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Ausgabe:

Dezember/2005

Spalte:

1365–1386

Kategorie:

Literatur- und Forschungsberichte

Autor/Hrsg.:

Gerber, Christine

Titel/Untertitel:

In Bewegung Zur Frage der Geschlechterdifferenz und zu feministischen Diskursen in den Bibelwissenschaften*

Gender studies in den Bibelwissenschaften und feministisch motivierte Exegese sind ein weites Feld, und ein unübersichtliches zudem. Subjekt und Gegenstand feministischer Frage stellungen haben sich vervielfältigt, gender ist ein komplexer Forschungsgegenstand, nicht erst, seit die Eindeutigkeit der Geschlechterzuweisung diskutiert wird. Die Literaturproduktion ist umfänglich und methodisch wie hermeneutisch sehr divergierend. Ein kompletter Überblick über die Veröffentlichungen ist (wenn überhaupt noch) in diesem Rahmen nicht zu leisten, es kann nur auf weiterführende Literatur verwiesen werden.1 Um auch allgemein Interessierte möglichst differenziert über Fragestellungen, Methoden und Antworten zu informieren, gebe ich den Lesern und Leserinnen hier sowohl allgemeinere Informationen als auch exemplarische Besprechungen einzelner Bücher an die Hand. Auf diese Weise möchte ich die theologische Relevanz der Geschlechtersymbolik und -differenz sowie des feministischen Diskurses in den Bibelwissenschaften aufzeigen.
Eingangs umreiße ich die Fragestellungen von Feminismus, gender studies, queer studies und men studies und weise auf die wichtige Frage der Etablierung der Forschung hin (1). Um einen Eindruck von den exegetischen Arbeiten auf diesem Feld, den Gegenständen, der Methodik und Hermeneutik zu vermitteln, stelle ich zwei Diskussionsstränge genauer vor: für das Alte Testament Arbeiten zur Prophetie (2), für das Neue Testament solche über »Jesus und die Frauen« (3). Zum Schluss fasse ich meinen Eindruck von der Bedeutung dieser Diskurse zusammen (4).

1. Feministisch orientierte Exegese2, Genderstudien und ihre Entfaltungen

Die sich feministisch verstehende Revision der Theologie und die Analyse von Geschlechterdiskursen in unterschiedlichen Disziplinen stellen keine alternativen Zugänge dar, haben je doch einen je unterschiedlichen »Sitz im Leben«. Die exegetische Literatur nimmt allgemeine Diskurse und deren Implikationen auf, auch die hier zur Debatte stehenden. Darum deute ich entsprechende Fragen und Entwicklungen an.

Das Private ist theologisch und die Bibel politisch –
Feministisch orientierte Exegese

Die Bibel steht seit den Anfängen feministischer Theologie im Zentrum des Interesses, sei es als Gegenstand des Anstoßes, sei es als Machtmittel im Kampf um religiöse, soziale, politische Gleichstellung aller Menschen einschließlich der Frauen.3 Der Zugriff auf die Bibel hat sich wie die feministische Bewegung und ihre wissenschaftliche Umsetzung seit Aufkommen der Neuen Frauenbewegung in den 1970er Jahren im Zuge der politischen und hermeneutischen Entwicklungen sehr verändert.4 Unverändert ist das politische Selbstverständnis feministisch orientierter Exegese als Teil feministischer Theologie, die ihrerseits geprägt ist durch die allgemeine feministische Theorie und die Befreiungstheologie.5 Anders als in der so genannten »Frauenforschung« sollen Frauen nicht einfach Objekte der Forschung sein, sondern ihre Beteiligung an der Forschung gilt als bedeutsam: Es wird explizit parteiisch agiert unter Offenlegung der Forschungsinteressen. Der Ursprung als »Basisbewegung« zeigt sich in vielen wissenschaftlichen Büchern in einer Anbindung an das »wirkliche Leben« und in einem Ethos der Allgemeinverständlichkeit. Beispielhaft für die gesuchte Außenwirkung ist die unter Mitarbeit vieler Exegeten und Exegetinnen entstehende Übersetzung der »Bibel in gerechte Sprache«, die 2006 erscheinen soll.6
Verändert hat sich feministisch orientierte Exegese durch die Einsicht feministischer Theorie, dass der analytische Dual von Mann/Täter – Frau/Opfer die Frauen auf den Objektstatus festschreibt und damit weder heuristisch produktiv ist noch sachlich zutrifft: Frauen sind Subjekte, damit aber auch verstrickt in das System, sind »Mittäter«7. Damit zerbrach auch die Idee einer einhelligen »Frauenerfahrung«. In der Exegese wurde diese analytische Fortschreibung relevant durch die Offenlegung von subtilem Rassismus und Antijudaismus in der Aneignung der Bibel für die Frauenbefreiung. Es gilt, den Kontext der eigenen Auslegung stärker zu reflektieren.8 Um die Komplexität des nicht nur sexistisch bestimmten Unterdrückungssystems deutlich zu machen, hat beispielsweise E. Schüssler Fiorenza die analytische Kategorie »Patriarchat« durch »Kyriarchat« ersetzt.9
Schüssler Fiorenza verwendet zahlreiche solcher Neologismen und störende Schreibweisen, um die Macht der Benennungen offen zu legen und die Grenzen der Sprache zu weiten. Am oft bereits totgesagten Konzept »Feminismus« hält sie hingegen fest, gerade in Abgrenzung zu Frauenforschung oder gender studies: »Feminismus ist nach meinem Verständnis eine … soziale und politische Bewegung und Theorie, die sich für eine Welt frei von entmenschlichender Herrschaft einsetzt und vom Traum einer erneuerten und ganz anderen herr-schaftslosen Wirklichkeit in spiriert wird. Religiöser und Christlicher Feminismus wiederum ist angetrieben von der Hoffnung, dass eine solche heil-volle Welt in der Kraft G*ttes Wirklichkeit werden wird.«

Das ist ein Zitat aus einer neuen Publikation der in Harvard lehrenden deutschen Neutestamentlerin, die ihre aktuelle Sicht der Lage, ihre Anliegen, ihre theoretische Basis, aber auch ihren Erfahrungshintergrund auf Deutsch zugänglich macht.10 16 Vorträge sind gesammelt, zu vier Rubriken gefasst und durch eine ausführliche Einleitung eingeführt. Schüssler Fiorenza verortet in diesen Aufsätzen ihr Denken innerhalb der hermeneutischen Modelle (Aufsatz 3), zwischen Moderne und Postmoderne (Aufsatz 6), zwischen Gleichheits- und Differenzfeminismus. »Kritisch« müsse der Feminismus bleiben, dürfe nicht postmodern entpolitisiert werden (22), sondern solle befreiungstheologisch die Gerechtigkeit für alle Menschen engagiert einfordern. Was die Autorin hier in Meta-Diskussionen theoretisch und recht abstrakt definiert und postuliert, wird anschaulicher in Aufsätzen über Frauen im kirchlichen Amt und die kirchliche Autorität (Aufsatz 10 und 11), über die Jesusbewegung (Aufsatz 14, vgl. weiter unten 3.), über Gal 3,28 (Aufsatz 12) oder die Johannesoffenbarung (Aufsatz 15). Schüssler Fiorenza berücksichtigt stets die aktuellen Diskurse aus Amerika und Deutschland, aus Feminismus und herkömmlicher Exegese, die sonst getrennt verlaufen. Ihre Publikationen sind mithin nicht nur informativ, sondern auch, dem Titel entsprechend, erfreulich »grenzüberschreitend« und auch feministische Generationen verbindend. So reflektiert die 1938 geborene katholische Theologin, die in Deutschland promoviert wurde und seit 1970 in Amerika lehrt, aber immer wieder auch hierzulande präsent ist, in mehreren der publizierten Aufsätze ihre Biographie als »Erfahrungen einer EinwanderIn and (sic!) GrenzgängerIn in männlich bestimmter Theologiewissenschaft« (6; vgl. dazu die Aufsätze 1–3). Die Vortragssammlung ist eine Art persönliche Zwischenbilanz ihres Weges und Entwurfes feministischer Hermeneutik.

»Feministisch« ist also weniger denn je eine Themenangabe denn ein Signet politischer Bibelauslegung, die sich thematisch, methodisch und hermeneutisch ausdifferenziert hat – und die, wie die Beispiele hier belegen, auch über ihre Ergebnisse streitet.

»Gender is on the agenda«11 – Gender-Studien und Exegese
Die Kategorie »gender« verändert den Blickwinkel der von der Frauenbewegung und feministischen Theorie initiierten Diskussion. Sie ist Weg weisend für die Institutionalisierung dieser Fragen in der universitären Wissenschaft in Deutschland.12

Als transwissenschaftliche Kategorie ermöglicht und fordert sie die Vernetzung einzelner Fachdiskussionen. Die Frage nach
»gender« weitet nicht nur den Blick auf die Frage der Bedeutung von »Geschlecht« überhaupt, sondern weist auch auf die Interdependenz der Geschlechterrollen hin. Vor allem steht der englische Begriff für eine auf Deutsch nur paraphrasierbare Grundunterscheidung: »Gender«, die »soziale Geschlechtsrolle«, ergibt sich nicht zwingend aus »sex«, dem »biologischen Geschlecht«, sondern ist gesellschaftlich, kulturell und symbolisch konstruiert und kontingent. Jenseits dieser Grundüberzeugung gibt es jedoch divergierende Konzepte, abhängig von den er kenntnistheoretischen Prämissen und der wissenschaftlichen Herkunft. Soziologie, Ethnologie oder Geschichtswissenschaften etwa haben unterschiedliche Fragestellungen, ein eher feministischer, sozialkonstruktivistischer oder diskurstheoretischer Ansatz unterschiedliche Prämissen.
Ohne dass das hier zu entfalten wäre,13 seien die Streitfragen angedeutet: Gibt es überhaupt eine reale Basis der Geschlechterdifferenz oder ist nicht auch »sex« erst im Machtdiskurs eingeschrieben bzw. sozial konstruiert? Und verfestigen nicht Gender-Analysen die Geschlechterrollen, da sie gerade ein bestimmtes Konzept von ihnen voraussetzen müssen? Wie kann man gender studies betreiben, ohne mit positivistischen Konzepten zu arbeiten und damit in die Gefahr des Essenzialismus zu geraten? Ist von »Frauen« und »Männern« nicht nur noch in Anführungszeichen zu sprechen? Wie will man dann aber politische Forderungen begründen, etwa die Forderung nach der Beteiligung von »Frauen« an der Forschung oder nach »gender mainstreaming«?14 Gerade mit diesen Fragen sind die gender-Diskurse von grundsätzlicher wissenschaftstheoretischer Bedeutung, stellen sie doch »die Art und Weise, wie in unserer westlichen Kultur Unterscheidungen getroffen, Dichotomisierungen … eingeführt und Hierarchien produziert werden, in Frage« und analysieren sie die Wechselwirkung von Denkmustern und sozialer Wirklichkeit.15

Einen Überblick über die Geschichte und Adaption der Kategorie in die einzelnen Wissenschaften gibt der Sammelband »Gender-Studien«, von Christina von Braun und Inge Stephan herausgegeben (s. Anm. 12), der aus dem interdisziplinären Gender-Studiengang an der Humboldt-Universität zu Berlin hervorgegangen ist und in diesen einführen will. Neben theoretischen und fachdisziplinären Prolegomena bietet der Band bibliographische Unterstützung und einen Überblick über die Institutionen von Gender-Studien in der Bundesrepublik. 17 Aufsätze stellen Gender-Studien in den einzelnen Wissenschaften vor, von der Agrarwissenschaft (Parto Teherani-Krönner) über die Informatik (Heidi Schelhowe) bis hin zur Erziehungswissenschaft (Wiltrud Giesecke). Christl Maier stellt die Theologie in ihrer spezifischen Bedeutung für die anderen Disziplinen vor. Als Bezugswissenschaften für die Bibelwissenschaft sind die Linguistik (Antje Hornscheidt), Literaturwissenschaft (Inge Stephan) sowie die Geschichtswissenschaft (Martina Kessel, Gabriela Signori) von besonderem Interesse. Hier lohnt sich aber auch ein Blick in die entsprechenden Aufsätze der Freiburger FrauenStudien »Dimensionen von Gender Studies«.16

Das Interesse der anderen gender studies an der Theologie ist erfreulich groß. Die Mitwirkung der christlichen Tradition an der Konstruktion der Geschlechterdifferenz ist unbestritten, und schon daraus ergibt sich die Bedeutung von gender-Analysen innerhalb der Theologie. Exegetische Arbeiten nehmen den Begriff »gender« nun vermehrt auf, um die Komplexität der Geschlechterverhältnisse zu erfassen. Hermeneutisch bleiben die meisten Auslegungen jedoch dem feministischen Paradigma mit seiner deutlichen politischen Ausrichtung verhaftet.
Die Professorin für Alttestamentliche Bibelwissenschaft an der katholischen Fakultät der Universität Graz, Irmtraud Fischer, stellt ihre Auslegungsarbeit unter das Motto der »gender-fairen Exegese«.17 Einen Eindruck von dieser Fragestellung und deren Ertrag gibt eine Sammlung von zehn Aufsätzen aus den Jahren 1997 bis 2003, als Fischer Professorin in Bonn war. Sie sind bis auf einen bereits andernorts veröffentlicht und hier durch Überarbeitung, Aktualisierung der Literaturangaben und ein Stellenregister zu einem zusammenhängenden Buch gebunden.
Das hermeneutische Konzept der »gender-fairness« wird nur knapp theoretisch umrissen als Forschungsansatz, der »einerseits offen (ist) für die Spezifika und Differenzen der Geschlechter, wie sie in einer Gesellschaft konstruiert sind … Er nimmt je doch nicht das männliche Geschlecht als Maßstab für das weibliche und enthält sich daher einer wertenden oder abwertenden Beurteilung der tatsächlichen oder auch der in Texten dargestellten Realität nach den Kriterien des Geschlechts und reflektiert die Konstruktion der Geschlechter.« Er solle damit aber die »ganze Wirklichkeit des Menschengeschlechtes« wahrnehmen »und so die halbe, androzentrische Wissenschaft zu einer wirklich ›humanen‹ … machen.« (34) Solange jedoch die Machtverhältnisse nicht »gender-fair« sind und Vorurteile über die Geschlechter die Auslegung wie die Texte prägen, behält sich auch Fischer die »feministische Option« vor, die Unterdrückung und Diskriminierung auf allen Feldern zu thematisieren (35).
Die Aufsätze geben vor allem einen Einblick in die Praxis dieses Ansatzes, der nicht sehr innovativ wirkt, aber Früchte trägt: Stammmütter, Prophetinnen (s. u. 2.), weise Frauen am Königshof werden in den Texten entdeckt, viele Lektüren mit »Genderbias« korrigiert. So bereichern die Studien die Wahrnehmung des Alten Testaments und der Bedeutung von Frauen in der Geschichte.

Queer: Dekonstruktion durch die Erforschung der Konstruktionen von Sexualität
Analysen von Sexualitätsdiskursen verschärfen den »gender trouble«18, führen sie doch zu der These, dass nicht nur gender, sondern sex und überhaupt die Annahme, es gebe nur zwei Geschlechter, ein Konstrukt und Machtinstrument sind. Für die Auseinandersetzung mit dem biblischen und christlichen Entwurf von Homosexualität ist die Studie von Bernadette Brooten wegweisend.19 Einen Schritt weiter gehen die Ansätze, queer studies in die Bibelauslegung einzubringen, was heißt, sich nicht nur mit der Frage zu beschäftigen, was die Bibel über die sexuelle Orientierung von Menschen sagt. Die ursprünglich diskriminierend gemeinte Bezeichnung »queer« wurde angeeignet, um die Durchkreuzung auch der biologischen Geschlechtergrenzen zu signalisieren, kritisch auch gegenüber feministischen und gender-Theorien. Ziel der queer studies ist es, »Geschlecht aus der Perspektive der sozialen, politischen und kulturellen Organisation und Regulierung von und durch Sexualität«20 zu betrachten und die »Heteronormativität« und das Konzept der »Normalität« überhaupt zu dekonstruieren.

In die Exegese haben queer studies noch wenig Aufnahme gefunden. Der von Ken Stone herausgegebene Sammelband »Queer Commentary and the Hebrew Bible«21 gibt einen Eindruck von den »unorthodoxen« Bibelauslegungen, die das Muster der heterosexuellen Zweigeschlechtlichkeit in Frage stellen. Selbst wenn die Sensibilität der Autoren und Autorinnen durch die biblisch begründeten Diskriminierungen be stimmt wurde, ist es auch hier ein Anliegen, über deren Bekämpfung als oktroyierter Aufgabe hinaus zu gelangen, hin zu selbst bestimmten Lektüren.22
Einer instruktiven Einleitung des Herausgebers folgen sieben Auslegungen und drei
responses. Inhaltlich geht es nicht nur darum, den Blick und die Erfahrungen von Exegeten und Exegetinnen einer marginalisierten »social location« (vgl. Stone in der Einleitung, 16 f.) zu Wort kommen zu lassen23 und ein neues Verstehen der Texte zu bieten. Gerade die »queer theory« will Essenzialismen wehren, etwa der schlichten Dualität von Homo- und Heterosexualität oder dem Rückschluss von der Art des sexuellen Begehrens auf die Identität – mögen solche Identifikationen auch die Voraussetzung für politische Wirkung sein. Auch weil Menschen biblischer Zeiten diese Konzepte sowieso nicht kannten (vgl. a. a. O., 24), sind Versuche bedeutsam, biblische Texte, z. B. ihr Gottesbild, ohne die Unterstellung der Kohärenz von sex und gender zu entziffern.24

Und das andere Geschlecht: Kritische Männerforschung
Gender-Forschung ist auf Grund ihrer Herkunft aus den feministischen Theorien und »women’s studies« bislang vor allem am weiblichen Geschlecht ausgerichtet, »Männer sind … (noch) nicht integraler Bestandteil der Geschlechterforschung«25. Die Männerforschung oder Männlichkeitserforschung nicht nur aus der (sehr kritischen) Perspektive der Frauen wird seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts betrieben, ist aber weder zu einem allgemein anerkannten Namen noch zu einem Kategorienkanon gelangt, der »Männlichkeit« erfasst in den komplexen und dynamischen Beziehungs- und Machtstrukturen. Ein Problem liegt gewiss darin, dass diesem Nachzügler nicht wie der feministischen Theoriebildung eine Phase vergönnt war, den lebensweltlich praktizierten Essenzialismus auch theoretisch vorauszusetzen, zumal da das »Wesen des Mannes«, so der Mann Maß des Menschen ist, nicht distinkt wahrzunehmen ist wie das des Nicht-Mannes. Doch: »Um ihr Geschlecht zu dekonstruieren, müssen Männer es erst einmal haben.« (Walter, 108)
In den USA wird die Frage, was Männlichkeit ist, seit etwa 1990 exegetisch rezipiert. Die deutschsprachige Exegese scheint das Thema jedoch kaum bemerkt zu haben.26

Der Sammelband »New Testament Masculinities«, herausgegeben von Stephen D. Moore und Janice Capel Anderson,27 füllt hier eine Lücke – wobei es bezeichnend für die Forschungslage ist, dass von den Beiträgen gut die Hälfte von Autorinnen sind. Der Band bietet eine allgemeine Einführung in Männlichkeitsstudien mit einem Rückblick auf die exegetische Forschung und eine – allerdings anglozentrische – Bibliographie. Zehn Aufsätze über Entwürfe der Männlichkeit Jesu in den Evangelien (vgl. dazu unten 3.), sonstige Männlichkeitskonzepte der Evangelien und der Briefliteratur sind durch drei responses ergänzt.
Lesenswert ist z. B. die Analyse der Funktion des Männlichkeitsentwur fes in den Pastoralbriefen, der Apostelgeschichte und dem Hirten des Hermas durch Mary Rose D’Angelo28: Diese Schriften interpretierten Männlichkeit unterschiedlich, übereinstimmend jedoch anhand der Machtbeziehungen innerhalb eines Haushalts, um die Anpassung des durch asketische Tendenzen irritierenden Christentums an imperiale Standards zu leisten. So wird die Abzweckung des Männlichkeitsentwurfes deutlich. Und »Männlichkeit« ist in dieser Analyse nicht einfach absolutes Akzidenz von Männern, sondern abhängig vom sozialen Status und wirklich bzw. zu verwirklichen nur in Relationen, insbesondere durch die Macht über Nicht-Männer (Frauen, Kinder, Sklaven).


Hier gilt es weiter zu denken auf dem Weg zu einer umfassenderen und differenzierteren Analyse der kulturellen Repräsen tation des Männlichen. Dies zeigt die Monographie des amerikanischen Professors für Geschichte an der San Diego State University, Mathew Kuefler,29 die ich darum hier knapp darstelle, obwohl sie nicht die biblischen Texte, sondern nur ihre Wirkungsgeschichte erfasst, nämlich die west-römische Gesellschaft unter dem Einfluss des Christentums vom 3. bis 5. Jh. n. Chr. Kuefler stellt dar, dass und wie sich das herrschende Männlichkeitsideal der Oberschicht – nur dieses ist aus den Zeugnissen noch zu erheben – in dieser Zeit dramatisch verändert hat.

Die Krise des römischen Imperiums einerseits, die sexualkritische Moral und neue Rollenangebote des aufkommenden Christentums andererseits wirkten dabei zusammen: Wo es auf Grund des Niedergangs des römischen Imperiums dem Aristokraten nicht mehr möglich war, seine Männlichkeit gemäß den Idealen von militärischem und politischem Status, durch das Recht auf sexuelle Ausbeutung Untergebener sowie mittels unumschränkter Macht als pater familias zu entfalten, war diese grundsätzlich bedroht. Das Christentum bot hier Kompensation: Das geistliche Leben, der Kampf gegen die Sünde, insbesondere gegen die eigene Sexualität, waren nun Kriegsschauplätze der Bewährung des »miles Christi«. Männer – und zunehmend nur diese – konnten nun Karriere innerhalb der Kirche machen, wurden geistliche patres familias, schließlich auch oh ne leibliche Familie. So setzte sich ein anderes Ideal von Männlichkeit durch das des asexuellen, zölibatären Klerikers.
Der titelgebende »manly eunuch« und seine sich ändernde Rolle und Bewertung sind für Kuefler hervorgehobenes Indiz dieser Veränderung. War der »männliche Eunuch« im Sinne der Männlichkeitsvorstellungen des spätrömischen Reiches eine
contradictio in adiecto, eine Provokation der Konzeption von Männlichkeit, so gewannen doch vermehrt Kastraten politische und gesellschaftliche Bedeutung, mithin Insignien von Maskulinität. Die – entgegen der wörtlichen Deutung des Origenes – sprituell verstandenen »Eunuchen um des Himmelreichs willen« werden schließlich zum Inbegriff eines christlichen Männlichkeitsideals.

Über die – sicher gerade im Blick auf die einseitige Rekonstruktion christlicher »Ideologie« streitbaren – Ergebnisse hinaus ist die Arbeit von methodischem Interesse: Kuefler analysiert mit den Prämissen der Gender-Diskurse literarische, biographische und gesetzliche Quellen und präsentiert diese Lektüre ausführlich. Sichtbar wird ein komplexes Gewebe von politischen, se xuellen und Geschlechterrollen und deren Interdependenz und Wandelbarkeit. Erkennbar werden hinter auch heute noch als christlich behaupteten Geschlechterrollen deren Wurzeln und Abzweckung. Indem Kuefler nicht primär Männlichkeit und Weiblichkeit gegenüberstellt, sondern »manliness« und »unmanliness«, zeigt er, wie ideologisch, politisch und gesellschaftlich wirkungsvoll der stete Zwang war, die eigene Männlichkeit darzustellen und gegen ihre Bedrohung zu verteidigen, nicht zu letzt durch Ausschluss von Frauen aus öffentlichen Rollen: Dies scheint ein Kontinuum bei wandelnden Männlichkeitskonzepten.

Auf dem Marsch in die Institutionen
Die eben skizzierten Diskurse stellen auf unterschiedliche Weise traditionelle Wissenschaftsideale wie Objektivität und Neutralität – z. B. im Blick auf das Geschlecht – des forschenden Subjekts, aber auch die wissenschaftliche Kategorienbildung in Frage. Nicht zufällig stand feministische Theologie lange abseits der etablierten Wissenschaft. Darum provoziert ihre Rezeption und produktive Einspielung in die Bibelwissenschaft die Klärung des methodologischen und hermeneutischen Verständnisses von »Exegese«. Auch sonst bröckeln diesbezüglich Konsense, und so verschärfen Auslegungen, die feministische Anliegen und gender-Fragen in den Mittelpunkt rücken, nur eine Debatte, die auf der Tagesordnung steht (bzw. stehen sollte).30 Es ist um so bemerkenswerter, dass viele der hier besprochenen exegetischen Monographien auf Qualifikationsarbeiten zurückgehen und damit auch von dem pragmatischen Ziel geprägt sind, von der etablierten Wissenschaft angenommen zu werden. Die Aufgabe, intersubjektive Verifizierbarkeit jenseits von Betroffenheit und Geschlecht zu suchen, wird sehr unterschiedlich gelöst. Gelegentlich führt sie zu einem m.E. unpassenden Gestus der Objektivität, wirkt sich aber insgesamt vor allem in Methodenbewusstsein und dessen Entfaltung aus.
Der Universitätskontext der Arbeiten ist ein Indiz für die Etablierung feministischer Theologie und insbesondere feministischer Exegese. Es schreibt eine jüngere Generation, die bereits auf die wissenschaftspolitischen Errungenschaften und die Forschungen der Frauenbewegungen aufbauen konnte und nun das Ziel verfolgt, innerhalb der bestehenden Ordnungen Platz und Stimme, kurz gesagt: Anteil an der Macht zu erlangen. Schon länger sind Verlage zu finden, denn feministische Arbeiten verheißen offenbar Absatz, und nun stehen auch Fakultäten und deren Lehrende dem Thema offen gegenüber.31 Allerdings belegen die jüngsten Kämpfe um den Erhalt institutionalisierter feministischer Exegese an katholischen Fakultäten in Münster und Bonn sowie um die Einrichtung einer Gender-Professur an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, dass auch erfolgte Institutionalisierung nicht davor feit, zum »Sparpotential« zu werden.

2. Zur Erforschung der Hebräischen Bibel

Vielfältig und zahlreich sind die Arbeiten des hier angesprochenen Themen- und Interessenbereichs zum Alten Testament.32 Produktiv werden literaturwissenschaftliche Methoden rezipiert, insbesondere gibt es Arbeiten mit einem intertextuellen Ansatz, die Texte miteinander ins Gespräch bringen,33 sowie narratologische Studien.34
Ein wichtiger historiographischer und religionsgeschichtlicher Ertrag feministischer und gender-Forschung erfasst die Korrelation von politischer Geschichte, sozialen Rollen und Gottesverehrung in exilisch-nachexilischer Zeit. Untersuchungen über die Veränderung der Geschlechterrollen in narrativer und spruchweisheitlicher Literatur und die Prägung weiblicher Metaphorik für die Gottesrede (Hos 11; Jes 49,15; Jes 42,14) lassen annehmen, dass sich hier die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen der Zeit im und nach dem Exil niederschlagen. Durch den Zusammenbruch der staatlichen Ordnung kommt der Familie und der Sippe und damit den Frauen wieder zentrale Bedeutung zu.35 Die religiöse und politische Durchsetzung des Monotheismus in der nachexilischen Restauration und damit die Ausschaltung der weiblichen Konkurrenz von JHWH geht dann einher mit der Verdammung der »fremden Frau« (Prov 2 ff.), von Ausländerinnen und Mischehen. Integriert in den Monotheismus bleiben jedoch motivische und ikonographische Spuren der Göttinnenverehrung gerade in weisheitlicher Tradition erhalten.36
In jüngerer Zeit haben Theologinnen die alttestamentliche Prophetie als Thema entdeckt. Ich stelle hier exemplarisch für die unterschiedlichen Ansätze Arbeiten vor, die einerseits nach der Rolle von Prophetinnen fragen, andererseits die Bedeutung der Verwendung von geschlechtsspezifischen Bildern in der Re de des Jeremiabuches von Gott und seinem Volk analysieren.

Prophetinnen gefunden
Versteht man unter der israelitischen Prophetie nicht nur die unter Männernamen überlieferten Schriftpropheten, so wie es der Septuagintakanon und christliche Kanon suggerieren, liest man vielmehr mit dem jüdischen Kanon die Geschichtsbücher als »Vordere Propheten«, wird der Eindruck, Prophetie sei Männersache, korrigiert. Die »Vorderen Propheten« sind gerahmt von Debora (Ri 4 f.) und Hulda (2Kön 22). Und Miriam verkörpert innerhalb des Pentateuch das prophetische Element
neben ihren Brüdern Mose und Aaron (bes. Ex 15,20 f.; Num 12). Der sozialgeschichtliche Ort der Erzählungen wird von den Forscherinnen im Anschluss an jüngere Spätdatierungen vor allem in der Perserzeit gesehen; vielleicht spiegeln sie eine von Frauen getragene Opposition gegen die Ausgrenzungspolitik der nachexilischen Restauration, eine Opposition, die fordert, prophetisch die Schrift zu aktualisieren.37 Gleichwohl lassen sich die narrativen Überlieferungen sehr unterschiedlich deuten.
Imtraud Fischer definiert in ihrem Buch über »Gotteskünderinnen«38 den Begriff der Prophetie durch Dtn 13,2–6; 18,9 ff., so dass neben den eben Genannten auch Falschprophetinnen in den Blick kommen. Vor allem aber wird der institutionelle Charakter der Prophetie als »zwischen der Gottheit und dem Volk vermittelnden Amtes in der Nachfolge des Mose« (276 f.) herausgestellt, das das »bedeutendste aller Ämter Israels« ist (57). Für die katholische Exegetin hat das so aufgewiesene Prophetie-Konzept der Hebräischen Bibel »Konsequenzen für eine biblische Ämtertheologie«, zeigt es doch die Bedeutung eines nichtpriesterlichen Amtes und seine Ausübung durch Frauen (278).
Genauer vorstellen möchte ich das Buch »Prophetinnen gefragt« der evangelischen Theologin Klara Butting, das auf ihre Bochumer Habilitationsschrift zurückgeht.39 Sie fragt nicht nach der historischen Prophetie aus Frauenmund, sondern nach der theologischen Bedeutung der »Prophetin« (nbj`h) Genannten – namentlich Noadja (s. Neh 6,14), Mirjam, Debora und Hulda. An ihnen lasse sich paradigmatisch die Bedeutung der Prophetie im Kanon erkennen. Diese Frage von Butting beantworten die Texte trotz der bruchstückhaften Überlieferung und deren narrativen Charakters, der auf Grund des her meneutischen Ansatzes einer endtextorientierten kanonischen Auslegung keinerlei explizite Reflexion über die Prophetinnen als Frauen bietet. Das leitende Vor-Urteil ist, dass die Texte, unbenommen einer differenzierten Entstehungsgeschichte, in ihrer Zusammenstellung »Sinn machen«.

Das entfaltet Butting allerdings nicht in diesem Buch. Sie hatte aber die Relevanz und den hermeneutischen Hintergrund des »Amsterdamer Weges« in ihrer in Amsterdam eingereichten Dissertation unter dem Titel »Die Buchstaben werden sich noch wundern«40 dargestellt. In dieser Arbeit, einem lesenswerten Beispiel für eine feministische Auslegung von Intertextualität, interpretiert sie Schriften aus dem dritten Kanonteil, besonders Rut und Ester, als Frauen-Gegengeschichten zu den patriarchalen Genesisgeschichten. Verschränkt werden Anerkennung der Schriftautorität und Sachkritik. Das Prinzip, sacra scriptura ipsius interpres, wird so verstanden, dass die Schrift als Ganze, der kanonische Endtext, einzelne Schriftaussagen interpretiert (167). »Der Amsterdamer Respekt vor dem Text in der Gestalt, die uns überliefert wurde und in der Gemeinde gehört wird, ist Ausdruck der Erwartung, daß Gott, von den Texten bezeugt, das Wort an uns richte. Diese Erwartung der Begegnung mit einer Gottheit, die nicht die Verlängerung unserer selbst ist, begründet den Vorsatz, den Texten uns gegenüber Subjektcharakter zuzugestehen« (15). Das Zitat bezeugt sowohl das Bewusstsein, dass Methodik und Hermeneutik nicht durch die Schrift selbst zu begründen sind, als auch eine m. E. problematische Sicht auf den Text als ein selbständiges Gegenüber.
Das konkrete Vorgehen lässt sich in dem Prophetinnenbuch gut an Buttings Umgang mit dem so genannten Mirjamlied (Ex 15,20 f.) beobachten, das so kurz und inhaltsleer wirkt nach dem langen Schilfmeerlied Moses (15,1–19; vgl. 37 ff.): Statt zu fragen, was eigentlich an dem Mirjamlied prophetisch sei, und statt in literarkritischen Schönheitsoperationen das Schilfmeerlied Mirjam zuzuschreiben, nimmt Butting die Texte in ihrer Abfolge, die nachklappende Erwähnung der Mirjam und ihre Bezeichnung als Prophetin in 15,20 als Leseanleitung: »In Reaktion auf den gelungenen Auszug aus der Sklaverei Ägyptens bricht Mirjam das Schweigen, das sie einhüllt, um nun ihrerseits auszuziehen und in ihrer Kunst eine neue Welt zu schaffen« (41). Und mehr noch: Die Abfolge von Mose- und Mirjamlied sei paradigmatisch »für die Verhältnisbestimmung von Mosetora und Prophetie …! Mose erzählt und singt von Israels Auszug aus Ägypten und dem Einzug des Volkes in den Herrschaftsbereich Gottes. Mirjam, die Prophetin, aktualisiert diese Erzählung« (44).


Damit ist bereits die übergeordnete These des Buches genannt: Die Tora als Grunddokument bleibe angewiesen auf die Prophetie als aktualisierende Auslegung und Mirjam verkörpere innerhalb der Tora die Bedeutung der Prophetie, weshalb der Pentateuch in seiner Endfassung nicht als prophetiefeindlich angesehen werden kann. Huldas Rolle zeige, dass die Schrift Prophetie nicht überflüssig macht. Die buchstäbliche Marginalität von Debora zu Beginn und Hulda zum Schluss der Vorderen Propheten wird als Inklusion gedeutet, welche die bleibende Bedeutung der Prophetie in der erzählten Zeit signalisiert. Das führt zum Widerspruch gegen Annahmen, dass Tora und Prophetie Antagonisten seien. Die Prophetinnen stehen nach Butting für die Notwendigkeit aktueller Auslegungen, gerade weil sie nur am Rande erwähnt und immer wieder vergessen werden: »Indem diese Frauen als Subjekte der Geschichtserinnerung überliefert werden, wird die Diskontinuität aktueller Prophetie zur Geschichte der Prophetie betont. Die gesamte in den Vorderen Prophetenbüchern erzählte Geschichte, die Frauen weitgehend verschweigt, wird der Kritik ausgesetzt.« (200)
Zu verifizieren oder zumindest zu ratifizieren ist Buttings gewiss streitbare Auslegung der einzelnen Texte an der Kohärenz der Textlektüren und deren Sinngewinn. Dies gilt auch für das Buch selbst, das Bedeutung weniger durch die Exegesen gewinnt als durch den Aufweis theologischen Mehrwerts der narrativen Texte und ihrer Lektüre. Denn implizit thematisiert Butting ihren eigenen Umgang mit der Schrift, wenn sie das Verhältnis von Text, Tora und aktualisierender Deutung, Prophetie bespricht: Der Text bleibt auf die aktualisierende Auslegung angewiesen. Und mehrfach auch – sowohl in den Textauslegungen und deren hermeneutischer Reflexion, aber auch durch damit provozierte Kritik – machen beide Arbeiten von Butting deutlich, dass mit der Frage nach den Frauen das Schriftprinzip zur Diskussion steht.
Zweierlei an dem Zugang Buttings scheint mir paradigmatisch für neuere feministisch orientierte Bibelauslegungen: erstens die methodische Entscheidung, sich nicht auf die mengenmäßig geringen Erzähleinheiten über Prophetinnen und das noch kleinere Quantum an von ihnen überlieferten Reden zu beschränken, sondern ihre Rolle in einem größeren Zusammenhang zu deuten und dieser Rolle theologische Relevanz zuzuschreiben. Das Zweite ist die damit verbundene Bereitschaft, nicht nur die Vergesslichkeit gegenüber der Bedeutung von Frauen in der geschichtlichen Überlieferung zu monieren und die Frauen endlich gebührend zu erinnern, sondern zugleich das Vergessen und Verdrängen selbst als Teil der Geschichte sichtbar zu machen. Es geht nicht mehr einfach darum, mit der Historie die androzentrische Geschichtsschreibung oder mit der Bibel die androzentrische Auslegung zu verbessern, sondern diese Prozesse der Ausgrenzung von Frauen selbst zu interpretieren.

Die zweite Intention prägt auch die so anders geartete »feministisch-rhetorische Lektüre der Mirjamtexte« (so der Untertitel) durch Ursula Rapp, die analytisch den Rhetorik-Begriff Schüssler Fiorenzas aufnimmt.41 Rapps diachrone Analyse der Texte führt sie zu der These, dass hinter den widersprüchlichen Mirjam-Traditionen kontroverse Interessensgruppen stehen. Während Butting im Aussatz der Mirjam in Num 12 die für die Prophetie typische Gleichzeitigkeit von Marginalität, Opposition einerseits, Bedeutung andererseits erkennt (a. a. O., 63 f.), sieht Rapp hier gezielte Ausgrenzung, Verschleierung, Passiv- und Objektmachen (383 ff.). »Eine feministisch-kritische Rhetorik macht sichtbar, wie die unterschiedlichen AutorInnen Gott im Text für das eigene Anliegen vereinnahmen. Sie erinnert Mirjam als jene Position in Israel, die in der Frage um Israels Identität für politische Offenheit gegenüber anderen Völkern und unterschiedliche Formen religiösen Lebens innerhalb Israels steht« (396 f.). – Ein Vergleich der beiden Arbeiten zeigt die methodische und hermeneutische Spannbreite der feministisch orientierten Exegese heute.

Weiblichkeitsentwürfe im Jeremia-Buch
Auch die Schriftpropheten selbst sind im Blick auf die Ge schlechterverhältnisse von Bedeutung. Gerade das Jeremia-Buch weist eine Vielzahl von geschlechtsspezifischen Metaphern auf: Israel erscheint als Braut, Prostituierte, Ehefrau (2,1–4,4), soziale Größen werden als »Tochter« apostrophiert, die Angst der »Tochter Zion« wird z. B. als Panik in Geburtswehen dargestellt (4,31). Die Selbstverständlichkeit, mit der die traditionelle Exegese hinnahm, dass Schmerz, Schuld, Versagen und Not anhand von Bildern aus dem Frauenleben dargestellt werden, Gott hingegen in männlichen Metaphern begegnet, haben feministische Arbeiten als unbedachte Fortschreibung und Naturalisierung von Geschlechtsstereotypien bloßgestellt.42
Die Untersuchung der Geschlechtermetaphorik des Jeremia-Buches »Bilder der Not« durch Maria Häusl43 möchte ich hier genauer vorstellen als Beispiel für die Einspielung von gender-Theorien in die Exegese. Häusl will in der Arbeit, die auf ihre Würzburger Habilitationsschrift zurückgeht, einerseits die Pragmatik der besagten Metaphern durch eine gender-spezifische Analyse differenziert erheben, andererseits diachron zeigen, dass innerhalb der komplexen Geschichte des Jeremia-Buches unterschiedliche Metaphorisierungen verschiedenen Schichten zugehören.44
Die Arbeit bewegt sich in den Bahnen und Debatten der alttestamentlichen Forschung, hier geschult von der sprachwissenschaftlichen Analyse W. Richters. Der Ansatz bei gender-Fragen prägt die Arbeit jedoch nicht nur in der Wahl des Gegenstandes. Heuristisch grundlegend ist die Einsicht philosophischer und lite raturwissenschaftlicher gender-Studien, dass der soziokulturelle Weiblichkeitsdiskurs und die Lebensrealität von Frauen sich zwar gegenseitig beeinflussen, aber der Diskurs nicht die Wirklichkeit beschreibt. Diese Wirklichkeit lassen die Texte, die weder am Weiblichkeitsdiskurs noch an der Lebenswirklichkeit von Frauen Interesse haben, nur selektiv und perspektivisch er kennen (vgl. z. B. 66). Exegetisch umgeschlagen ermöglicht dieser unterscheidende, wenn auch leider nicht metapherntheoretisch geschärfte Blick die klare Erhebung der Pragmatik der einzelnen Metaphern und eine Kritik der entschärfenden Erklärungsmuster der Geschlechtermetaphorik.

Häusl zeigt, dass die einzelnen Metaphern für sich stehen: Die Metaphorisierung von Weiblichkeit einerseits, Geschlechterdualismus andererseits ist zu unterscheiden,45 und bei jeder Aussage ist erneut zu prüfen, welche Aspekte des Bildspenders, der weiblichen »Realität«, lexematisch angesprochen werden, aus wessen Perspektive formuliert wird und auf welche Weise die Adressatinnen und Adressaten eigentlich in den Text eingebunden werden. Der konstruktive Charakter der Metaphorik soll darüber hinaus fassbar werden durch einen Vergleich mit der Lebenswirklichkeit der Geschlechter (33).
Ich nenne in der gebotenen Kürze Ergebnisse von weiter reichendem Interesse: Gegen die Erklärung, Bezeichnungen wie die Jerusalems als »Tochter Zion« erklärten sich einfach mit dem femininen Genus des hebräischen
cjr (Stadt), stellt Häusl linguistische gender-Studien, die zeigen, dass zwischen grammatischem Genus und sexuellem Geschlecht kein »natürlicher« Konnex besteht (1ff.). Auch hier ist also eine gezielte Metaphorisierung zu unterstellen. Fügungen wie »Tochter Zion« außerhalb von Jer und in Jer (35 ff.) bilden nicht, wie oft vermutet, eine Relation zu JHWH als »Vater« ab. Durch die Aussagekontexte – fast immer Zerstörungsansagen oder -klagen– ziehen die Bildspender das Frauenleben in einer selektiv-männlichen Perspektive heran: Es geht um Frauen als Ab hängige und Verletzliche; zu assoziieren ist, direkt aus der Kriegsrealität, ihre Vergewaltigung als Mittel, die über die Frauen verfügenden Männer zu demütigen. Nicht JHWH ist daher »Vater« der »Tochter«, sondern die Metaphern adressieren implizit als »Vater« die mitfühlende, verantwortliche männliche Bevölkerung der Stadt (81). Die Frauen selbst sind also nur Medium, sei es zur Demütigung der Männer durch ihre Vergewaltigung, sei es beim Appell. Auch die Vergleiche von Notsituationen eines Volkes oder einer Stadt mit der Lage einer Frau in den Wehen (86 ff.) nehmen von dem Geburtsgeschehen nur Schmerz und Panik in den Blick, nicht etwa die Kraft der Gebärenden und das geborene Leben.

Die Weiblichkeitsmetaphern sind also vor allem, wie der Titel sagt, »Bilder der Not«. Hier lässt die sehr sachlich gehaltene Darstellung den Ärger und die Anteilnahme der Autorin durchklingen. Der differenzierende Ansatz lässt aber auch ein Hoffnungsbild finden: In dem späten Text Jer 30 f., der die meisten negativ verwendeten Weiblichkeits-Aussagen des Jeremia-Bu ches bereits voraussetze, werde Israel mit männlichen und weiblichen Symbolgestalten repräsentiert. btwlt jsr`l (Jungfrau Israel, 31,4 u. ö.) sei eine neue Metapher: Die junge, heiratsfähige tanzende Frau werde zum Bild der Zukunft für die Wiederherstellung der Gesellschaft (78 f.351 f.). Und der Satz »das Weibliche wird das Männliche umgeben« (31,22c)46 mache das Verhältnis der Geschlechter selbst zur Metapher. Er kennzeichne das Ende der Not mit einem Bild, in dem das Weibliche eine aktive Rolle im Verhältnis zum Mann hat, der Akt der Vereinigung und Schwangerschaft nicht mehr aus der Perspektive des Mannes und abwertend geschildert werden (354 f.). – Mit diesen Ergebnissen ist Häusls Buch von weiter reichendem Interesse nicht nur für die Jeremia-Exegese, sondern auch beispielhaft für die Analyse von Weiblichkeitsdiskursen und speziell -metaphern.

Häusl rezipiert und unterstreicht Forschungsarbeiten, welche den Umfang und Charakter von Darstellungen sexueller Gewalt im Alten Testament bloßlegen.47 Wenigstens kurz sei hingewiesen auf die Münsteraner Dissertationsarbeit von Ilse Müllner.48 Sie analysiert auf Basis des Diskurses über sexuelle Gewalt in feministischer Theorie und einer poststrukturalistischen Sicht auf Macht- und Geschlechterdiskurse die Erzählung von der Vergewaltigung Tamars (2Sam 13,1–22) im Kontext der Thronnachfolgeerzählung (2Sam 11–1Kön 2): Diese Gewalttat sei nur ein Aspekt der Funktionalisierung von sexueller Gewalt in dem Kampf um die Thronnachfolge Davids. Müllner problematisiert im großen Rahmen sexuelle Gewalt und die Konstruktion der Geschlechterdifferenz, etwa durch die Festlegung der Frauen auf den Opferstatus – im Akt selbst und in dem Diskurs über den Akt. Ihre Analyse von 2Sam 13 mit Mitteln der Narratologie führt sie zu dem Ergebnis, dass – anders als etwa in Gen 34 und Ri19 – die Vergewaltigung der Frau im Text durch die erzählerische Darstellung kritisiert wird.49
Wie auch immer – nicht exegetisch zu entschärfen, sondern nur zu kritisieren ist jedenfalls die affirmative Nennung sexueller Gewalttaten zur Darstellung des Gotteshandelns an Israel. Diesen problematischen, aber auf Grund euphemistischen Vokabulars lange überlesenen Aspekt der so genannten prophetischen Ehe-Metaphorik (vgl. bes. Jer 13,20–27; Ez 16, 36–42) hat vor Häusl bereits Gerlinde Baumann herausgestellt.50


3. Erträge der Arbeit am Neuen Testament

Auch an den Veränderungen der feministischen Lektüre der paulinischen Tradition könnte man aufzeigen, wie sich die Blicke und Interessen geweitet haben.51 Nach der Auseinandersetzung mit »Frauenfragen« im engeren Sinne, der Repatriarchalisierung des frühen Christentums, entstehen nun Arbeiten, die die paulinische Theologie feministisch interpretieren52 oder die gender-Aspekte integriert in einem weiteren Rahmen behandeln.53 Ich stelle hier jedoch beispielhaft für die Ausdifferenzierung der durch feministische Theologie initiierten Dis kussionen neuere Arbeiten über die Evangelienliteratur und die Frage nach »Jesus und den Frauen« vor. Diese Beziehung steht spätestens mit Rosemary Radford Ruethers Frage »Can a male savior save women?« auf der Agenda.54

Ecce Vir55. Der Mann Jesus im Neuen Testament
Die oben skizzierte kritische Männlichkeitsforschung, die noch in den Anfängen steht, hat sich auch Jesus als Mann zugewandt. Ein Vergleich diesbezüglicher Aufsätze zeigt, dass die Analyse der »Männlichkeit« Jesu noch stark gefangen ist davon, überhaupt Kategorien zu finden. So misst z. B. David Clines die »masculinity« des Jesus der Evangelienüberlieferung an Elementen eines Männlichkonzepts, die er in der Hebräischen Bibel findet: Im Sinne von Stärke, Gewalt, aber auch doch wohl nur dem modernen Bewusstsein einfallenden »männlichen« Charakteristika wie »male bonding« (362) und »binary thinking« (367), ist Jesus ein echter Mann.
Anders gehen die Aufsätze vor, die sich in dem bereits angesprochenen Sammelband über «New Testament Masculinities« der Frage widmen, wie Jesus als Mann in den Evangelien präsentiert wird.56 Sie messen die Darstellungen an dem, was sich aus heutiger Sicht als Männlichkeitsstereotypen der griechisch-römischen Welt und auch in den Evangelien selbst erkennen lässt. Während gewisse Aspekte wie Überlegenheit, Stärke sich als Ausdruck von Maskulinität lesen lassen, könnten andere wie das Opfersein Jesu und das Dienstideal als Infragestellungen klassischer Männlichkeitsideale gedeutet werden.
Die Lösungen scheinen beliebig, ein Ertrag der Diskussion liegt jedoch bereits in der Fragestellung selbst, insofern sie die Grundüberzeugung der gender-Diskurse auf das Männlichkeitskonzept umbricht: Die Relevanz und sogar die Eindeutigkeit eines »anatomischen Faktums«, das z. B. als Legitimation der Geschlechterordnung in der katholischen Kirche angeführt werden kann,57 werden porös. Das Mann-Sein Jesu zeigt sich als in terpretationsoffenes Moment, das sowohl zum antiken wie zum modernen Geschlechterdiskurs relativ ist. Diese Einsicht pro vo zie ren auch Vorschläge, Christi »Weiblichkeit« wahrzunehmen.58

Eine komplizierte Beziehung: Jesus und die Frauen
Zu Beginn der feministisch angeregten Exegese stand die Entdeckung, dass nach den uns überkommenen Quellen Frauen in der Jesusbewegung eine wichtigere Rolle spielten als in der om nipräsenten Imagination des Mannes Jesus, der allein oder – »male bonding« – in Gesellschaft von zwölf Männern wanderte.59 Zwei Forschungsrichtungen ergaben sich daraus: die histo rische (quer zu den Texten) und die literaturwissenschaftliche (an den Texten entlang).60 Für die historische Rekonstruktion blieb die 1983 auf Amerikanisch, 1988 auf Deutsch erschienene Monographie Elisabeth Schüssler Fiorenzas »Zu ihrem Ge dächt nis« wegweisend, in der die Autorin eine »Hermeneutik des Verdachts« entwarf und mit dieser die frühchristlichen Quellen analysierte.61 Sozialgeschichtliche Arbeiten, die insbesondere von Luise Schottroff vorangetrieben werden,62 vertiefen die Kenntnis des alltäglichen Frauenlebens in der frühen Christenheit. Für beide Fragerichtungen gilt es, die in der Jesusforschung allgemein und in feministischer Jesus-Begeisterung speziell vitalen antijudaistischen Geschichtsklitterungen zu vermeiden, als habe Jesus, der neue Mann, die jüdischen Frauen befreit.63

Beispielhaft für feministisch motivierte sozialgeschichtliche Arbeiten nenne ich Ulrike Metternichs Analyse der Erzählung von der Heilung der blutflüssigen Frau (Mk 5, 25–34).64 Metternich recherchiert in ihrer in Kassel bei Luise Schottroff geschriebenen Dissertation ausführlich die jü dischen Reinheitsgebote in Bezug auf menstruierende Frauen. Die beliebte Auslegung, dass die an Blutfluss leidende Frau auf Grund ihrer Krankheit vom allgemeinen Leben isoliert war, mit der Berührung Jesu ein Gebot übertrat und dass Jesus, indem er diese Berührung sanktionierte, die Geltung dieses frauenfeindlichen Menstruationstabus praktisch aufhob, wird damit haltlos und ihr impliziter Antijudaismus sichtbar: »Unreinheit« einer Menstruierenden ist keine Gesetzesübertretung, und sie betrifft in erster Linie kultische Vollzüge und den ehelichen Sexualverkehr. Ein Berührungsverbot gibt es im Alten Testament nicht. In der Darstellung des Mk ist nicht Unreinheit das Problem, sondern die Krankheit und die immensen Heilungskosten. Unter diesem Blickwinkel kommt das Wunder in den Mittelpunkt, das in der Auslegung auf Grund der Nähe zum Magischen und der wunderkritischen Tradition kerygmatischer Theologie in der jüngeren Exegese keine große Begeisterung entfachen konnte, nämlich das Wirken der ‰‡Ó·ÌȘ Gottes (5,30) als Gotteserfahrung der Frau.

Kein Frauenheld – zur Diskussion um den »historischen Jesus«
Doch auch jenseits dessen bleibt Diskussionsbedarf. Die aktu elle Frage, mit welchen Kriterien der so genannte historische Jesus der Überlieferung zu rekonstruieren ist,65 betrifft natürlich auch die Frage, wie Jesu Verhältnis zu Frauen überhaupt zu er kennen ist, und hier wird heftig diskutiert. In der Tradition des Third Quest, der nicht mehr mittels des Unähnlichkeitskriteriums Jesus dem Judentum enthebt, sondern Jesus mit dem Plausibilitätskriterium in dem selben verortet, hatte Helga Melzer-Keller die synoptischen Evangelien untersucht. Sie konzentriert sich dabei allein auf Perikopen, in denen Frauen erwähnt werden, und kommt zu dem Ergebnis: Weder die synoptischen Evangelien und die Spruchüberlieferung noch Jesus selbst hätten ein besonderes Interesse an der Frauenfrage gehabt. Die Frauen, denen sich Jesus ohne Zweifel zugewendet habe, seien nicht als solche, sondern als Marginalisierte Gegenstand seiner Hinwendung gewesen.66 – Es lässt sich mithin zweifeln, dass im Sinne eines gängigen Geschichtsbegriffs und dessen historiographischen Me thoden überhaupt etwas Signifikantes über »Jesus und die Frauen« zu sagen ist.
Die Auswirkung des Ansatzes auf die Rekonstruktion verdeutlicht Schüssler Fiorenzas Buch »Jesus and the Politics of Interpretation«,67 auf das ich darum hinweisen möchte. Es kritisiert die historische Jesus-Forschung insgesamt, auch die die Frauengeschichte berücksichtigende und sich feministisch verstehende, im Blick auf ihr Selbstverständnis und ihre politische Naivität. Geschichtsrekonstruktion sei ein Machtdiskurs, ein rhetorischer, d. h. Politik im weiten Sinne intendierender Akt, be stimmt vom jeweiligen gesellschaftlichen und diskursiven Kontext. Auch die Erforschung des historischen Jesus diene der Durchsetzung von Machtinteressen. Die aktuelle sich liberal verstehende Jesusfrage, der so genannte Third Quest, eine vor allem amerikanische Errungenschaft, stehe z. B. im Kontext des Erstarkens der Religiösen Rechten.68 Statt sich objektiv zu gerieren, gelte es, die im Diskurs inhärente Macht bewusst auszuüben, die Rekonstruktion gezielt politisch zu betreiben im Sinne der Emanzipation der »wo/men« – wie Schüssler Fiorenza die unterdrückten Menschen jeglichen Geschlechts bezeichnet.

Ihr geht es um das gesamte System kultureller Symbolisierungen von Machtbeziehungen, die nicht nur durch das Geschlecht, sondern auch durch naturalisierte Konstrukte von Rasse, Klasse sexueller Orientierung etc. bestimmt werden (96 ff.). Sie richtet sich gegen die Repristinierung der androzentrischen Evangelienüberlieferung, insbesondere gegen die Darstellung Jesu als »the exceptional individual, charismatic genius, and great hero« (61) in der Jesus-Forschung. Der soziologische Bezugsrahmen müsse die Bewegung sein (104 ff.), nicht ein charismatischer Führer, an die Stelle des Kriteriums der Plausibilität müsse das der Möglichkeit treten (51 ff.). Dann werde denkbar, dass auch »wo/men« gleichberechtigte Glieder einer jüdischen Emanzipationsbewegung waren, die nach Jesus benannt wurde. Und das Faktum, dass Jesus ein Mann war, verliere seine symbolische Bedeutung.
Damit wendet sich Schüssler Fiorenza auch gegen eine be stimmte Rezeption ihres immerhin viel zur Kenntnis genommenen Buches »Zu ihrem Gedächtnis«. Es werde in methodisch-hermeneutischer Hinsicht gegen die
intentio auctricis »often read in terms of the liberal Protestant historio graphical model of pristine egalitarian origins and rapid decline into patriarchy« (49), habe jedoch mit einem Konfliktmodell den Kampf zwischen egalitären Visionen und ihrer Realisierung einerseits, kyriarchaler Realität und ihren unmenschlichen Folgen andererseits darstellen wollen (48 ff.).

Es ist kaum zu erwarten, dass das Bild der egalitären Jesus-Gruppe die kollektive Einbildungskraft erreicht, dass das Programm der bewusst politisch-imaginativen Geschichtsschreibung Schüssler Fiorenzas in der allgemeinen Erforschung des so genannten historischen Jesus Akzeptanz findet, selbst wenn es, unbewusst, praktiziert wird. Dennoch: Es gilt nicht nur, die konstruktive, sinngebende Kraft von Modellen, Verknüpfungen, Einordnungen in Kontexte zu durchschauen, sondern auch die politischen Implikationen von derlei Rekonstruktionen bei deren Produktion wie Rezeption zu bedenken.

»Verschwiegene Jüngerinnen«: Frauen im Lukasevangelium
Der Einfluss des forschenden Subjekts auf die Sinnbildung wird von Arbeiten, welche die »Jesus und die Frauen«-Frage nicht historisch, sondern literarisch bearbeiten, mittlerweile produktiv eingebracht. An Stelle redaktionsgeschichtlicher Fragen nach der Autorenintention stehen nun Analysen von Evangelien unter Aufnahme des literary criticism und der Hinwendung zum Leseprozess in der Rezeptionsästhetik, der im Sinne intersubjektiver Plausibilität »verobjektiviert« ist im Theorem des »impliziten Lesers«.
Eine wichtige Arbeit ist methodisch und vom Ergebnis her die – überdies lesefreundliche – Fribourger Dissertation von Sabine Bieberstein über die Darstellung von Jüngerinnen und Nachfolgerinnen im Lukas-Evangelium unter dem Titel »Ver­schwiegene Jüngerinnen - vergessene Zeuginnen«.69 Das dritte Evangelium galt als »Evangelium der Frauen«, da es vergleichs­ weise viel Erzählstoff mir Frauen überliefert. Feministischen Exegetinnen, die mehr für Frauen erwarten als einzelne Auftritte in Nebenrollen, wurde es suspekt, weil es die Frauen als Nachfolgerinnen Jesu und Verkündigerinnen ausblendet. Hat Maria wirklich das »bessere Teil erwählt« (10,38–42), ist sie als Jüngerin Jesu dargestellt oder doch als das Idealbild der häuslichen Frau, die in Unterordnung lerne ( 1Tim 2,11 f.)? Und werden Nachfolgerinnen Jesu in 8,1–3 nicht nur als »charity women« präsentiert?
Bieberstein geht einen neuen Weg (vgl. 18 ff.), indem sie sich nicht auf Texte konzentriert, in denen Frauen genannt werden, sondern analysiert, wie Lk Nachfolge konzipiert, inwiefern dort Frauenwirklichkeit vorkommt und wie Frauen im erzählerischen Rahmen ,besonders im Reisebericht und der Passionsgeschichte, als Nachfolgerinnen Jesu und Zeuginnen dargestellt werden. Methodisch verknüpft sie einen textwissenschaftlichen Ansatz, der die Rezeption nachvollzieht, mit der klassischen diachronen Frage, die anhand dessynoptischen Vergleichs »Lukas« selbst als Rezipienten ansichtig werden lässt, als der er sich in 1,1–4 auch offenbart. Der innere Zusammenhang beider Fragerichtungen bleibt jedoch m. E. problematisch. Der synoptische Vergleich ist ja dem »impliziten Leser« nur dann aufgegeben, wenn der Text fordert, das Evangelium im Kontrast zu den anderen zu lesen.Eine solche intertextuelle Implikatur ist jedoch nicht erkennbar.
Bedeutsam ist der Ansatz bei der Leseperspektive, weil er über die schlichte Alternative von frauenfreundlichem oder -feindli­chem »Lukas« hinausführt. Bieberstein gelingt das, indem sie die Leerstellen des Textes aufzeigt und verfolgt, wie diese in der textuellen Mitarbeit zu füllen sind. Zentrale Signale sind die Erwähnungen von Frauen in der Jesusgememschaft in 8,1–3 und 23,49, die fordern, diese Frauen als Nachfolgerinnen Jesu in der Erzählung stets mitzudenken, obschon die Texte überNachfolge ansonsten »Frauenwirklichkeit« ausblenden und die Frauen nicht mehr erwähnen (279).
Auch die Perikope von Maria und Marta ( 123 ff.) gehört zur Nachfolgethematik, obwohl diese Frauen nicht mit Jesus wandern. Marta zeigt die Gastfreundschaft, die in 10,5-7 gefordert wird, leidet jedoch darunter. Und Maria wird als Schülerin Jesu dargestellt. Sie hört, wie es andernorts im Evangelium gefordert wird, und dies schließt Tun nicht aus (139). Der Konflikt zwischen Maria und Marta müsse nicht wie in der Wirkungsgeschichte als Konflikt zwischen Frauenrollen begriffen werden : Die Ver­schiebung der Prioritäten vom Sorgen zur Suche nach dem Reich Gottes betrifft alle Menschen (vgl. 12,22.31).
So wird der Lektüreeindruck vom 3. Evangelium vielschichtig, lässt »gebrochene Konzepte« sichtbar werden: Lukas erwähnt Zeuginnen und vergisst sie zugleich. Zwar kann der Text gelesen werden als androzentrischer Wirklichkeitsentwurf einer geho­ benen gesellschaftlichen Schicht. Aber: »Aufbauend auf der Er­ kenntnis, daß Texte nicht nur Wirklichkeit widerspiegeln, son­dern Wirklichkeit auch konstituieren, muß ... das Postulat formuliert werden, daß in einer heutigen Lektüre - und unter heutigen, veränderten Rezeptionsbedingungen - solcherart an­ drozentrische Wirklichkeitskonstruktionen nicht nur zu analy­ sieren und sichtbar zu machen , sondern in einem kritisch-reflek­tierenden Akt von textueller Mitarbeit durchbrochen und in eine frauen-einschließende Richtung zu vervollständigen sind« (283). In der Praxis hat Bieberstein also die als »impliziten Leser« personifizierte Textstruktur bereits um die kritische Instanz einer aktuellen Leserin erweitert. Dies ist zwar methodisch nicht ausdiskutiert (vgl. nun 9.21–23), aber doch sinn- und bedeu­ tungsvoll. Denn sonst könnte »der implizite Leser« zum Troja­ nischen Pferd werden, in dessen vorgeblich objektiver, zumindest transsubjektiv abstrakter Hülle unbemerkt Subjektivitäten und Ideologien umso schlagkräftiger eingeschleust werden.
Auch der »implizite Leser« existiert nicht an sich, sondern nur in der Analyse der Interpretin, des Interpreten.

Maria Magdalma zum Beispiel – Frauen im Johannesevangelium
Im Blick auf die literarischen Entwürfe von Frauenrollen fand in jüngster Zeit besonders das Johannesevangelium Aufmerk­ samkeit.70 Auch hier ist es ein Anliegen, die Frauenfrage nicht mehr an den Erwähnungen von Frauen abzuhandeln, sondern ihre Bedeutung im Ensemble der Rollen und theologischen Modelle zu erkennen. Interessant ist, wie unterschiedlich diese Aufgabe methodisch gelöst wird. Margaret M. Beirne71 will nachweisen, dass im Joh die von Schüssler Fiorenza eingeforderte »discipleship of equals« narrativ propagiert wird, indem sieben »gender pairs« auftreten. Nikodemus und die Samaritanerin, Maria von Magdala und Thomas z. B. sind nach Beirne solche literarischen Paare, die zeigen sollen, wie Frauen und Männer zusammen in die Familie Gottes gehören. Eine narratologische Analyse der Charakteristisierungen von Männern und Frauen im vierten Evangelium bringt Colleen Conway72 hingegen dazu, unbenommen eines gleichen »Status« gerade die Unterschiede in der Darstellung von Männern und Frauen herauszustellen. Im Unterschied zu negativen Männercharakteren seien die Frauencharaktere nur positiv, vielleicht als Provokation gegen ihre Abwertung in der christlichen Gemeinschaft.
Etwas ausführlicher sei zum Schluss die in Freiburg ange­ nommenen Dissertation Susanne Rmchmanns »Maria von Magdala im Johannesevangelium« vorgestellt.73 Auch sie ver­ bindet wie Biebetstein synchrone und diachrone Fragestellun­ gen; diese sind jedoch hier methodisch verknüpft in der Sicht auf das Johannesevangelium als relecture. Dieser Ansatz und die Orientierung an einer Autorenintention sind nicht originell;74 auch erbringt der Vergleich mit der vorjohanneischen Tradition nur die Erkenntnis, dass die Tradition über Maria Magdalena theologisch aufgeladen wurde. Von Interesse ist m. E., wie Ruschmann die narrative und theologische Bedeutung der Maria Magdalena im Evangelium herausarbeitet. Maria tritt zwar nur unter dem Kreuz (19,25) und am Ostermorgen (20, 1–18) auf. Doch Ruschmann zeigt, wie durch intratextuelle und intertextuelle Bezüge die Ostererzählung Tiefe und Maria Magdalena eine paradigmatische Bedeutung erhält.
Rückbezüge zwischen der Erzählung von der Begegnung der Maria mit dem vermeintlichen Gärtner am leeren Grab auf die Erzählung von der Jüngerberufung (1,35 ff.) und die erste Abschiedsrede (13,31–14,31) deu­ ten Maria, die Erste, die den Auferstandenen erkennt, als Paradigma nach­ österlicher Jüngerschaft. Was der johanneischc Jesus in der Abschiedsrede proleptisch über die Ostererfahrung sagt (besonders 14,18–24), wird in der Begegnung von Maria und Jesus narrativ entfaltet. Durch Anklänge an Liebeslyrik wie die Suche nach dem Geliebten, der weggegangen ist (vgl. bes. Hld 3,1-4), wird die Begegnung am Ostermorgen interpretiert als die in 14,21-23 verheißene Entgrenzung der Jüngerschaft auf alle, die Jesus lieben. Das in einer Liebesszene unpassende »noli me tange

Liebesbeziehung im Halten der Worte und Gebote Jesu verwirklicht wird (14,21).
Maria Magdalena ist narrativ »Über-Leitfigur« zwischen Kreuz (19,25) und Auferstehung (20,1 ff.) und theologisch paradigmatische »Leitfigur« als »Beispiel und Anleitung für die nachösterliche Form von Jüngerschaft und Gottesbegegnung« (237).
Ganz in diesem Sinne und mit den feministischen Exegeten und Exegerinnen, denen die Kanongrenzen keinen Halt bieten, sollte uns Maria Magdalena, wäre noch Raum, weiterführen zur Erforschung der sogenannten Apokryphen zum Neuen Testament und der christlich-gnostischen Schriften. Die unterschiedlichen Darstellungen der Maria und anderer Jüngerinnen Jesu lassen erkennen, wie Ansprüche dieser Frauen auf religiöse Kompetenz sofort zu Machtkonflikten führten, die unlöslich verbunden waren mit der Frage der Geschlechterdifferenz.75

4.Wichtig und notwendig -
die Relevanz der Fragestellungen und der Literatur

Der Überblick sollte ein Doppeltes zeigen: Einerseits, wie wis­ senschaftliche Exegesen unter dem Blickwinkel der Geschlechterdifferenz und feministische Auslegungen sich hinsichtlich ihrer Fragestellungen, Methoden und hermeneutischen Reflexionen und also Ergebnissen in den letzten Jahren ausdifferen­ ziert haben, weiter entfernt von einem Konsens denn je. Das sollte andererseits aber gerade belegen, dass diese Arbeiten je für sich und miteinander einen wichtigen Beitrag für die Bibelwis­ senschaften leisten:
Gemeinsam ist den Untersuchungen die Problematisierung der biblischen Darstellung und dabei stets die Problematisierung der eigenen Wahrnehmung und unserer sie prägenden Gesell­ schaft, um die naturalisierenden Diskurse über Geschlechterdifferenz, sexuelle Orientierung, Herrschaft und Gewalt zu durchbrechen. In der Tradition der Befreiungstheologie stehende feministische Auslegungen suchen darüber hinaus danach, wo oder doch wie den Texten befreiende Impulse zu entnehmen sind gemäß der der Auslegung vorgegebenen Überzeugung, dass es letztlich darum geht, die Verwirklichung von Gottes Gerechtigkeit für alle Menschen zur Geltung zu bringen.
Die hier dargestellten Untersuchungen verdienen es, breit diskutiert zu werden - nicht nur von denen, die ihre Relevanz persönlich erleben.76 Die Methoden und Thesen mögen strittig sein, sie sind jedoch immer diskussionswürdig. Sie leisten nicht nur einen Beitrag zur Analyse der kulturell entwickelten Ge­ schlechterdifferenz und zur Kritik an unterdrückerischen Strukturen sowie zur Aufarbeitung des Anteils der biblischen Überlieferung an solchen Strukturen. Sie legen den Finger auch auf die hermeneutischen Aufgaben der Gegenwart, den Wahr­ heitsanspruch von wissenschaftlichen Diskursen und ihre politische Bedeutung zu klären. Für die Theologie zeigen die bibelwissenschaftlichen Untersuchungen, dass die Frage, wie im Sinne gegenwärtiger Lektüretheorien die Bibel Grundbuch einer kirchlichen Gemeinschaft sein kann, nicht nur eine theo­ retische ist, sondern sich beim Lesen jeder Zeile der Bibel stellt.

Fussnoten:

* Für Diskussionen von Textentwürfen, Literaturhinweisen sowie die Weitergabe von Manuskripten bin ich besonders Prof. Dr. Marie-Theres Wacker, PD Dr. Gerlinde Baumann, Dr. Johannes Taschner sowie den Teilnehmerinnen des Treffens der deutschsprachigen Neutestamentlerinnen der Europäischen Gesellschaft für theologische Forschung von Frauen im Februar 2005 sehr dankbar.

1) Die im Folgenden angeführten Sammelbände dokumentieren die in der Diskussion aktive Generation und die Unterschiedlichkeit der Zugänge.
Einen detaillierteren Überblick über Fragen, Methoden und Ergebnisse feministischer Exegesen bietet die von Luise Schottroff, Silvia Schroer und Marie-Theres Wacker verfasste Einführung »Feministische Exegese. Forschungserträge zur Bibel aus der Perspektive von Frauen« (Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1995). Schroer und Schottroff entwerfen jeweils Wege zu einer feministischen Rekonstruktion der Geschichte Israels und des frühen Christentums. Wacker informiert breit und gut systematisiert über Themen und Methoden feministischer Exegese bis 1994. Man sieht der für 2006 angekündigten Neubearbeitung erfreut entgegen. (Vgl. genauer auch den sehr informativen Literaturbericht von Marie-Theres Wacker, Feminist criticism and related aspects, im Oxford Handbook of Biblical Studies, hrsg. von John Rogerson und Judith Lieu, Sheffield 2005, im Druck.)
Für jedes biblische Buch einschließlich der deuterokanonischen und weiterer nicht kanonisierter Schriften bietet das von Luise Schottroff und Marie-Theres Wacker herausgegebene »Kompendium Feministische Bibelauslegung« (Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2. Aufl. 1999) eine Einführung und feministisch orientierte Deutung, inzwischen zurecht ein Standardwerk.
Die zweibändige Ausgabe »Searching the Scriptures«, von Elisabeth Schüssler Fiorenza ediert (New York: Crossroad 1993 und 1994), bietet in einem ersten Band darüber hinaus Einführungen in unterschiedliche Methoden der Bibelauslegung. Beide Werke spiegeln ein bestimmtes wissenschaftliches Milieu, versuchen dieses jedoch durch Beteiligung von Wissenschaftlerinnen aus anderen Kontexten zu überschreiten.
Auch »The Women’s Bible Commentary«, hrsg. von Carol A. Newsom und Sharon H. Ringe, gibt zu jedem biblischen Buch eine Einführung. Er ist 1998 in einer erweiterten Neuauflage erschienen (Lousville: Westminster John Knox Press 1998, erstmals 1992).
Aufsatzsammlungen zu einem oder mehreren biblischen Büchern er scheinen als »Feminist Companion«: Der von Atalya Brenner herausgegebene »Feminist Companion to the Hebrew Bible« erscheint seit 1993 (bei Sheffield Academic Press) und bereits in einer zweiten Reihe, der »Feminist Companion to the New Testament« wird hauptsächlich von Amy Jill Levine ediert (2001 ff., verschiedene Verlage). Beide Haupthe rausgeberinnen sind jüdische Exegetinnen, bezeichnend für die ökumenische Ausrichtung der Sammelbände.
Die Einsicht, dass die in Europa und den USA betriebene Bibel-Auslegung von Frauen nicht die Erfahrungen und Interessen aller Frauen aufgreift, sondern meist die Situation weißer mitteleuropäischer und nordamerikanischer Theologinnen, führt zu einer Pluralisierung der Ansätze. Fragen und Thesen von Frauen aus anderen Kontexten will der von Silvia Schroer und Sophia Bietenhard herausgegebene Band »Feminist Interpretation of the Bible and the Hermeneutics of Liberation« (JSOT.S 374; Sheffield: Sheffield Academic Press 2003) vermitteln. Er geht auf ein Symposion im Jahre 2000 von christlichen und jüdischen Frauen aus allen Kontinenten in der Schweiz zurück.
Darüber hinaus sind thematisch orientierte Sammelbände zu erwähnen: Das »Hedwig-Jahnow-Forschungsprojekt« von deutschsprachigen Ersttestamentlerinnen verhandelt »Körperkonzepte im Ersten Testament« (Stuttgart: Kohlhammer 2003) als Aspekt der Anthropologie. In Anknüpfung an allgemeine Diskurse werden biblische Entwürfe des »Körpers« als des Ortes, an dem Geschlecht und Rasse wahrgenommen werden, analysiert.
Auf die geschichtliche Entwicklung der Frauenrollen in den Anfängen des Christentums innerhalb des Judentums und der griechisch-römischen Umwelt ausgerichtet ist der Band »Women & Christian Origins«, von Ross Sheppard Kraemer und Mary Rose D’Angelo herausgegeben (New York: Oxford University Press 1999).
Unter dem Titel »Transformative Encounters. Jesus and Women Revisited« (Biblical Interpretations Series 43; Leiden u. a.: Brill 2000) hat Ingrid Rosa Kitzberger Aufsätze von christlichen und jüdischen Exegeten und Exegetinnen zu Frauen in der Evangelienüberlieferung unter literarischen und historischen Gesichtspunkten veröffentlicht.
Der Sammelband »Paulus. Umstrittene Traditionen – lebendige Theologie. Eine feministische Lektüre«, hrsg. von Claudia Janssen, Luise Schottroff und Beate Wehn (Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2001; vgl. die Kurzanzeige in ThLZ 127 [2002], 1308), versammelt sehr unterschiedliche Aufsätze zu Paulus und zur Paulustradition, die gemeinsam zeigen, dass sich die feministische Paulus-Auslegung längst nicht nur mit Schweigegeboten und Schleiern befasst, sondern theologische Themen wie Rechtfertigung und Auferstehung aufnimmt.
2) Die verbreitete Rede von »feministischer Exegese« ist missverständlich, als ginge es um eine bestimmte Methodik analog z. B. zu »historisch-kritischer« Exegese statt um eine Hermeneutik, die in kritischer Weise die allgemein etablierten Methoden rezipiert.
3) Vgl. den geschichtlichen Rückblick von M.-Th. Wacker in: Schottroff/Schroer/Dies., Feministische Exegese (s. Anm. 1), 4 ff.
4) Genauerer Aufschluss über die Geschichte und Veränderungen feministischer Theologien sowie Literaturhinweise sind zu gewinnen aus den entsprechenden Artikeln im Wörterbuch Feministische Theologie, hrsg. von E. Gössmann u. a., Gütersloh 2. Aufl. 2002.
5) Vgl. H. Meyer-Wilmes, Auf der Grenze. Ortsbestimmung feministischer Theologie, Freiburg u. a. 1990. Zur allgemeinen Wissenschaftskritik vgl. S. Harding, Feministische Wissenschaftstheorie. Zum Verhältnis von Wissenschaft und sozialem Geschlecht, Hamburg 2. Aufl. 1991.
6) Zu Informationen vgl. www.bibel-in-gerechter-sprache.de.
7) Dieser von Christina Thürmer-Rohr eingebrachte Begriff wird z. B. aufgenommen von Ilse Müllner, Gewalt im Hause Davids. Die Erzählung von Tamar und Amnon (2Sam 13,1–22), Freiburg: Herder 1997, und Klara Butting, Prophetinnen gefragt, s. Anm. 39.
8) Um die Differenzen zu zeigen, nennen sich z. B. afroamerikanische Theologinnen »womanist«. Vgl. dazu Stephanie Y. Mitchem, Introducing Womanist Theology, New York 2002; vgl. auch Renita J. Weems, A Re-Reading for Liberation: African American Women and the Bible, in: Schroer/Bietenhard (Hrsg.), Feminist Interpretation (s. Anm. 1), 19– 32. Die Bibel ist im Leben schwarzer Frauen besonders wichtig für die Entwicklung einer eigenständigen Theologie (Mitchem, a. a. O., 117 f.).
9) Vgl. E. Schüssler Fiorenza, Jesus – Miriams Kind, Sophias Prophet. Kritische Anfragen feministischer Christologie, Gütersloh 1997, 31–41.
10) Schüssler Fiorenza, Elisabeth: Grenzen überschreiten. Der theoretische Anspruch feministischer Theologie. Ausgewählte Aufsätze. Münster LIT 2004. 264 S. gr.8° = Theologische Frauenforschung in Europa, 15. Kart. € 19,90. ISBN 3-8258-7244-0.
11) David J. A. Clines, Ecce Vir, or, Gendering the Son of Man, in: Biblical Studies/Cultural Studies. The Third Sheffield Colloquium, hrsg. von J. C. Exum und S. D. Moore (JSOT.S 266; Gender, Culture, Theory, 7), Sheffield 1998, 352–375: 353.
12) Zur Geschichte des Begriffs in der Wissenschaft und der Forschung vgl. die Einleitungen, 9–15.58–96, in: Braun, Christina von, u. Inge Stephan [Hrsg.]: Genderstudien. Eine Einführung, Stuttgart-Weimar: Metzler 2000. 395 S. gr.8º. Kart. € 19,90. ISBN 3-476-01636-6.
14) Neben den in Anm. 17 und 18 genannten Bänden führt in die Diskussion gut ein Ursual Mihciyazgan, Was gibt es Neues in der Gender-Forschung?, in: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie 56 (2004), 287– 297 (Lit!).
14) Vgl. dazu Nina Degele, Anpassen oder unterminieren: Zum Verhältnis von Gender Mainstreaming und Gender Studies, in: Freiburger FrauenStudien 12 (2003), 79–99.
15) C. von Braun/I. Stephan, a. a. O. (s. Anm. 12), 10 ff., Zitat 10.
16) Band 12 und 13 der Freiburger FrauenStudien (2003).
17) Fischer, Irmtraud: Gender-faire Exegese. Gesammelte Beiträge zur Reflexion des Genderbias und seiner Auswirkungen in der Übersetzung und Auslegung von biblischen Texten. Münster: LIT 2004. 218 S. 8° = Exegese in unserer Zeit, 14. Kart. € 19,90. ISBN 3-8258-7244-0.
18) Vgl. den unter diesem Titel erschienenen Essay Judith Butlers (New York 1990; deutsch: Vom Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt a.M. 1991), der die Diskussion nachhaltig bestimmte. Zur Entwicklung der Theorie und Literatur vgl. C. Genschel, Queer meets Trans Studies. Über den problematischen Stellenwert geschlechtlicher Transgressionen in Queer Theorie, in: Freiburger FrauenStudien 12 (2003), 163–182.
19) Love between Women. Early Christian Responses to Female Homoeroticism, Chicago u. a. 1996. Vgl. auch die «Genealogie«, die foucaultsche Analyse des paulinischen Sexualitätsverständnisses durch Holger Tiedemann, Die Erfahrung des Fleisches. Paulus und die Last der Lust, Stuttgart 1998.
20) C. Genschel, Queer (s. Anm. 18), 163 (meine Hervorhebung).
21) Stone, Ken [Ed.]: Queer Commentary and the Hebrew Bible. Sheffield: Sheffield Academic Press 2001. 250 S. gr.8º = Journal for the Study of the Old Testament. Supplement Series, 334. Lw. £ 45,00.ISBN 1-84127-237-X.
22) Vgl. T. R. Koch, Cruising as Methodology: Homoeroticism and the Scriptures, in: a. a. O. (s. Anm. 20), 169–180.
23) So lässt sich z. B. der Beitrag von Mona West, The Gift of Voice, the Gift of Tears: A Queer Reading of Lamentations in the Context of AIDS (a. a. O., 140–151) verstehen, die die biblische Sprache der Klage für AIDS-Traumatisierte erschließen will.
24) Vgl. so z. B. Ken Stone, Lovers and Raisin Cakes: Food, Sex, and Divine Insecurity in Hosea, in: a. a. O., 116–139.
25) Vgl. zum Folgenden mit Literaturhinweisen Willi Walter, Gender, Geschlecht und Männerforschung, in: Genderstudien (s. Anm. 12), 97– 115, Zitat 108.
26) Vgl. aber Martin Leutzsch, Konstruktionen von Männlichkeit im Urchristentum, in: Dem Tod nicht glauben. Sozialgeschichte der Bibel (FS L. Schottroff, hrsg. von F. Crüsemann u. a.), Gütersloh 2004, 600– 618.
27) Moore, Stephen D., and Janice Capel Anderson [Eds.]: New Testament Masculinities. Leiden-Boston: Brill 2004. XIV, 369 S. gr. 8º = Society of Biblical Literature. Semeia Studies, 45. Lw. € 122,00. ISBN 90-04-13046-2. Vgl. darin die Einführung von S. D. Moore, O Man, Who Art Thou …?: Masculinity Studies and New Testament Studies (1–22), und J.C. Anderson u. a., A Classified Bibliography (23–42). Diese Bibliographie nennt nur drei nicht englischsprachige Titel; zumindest für den allgemeinen Männlichkeitsdiskurs vgl. daher den bibliographischen An hang zum Artikel von Walter in »Gendestudien« (s. Anm. 12), 109–115.
28) »Knowing How to Preside over His own Household«. Imperial Masculinity and Christian Asceticism in the Pastorals, Hermas, and Luke-Acts«, in: Masculinities (s. Anm. 27) 265–295.
29) Kuefler, Mathew: The Manly Eunuch. Masculinity, Gender Ambiguity, and Christian Ideology in Late Antiquity. Chicago-London: The University of Chicago Press 2001. X, 437 S. gr.8° = The Chicago Series on Sexuality, History, and Society. Lw. US$ 45,00. ISBN 0-226-45739-7.
30) Vgl. nur Helmut Utzschneider, Text – Leser – Autor. Bestandsaufnahme und Prolegomena zu einer Theorie der Exegese, in: BZ 43 (1999), 224–238; Ulrich Luz, Kann die Bibel heute noch Grundlage für die Kirche sein? Über die Aufgabe der Exegese in einer religiös-pluralistischen Gesellschaft, in: NTS 44 (1998), 317–339.
31) Für einen kurzen Abriss der Geschichte der Institutionalisierung vgl. G. Schneider-Ludorff, Art. Feministische Theologie. Geschichte, in: Wörterbuch (s. Anm. 4), 144–147 (Lit.!).
32) Vgl. auch Gerlinde Baumann, Seit Adam und Eva … werden Geschlechterrollen konstruiert, in: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie 56 (2004), 297–308.
33) Ulrike Bail, Gegen das Schweigen klagen. Eine intertextuelle Studie zu den Klagepsalmen Psalm 6 und Psalm 55 und der Erzählung von der Vergewaltigung Tamars, Gütersloh 1998 (Rezension von Jutta Krispenz in ThLZ 124 [1999], 896–898); Katrin Brockmöller, »Eine Frau der Stärke – wer findet sie?« Exegetische Analysen und intertextuelle Lektüren zu Spr 31,10–31 (BBB 147), Berlin u. a. 2004; Klara Butting, Die Buchstaben werden sich noch wundern. Innerbiblische Kritik als Wegweisung feministischer Hermeneutik, Berlin 1993; Claudia Rakel, Judit – über Schönheit, Macht und Widerstand im Krieg. Eine feministisch-intertextuelle Lektüre (BZAW 334), Berlin u. a. 2003.
34) Als Arbeiten mit narratologischem Ansatz sind zu nennen Ilse Müllner, Gewalt (s. o. Anm. 7); Esther Fuchs, Sexual Politics in the Biblical Narrative: Reading the Hebrew Bible as a Woman (JSOT.S 310), Sheffield 2000; Uta Schmidt, Zentrale Randfiguren. Strukturale Darstellung von Frauen in den Erzählungen der Königebücher, Gütersloh 2003. Vgl. auch die Beiträge der Narratologin Mieke Bal zur Auslegung des Alten Te staments, z. B. Femmes imaginaires. L’ancien testament au risque d’une narratologie critique, Utrecht u. a. 1986.
35) Vgl. Schroer, in: Schottroff/Schroer/Wacker, Feministische Exegese (s. Anm. 1), 130–141 (Lit.!). Texte, die in dieser Zeit ein verändertes Frauenbild widerspiegeln, sind z. B. Rut und Ester sowie die Rahmung um das Sprüchebuch, Prov 1–9; 31. Beispielhaft für das Interesse an der Thematisierung von Frauen in der weisheitlichen Literatur nenne ich die jüngsten Untersuchungen von Susanne Gorges-Braunwarth, »Frauenbilder – Weisheitsbilder – Gottesbilder« in Sprüche 1–9. Die personifizierte Weisheit im Gottesbild der nachexilischen Zeit (Exegese in unserer Zeit 9), Münster 2002 (dort 7–64 ausführliche Forschungsgeschichte); Katrin Brockmöller, Frau der Stärke (s. Anm. 33): Die »Frau der Stärke« (Spr 31,10) ist nicht nur eine perfekte Oberschicht-Ehefrau, sondern symbolisiert die gute Weltordnung als Schwester der Frau Weisheit, die für die Ordnung Gottes steht (230 ff.).
36) Vgl. zur feministischen Diskussion des Monotheismus jetzt die Sammlung von Aufsätzen von Marie-Theres Wacker, Von Göttinnen, Göttern und dem einen Gott. Studien zum biblischen Monotheismus aus feministisch-theologischer Sicht (Theologische Frauenforschung in Europa 14), Münster 2004.
37) Irmtraud Fischer, Gotteskünderinnen. Zu einer geschlechterfairen Deutung des Phänomens der Prophetie und der Prophetinnen in der hebräischen Bibel, Stuttgart: Kohlhammer 2002, 277.
38) S. Anm. 37. Vgl. dazu die Rezension von U. Sals, in: ThLZ 129 (2004), 781–783.
39) Butting, Klara: Prophetinnen gefragt. Die Bedeutung der Prophetinnen im Kanon aus Tora und Prophetie, Wittingen: Erev Rav 2001. 232 S. 8º = Erev-Rav-Hefte. Biblisch-feministische Texte, 3. € 13,00. ISBN 3-932810-15-5.
40) S. Anm. 33.
41) Mirjam (BZAW 317), Berlin u. a: de Gruyter 2002; vgl. die Rezension von G. Baumann, in: ThLZ 129 (2004), 627–629.
42) Speziell für das Jeremia-Buch zu vergleichen ist die Studie Angela Bauers, Gender in the Book of Jeremiah. A Feminist-Literary Reading (Studies in Biblical Literature 5), New York u. a.: Peter Lang 1999. Sie analysiert mit einem ähnlich scharfen Blick wie Häusl die Geschlechtermetaphorik, geht jedoch anders als diese dem Buch im Endtext entlang und beobachtet nicht allein den Text, sondern auch seine Lektüren, um die »reinscription« der negativen Weiblichkeitsbilder zu unterbrechen. So erhebt Bauer nicht eine Entwicklung der Bildersprache, sondern eine Vielzahl von Stimmen.
43) Häusl, Maria: Bilder der Not. Weiblichkeits- und Geschlechtermetaphorik im Buch Jeremia. Freiburg-Basel- Wien-Barcelona-Rom-New York: Herder 2003. X, 419 S. gr.8º = Herders Biblische Studien, 37. Geb. € 60,00. ISBN 3-451-28086-8.
44) In diachroner Hinsicht sieht Häusl mit ihrer Unterscheidung metaphorischer Diskurse die jüngeren Thesen zur Entstehung des Jeremia-Buches bestätigt (371 ff.).
45) Häusl wendet sich damit vor allem gegen die Subsumption der ganzen Metaphorik unter die Ehebruchsmetapher (Jer 2 f.). Sie votiert überhaupt gegen die Bezeichnung der Metaphorik von Jer 2 f. als Ehe- bzw. Ehebruchsmetaphorik, weil so der obszön-pornographische Charakter des Textes verhehlt werde, dessen Metaphorik sich nicht von dem Eheverhältnis ableiten lasse (366).
46) Zum Rätseln über diesen kleinen Satz vgl. Bauer, Gender (s. Anm. 42), 140–145.
47) Vgl. U. Bail, Schweigen (s. Anm. 33); Elke Seiffert, Tochter und Vater im Alten Testament. Eine ideologiekritische Untersuchung zur Verfügungsgewalt von Vätern über ihre Töchter, Neukirchen-Vluyn 1997.
48) S. oben Anm. 7.
49) Ganz anders ist dies bezüglich das Ergebnis der Analyse von Fuchs, Sexual Politics (s. Anm. 34), die auch in der Erzählung von Tamar das durchgängige Muster der Bibelerzählungen findet, die Marginalisierung und Herrschaft der Männer nicht nur abzubilden, sondern auch zu propagieren.
50) Gerlinde Baumann, Liebe und Gewalt. Die Ehe als Metapher für das Verhältnis JHWH – Israel in den Prophetenbüchern (SBS 185), Stuttgart 2000.
51) Vgl. zur Diskussion über Paulus den Sammelband zu Paulus (s. Anm. 1) und die Skizze der Forschung von Angela Standhartinger, »Die Frau muss Vollmacht haben auf ihrem Haupt« (1Kor 11,10). Zur Geschichte und Gegenwart feministischer Paulusauslegungen, in: I. Dingel (Hrsg.), Feministische Theologie und Gender-Forschung. Bilanz, Perspektiven, Akzente, Leipzig 2003, 43–66. Vgl. auch Amy-Jill Levine (Hrsg.), A Feminist Companion to Paul: Authentic Pauline Writings, Cleveland: The Pilgrim Press 2004; dies. u. a. (Hrsg.), A Feminist Companion to the Deutero-Pauline Epistles, New York u. a.: Clark 2003.
52) Vgl. z. B. Claudia Janssen, Anders ist die Schönheit der Körper. Paulus und die Auferstehung in 1 Kor. 15, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2005, eine Interpretation der Auferstehungserwartung und »Körpertheologie«.
53) Vgl. z. B. Annette Merz, Die fiktive Selbstauslegung des Paulus. Intertextuelle Studien zur Intention und Rezeption der Pastoralbriefe (NTOA 52), Göttingen u. a. 2004; ein zentrales Beispiel der Intertextualität ist 1Tim 2,9–3,1 als antiasketische Aktualisierung von authentisch paulinischen Aussagen (268–375).
54) Sexism and God Talk: Toward a Feminist Theology, Boston 1983, 116; vgl. deutsch: Sexismus und die Rede von Gott. Schritte zu einer anderen Theologie, Gütersloh 2. Aufl. 1990, 145 ff.
55) So der Titel des Aufsatzes von Clines (s. Anm. 10).
56) Vgl. in Moore/Anderson, Masculinities (s. Anm. 27) Jerome H. Neyrey, Jesus, Gender, and the Gospel of Matthew (43–66); Tat-siong Benny Liew, Re-Markable Masculinities: Jesus, the Son of Man, and the (Sad) Sum of Manhood? (93–135); Eric Thurman, Looking for a Few Good Men: Mark and Masculinity (137–161); Colleen M. Conway, «Behold the Man!« Masculine Christology and the Fourth Gospel (163–180) sowie den response von Maud W. Gleason, By Whose Gender Standards (If Anybody’s) Was Jesus a Real Man? (325–327).
57) Vgl. Interinsignores DH 4600 (1976), ein Argument, das allerdings in den Apostolischen Schreiben Ordinatio sacerdotalis von 1994 nicht wiederholt wird.
58) Silke Petersen, Die Weiblichkeit Jesu Christi, in: E. Klinger u. a. (Hrsg.), Die zwei Geschlechter und der eine Gott, Würzburg 2002, 97– 123: Z. B. in gnostischen, weisheitlichen und mystischen Traditionen konnte Christus auch in »weiblichen« Funktionen, Rollen und Metaphern beschrieben werden. Vgl. auch Martin Leutzsch, Der weibliche Christus, in: I. Pahl u. a. (Hrsg.), Landesarbeitsgemeinschaft Theologische Frauenforschung/Feministische Theologie: »Soziale Rollen von Frauen in Religionsgemeinschaften« Projektbericht I, Bochum 2001, 89–110.
59) Einen wichtigen Impuls für die Entwicklung einer feministisch ausgerichteten Exegese in Deutschland gab das Buch von Elisabeth Moltmann-Wendel, Ein eigener Mensch werden. Frauen um Jesus, Gütersloh 1980.
60) Vgl. zu einem Überblick über die Diskussion auch Angela Standhartinger, Geschlechterperspektiven auf die Jesusbewegung, in: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie 56 (2004), 308–318.
61) Zu ihrem Gedächtnis. Eine feministisch-theologische Rekonstruktion der christlichen Ursprünge, Gütersloh 2. Aufl. 1993.
62) Luise Schottroff, Lydias ungeduldige Schwestern. Feministische Sozialgeschichte des frühen Christentums, Gütersloh 1993; Claudia Janssen, Hanna und Elisabeth – zwei widerständige alte Frauen in neutestamentlicher Zeit. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung, Mainz 1998; Luzia Sutter Rehmann, Konflikte zwischen ihm und ihr. Sozialgeschichtliche und exegetische Untersuchungen zur Nachfolgeproblematik von Ehe paaren, Gütersloh, 2002.
63) Marksteine für diese Diskussion in Deutschland sind L. Siegele-Wenschkewitz (Hrsg.), Verdrängte Vergangenheit, die uns bedrängt. Feministische Theologie in der Verantwortung für die Geschichte, München 1988; Luise Schottroff u. a. (Hrsg.), Von der Wurzel getragen. Christlich-feministische Exegese in Auseinandersetzung mit Antijudaismus, Leiden 1996.
64) Metternich, Ulrike: »Sie sagte ihm die ganze Wahrheit«. Die Erzählung von der »Blutflüssigen« – feministisch gedeutet. Mainz: Grünewald 2000. gr.8°. Kart. € 24,50. ISBN 3-7867-2234-X.
65) Vgl. nur Jens Schröter, Jesus und die Anfänge der Christologie. Methodologische und exegetische Studien zu den Ursprüngen des christlichen Glaubens (BThS 47), Neukirchen 2001.
66) Helga Melzer-Keller, Jesus und die Frauen. Eine Verhältnisbestimmung nach den synoptischen Überlieferungen (HBS 14), Freiburg u. a.: Herder 1997; zum ihrem Ergebnis vgl. die Zusammenfassung 443 ff. Vgl. aber auch die kritischen Anfragen von Ute E. Eisen, »Jesus und die Frauen«. Ein kritischer Rückblick, in: BZ 45 (2001), 79–93.
67) Schüssler Fiorenza, Elisabeth: Jesus and the Politics of Interpretation. New York-London: Continuum 2000. 180 S. 8°. Geb. US$ 22,95. ISBN 0-8264-1273-4.
68) »The refusal of the Third Quest to problematize its own methodological assumptions and ideological interests as well as its sophisticated advocacy of historical positivism corresponds to political conservatism« (a. a. O., 47).
69) Bieberstein, Sabine: Verschwiegene Jüngerinnen – vergessene Zeuginnen. Gebrochene Konzepte im Lukasevangelium. Freiburg (Schweiz): Universitätsverlag/Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1998 = Novum Testamentum et Orbis Antiquus, 38. 314 S. 8°. Lw. €72,00. ISBN 3-7278-1180-3 (Universitätsverlag) 3-525-53938-X (Vandenhoeck & Ruprecht).
70) Vgl. neben den im Folgenden Genannten Amy-Jill Levine u. a. (Hrsg.), A Feminist Companion to John, 2 Bde. London-New York: Clark 2003; Adeline Fehribach, The Women in the Life of the Bridegroom. A Feminist-Historical-Literary Analysis of the Female Characters in the Fourth Gospel, Collegeville: Liturgical Press 1998.
71) Women and Men in the Fourth Gospel. A Genuine Discipleship of Equals (JSNT.S 242) Sheffield: Sheffield Academic Press 2003.
72) Men and Women in the Fourth Gospel. Gender and Johannine Characterization (SBL.DS 167), Atlanta: Society of Biblical Literature 1999.
73) Ruschmann, Susanne: Maria von Magdala im Johannesevangelium. Jüngerin – Zeugin – Lebensbotin. Münster: Aschendorff 2002. 269 S. gr.8°. Kart. = Neutestamentliche Abhandlungen. Neue Folge, 40. € 38,90. ISBN 3-402-04788-8.
74) Ruschmann zeigt sehr ausführlich ihren Analyseweg und dessen forschungsgeschichtliche Vorformen (1–37). Der Informationswert der Untersuchung und ihre Bedeutung für die Auslegung des Johannesevangeliums – die mit der theologischen Bedeutung, die Maria von Magdala in der Interpretation Ruschmanns erhält, gegeben ist – ist hier nicht gewürdigt.
75) Vgl. Silke Petersen, «Zerstört die Werke der Weiblichkeit!« Maria Magdalena, Salome und andere Jüngerinnen Jesu in christlich-gnostischen Schriften (NHMS 48), Leiden u. a.: Brill 1999; s. auch Ann Graham Brock, Mary Magdalene, The First Apostel: The Struggle for Authority (HThSt 51), Cambridge: Harvard University Press 2003.
76) Im Sinne des »gender mainstreaming« wäre nicht nur eine breitere Rezeption der Publikationen zu wünschen, sondern der Kategorie »gender« selbst. Beispielsweise wären in den Darstellungen der biblischen Theologie »Frauenfragen« nicht nur als Aspekt der Ethik abzuhandeln, sondern der Beitrag der Texte zur Konstruktion der Geschlechterdifferenz als Aspekt der Gotteslehre, Anthropologie und Soteriologie zu verhandeln.