für das Verständnis seines Gottesverhältnisses und Israels Selbst- und Weltverständnis als verbindlicher Ausdruck dieses Gottesverhältnisses zur Grundlage genommen für ein christliches Bundesdenken, das einerseits durch Einheit und Kontinuität im Bundeshandeln Gottes bestimmt ist, ebenso aber Pluralität und Diskontinuität im Bundeshandeln Gottes mit in den Blick nehmen muss.
Dieser Gradwanderung versucht der Vf. gerecht zu werden. Es ist ein gelungener Versuch, mit einer gründlichen Untersuchung sich dem Problem christlicher Selbstpositionierung mit Hilfe des Bundesbegriffes zu nähern, das Rolf Rendtorff vor Jahren folgendermaßen klar umrissen hat: Wir müssen als Christen unsere Identität definieren, ohne dabei die Identität Israels anzutasten. Aber – und das ist die andere Hälfte unseres Problems – wir können unsere Identität nicht abgesehen von Israel definieren. Erst nach Klärung dieser Fragestellung ist die notwendige Voraussetzung dafür gegeben, dass Juden und Christen sich als theologisch gleichwertige Partner eines Gespräches verstehen können, in dem über Jahrhunderte tradierte Vorurteile überwunden werden. Nur ein derart angelegtes Gespräch wird Juden und Christen motivieren, sich unter Wahrung der je eigenen Identität als Bundespartner des einen Gottes einzubringen.