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Ausgabe:

Februar/2006

Spalte:

223 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Magin, Charlotte, u. Helmut Schwier

Titel/Untertitel:

Kanzel, Kreuz und Kamera. Impulse für Gottesdienst und Predigt. M. e. Geleitwort d. Ratsvorsitzenden d. EKD Bischof W. Huber.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2005. 214 S. 8° = Beiträge zu Liturgie und Spiritualität, 12. Kart. € 16,80. ISBN 3-374-02256-1.

Rezensent:

Beate Gilles

Seit über 25 Jahren werden Gottesdienste im ZDF regelmäßig übertragen; das Geleitwort von Bischof Huber zu dem Buch macht deutlich, dass sich in dieser Zeit viel getan hat: Ein »eigenständiges Genre« (6) hat sich entwickelt mit eigenen Gestaltungsregeln. Nun gilt es eine »Zwischenbilanz« (6) zu ziehen und die Erfahrungen auszuwerten. Die beiden Autoren Charlotte Magin (Sendebeauftragte der EKD für das ZDF) und Helmut Schwier (Praktischer Theologe) lassen dabei die in den 80er und 90er Jahren geführte Diskussion um die Übertragung von Gottesdiensten hinter sich, die ihre Aufgabe vor allem in dem kritischen Blick auf die Übertragungspraxis sah. Ein neuer Zu gang zu den Medien von Seiten der Theologie lässt auch die Zeit reif sein für einen neuen Zugang zu der Übertragung von Gottesdiensten im Fernsehen. »Der notwendige Dialog zwischen Praktischen Theologen und Fernsehgottesdienstbeauftragten soll also noch einmal neu beginnen. Zentrale Fragen bleiben: Wo begegnen sich die gottesdienstliche Feier vor Ort und die live-übertragene Fernsehproduktion? Welches Gottesdienstverständnis erweist sich für beide als tragfähig? Und: Sind es womöglich die Fernsehgottesdienste, die ein neues und lebendiges Verständnis von Gottesdienste in der Gemeinde tragen, das sich auf die Gestaltung anderer Gottesdienst auswirkt? Wie sind die Beziehungen zwischen Gottesdienst vor Ort und Fernsehgottesdienst zu beschreiben?« (17)
Nach Jahren der kritischen Diskussion um Fernsehgottesdienste innerhalb der evangelischen Theologie und Kirche ist damit ein verheißungsvoller neuer Anfang in der Auseinandersetzung mit Fernsehgottesdiensten gesetzt.
Betrachtet man die einzelnen Kapitel des Buches, so lassen schon die Überschriften erkennen, dass der Blick durch die Kamera im Hinblick auf die Liturgiegestaltung interessante Themen aufwirft: 1. Gemeinsam feiern, 2. Ideen entwickeln, 3.Verständlich reden, 4. Sich ganz einbringen, 5. Andere Kirchen und Religionen berücksichtigen, 6. Dem Evangelium et was zutrauen, 7. Planen und gestalten, 8. Den Sonntag wertschätzen, lauten die einzelnen Kapitel.
Jedes dieser Kapitel wird auf die gleiche Weise abgearbeitet: Die Überschrift wird zunächst durch ein Kriterium konkretisiert. Auf eine Annäherung über ein erzähltes Beispiel folgt in der Ausführung eine vor allem liturgietheologische Vertiefung. Daran schließen sich jeweils Beispiele aus den Übertragungen von Gottesdiensten an, die das zuvor Dargestellte veranschaulichen, und den Abschluss jeden Kapitels bildet ein Leitsatz. Damit ist jedes Kapitel in sich geschlossen und die beiden Autoren verzichten darauf, ihre Ergebnisse am Ende noch einmal gebündelt zu reflektieren. Sehr umfangreich ist mit über 60 Seiten der Anhang, der Kurzabläufe und Drehbücher verschiedener Gottesdienste enthält, auf die im ersten Teil des Buches verwiesen worden war.
Zwei kritische Bemerkungen sind zum Kernteil des Buches zu machen: In den Ausführungen bilden (liturgie-)theologische Überlegungen den Ausgangspunkt, Erfahrungen aus dem Bereich der Fernsehübertragungen werden ergänzend herangezogen, um die Argumentation zu stützen. Hier wird der Blick in die andere Richtung nicht mit derselben Intensität verfolgt und die Grenzen und Entwicklungspotentiale der Übertragungen werden nicht benannt, bestehen aber sicherlich ebenso. Es wäre schön gewesen, wenn die Autoren ihre vorhandenen Erfahrungen formuliert hätten, um denjenigen, die mit Gemeindegottesdiensten vertraut sind, auch das Spezifikum der Übertragungen im Fernsehen noch etwas näher zu bringen. Dann wäre die »wechselseitige Lernchance« (18) wirklich zum Tragen gekommen.
Bei den ausgewählten Beispielen verwundert es, dass Übertragungen aus den 80er Jahren ebenso herangezogen werden wie neuere Beispiele, ohne dass die Zeitdistanz erwähnt oder reflektiert wird; gab es keine guten aktuelleren Beispiele? Wenn dem so wäre, würde dies gegen die Grundthese des Buches sprechen, die von der Impulskraft der Übertragungen hinsichtlich der liturgischen Gestaltung ausgeht.
Gerade aber in diesem Punkt liegt die Stärke des Buches, denn eindrücklich wird in den einzelnen Kapiteln gezeigt, wie der mediale Blick für das Gestaltungspotential und die Gestaltungsaufgaben sensibilisieren und so wichtige Impulse für den liturgischen Alltag geben kann. Von hoher Qualität sind vor allem Konkretisierungen und Planungshilfen. Insgesamt bilden sie ein exzellentes Aufgaben- und Frageraster zur Vorbereitung von Gottesdiensten. Hier ist zu spüren, dass Menschen der Praxis dieses Buch geschrieben haben, deren Kompetenz nicht nur in der liturgischen Gestaltung liegt, sondern vor allem darin, andere in der Gestaltung zu begleiten. Im Vordergrund des Buches stehen nicht die konkreten Tipps, sondern der Horizont der Leser wird so erweitert, dass diese gut gerüstet sind, um in dem je eigenen Kontext stimmige Ideen zu entwickeln. Von daher lohnt sich die Lektüre für alle, die Gottesdienste gestalten.