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Ausgabe:

Februar/2006

Spalte:

193–196

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst

Titel/Untertitel:

Kritische Gesamtausgabe. II. Abtl.: Vorlesungen. Bd. 16: Vorlesungen über die kirchliche Geographie und Statistik. Hrsg. v. S. Gerber.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 2005. L, 584 S. gr.8°. Lw. € 178,00. ISBN 3-11-017929-6.

Rezensent:

Ingolf U. Dalferth

1. Als Abschluss der I. Abteilung der KGA der Werke Schleiermachers ist 2005 der von L. Emersleben unter Mitwirkung von E. Blumrich, M. Hoffmann, S. Mann und W. Teifke an der Schleiermacher-Forschungsstelle Kiel erstellte Registerband er schienen.
Geboten werden acht Verzeichnisse in drei Abteilungen, die das effiziente Arbeiten mit Sch.s Schriften in dieser Abteilung erheblich erleichtern. In einem ersten Teil (»Schriftenverzeichnis«) werden die in den Bänden der I. Abteilung edierten Schriften Sch.s zunächst alphabetisch (3–14) und dann chronologisch (15–28) aufgeführt. Ergänzt wird das durch ein Verzeichnis der Texte, die in den Bandanhängen abgedruckt sind (29–34). Ein zweiter Teil bietet »Register der Personen, Begriffe/Sachen und Bibelstellen« (35–362). Das Personenregister (37–176) umfasst gegenüber den entsprechenden Registern der Einzelbände auch die Namen biblischer Personen und führt die von Sch. erwähnten Personen mit vollem Namen, Lebensdaten und (meist) Beruf auf. Das Bibelstellenregister (325–362) fasst die Register der Einzelbände zusammen, bietet ihnen gegenüber aber nichts Neues. Neu und von besonderer Bedeutung dagegen ist das Register der Begriffe/Sachen (177–323), das den eigentlichen Gewinn dieses Bandes darstellt. Die Begriffe sind in enger Anlehnung an Sch.s eigene Begrifflichkeit ausgewählt und ermöglichen es daher gut, die Texte Sch.s thematisch und systematisch zu erschließen. In einem dritten Teil (»Literaturverzeichnis«) werden schließlich die »Von Schleiermacher benutzte Literatur« (365–485) sowie die »Von den Bandeditoren angeführte Literatur« (487–612) aufgeführt. Allen Registern sind einleitende Bemerkungen vorangestellt, die den Gebrauch der jeweiligen Register präzis und hilfreich erläutern. In einem abschließenden Abschnitt werden »Addenda und Corrigenda zur I. Abteilung« zusammengestellt, (615–634) die G. Meckenstock gesammelt hat. Sie werden in der Abfolge der Bände geboten und bieten einige wichtige Korrekturen und Ergänzungen.
Damit ist der schon umfangreiche Registerband aber nicht abgeschlossen. In einem voluminösen Anhang ist dem Register auf den Seiten 635–912 die zweite, erweiterte und verbesserte Auflage von G. Meckenstocks ›Schleiermachers Bibliothek nach den Angaben des Rauschschen Auktionskatalogs und der Hauptbücher des Verlags G. Reimer‹ beigebunden. Ob dieser Anhang wirklich nötig gewesen wäre, wird man sich fragen müssen. Hätte es nicht genügt, die neu gefundene Literatur zum Rauschschen Auktionskatalog sowie aus dem erst 1997 wieder entdeckten Hauptbuch I von Reimer für die Jahre 1800–1808 in Sonderlisten aufzuführen und nicht das ganze Verzeichnis in ergänzter und korrigierter Form neu abzudrucken, zumal auch dieser Bearbeitung das zusätzliche Material in zwei Sonderlisten zum Rauschschen Auktionskatalog (857–860) sowie in drei Sonderlisten zu den Hauptbüchern des Reimer-Verlags (900–912) angefügt wurde? Hier dürfte des Guten zu viel getan worden sein. Der einzige Sachgrund für den Anhang scheint zu sein, dass im Register der von Sch. benutzen Literatur diejenigen Werke, die sich nachweislich in seiner Bibliothek befanden, nur per Kurztitel genannt werden und mit dem Kürzel SB auf die ausführlichen Angaben im Anhang verwiesen wird. Aber dieses Problem hätte sich anders lösen lassen, und der Band wäre dadurch wesentlich handlicher (und vermutlich auch billiger) geworden.
2. Einen Gewinn für das Verständnis der Theologie Sch.s stellen die »Vorlesungen über die kirchliche Geographie und Statistik« dar (KGA II/16), die Simon Gerber von der Schleiermacher-Forschungsstelle der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften herausgegeben hat. In den von L. Jonas edierten ›Sämmtlichen Werken‹ war die Veröffentlichung der Statistik zwar vorgesehen, ist aber nie zu Stande gekommen. So war man bisher auf die knappen Bemerkungen in der »Kurzen Darstellung des theologischen Studiums« angewiesen, in denen Sch. diese von ihm neu konzipierte theologische Disziplin in Umrissen vorstellte. Zwar war der Begriff ›Statistik‹ seit Mitte des 18. Jh.s im Deutschen in Gebrauch (als Bezeichnung der Lehre von der Geographie, Größe, Macht sowie anderen inneren und äußeren Verhältnissen der Staaten), und seit 1804 lag mit der Veröffentlichung von Carl Friedrich Stäudlins Tübinger Vorlesungen auch eine »Kirchliche Geographie und Statistik« vor. Aber Sch. gab dem Begriff eine neue Bestimmtheit, indem er darunter in Abgrenzung von Dogmatik und Symbolik die Darstellung der Zustände der Religionen bzw. christlichen Kirchen zu einem bestimmten Zeitpunkt verstand. Statistik hat es nicht mit dem Lehrbegriff in theoretischer (Dogmatik) und praktischer Hinsicht (Sittenlehre), sondern mit der realen Verfasstheit der Kirche zu tun. Sie schöpft bei Sch. selbst ihre Kenntnisse aus der Beschäftigung mit Religionsgeographie, politischer Statistik, Kirchengeschichte, Kirchenrecht und dem Vergleich der jeweils bestehenden Kirchenparteien. Dargestellt werden die »morgenländische Kirche« (Nestorianer, Monophysiten und griechische Kirche) und die »abendländische Kirche« (die römisch-katholische Kirche und die evangelische Kirche, einschließlich der anglikanischen Kirche), und zwar jeweils nach einzelnen Staaten und Ländern (sofern Sch. zu ihnen Informationen besaß) im Vorderen Orient, in Europa, im russischen und osmanischen Reich, aber auch mit einem Ausblick auf Mittel- und Südamerika.
Sch. musste sich dieses Material aus sehr unterschiedlichen Quellen weithin erst selbst erarbeiten und hat deshalb diese früh konzipierte Disziplin erst recht spät und dann nur zweimal in Vorlesungen behandelt (1827 und 1833/34; 1826 war sie angekündigt, wurde aber nicht gehalten). Sein Manuskript ist dementsprechend vor allem eine nach Themen geordnete Materialsammlung, aus der er beim Vortrag schöpfte. Neben diesem etwa 100 Seiten umfassenden Manuskript bietet der vorliegende Band im Haupttext von insgesamt sieben vorliegenden Nachschriften die ausführliche Vorlesungsnachschrift eines Anonymus von 1827 sowie eine relativ schlechte, aber als einzige überlieferte Nachschrift von K. Ohle von 1833/34. Bis auf eine Nachschrift, die in der Bibliothek des Union Theological Seminary in New York aufbewahrt wird (E. Finkl), befinden sich alle herangezogenen Vorlesungsnachschriften in Berlin, in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz (Anonymus; E. Stolpe; J. Schmidt; W. Brodkorb; K. Ohle) bzw. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (E. Schubring; R. Röseler).
Die Edition folgt im Wesentlichen den Grundsätzen für die II. Abteilung in KGA II/8, I–XVI, bietet also eine vollständige Wiedergabe von Nachschriften für jedes Semester, da sich aus Sch.s Manuskript kein Bild über den tatsächlichen Inhalt und Verlauf der beiden Vorlesungen gewinnen lässt. Eine sachkundige »Historische Einführung« des Bandherausgebers bietet die nötigen Informationen zur Vorgeschichte, den drei Vorlesungen und der Nachgeschichte von Sch.s Statistik (X–XXXVI). Mit Recht wird herausgestellt, dass »sich Schleiermachers kirchliche Statistik« trotz mancher Anregungen »nicht als theologische Disziplin durchsetzen« konnte (XXXVI). Der »Editorische Bericht« gibt Auskunft über das Editionsverfahren, das Manuskript Sch.s und die abgedruckten Vorlesungsnachschriften (XXXVII–XLIX). Die gesamte Einleitung des Bandherausgebers ist erfreulich konzentriert und beschränkt sich auf das Wesentliche. Ausführlicher sind demgegenüber die oft langen Erläuterungen im Herausgeberapparat zu Sch.s Manuskript. Da dieses eine Material- und Notizensammlung zu vielen Fakten und Namen ist, die heutigen Lesern wohl eher unbekannt sein dürften, ist in diesem Fall die größere Ausführlichkeit aber angebracht und hilfreich. Das gilt auch für die konsequente Zuordnung von Sch.s Exzerpten zu den von ihm ausführlich herangezogenen Vorlesungen von Stäudlin. Mit dieser dankenswerten editorischen Hilfestellung wird es möglich, Sch.s Ausführungen anhand der von ihm herangezogenen Materialien bis in die von ihm benutzten, aber nur gelegentlich genannten Quellen hinein zu verfolgen.
Am Schluss des Bandes werden eine Reihe von Synopsen geboten, die nachvollziehbar machen, auf welche Teile seines Manuskripts sich Sch. in den einzelnen Stunden der Vorlesungen von 1827 bzw. 1833/34 bezogen hat. Ein Literaturverzeichnis sowie ein Personen-, Orte-, Sachen- und Bibelstellenregister beschließen den wiederum rundum gelungenen Band.