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Ausgabe:

März/2006

Spalte:

260–262

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Eilinghoff, Christian

Titel/Untertitel:

Ökonomische Analyse der Religion. Theoretische Konzepte und rechtspolitische Empfehlungen.

Verlag:

Frankfurt a. M.-Berlin-Bern-Bruxelles-New York-Oxford-Wien: Lang 2004. 202 S. m. Abb.8° = Ökonomische Analyse des Rechts, 6. Kart. € 39,00. ISBN 3-631-52910-4.

Rezensent:

Cla Reto Famos

Die ökonomische Analyse der Religion ist eine relativ junge Disziplin, die sich im Zuge der Ausdehnung der ökonomischen Betrachtungsweise auf alle Lebensbereiche in den 1960er Jahren entwickelt hat. Es ist deshalb durchaus ein Verdienst E.s, sich als Ökonom mit diesem Lebensbereich auseinander zu setzen. Im Untertitel wird schon angedeutet, dass nicht nur theoretische Konzepte entfaltet, sondern auch rechtspolitische Empfehlungen abgegeben werden sollen. Damit begibt sich E. auf ein heikles interdisziplinäres Feld, dessen Ansprüchen er nicht immer genügen kann.
Nach einem einführenden Kapitel wird im zweiten Kapitel die Grundthese erläutert, von der aus das Theoriegebäude zur Erfassung des Phänomens Religion errichtet wird: Religion ist im Kern Information, Religionen »geben Erklärungen für von betroffenen Menschen nicht erklärbare Phänomene sowie für den Sinn des irdischen Lebens und die Existenz über das physische Dasein hinaus« (30). Allerdings rufen solche Informationen nur dann eine Leistungsbereitschaft bei Menschen hervor, wenn sie eine Bedürfnisbefriedigung in Aussicht stellen. Im Hintergrund steht deshalb die Rational Choice-Theorie. Die Relativierungen des Homo oeconomicus-Theorems und die Erweiterung des Theorierahmens durch psychologische Erkenntnisse durch Ökonomen wie Ernst Fehr oder Simon Gächter werden von E. leider nicht zur Kenntnis genommen.
Ausgehend von der Grundthese wird im dritten Kapitel das Angebot von Religionsanbietern als Glaubensgut definiert, denn die offerierten Informationen sind per definitionem nicht überprüfbar. Anschließend werden Entscheidungsmodelle entworfen, die sich am erwarteten Nettonutzen und der Eintretenswahrscheinlichkeit orientieren. Religion kann in dieser Perspektive mit einer Versicherung verglichen werden. Im fünften Kapitel werden die so genannten Näherungswerte behandelt. Damit sind Werte gemeint, die stellvertretend für den fehlenden objektiven Wert berücksichtigt und verarbeitet werden. Als Beispiel mögen die so genannten Reputationseffekte dienen: Die Dauer am Markt, die Anzahl anderer Nachfrager und spezifische Investitionen (in den Kirchenbau etwa, womit sich ein Anbieter stark festlegt) sind für den Nachfrager Orientierungspunkte, um das religiöse Angebot trotz seiner grundsätzlichen Unüberprüfbarkeit zu beurteilen. Die öffentlich-rechtliche Anerkennung kann ökonomisch als staatliches Zertifikat und so mit als wichtiger Näherungswert interpretiert werden.
Im sechsten Kapitel wird die Marktbearbeitung durch die Religionsanbieter beleuchtet. Für E. geht es hier um die Frage, »mit welchen Methoden der Markt für religiöse Versprechungen erfolgreich bearbeitet werden kann« (133). Untersucht wird hier zum Beispiel der Aufbau einer Marke oder die Bearbeitung des Trittbrettfahrerproblems. Das siebte Kapitel schließlich behandelt Strategien, welche von Religionsanbietern angesichts des auf dem Religionsmarkt herrschenden Wettbewerbs entwickelt werden.
Nach der Entwicklung seines Theoriegebäudes kommt E. im achten Kapitel zu rechtspolitischen Schlussfolgerungen. Er plädiert für einen freien Religionsmarkt und konstatiert in Deutschland einen stark regulierten Markt. E. wendet sich entschieden gegen die Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts, weil es sich dabei um eine Zertifizierung einer Religionsgemeinschaft handle, die den Eindruck erwecke, der Staat habe die Qualität der erbrachten Leistungen geprüft, wozu er gar nicht im Stande sei. »Eine solche Form der Zertifizierung und Privilegierung ist wegen ihrer irreführenden und wettbewerbsverzerrenden Wirkung abzuschaffen.« (159) Scharf wendet sich E. gegen das heutige Finanzierungssystem aus Kirchensteuer, Dotationen und Subventionen, gegen den staatlich finanzierten Religionsunterricht, die Finanzierung theologischer Fakultäten und konfessioneller Kindergärten sowie die Steuerbefreiung. E. setzt sich dagegen für »eine klare Trennung von Staat und Kirche« (188) ein und befürwortet ein Lehrfach »Religionskunde«, um »souveräne Entscheidungen der Menschen zu fördern« (170).
Die Dissertation von E. befasst sich mit einer wichtigen und faszinierenden Perspektive auf Religion. Aber sie tut dies angesichts der Komplexität der Materie in mancherlei Hinsicht zu wenig informiert. Kann man E. über lange Strecken trotz der recht eingleisigen Grundstruktur des Ansatzes folgen und manches Interessante zur Kenntnis nehmen, so verirrt sich E. gegen Ende zunehmend in überspitzte, unausgewogene Aussagen und Forderungen wie z. B.: »Das Konzept der Erbsünde entspricht also nicht geltendem Wettbewerbsrecht und dürfte daher nicht weiter verbreitet werden, wenn man das UWG auf Religionsanbieter anwenden könnte.« (175) Solche Sätze gehen nicht nur weit über das hinaus, was sich aus einer wirtschaftswissenschaftlichen Warte begründet sagen lässt, sondern sie berücksichtigen zudem weder theologische noch rechtliche Zusammenhänge adäquat.