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Ausgabe:

Dezember/2005

Spalte:

1359

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Reuter, Lars

Titel/Untertitel:

Modern Biotechnology in Postmodern Times? A Reflection on European Policies and Human Agency.

Verlag:

Dordrecht-Boston-London: Kluwer Academic Publishers 2003. XII, 231 S. gr.8°. Geb. € 95,00. ISBN 1-4020-1685-9.

Rezensent:

Lars Klinnert

Kerngedanke der Untersuchung ist die von R. konstatierte Spannung zwischen einem so genannten modernen und einem so genannten postmodernen Verständnis von Biotechnologie: Einerseits basiere diese auf rationalen, willentlichen und zielgerichteten Handlungen autonomer Subjekte (z. B. im Falle eines verändernden Eingriffs in das menschliche Genom mit therapeutischer Absicht); andererseits erscheine sie zugleich als gegenüber den handelnden Personen sich emanzipierendes, menschliches Leben verobjektivierendes und daher gerade autonomie- gefährdendes gesellschaftliches Setting. Somit könne Biotechnologie nicht mehr ohne weiteres als Ausdruck menschlicher Freiheit aufgefasst, sondern müsse zugleich in ihrer Tendenz zur Unterwerfung des Individuums ernst genommen werden.
R. wendet sich daher gegen eine fortschrittsoptimistische Zwangsläufigkeit im Umgang mit verfügbaren technologischen Verfahren und fordert die Implementierung wertebasierter und partizipatorischer Kontrollmechanismen. Exemplarisch werden unter diesem Aspekt die im Jahr 2002 von der Europäischen Kommission aufgestellten forschungspolitischen Richtlinien sowie (in einem ausführlichen chronologischen Überblick) die seit den 70er Jahren von der Parlamentarischen Versammlung und vom Ministerkomitee des Europarates verabschiedeten Empfehlungen und Vereinbarungen dargestellt und analysiert.
Leider gerät der ursprüngliche Untersuchungsgegenstand – die Möglichkeit einer wirksamen politischen und rechtlichen Regulierung biomedizinischer Forschung und Anwendung in Europa – immer wieder in den Hintergrund und dient über weite Strecken nur noch als Anlass für allerlei allgemeine geistesgeschichtliche Betrachtungen über unterschiedliche Deutungsversuche menschlichen Denkens und Handelns. Dass im Anhang auf über 44 Seiten die europäische Bioethik-Konvention (samt ihren Zusatzprotokollen) abgedruckt ist, täuscht auf den ersten Blick eine ausführliche Beschäftigung mit diesem umstrittenen Dokument vor, das tatsächlich jedoch auf knappen sieben Seiten abgehandelt wird. Vor allem angesichts des unangemessen hohen Preises dürfte der vorliegende Band daher allenfalls für Spezialistinnen und Spezialisten halbwegs interessant sein.