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Ausgabe:

März/2006

Spalte:

293–295

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Renczes, Philipp Gabriel

Titel/Untertitel:

Agir de Dieu et liberté de l’homme. Recherches sur l’anthropologie théologique de saint Maxime le Confesseur.

Verlag:

Paris: Cerf 2003. 432 S. 8° = Cogitatio Fidei, 229. Kart. € 45,00. ISBN 2-204-07158-7.

Rezensent:

Beate Regina Suchla

Maximus Confessor (580–662) war der bedeutendste christliche Denker des 7. Jh.s, der nicht nur den Monophysitismus, den Monenergismus und den Monotheletismus erfolgreich bekämpfte, sondern auch als Autor äußerst produktiv war. So sind von ihm 74 größere und kleinere Abhandlungen, 50 Briefe, Kommentare, Scholien sowie zahlreiche Fragmente überliefert. Außerdem war er hochgebildet. Daher konnte er zu allen zentralen philosophischen und theologischen Themen seiner Zeit Stellung beziehen, zu Themen der Gotteslehre, Kosmologie, Anthropologie, Christologie, Soteriologie, Sakramentenlehre, Mystik, Lehre vom Heiligen Geist, Eschatologie und der Ekklesiologie. Zudem war er viel belesen. Deswegen vermochte er, einerseits aus den Schriften bedeutender Christen wie Origenes, Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssa, Evagrius Ponticus oder Dionysius Areopagita, anderseits aus den Werken des Aristoteles oder der heidnischen Neuplatoniker zu schöpfen. Letztlich aber war er auch kreativ und daher befähigt, christliches und heidnisches Denken zu einer gelungenen christlichen Synthese zu verbinden.
Trotz der philosophischen und theologischen Bedeutung des Confessors gibt es nur wenige ausführliche Untersuchungen zu seiner theologischen Anthropologie (21–24). R. versucht, diese Lücke durch Reflexion auf die beiden Naturen des Menschen, seine göttliche und seine menschliche Natur, die in der Person Jesus Christus geeint sind, insofern er wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich ist, zu schließen. Als hermeneutischer Zugang dient ihm dabei das Begriffspaar Enérgeia (d. h.: Akt, Aktivität, Wirksamkeit usw.) und Héxis (d. h.: Habitus, Haltung, Verhalten usw.), das daher im Vordergrund der Betrachtung steht (13–28).
Das Buch unterteilt sich in drei Teile. Der erste Teil geht der Konzeption der Enérgeia in ihrer metaphysischen und heilsgeschichtlichen Dimension nach (31–185): Einer Klärung des Begriffs Enérgeia (Kapitel I, 35–44) folgt die Beantwortung der Fragen nach der Bedeutung dieses Begriffs in der philosophischen Tradition vor Maximus Confessor (II, 45–84), in der Heiligen Schrift (III, 85–98), in der patristischen Tradition vor Maximus Confessor (IV, 99–126) und dann bei Maximus Confessor selbst (V, 127–185).
Der zweite Teil untersucht nach demselben Schema die Konzeption von Héxis und Enérgeia in ihren anthropologischen, ethischen und spirituellen Dimensionen (187–313): Einer Klärung des Begriffs Héxis (VI, 191–194) folgt wiederum die Beantwortung der Fragen nach der Bedeutung der Begriffe Héxis und Enérgeia in der philosophischen Tradition vor Maximus Confessor (VII, 195–208), nach der Bedeutung des Begriffs Héxis in der Heiligen Schrift (VIII, 209–216), nach der Bedeutung der Begriffe Héxis und Enérgeia in der patristischen Tradition vor Maximus Confessor (IX, 217–265) sowie bei Maximus Confessor selbst (X, 267–313). Der dritte Teil schließlich fragt nach der Konzeption von Héxis und Enérgeia in ihren christo-pneumatologischen und eschatologischen Dimensionen (315–363). Zunächst wird die Frage nach der von Gott empfangenen Gabe der Vergottung beantwortet (XI, 319–354), um sodann die Bedeutung von Héxis und Enérgeia am Ende der Vergottung aufzuzeigen (XII, 355–363).
Eingerahmt sind diese drei Teile durch ein Verzeichnis der Abkürzungen (9–12), eine Einführung samt Forschungsbericht (13–28), eine Schlussbemerkung (365–372), eine Bibliographie der Primär- und Sekundärquellen (373–392) sowie Indizes (Maximus Confessor-Stellen; Personenregister; griechisches Wortregister; Sachregister; 393–423).
Enérgeia ist einerseits die göttliche Aktivität, die sich in der Schöpfung, in den Vorhersehungsakten, in der Be- und Verurteilung (beim Jüngsten Gericht) und in der Heilsplanung entfaltet. Enérgeia ist andererseits das konstitutive Element der teleologischen Bewegung aller geschaffenen Wesen, die vom Sein zum Gut-Sein und vom Gut-Sein zum Immer-Sein führt. Dem Gut-Sein geht die Héxis voraus, d. h. die entsprechende Disposition des Willens, der wiederum durch das Urteilsvermögen als Ratgeber geleitet und zur Entscheidung geführt wird. So gesehen ist die Héxis eine spirituelle Kraft, die von der Praxis zur Kontemplation und von der Kontemplation zur Mystik führt. Die Mystik ist dann direkt mit der göttlichen Liebe verknüpft. Diese ist die Voraussetzung der Vergottung als eines Geschenkes der göttlichen Gnade. Im göttlichen Vergottungsplan fallen dem Gottessohn und dem Heiligen Geist spezielle komplementäre Enérgeiai (Wirkweisen) zu: die Inkarnation und Erlösung dem einen, die Gnadengaben wie Erleuchtung, Weisheit und Stärke dem anderen; ebenso obliegen ihnen spezielle komplementäre Héxeis (Haltungen), die diese Wirkweisen erst ermöglichen: dem Gottessohn der Gehorsam gegenüber dem Vater, dem Heiligen Geist die Bezogenheit auf den Gottessohn und den Vater. Das Wie des Immer-Seins der geschaffenen Wesen hängt dann ab von der Wahl der Héxis als der richtungsweisenden Disposition des Willens, der ihm folgenden Entscheidung: Die Entscheidung für das Schlecht-Sein endet für immer in der Hölle, jene für das Gut-Sein endet über den Weg der Vergottung auf ewig im Himmel (31–363).
Es gelingt R. überzeugend, die Anthropologie des Maximus Confessor mittels des Begriffspaares Enérgeia und Héxis hermeneutisch zu erschließen. Sein Buch ist glänzend geschrieben und hat nur wenige Schwächen.

So vermisse ich etwa in der Bibliographie (391) den Titel »K.-H. Uthemann, Das anthropologische Modell der hypostatischen Union bei Maximus Confessor, in: F. Heinzer und C. von Schönborn (Hrsg.), Maximus Confessor. Actes du Symposium sur Maxime le Confesseur, Fribourg (Schweiz) 1982, 223–233«. Das Enchiridion Symbolorum etc. von Denzinger/Schönmetzer (382) ist um den Titel »H. Denzinger, Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, verb., erw., ins Dt. übertragen u. unter Mitarbeit von H. Hoping hrsg. v. P. Hünermann, Freiburg-Basel-Rom-Wien 381999« zu ergänzen. Statt »ab Arnim« (12 und 381) heißt es: »von Arnim«. Im Inhaltsverzeichnis sollte es in Anlehnung an die folgenden Kapitel (II, III, IV usw.) statt »CHAPITRE Premier« heißen: »CHAPITRE I« (425).

Doch das sind nur unbedeutende Kleinigkeiten, die den Glanz des Werkes nicht im Geringsten mindern: Das Buch ist ohne jede Einschränkung lesenswert. Es bietet reichen Gewinn und sollte in der Bibliothek eines jeden stehen, der sich für die Theologie und Philosophie des spätantiken Christentums, für das 7.Jh., für den Denker und Theologen Maximus Confessor und insbesondere für die Anthropologie der Spätantike interessiert.