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Ausgabe:

April/1998

Spalte:

354–358

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Lamprichs, Roland

Titel/Untertitel:

Die Westexpansion des neuassyrischen Reiches. Eine Strukturanalyse.

Verlag:

Kevelaer: Butzon & Bercker; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 1995. X, 452 S. gr.8° = Alter Orient und Altes Testament, 239. Lw. DM 156,­. ISBN 3-7887-1533-2.

Rezensent:

Hermann Michael Niemann

Das neuassyrische Reich besitzt für den Verlauf der Geschichte wie für die Entwicklung der Theologiegeschichte Israels und Judas eine überragende Bedeutung. Die vorliegende Dissertation (1993) muß Weiterbildungswilligen unter uns Theologen willkommen sein, die wir leicht in der Gefahr stehen, das AT zu unmittelbar als historisch auswertbar zu betrachten und nicht als primär theologische Schriftb>(1) . Dem Buch eines Altertumswissenschaftlers aus der Schule von Hans-Jörg Nissen (FU Berlin) soll deshalb Aufmerksamkeit zukommen. Es handelt sich um eine theorie- und methodenbewußte, wohlorganisierte Arbeit, die Strukturen, Modelle, Mechanismen und Prozesse als wichtige Hilfen für die Erhellung Alter Geschichte aufspürt und damit die selbst bei bedachtsam kombinierender Analyse von Texten und archäologischen Ergebnissen begrenzt bleibenden Erkenntnisse über frühe Geschichtsepochen zu erweitern vermag.

Weil der vom Vf. gewählte methodische Zugang (Kap. 1-3, 1-47) in seiner Art unter Alttestamentlern noch die Ausnahme darstellt, sei seiner Skizzierung mehr Platz eingeräumt als dem Hauptteil (Kap. 4, 49-379). Kap. 5 (381-408) faßt Prozesse und Verlauf der assyrischen Westexpansion und deren strukturelle Grundlagen zusammen. Es folgen Abkürzungsverzeichnis, Bibliographie, Register (409-452), Abbildungen und Karten.

Kap. 1-2 bietet die Problemstellung und Forschungsgeschichte zur Konzeption des Imperialismus als Erklärungsmodell für expansive Herrschaftssysteme: Es kommt dem Vf. mit Recht darauf an, über philologisch-historische bzw. kunstgeschichtlich-typologische Analysen oder isolierte archäologische Funde hinaus zur Erhellung des politischen Systems der Assyrer und seiner Strukturen, Prozesse, Konzepte und Mechanismen vorzustoßen. Dazu macht er sich u. a. die Soziologie zunutze, etwa Modelle zur Beschreibung asymmetrischer Abhängigkeiten zwischen Zentrum und Peripherie sowie Interaktionen. Da solche Einsichten die textlichen und archäologischen Analysematerialien nicht nur ergänzen, sondern die uns bekannten Fakten in kontrollierten bzw. kontrollierbaren Zusammenhang stellen, vermag dieses Herangehen das uns aus dem neuassyrischen Reich Überlieferte im Zusammenhang verständlicher zu machen.

Die Aufmerksamkeit des Vf.s richtet sich auf die "Erfassung und Erklärung politischer, kommunikationstechnischer, ökonomischer, militärischer und sozio-kultureller Entwicklungsprozesse" (2). Von diesen Modellen und Prozessen her können dann archäologische und textliche Quellen neu interpretiert werden. Die berechtigte Hoffnung richtet sich auf die Aufdeckung von Strukturen und Prozessen der Genese, Funktionsweise und schließlich des Untergangs des neuassyrischen Reiches. Sein Ziel verfolgt der Vf. durch Verwendung einer Variante der sogenannten "Imperialismustheorie" (J. Galtung), die er auf für die Antike anwendbare Modelle hin untersucht. Erkenntnisse des Strukturalismus, der Soziologie, der Kommunikationstheorie und der Ikonographie zieht er heran. Auf dieser Basis werden dann die lückenhaften archäologischen und textlichen Quellen im Zusammenhang gesehen und der Versuch unternommen, "die assyrische Westexpansion als Ganzes" im Zusammenhang der neuassyrischen Weltreichspolitik zu verstehen.

Kap. 3 ("Transepochale und transkulturelle Strukturmerkmale expansiver Herrschaftssysteme: Versuch einer Modellbildung" (25-47) stellt die Strukturmerkmale vor, die das Analyse-Modell charakterisieren. Der Vf. definiert zugehörige Grundbegriffe wie "Zentrum und Peripherie", "Brückenkopf" (oft das Zentrum einer Peripheriemacht im Unterschied zur Peripherie der Peripherie), "Interessenkonflikt [Interessenharmonie und -disharmonie]" (26 ff.). Er skizziert Varianten der asymmetrischen (disharmonischen) Beziehungen zwischen Zentrum und Peripherie bzw. Zentren und Peripherien und deren Steuerung vom Zentrum her im Interesse der Zentralmacht und ihres Zusammehalts, um z. B. Bündnisse zwischen den Peripherien von Zentralmacht und Peripherie oder Interessenharmonie zwischen Zentrum und Peripherie der Peripherie zu verhindern. Die Struktur des Herrschaftsverhältnisses bildet also "nicht ausschließlich eine bestimmte intergesellschaftliche Beziehung, sondern vielmehr eine asymmetrische, auf Interessendisharmonie basierende Kombination aus inner- und intergesellschaftlichen Interaktionen" (32).

Modellimmanente Kennzeichen solcher expansiver Herrschaftssysteme sind: 1. Zwei grundlegende Mechanismen: Vertikale Interaktionsbeziehungen und hierarchische Interaktionsstrukturen; diese halten die von jenen geschaffenen Ungleichheiten und Interessendisharmonien, die durch Propaganda und Ideologie sowie Umverteilungen sowohl erzeugt als auch verschleiert werden, aufrecht. Je besser die Mechanismen funktionieren, desto weniger braucht ein direkter Unterdrückungsapparat eingesetzt zu werden!

2. Fünf Typen asymmetrischer Abhängigkeiten, die sich in Arten des Austausches zwischen Zentral- und Peripheriemacht äußern: Im ökonomischen Bereich ein ungleicher Austausch von Gütern und eine asymmetrische Form der Arbeitsteilung; im politischen Bereich produziert die Zentralmacht Entscheidungen, die Peripherie gehorcht, wobei die Propaganda dafür sorgt, daß der Eindruck entsteht, die Zentralmacht sei im Besitz politischer und moralischer Überlegenheit und Wahrheit (durch Faktoren der Religion, Wirtschaft, Staatsform o. ä.). Befehle der Zentralmacht gelten als legitim nicht aufgrund ihrer Substanz, sondern ihrer Herkunft. Auf militärischem Bereich ergibt sich die Überlegenheit der Zentralmacht aus der ökonomischen Arbeitsteilung und Ressourcenverteilung einschließlich der Integration der Soldaten aus den Peripherien. Die Zentralmacht bietet Schutz, die Peripherie hat Soldaten und Gehorsam zu liefern. Wenn andere asymmetrische Beziehungen Brüche zuungunsten der Zentralmacht aufweisen, werden solche Defizite durch militärische Stärke ausgeglichen. Im Bereich der Kommunikation verfügt die Zentralmacht über die effektivsten Kommunikations- und Transportmittel und die Kontrolle der Wege. Informationsübermittlung zwischen den Peripherien wird verhindert; Information läuft nur über die Zentrale. Schreiber sind trainiert, alles mit den Augen der Zentrale zu sehen. Im kulturellen und wissenschaftlichen Bereich stellt die Zentralmacht Lehrer und Lehrstoff, die Lernenden stammen meist aus der Peripherie, was die Manipulation z. B. der künftigen Peripherie-Elite ermöglicht. Bildungsniveau in den Peripherien kann, ja, sollte niedriggehalten werden.

3. Drei historische Phasen expansiver Herrschaftssysteme, die die Methode spiegeln, mit der das Zentrum der Zentralmacht sein Verhältnis zum Zentrum von Peripheriemächten gestaltet: Die Vergangenheit kennzeichnet Okkupation; die Gegenwart Organisation, die Zukunft charakterisiert Kommunikation (Details, 41 f.).

Der Hauptteil Kap. 4 ("Das neuassyrische Reich und die westlichen Gebiete: Archäologische und historische Evidenz" behandelt im 1. Abschnitt schriftliche Quellen zwischen Assurnasirpal II. und der Endphase des Reiches und interpretiert die Strukturmerkmale "Kommunikation", "Ökonomie", "Politik", "Militär", "Kultur und Wissenschaft" auf der Basis der Ergebnisse der Quellensichtung.

Der Vf. findet zahlreiche Parallelen zwischen Aussagen der Quellen einerseits und Mechanismen und Kriterien des Modells andererseits. Er beobachtet die Erzeugung einer Überlegenheitsideologie im Zentrum des neuassyrischen Reiches, die Entwicklung und Anwendung strukturimmanenter statt direkter Gewalt, die Herstellung von Interessenharmonie zwischen dem assyrischen Zentrum und Eliten der Zentren der Peripherien mit der Folge, daß die Interessendisharmonie in Peripheriemächten größer ist als zwischen den Eliten im assyrischen Zentrum und den Peripheriemachtzentren. Er bringt Quellenhinweise bei für Maßnahmen zur strukturellen Absicherung der künstlich erzeugten Ungleichheit.

Der 2. Abschnitt befaßt sich aus dem Gebiet der archäologischen Quellen zunächst mit dem Fallbeispiel "Orthostaten-Reliefs" und behandelt danach "Elfenbein und Elfenbeinarbeiten" als hervorragende Prestigegüter. Der Vf. liefert in diesem Zusammenhang Informationen über die Elefanten Nordsyriens, ihre Herkunft, Lebensweise und die Auswirkungen der assyrischen Westexpansion auf die Elefanten und die Veränderungen bzw. das Verschwinden der Elfenbeinwirtschaft.

Durch das sorgsame methodische Vorgehen ergibt sich trotz relativ bescheidener Mengen von Informationen auch aus unterschiedlichen Phasen des neuassyrischen Reiches und aus verschiedenen Subsystemen des Herrschaftssystems mit Hilfe des Modells von J. Galtung ein deutlicheres Gesamtkonzept der assyrischen Herrschaft und seiner Expansion als früher. Die Reliefzyklen neuassyrischer Thronsäle und strukturell mit ihnen verbundene assyrische Palasteinheiten lassen sich als effizientes Mittel der politischen Propaganda und Kommunikation autoritätsstabilisierend sowohl zwischen- als auch innergesellschaftlich interpretieren.

Die Orthostatenreliefs stellen politisch-ideologische Herrschafts- und Kommunikationsinstrumente dar, eine Kulisse von Machtsymbolen zur Selbstdarstellung der Elite bzw. des Königs, eine Personalisierung von Herrschaft und Macht (vgl. 321. 325). Ein hohes Maß an Parallelität zwischen Texten und Reliefs und ihren ideologischen Konzeptionen einerseits und den Untersuchungsmodellbereichen andererseits wird deutlich. Beobachtbar ist ein Rückgang magisch-religiöser Themen in den Reliefs zugunsten verständlicher, leicht manipulierbarer narrativer herrschaftsstabilisierender Darstellungen. Opfer der Expansionen und negative Begleiterscheinungen werden verschwiegen. Die steigende Komplexität des Reiches erfordert Arbeit für ein gemeinsames Bewußtsein. Dies alles erklärt sich als Antwort auf die Prozesse und Erfordernisse der Westexpansion.

Hinsichtlich der in assyrischen Hauptstädten gefundenen Elfenbeinarbeiten aus Peripheriemächten zeigen der archäologische Befund und die historische Entwicklung für das 9. und 8. Jh. v. Chr. einen stark ansteigenden Bedarf und Befund, der mit der Westexpansion zusammenfällt. Ein qualitativer Einbruch, Sinken der Elefantenpopulation, dann auch Rückgang der Elfenbeinverarbeitung stehen am Ende des 8. und im 7. Jh. v. Chr. Diese Veränderungen gehen mit der administrativen Integration der Elfenbein (-produkte) liefernden Gebiete Syrien-Palästinas unter Tiglatpilesar III. und Sargon II. einher. Die Gründe liegen darin, daß eingegliederte Gebiete keine Luxusgüter und Rohstoffe (wie Elfenbeinprodukte) mehr an den König selbst liefern, sondern Grundnahrungsmittel an assyrische Institutionen.

Hinzu kommt die allmähliche Überjagung der Elefanten. Die Einschränkung ihrer Lebensgebiete hängt weiterhin mit einem Anstieg von Bevölkerung, Siedlungsdichte und damit erforderlicher Erweiterung landwirtschaftlicher Nutzflächen zusammen. Gleichzeitig gab es einen Aufschwung in der Metallbe- und verarbeitung, der wiederum mit steigendem Holz(kohlen)- bedarf, die Abholzung mit dem Verlust von Lebensgebiet und Nahrung der Elefanten zusammenhängt.

So machen die Elfenbeinarbeiten und die diesbezüglichen Entwicklungen im Rahmen der Mechanismen "vertikale Interaktion" und "hierarchische Interaktionsstruktur" deutlich, wie die machtstrukturell bedingte hohe Nachfrage der Zentralmacht an diesen lokalen Prestigegütern einer Peripheriemacht nicht nur die nordsyrischen Elefantenbestände ernsthaft bedrohte, sondern auch, wie Macht Natur bedroht und die Zentralmachtnachfrage die Ökonomie und Ökologie der Peripheriemacht schädigt: eine asymmetrische Ressourcenausbeutung von Peripherie durch Zentrum, Folge expansiver Herrschaft. Es ließ sich auch beobachten, wie das Prestigegut Elfenbein umverteilt und verwendet wurde: Innerhalb der Zentralmacht für stabilisierende Wohlfahrtsstaatsaktivitäten, zur Steigerung des Abstands zwischen Zentralmacht und Peripherie sowie auch in der Peripherie zur Stabilisierung der dortigen Elite und zur Differenzierung von dortiger Elite und Peripherie der Peripherie. Disharmonien werden sowohl abgebaut oder verschleiert als auch bewußt gesteigert. Die Fähigkeit des assyrischen Großkönigs zum Erwerb und zur Beherrschung solcher Großtiere wie Elefanten steigerte zusätzlich sein Prestige, seine Legitimation. Kommunikative Aktivitäten (Ansiedlungen von Assyrern, "Brückenköpfe", Ausgestaltung von Beziehungen zu Peripheriemächten) können vom Vf. als Elemente des Herrschafts- und Expansionskonzeptes erklärt werden. Ein möglicher Zusammenhang zwischen assyrischer Westexpansion und einer erheblichen Einfluß-/Handelsgebietsausdehnung phönizischer Hafenstädte im 8. Jh. wird erkennbar.

Der Vf. zeichnet ein Schema assyrischer Expansion: "Kontaktaufnahme" durch militärische Aufklärungskampagnen, Errichtung von Brückenköpfen, Knüpfen von Interessenharmonien zwischen Zentralmacht und Peripheriezentrum, Ausgleich oder Verschleierung von Interessendisharmonien zwischen Zentrum der Zentralmacht und dessen Peripherie, differenzierte Propaganda der Zentralmacht in Zentralmachtgebiet und Peripherie, differenzierte Gestaltung der Beziehungen zwischen Zentralmacht und Peripheriemächten, Aufbau eines Netzwerkes von Interaktion und Kommunikation, Verdichtung durch Institutionalisierung der Beziehungen bis zur territorialen Angliederung von Peripherien mit der Folge des Übergangs von einem "Imperium der Kommunikation" zum "Imperium der Territorien" (vgl. auch das Flußdiagramm Abb. 37). Dieses Schema wird immer wieder im Laufe expansiver Aktionen durchlaufen, die Herrschaft wird komplexer ­ und potentiell störanfälliger.

Der Vf. kann durch die verbesserte Einsicht in Strukturen, Mechanismen und Dynamismen des neuassyrischen Reiches begründeter als früher Vermutungen zur Entstehung des Reiches (5.1) und Gründe für seinen Untergang (5.3) vorlegen. Zu den entstehungsbegünstigenden Faktoren gehörten die großräumigen politischen und ethnischen Veränderungen zwischen Ägäis, Mesopotamien und Ägypten seit dem Ende der Spätbronzezeit mit dem Zusammenbruch der Großreiche im Dreieck Ägypten ­ Hatti ­ Mesopotamien und der Folge polyzentrischer Entwicklung. Assyrien konnte in der Folge immerhin partiell auf mittelassyrische Strukturressourcen (Kommunikation, Verkehrswesen) zurückgreifen. Hohes militärisches Niveau seit Assurnasirpal II., ökonomisch günstige Lage und eine "als Wertesystem der Gesellschaft fungierende assyrische Kosmologie" (388), die einer massiven Expansion nicht entgegenstand, vielmehr eine glänzende theologische Legitimation derselben darstellt, sie als religiöse Aufgabe versteht, bildeten mit anderen Faktoren eine gute Ausgangslage des neuassyrischen Reiches. Der "Fürst" wird zum "König des Landes Assur" und zum "König der Gesamtheit", der als "Repräsentant der Götter" das "Hirtentum über alle Völker und Länder" wahrnimmt.

Zu strukturellen Faktoren des schnellen Zusammenbruchs weist der Vf. darauf hin, daß im neuassyrischen Reich strukturimmanente Regulatoren gefehlt haben, die das System im Gleichgewicht hielten, wenn eine gewisse Schwelle der Expansion erreicht und überschritten war. Das Verhältnis von territorialer Ausdehnung und Entfernung zum Zentrum verlangt ausreichend leistungsfähige Kommunikations- und Verkehrslinien, wie auch andere Subsysteme (Ökonomie, Militär etc.) der Kontrollmechanismen bedürfen. Unkontrollierte Grenzüberschreitungen bewirken gefährliche Destabilisierungen (Beispiele, 400) bis zum Systemkollaps. Verzögerungen des Kollapses können nur bedingt durch Übergang von struktureller zu offener militärischer Gewalt erreicht werden. Es gibt Hinweise (401 f.), daß der Kollaps des neuassyrischen Reiches verdeckt unter Assarhaddon begann, unter Assurbanipal aufwendig verzögert, mit dem Scheitern der assyrischen Ägyptenpolitik unübersehbar wurde und schließlich innerhalb weniger Jahre erfolgte.

Bedeutsam ist der Zusammenbruch der herrschaftslegitimierenden Kosmologie. Strukturell durchlief der Zusammenbruch verschiedene Stufen: Die strukturelle Basis wurde zunächst durch vereinzelte Grenzüberschreitungen verletzbar, dann wurden systemimmanente Schwellen überschritten, ohne daß Regulationsmechanismen ausreichender Art vorhanden waren. Durch die Komplexheit der Herrschaft lag die Schwelle zum Kollaps allerdings hoch. Erst das stochastische Zusammentreffen zahlreicher Faktoren führte schließlich zum schnellen Zusammenbruch. Die Expansion bis nach Ägypten und in den griechisch-phönizischen Bereich bilden wahrscheinlich bedeutende Störungen des Equilibriums (vgl. 403 f. mit Details). In solcher gefährdeten Situation werden selbst kleine Krisen nicht mehr bewältigt (vgl. 404 f.). Eine unflexibel gehandhabte, nicht angepaßte Ideologie wirkte letztlich verheerend.

Der Vf. räumt ein, daß eine auf einer Idealvorstellung basierende Modellanalyse vorliegt, die auf "offiziellen" Quellen beruht, so daß es auf eine Strukturanalyse der Herrschaftsideologie hinauskommt. ­ Das Werk sei allen an Geschichte und Theologiegeschichte Israels und Judas Interessierten empfohlen, da es sich als hilfreich bei dem wichtigen Geschäft erweist, theologische Aussagen und geschichtliche Hintergründe in biblischen Texten voneinander zu sondern, damit doppelten Erkenntnisgewinn ermöglicht und erlaubt, beidem gerecht zu werden, der Theologie und der Historie.

Fussnoten:

b>(1) Lamprichs meint: "Eine direkte Verwendung biblischer Texte als historische Quellen ist in heutigen wissenschaftlichen Untersuchungen nicht üblich" (119, Anm. 13). Leider irrt der Vf. hinsichtlich der Mehrzahl heutiger Alttestamentler.