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Ausgabe:

März/2006

Spalte:

286 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Wakefield, Andrew Hollis

Titel/Untertitel:

Where to Live. The Hermeneutical Significance of Paul’s Citations from Scripture in Galatians 3:1–14.

Verlag:

Atlanta: Society of Biblical Literature 2003. X, 227 S. gr.8° = Academia Biblica, 14. Kart. US$ 39,95. ISBN 1-58983-084-9.

Rezensent:

Dieter Lührmann

Zwei Mängel beeinträchtigen die Lektüre dieses Buches von vornherein. Zum einen endet die verarbeitete Literatur faktisch bereits 1993/94, abgesehen von wenigen Aufsätzen und den beiden Kommentaren zum Gal von Louis Martyn (1997) und Richard Hays (2000), deren Ausrichtung aus vorausgegangenen Veröffentlichungen der beiden Autoren jedoch zu erkennen gewesen war. Es fehlen also – ohne eine Begründung im Vorwort – beinahe zehn Jahre Paulusforschung zwischen dem vermutlichen Abschluss der Dissertation (bei Richard Hays, Duke University) und dem Erscheinungsjahr 2003. Dabei beschränkt sich andererseits, was an Literatur herangezogen ist, fast ausschließlich auf den englischsprachigen Bereich. Französische Titel gibt es nur drei, und von den etwas mehr deutschen stammt mancher offenbar aus zweiter Hand (»as cited by …« z. B. 62, Anm. 17), so dass noch einmal auf das zu reduzieren wäre, was auch tatsächlich verarbeitet ist. Ein derartiger Rückzug aus der internationalen Forschung ist bedauerlich, zumal der inneramerikanische Horizont der Arbeit von hier aus nicht immer ganz klar wird.
Kapitel 1 »Einleitung« (1–10): W. greift mit Gal 3,1–14 einen in der Tat zentralen Abschnitt auf, der ja auch theologiegeschichtlich erhebliche Konsequenzen gehabt hat. Für die Frage nach der Bedeutung der Zitate im Rahmen der paulinischen Argumentation verspricht er sich (mit einem gewissen Recht) neue Gesichtspunkte von der als »Intertextualität« seit den 90er Jahren nicht zuletzt durch Richard Hays in die Exegese aufgenommenen literaturwissenschaftlichen Fragestellung. Zunächst aber folgen zwei forschungsgeschichtliche Kapitel zu grundlegenden Problemen dieses Textabschnitts. Kapitel 2 »Paulus und das Gesetz« (11–56) geht aus von Luther und Bultmann und stellt ihnen Sanders und die mit seinem Namen verbundene »neue Perspektive« gegenüber. Deren Schwächen sieht er vor allem durch Martyns apokalyptische Paulusinterpretation behebbar. Kapitel 3 »Paulus’ Schriftgebrauch« (57–96) führt über allgemeine Beobachtungen zur Zitiertechnik und zur Funktion von Zitaten innerhalb von Textzusammenhängen an satzweise in inhaltliche Probleme von Gal 3,1–14, von denen vor allem die Frage einer möglichen Spannung zum ursprünglichen Sinn der Zitate natürlich immer schon vordringlich gewesen ist.
Kapitel 4 (97–130) stellt dann die »Intertextualität« selbst in den Mittelpunkt. Deren Ausgangspunkt liegt darin, dass Texte sich immer in vielfältiger Weise auf andere, vorausgehende beziehen, zumal wenn – wie in unserem Fall – alte Texte ausdrücklich als autoritativ zitiert sind. Die Methodisierung dieser Beobachtung führt über eine reine Beschreibung der Phänomene hinaus zu einer analytischen Differenzierung der Begrifflichkeit – mit der üblichen Gefahr, dass die Kategorien so eng werden können, dass die Phänomene sich ihnen wieder entziehen. Für W.s weitere Arbeit werden zwei Gesichtspunkte dieses Forschungszweigs wichtig, die »ungrammaticalities« und die »presuppositions«, wobei Letzteres wohl mit »Voraussetzungen« zureichend wiedergegeben ist, während dem erstem Begriff »Unregelmäßigkeiten« – welcher Art auch immer – am nächsten zu kommen scheint (124).
Beides steht in Kapitel 5 (131–188) im Vordergrund der eigentlichen Interpretation von Gal 3,1–14, in dem W. die bis dahin entwickelten methodischen Schritte auf den Paulustext bezieht, natürlich nicht ohne Beachtung der üblichen Regeln der Kunst. Dabei findet sich manch treffende Beobachtung zur chiastischen Struktur des Abschnitts wie zur genaueren Bestimmung der alttestamentlichen Bezugstexte. Er sieht, dass – im Unterschied zu Röm 8,1–13 – »Leben« ohne Gegenbegriff bleibt, so denkbar nahe »Tod« angesichts der Beschreibung des »am Holz Hängenden« liegt, und »Leben« wird bis in den Titel der Arbeit hinein zum zentralen Begriff, freilich nicht soteriologisch verstanden. Die Untersuchung mündet in einer die einzelnen Argumentationsschritte verarbeitenden Paraphrase von Gal 3,1–14 (187 f.), die aber durch die dem Text fremde Polarität old age/ new age m. E. zu weit vom vorgegebenen Vokabular abgeht.
Ein kurzes Schlusskapitel 6 (189–206) nimmt noch einmal das Problem des Gesetzes sowie die Frage der Ethik bei Paulus auf. W. ist sich dabei der Begrenztheit und Unabgeschlossenheit seiner Untersuchung selbst bewusst. Eine mit Hilfe der CD-Rom TLG erstellte Materialsammlung zu Gal 3,11 (hotidelonhoti), das Literaturverzeichnis und ein Autorenregister schließen das Buch ab.