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Ausgabe:

März/2006

Spalte:

271–273

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Williamson, Hugh G. M.

Titel/Untertitel:

Studies in Persian Period History and Historiography.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2004. XIV, 326 S. gr.8° = Forschungen zum Alten Testament, 38. Lw. € 94,00. ISBN 3-16-148261-1.

Rezensent:

Heidemarie Koch

In dem vorliegenden Buch sind Aufsätze zusammengetragen, die über einen Zeitraum von nahezu 30 Jahren an den verschiedensten Stellen publiziert worden sind. Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie sich mit der Geschichte Judas in der Zeit nach dem babylonischen Exil befassen, also dem Zeitraum vom 6. bis zum 4. Jh. v. Chr. Dieses ist auch gleichzeitig die Periode, in der das erste Weltreich der Geschichte, das Reich der persischen Dynastie der Achämeniden, entstand und auch unter dem Ansturm Alexanders d. Gr. und seiner Soldaten wieder zu Grunde ging (330 v. Chr.). Sein Begründer Kyros, der späterhin »der Große« genannt wurde (559–530 v. Chr.), war es, der die Juden aus dem Exil heimziehen ließ, nachdem er 539 v. Chr. Babylon erobert hatte.
Über die Geschehnisse, die diesem wichtigen Ereignis folgten, berichten im Alten Testament insbesondere die beiden Bücher der Chronik sowie Esra und Nehemia. Sie stehen auch im Mittelpunkt der hier zusammengetragenen Aufsätze (weitere Arbeiten des Vf.s zu diesem Thema sind in einer Liste beigegeben, XIII f.). Die Beiträge sind lediglich in ihrer äußeren Form vereinheitlicht, ansonsten aber nicht verändert worden. Nur die Einführung zum ersten Themenkreis wird hier erstmalig vorgelegt, wenngleich auch sie bereits früher abgefasst worden ist. Der Vf. betont, dass er sich zu dieser Vorgehensweise entschlossen habe, da somit auch der Stand der Wissenschaft zur Zeit der Abfassung der Aufsätze wiedergegeben werde.
Gegliedert sind die Beiträge in drei Abschnitte: Historische Studien, Chroniken und Esra/Nehemia. Allerdings bestehen zwischen den einzelnen Aufsätzen dieser Themenkreise vielfältige Beziehungen, da es ja immer wieder dieselben Quellen sind, die den Überlegungen zu Grunde liegen. An Originalquellen ist zwar im Verlauf der letzten Jahrzehnte manches hinzugekommen, insbesondere durch Funde der Archäologen, doch sind zeitgenössische Belege, wie beispielsweise die aramäischen Papyri von der Nilinsel Elephantine, Münzen oder Siegelabdrücke, noch immer sehr rar.
In dem ersten, hier erstmals vorgelegten Beitrag, der sich mit der frühen, nach-exilischen Geschichte befasst (3–24), arbeitet der Vf. einige grundlegende Gedanken heraus, die auch für alle weiteren Beiträge von Wichtigkeit sind. So untersucht er die Zuverlässigkeit der vorhandenen Quellen und betont, wie wichtig es ist, politische Institutionen von religiösen Gedanken und Praktiken zu trennen. Zur Zeit der Achämeniden gab es eine deutliche Trennung zwischen dem Statthalter, der im Dienste des persischen Großkönigs stand, und dem jüdischen Oberpriester (8). Zusätzlich sollte nach Ansicht des Vf.s auch die Sozialgeschichte berücksichtigt werden, was insbesondere bei den von Nehemia durchgeführten Reformen von Bedeutung ist, die der Vf. denen von Solon in Athen an die Seite stellt (19 f.).
Hinsichtlich der frühen Geschichte der Provinz Juda gibt es noch immer viele Unklarheiten. Die Meinungen über die An zahl der Rückkehrer aus Babylon und ihr Verhältnis zur ein heimischen Bevölkerung gehen weit auseinander und können wegen fehlender Quellen auch nicht geklärt werden. In dem Aufsatz über »Juda und die Juden« (25–45) setzt sich der Vf. mit den Thesen J. P. Weinbergs und der von ihm postulierten »citizen-temple community« als sozio-politischer Einheit mit einer eigenen Verwaltung auseinander, die er aber in den Bereich der Phantasie verweisen muss. Dasselbe gilt für die angebliche Steuerfreiheit für die Juden unter Artaxerxes I. Sie lässt sich nicht belegen. Vielmehr spricht alles dafür, dass die Perser die Juden in keiner Weise anders behandelt haben als die Bewohner ihrer übrigen Provinzen.
Dieses wird noch deutlicher herausgearbeitet in dem Kapitel über die »Statthalter von Juda unter den Persern« (46–63). Hier kann der Vf. eine große Gruppe an bis dahin nur wenig berücksichtigten Quellen heranziehen (der Aufsatz ist 1988 erschienen), die nicht nur einen guten Vergleich für die Verwaltung im persischen Großreich bieten können. Es handelt sich um Keilschrift-Täfelchen, die in Persepolis, der Hauptstadt des Achämenidenreichs, gefunden worden sind. Mit einer Anzahl von etwa 60000 Stück stellen sie eine große Gruppe authentischer achämeniden-zeitlicher Quellen dar. Allerdings sind davon erst gut 2000 publiziert worden. Zudem bereitet die elamische Sprache, in der sie – bis auf einige aramäische Notizen – abgefasst sind, noch immer große Schwierigkeiten. Denn diese Sprache hat keinerlei Beziehungen zu irgendeiner anderen bekannten Sprache. Allerdings ist 1987 das Elamische Wörterbuch (Hinz, W./Koch, H., Archäologische Mitteilungen aus Iran, Ergbd. 17) erschienen, das der Vf. wohl noch nicht gekannt hat. Die Verwaltungstäfelchen stammen aus Archiven, die unter Dareios d.Gr. (522–486 v. Chr.), seinem Sohn und Nachfolger Xerxes (486–465 v. Chr.) und in den ersten Jahren von dessen Sohn Artaxerxes I. (465–425/24 v. Chr.) entstanden sind. In diesen Quellen, die der Vf. mehrfach heranzieht, lassen sich Übereinstimmungen mit und Erklärungen für Äußerungen feststellen, wie sie in der Bibel zu finden sind.

Dieses wird besonders in dem Aufsatz »Esra und Nehemia im Lichte der Texte aus Persepolis« (212–231) deutlich. Es zeigt sich, dass die Täfelchen aus Persepolis nicht nur Vorgänge der Verwaltung zu klären vermögen, sondern auch sonst mancherlei Hinweise geben, zum Beispiel hinsichtlich der Möglichkeiten, im Achämenidenreich zu reisen, was ja sowohl Esra wie auch Nehemia mehrfach tun mussten. Besonders interessant sind auch die Belege, die Auskunft über die Toleranz der persischen Großkönige hinsichtlich fremder Religionen geben. Damit wird auch die Unterstützung der jüdischen Bürger des Großreichs hinsichtlich des Aufbaus des Tempels und der Ausübung ihrer Religion durchaus verständlich. Dass diese Unterstützung allerdings nicht immer genau so ausgesehen hat, wie es im Alten Testament geschrieben steht, muss dabei stets berücksichtigt werden. Dort sind weitreichende Überarbeitungen anzunehmen, wobei die späteren Redaktoren vieles hineingebracht haben, was für sie selbst wichtig war. So ist die Rezensentin überzeugt, dass Dareios sicher nicht Anweisung gegeben hat, dass den Juden »Stiere, Widder und Lämmer zu Brandopfern« übergeben werden sollten (Esra 6,9). Denn den eben angeführten Täfelchen aus Persepolis ist zu entnehmen, dass von der Verwaltung keinerlei Tiere für Opferzwecke direkt ausgegeben worden sind. Elamische Priester beispielsweise, die Tiere für ihr großes Schlachtopfer-Fest benötigten, sammelten die ihnen von der Verwaltung für Opferzwecke zugeteilte Gerste und tauschten diese dann gegen Kleinvieh um.

Es ist an dieser Stelle nicht möglich, die vielen Aufsätze und ihre mannigfachen Anregungen und Ergebnisse auch nur aufzuzählen, geschweige denn zu kommentieren oder – auf Grund neu hinzugekommener Erkenntnisse – in Einzelheiten zu korrigieren. Deutlich wird das jahrzehntelange Bemühen des Vf.s um die Klärung dieser wichtigen Epoche der jüdischen Geschichte. Die Zusammenstellung der mannigfachen Aufsätze des Vf.s zu diesem Thema, die auf viele verschiedene Zeitschriften verteilt sind, in nunmehr einem Band erleichtert es jedem Interessierten, sich mit seinen Überlegungen und Erkenntnissen vertraut zu machen. Wünschenswert wäre es indessen bei dieser sehr teuren Neu-Ausgabe gewesen, zumindest eine Zusammenstellung der neueren Literatur hinzuzufügen, die für die hier behandelten Themen von Wichtigkeit ist.