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Ausgabe:

Februar/2006

Spalte:

236 f

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Kasper, Walter Kardinal

Titel/Untertitel:

Sakrament der Einheit. Eucharistie und Kirche.

Verlag:

Freiburg-Basel-Wien: Herder 2004. 157 S. 8°. Geb. € 14,90. ISBN 3-451-28568-1.

Rezensent:

Friederike Nüssel

Um das noch von Papst Johannes Paul II. ausgerufene Eucharistische Jahr theologisch und pastoral einzuleiten und zu begleiten, hat der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen Kardinal Kasper das angezeigte Buch zum Sakrament der Eucharistie veröffentlicht. In sechs Abschnitten, die sich auch gut einzeln lesen lassen, werden hier zentrale theologische und praktische Fragen der Eucharistie erörtert. Eingangs widmet sich K. den praktischen Problemen, die aus der zunehmenden Säkularisierung einerseits, dem drastischen Priestermangel andererseits für das Verständnis und die regelmäßige Feier der Eucharistie entstehen. Auch und gerade unter diesen Umständen gelte es, die Eucharistie als Feier der Kirche neu zu entdecken und an ihrer Bedeutung als Höhepunkt des gottesdienstlichen Lebens festzuhalten (17–20.28.31 f.).
In ökumenischer Hinsicht lassen K.s Ausführungen zum Eucharistieverständnis erkennen, dass er die »Stolpersteine« (61) auf dem Weg zu konkreter sichtbarer Einheit nicht allein in der Amtsfrage, sondern auch im Verständnis von Eucharistie und Abendmahl selbst gegeben sieht. Obwohl wesentliche Übereinstimmungen erreicht seien, sieht er das ökumenische Grundproblem offenbar auch gegenwärtig noch in der Frage, »ob und inwiefern die Eucharistie nicht nur eine katabatische, sondern auch eine anabatische Dimension besitzt, die darin besteht, dass die Kirche als der Leib Christi in das Opfer Christi einbezogen ist und als die Braut Christi sein Opfer in gehorsamer Unterordnung mitvollzieht« (94). Im Blick auf die ökumenische Entwicklung im liturgischen Bereich mag diese Diagnose überraschen, die kontroverse innerevangelische Diskussion dazu bestätigt jedoch K.s Skepsis. K. selbst entwickelt das katholische Eucharistieverständnis in seinen zusammenfassenden Formulierungen (105) jedoch unter Verzicht auf die für evangelische Ohren problematische Rede vom Opfer der Kirche. Indem er seine Überlegungen mit einer Besinnung auf das Personsein Jesu Christi und Gottes Dreieinigkeit als Grund der Eucharistie abschließt, macht er zudem deutlich, dass die anabatische Dimension in der katabatischen gründet. Wer verstehen möchte, worum es nach katholischem Verständnis in der Eucharistie geht, wird diese Passagen des Buches mit Gewinn lesen.
Der ökumenischen Gretchenfrage nach der Möglichkeit von Eucharistiegemeinschaft nähert sich K. im Rekurs auf den Grundgedanken, dass die Sache der Eucharistie die Einheit sei (119.138). Von daher gehe man – so die erste Grundregel – »in der Kirchengemeinschaft zur Eucharistie, zu der man gehört« (138). Daneben allerdings sei als zweite Grundregel zu berücksichtigen, dass das Konzil in der Sorge um die Gnade in manchen Einzelfällen die Gottesdienstgemeinschaft empfehle (69). Entsprechend habe Papst Johannes Paul II. wiederholt betont, »es sei ihm Grund zur Freude, dass die katholischen Priester in bestimmten Einzelfällen dieses Sakrament anderen Christen spenden können« (139). Für die verantwortungsvolle Handhabung dieser Grundregel traut K. den Priestern »genügend pastorales und geistliches Feingespür« (69) zu. Die umgekehrte Frage, ob katholischen Christen die Teilnahme am evangelischen Abendmahl in Ausnahmefällen zugestanden werden könnte, wird nicht angesprochen.
Die gegenwärtige ökumenische Lage insgesamt beurteilt K. als »Zwischensituation« (61.138), da wir »schon jetzt aufgrund der einen Taufe in einer realen, wenn gleich noch nicht vollen Gemeinschaft stehen« (138). Mit Unitatis Redintegratio (UR) unterscheidet er dabei ausdrücklich »zwischen den orientalischen Kirchen, welche die vollgültige Eucharistie bewahrt haben und die wir deshalb als Kirchen anerkennen (UR 15), und den kirchlichen Gemeinschaften, welche die ursprüngliche und volle Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben (UR 22)« (138). Die Differenz im Amtsverständnis, die diesem Urteil über die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen zu Grunde liegt, thematisiert K. zwar nur am Rande, macht aber deutlich, dass die ökumenisch anzustrebende sichtbare Einheit der Kirche »ohne communio in der einen Wahrheit, in denselben Sakramenten und in Gemeinschaft mit dem einen apostolischen Amt« (142, vgl. auch 74) katholisch nicht denkbar ist.
In seiner Sichtung der ökumenischen Zukunftsperspektiven plädiert K. in Abgrenzung von progressistischen und klerikalistisch-integralistischen Utopien (61 f.) für eine geistliche »Ökumene des Lebens« (66). Diese gründe in dem in Jesus Christus gestifteten Frieden, erkenne ihren gemeinsamen Boden in den Bekenntnissen der noch ungeteilten Kirche der ersten Jahrhunderte und nehme ihren Ausgang von der Rückbesinnung auf die gemeinsame Taufe (57–60). Sie ziele nicht auf eine neue Kirche, sondern auf die Erneuerung der »alten« Kirche (140) und vollziehe sich in gegenseitiger Bereicherung (141). Dabei gehe es gegenwärtig vor allem darum, die bestehenden Möglichkeiten ökumenischer Gottesdienste und kirchlicher Zusammenarbeit zu nutzen, auszubauen und in gegenseitigem Austausch weiter voneinander zu lernen.
Zur Ökumene des Lebens gehört es für K. auch, »den Horizont zu weiten und in einer weltweiten wahrhaft katholischen Perspektive zu denken« (75). Notwendig seien eine »Osterweiterung« der Ökumene, insbesondere im Kontakt zur russischen Orthodoxie, und eine »Süderweiterung« mit Konzentration auf die sprunghaft wachsenden Pfingstkirchen in Afrika, Asien und Lateinamerika (76 f.). Letzteres wird man auch aus evangelischer Sicht verstärkt ins Auge zu fassen haben. Dennoch sollte über der weltweiten Perspektive das Problem der Eucharistiegemeinschaft nicht aus dem Blick geraten. Denn immerhin steht mit der Tatsache, dass durch die Kirchenspaltung die Feier von Eucharistie und Abendmahl für viele Menschen mit der Erfahrung von Zerrissenheit verbunden ist, die Sache der Eucharistie auf dem Spiel.