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Ausgabe:

Dezember/2005

Spalte:

1361 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Haderlein, Ralf

Titel/Untertitel:

Wertorientiertes Qualitätsmanagement in caritativ-diakonischen Einrichtungen der katholischen Kirche. Eine empirische Studie zur Kriterienforschung bei wertorientierten Qualitätsmanagementkonzepten.

Verlag:

Würzburg: Echter 2003. 212 S. m. Tab. gr.8° = Studien zur Theologie und Praxis der Caritas und Sozialen Pastoral, 22. Kart. € 19,90. ISBN 3-429-02544-3.

Rezensent:

Alfred Jäger

Qualitätsmanagement ist seit wenigen Jahren und bis heute, gesetzlich vorgeschrieben, flächendeckend ein beherrschendes Thema im Bereich des sozialen Netzes in Deutschland und wird je nachdem als neue bürokratische Last oder als befreiendes Controlling der eigenen Leistungen erlebt. Insofern ist es an der Zeit, dass in einem Zwischenbericht auch die vorläufigen Wirkungen dieses neuen Systems überprüft werden. Ralf Haderlein verfasste dazu als Assistent des Lehrstuhlinhabers für Caritaswissenschaft an der Universität Freiburg, Heinrich Pompey, eine Dissertation, die sich empirisch auf Erhebungen durch 24 Interviews mit Führungsverantwortlichen in sechs Altenheimen ab stützt und deren Ergebnisse minutiös ausgewertet werden. In einem Zusatzband sollen später die benutzten Interviews im Original zugänglich gemacht werden. Im Zentrum des Interesses stehen somit »Variablen, mit deren Hilfe sich Veränderungen durch die Einführung von CQM nachweisen lassen« (19), und die Absicht zielt auf »die Profilierung kirchlicher Organisationen, welche für das Überleben dieser Einrichtungen auch in der Zukunft notwendig sind« (16).
Nach einer Darstellung der gesetzlichen und unternehmenspolitischen Notwendigkeit eines CQM (Caritas-Qualitätsmanagement) und einer Beleuchtung dieses Instrumentariums von verschiedenen einschlägigen Seiten her (13–47) folgt ein theologischer Teil »Die caritas dei der Caritas«, der – auf dem Hintergrund der Theologie Pompeys – das christliche Leitbild von Caritas im Allgemeinen festzulegen versucht (50–75). An schließend wendet sich die Studie der empirischen Untersuchung zu, die mit einer ausgiebigen Darstellung »qualitativer Forschung«, ihrer Ziele und Methoden in Fallbeispielen und Tiefeninterviews beginnt (80–107). Im Hauptteil der Arbeit (107–201) werden die Durchführung der Untersuchung, deren Ergebnisse in der Form von Interviewausschnitten und eine passende Interpretation ausführlich dokumentiert mit dem Ergebnis: »Als Gesamtresümee ist festzustellen, dass die Umsetzung des CQM in weiten Teilen gelungen ist. Eine caritastheologische Kontextuierung als Beleg für die Implementierung der caritas dei konnte vorgenommen und nachgewiesen werden. Das Gesamturteil der Befragten, die zu 99 % genau dieses System noch einmal einführen würden, bestätigt die Entscheidung der Leitung für ein CQM« (202).
Soweit ist alles eine Bestätigung der Wünsche der deutschen Bischofskonferenz und der Leitung des Caritasverbandes, wie mehrfach betont wird. Dennoch ergeben sich einige kritische Randnotizen im Sinn von Anregungen.
Die Caritastheologie, die relativ allgemein vorgetragen wird, hat den Charakter eines Senkrecht-von-oben, von der göttlichen Liebe in der Trinität (53) über das Liebesgebot, über kirchliche Verlautbarungen bis in ethische Konkretionen im Altenheim, ohne dass dieses Verfahren irgendwie thematisiert und auf seine Diskursivität hin geprüft würde. Es ist daher auffallend, dass der Sprung aus steilen theologischen Vorgaben in die empirische Sozialforschung methodisch sehr unvermittelt erfolgt, womit der empirische Teil– scheinbar – in die bloße Rolle einer ancilla theologiae im Sinn der Bestätigung gelangt. Was wäre mit einer solchen Caritastheologie, wenn – wie es häufig der Fall ist – die Empirie ganz anderes sagen würde? Es fällt denn auch auf, dass die Kriterien, nach denen aus den Interviews zitiert wird, nicht angegeben werden – dies macht den Folgeband zur Nachprüfung erforderlich. Es kann im Weiteren diskutiert werden, ob sechs Altenheime als Basis zureichen, um die sehr ins Allgemeine gehende Schlussfeststellung zu sichern, dass »wertorientierte Qualitätsmanagementsysteme in diakonisch-caritativen Einrichtungen ein sehr gutes Instrument sind, um eine Operationalisierung des Leitbildes umzusetzen, zu sichern und weiterzuentwickeln« (206). Als Erfahrungssatz aus bisherigen Entwicklungen kann er gewiss Plausibilität beanspruchen, kaum aber als Bestandteil einer gesicherten Caritastheorie. Es gibt zu viele Gegenbeispiele, in denen aus welchen zu untersuchenden Gründen auch immer solche Transformationsprozesse gescheitert sind.
Erheblich erscheint derzeit auch die Frage, warum sich die vorliegende Arbeit auf Qualitätssicherungssysteme fokussiert, die sich auf die Qualität von Dienstleistungen beschränken, um damit aber die umgreifendere und noch entscheidendere Frage nach der Qualität des Caritas-/Diakonieunternehmens als Unternehmen und seines Managements völlig auszublenden. Gewiss entspricht diese Einschränkung noch immer der Gesetzeslage und der allgemeinen Diskussion. Die zweite Frage jedoch ist im Sinn der Bankenbonität – Basel II! – und von Zertifizierungen heute und in Zukunft noch dringlicher an der Zeit.
Im Ganzen jedoch handelt es sich um einen erfreulichen Beitrag zur Caritas-/Diakoniewissenschaft, der noch weitere vergleichbare Untersuchungen anregen wird.