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Ausgabe:

Dezember/2005

Spalte:

1359–1361

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Bourgeois, Daniel

Titel/Untertitel:

Die Pastoral der Kirche.

Verlag:

Paderborn: Bonifatius 2004. 799 S. 8° = AMATECA, 11. Geb. € 56,00. ISBN 3-89710-130-0.

Rezensent:

Christian Grethlein

Der in der internationalen Lehrbuchreihe zur katholischen Theologie AMATECA erschienene, 1996 erstmalig in französischer Sprache veröffentlichte Band trägt zwar den Titel »Pastoraltheologie«, grenzt sich aber direkt (z. B. 214 f.) und inhaltlich von dem in Deutschland üblichen praktisch-theologischen Verständnis ab. Vielmehr handelt es sich hier um »einen sakramental-pastoralen theologischen Traktat«, der die Notwendigkeit aufweisen will, »das Wesen der Pastoraltheologie von der Sakramentalität der Kirche her zu denken« (37). Es handelt sich also – in der Sprache heutiger evangelischer Theologie – um eine dogmatisch bestimmte Kirchentheorie, die allerdings bis in die einzelnen Handlungsfelder ausgeführt wird. Inhaltlich leitende Gesichtspunkte sind dabei – neben eher als dicta probantia verwendeten Bibelstellen – vor allem die Dokumente des II. Vatikanum, allen voran Lumen Gentium, sodann aber auch sonstige päpstliche Äußerungen und Einsichten aus patristischer und scholastischer Zeit. Dabei ist das Bemühen um »Rechtgläubigkeit« oberstes Ziel.
Die inhaltliche Grundthese ist – und die hier gewählte Sprachform ist typisch für den ganzen Band: »Die ureigene und unumstößliche Besonderheit des christlichen Heils besteht da rin, daß in der jetzigen Situation, der Geschichtszeit der Kirche, das Heil ontologisch nur auf sakramentale Weise übermittelt wird.« (39 f.) Sie wird in fünf Schritten durchgeführt:
Ein einleitender Teil bestimmt die Pastoraltheologie hinsichtlich ihres erkenntnistheoretischen Status und gibt wenige knappe Hinweise zur Geschichte des Fachs. Hier wird deutlich, dass Kirche exklusiv in einem theologischen Sinne in den Blick kommt, genauer von dem »Plan her betrachtet wird, den Gott mit der Welt hat« (69). Sonst in der Pastoraltheologie übliche Hinweise auf soziologische oder psychologische Einsichten fehlen nicht nur, sondern werden als nicht hinreichend bzw. verfälschend abgelehnt (z. B. 597 f.). Methodologisch wird dieses Programm immer wieder durch Rückgriffe auf die Zeichentheorie von Augustin, teilweise Thomas bzw. in der Gegenwart É.Benveniste plausibilisiert. Bezüge zur sonstigen, vor allem deutschsprachigen Pastoraltheologie gehen über eher zufällig wirkende Stichwort-Verweise nicht hinaus.
Der erste materiale Teil ist »Das Mysterium Christi, des Hirten, im Neuen Bund« überschrieben. In immer neuen Anläufen wird hier das Hirtenamt Jesu Christi als Fundament der Pastoraltheologie ausgelegt. Dabei geht es B. darum, »zu ergründen, wie die christliche Gemeinde in einer bestimmten Situation möglichst treu und wahr bekundet, daß alles, was sie in ihrer menschlichen Natur … konstituiert, sakramental die persönliche Gemeinschaft mit dem Vater durch die Person des Sohnes im Heiligen Geist bekunden kann« (151).
Auf diesem Fundament entfaltet der Band im zweiten Teil »Pastorale Dimensionen des Taufpriestertums der Gläubigen« und im dritten Teil »Pastorale Dimensionen des zum Dienst an der kirchlichen Gemeinschaft geweihten Amtsträgers«. Dabei bietet die dogmatische Figur von den drei munera Christi für das Taufpriestertum die Gliederung, im Mittelpunkt der Überlegungen des geweihten Amtsträgers steht das Bischofsamt.
Sind bis dahin die Ausführungen grundsätzlich und allgemein, so kommt es im abschließenden Teil »Das pastorale Leben einer Christengemeinde – Entwurf und Vorschläge« immer wieder zur knappen Behandlung aktueller Problemstellungen, angefangen bei Fragen der liturgischen Praxis bis hin zur Zölibatsproblematik. Dabei zeigt sich aber die Schwäche einer Pastoraltheologie, die erfahrungswissenschaftlichen Einsichten im Begründungszusammenhang keinen Raum gewährt, sondern mit einer allgemein naturrechtlich anthropologischen Grundlegung auszukommen meint. Allgemeine dogmatische Reflexion steht unmittelbar neben pastoralklugem Hinweis. Die Vermittlung leistet da bei jeweils der direkte Rückgriff auf lehramtliche Äußerungen bzw. manchmal kirchenrechtliche Bestimmungen.
So liegt ein imposanter Band vor, der entgegen dem Trend zu einer handlungs- oder erfahrungswissenschaftlich orientierten Praktischen Theologie eine dezidiert und exklusiv römisch-katholische Perspektive auf Kirche und deren Handeln zur Darstellung bringen will. Sie kann kulturhermeneutisch vorangeschrittene Formen Praktischer Theologie an die Bedeutung theologischer Perspektiven für die Wirklichkeitswahrnehmung erinnern, auch wenn die konkrete Durchführung sich auf eine konfessionalistisch begrenzte, nur vom Wahrheitsanspruch des römischen Papstes getragene Form reduziert.
Praktisch kann der Band durch die Register (Namen, Sachen, Bibel, Dokumente der Konzilien und des päpstlichen Lehramtes) helfen, sich rasch über lehramtliche Stellungnahmen zu in formieren, und trägt so– von B. durchaus gewollt – Handbuch-Charakter.
Offensichtlich besteht angesichts des an keiner Stelle überschrittenen lehramtlichen Rahmens auch keine Notwendigkeit, mit anderen christlichen Traditionen eingehender in ein Gespräch einzutreten. Dass bei diesem Werk der Protestantismus nur en passant – und dann leider grob verkürzt – zur Sprache kommt, ist aber vielleicht nicht nur der Konzentration auf die konfessionialistisch-katholische Tradition geschuldet.