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Ausgabe:

Dezember/2005

Spalte:

1305 f

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Hübner, Hans

Titel/Untertitel:

Wer ist der biblische Gott? Fluch und Segen der monotheistischen Religionen.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2004. XII, 215 S. 8° = Biblisch-Theologische Studien, 64. Kart. € 24,90. ISBN 3-7887-2033-6.

Rezensent:

A. F.

Das Buch entstand aus einer im Sommersemester 2003 für die Universität des dritten Lebensalters in Göttingen gehaltenen Vorlesung, deren auf Mündlichkeit hin konzipierte Gedankenführung in der Druckfassung weitgehend beibehalten wurde.
Der emeritierte Neutestamentler legt darin eine Geschichte des Monotheismus in apologetischer Absicht vor: Angesichts der u. a . von Jan Assmann vertretenen These, im Gedanken des Monotheismus als solchem liege Intoleranz begründet – nach dem 11. September 2001 bei vielen Menschen zu einem Generalverdacht gegen monotheistische Religionen ausgeweitet –, zeichnet Hans Hübner die facettenreichen Entwicklungslinien des biblischen Monotheismus nach. Daran wird deutlich, dass die verschiedenen Trägergruppen des Monotheismus durch seine Geschichte hindurch so unterschiedliche Haltungen gegen über Andersdenkenden eingenommen haben, dass sich die Behauptung eines notwendigerweise intoleranten Monotheismus historisch nicht halten lässt – ebenso wie auch das Konstrukt von dem seinem Wesen nach toleranten Polytheismus jeder Verifizierbarkeit an der Religionsgeschichte entbehrt.
Der rote Faden von H.s Darstellung liegt in der geschichtlichen Entwicklung des biblischen Gottesglaubens von der vorexilischen Monolatrie über den nachexilischen Monotheismus und dessen Ausdifferenzierung durch die Gestalt der »Weisheit« bis zum Neuen Testament.
Eingeschaltet in diesen Gedankengang werden zwei Exkurse zur Bhagavadgita und zum Islam, die beide nicht nach dem Kriterium historischer Gleichzeitigkeit ihren Ort finden, sondern jeweils rund ein halbes Jahrtausend früher. H.s Bhagavadgita-Bild dient der weiteren Illustration der Möglichkeit eines toleranten Monotheismus. Es zeugt von großer Vertrautheit mit der Schrift selbst in deutscher Übersetzung, allerdings angeleitet von der modernen Auslegung durch Sarvepalli Radhakrishnan, die den Eindruck eines toleranten Monotheismus entscheidend verstärkt.
Der Islam wird differenziert wahrgenommen. H. spricht ihn ebenso wenig wie den biblischen Glauben grundsätzlich frei von gewalttätigen Zügen, aber er verfolgt auch hier das Argument, dass sich die Haltung von Muslimen zur Gewalt nicht aus der Struktur ihres Monotheismus ableiten lasse. Bedauerlich ist, dass H. seiner eigenen Koranlektüre offenbar wenig zutraut und seine Argumentation über weite Strecken auf Tertiärliteratur stützt: Die Darstellung verschiedener christlicher Interpreten des Islam durch Andreas Renz.
Das Buch richtet sich an theologisch nicht vorgebildete Lesende und ist daher nicht an den Maßstäben einer fachwissenschaftlichen Darstellung zu messen. Die religionsgeschichtlich interessierte Öffentlichkeit aber findet hier im Vergleich zu einseitigen Monotheismus-Thesen bei Assmann u. a. die bessere Argumentationsbasis.