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Ausgabe:

Februar/2006

Spalte:

180 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Campi, Emidio [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Heinrich Bullinger und seine Zeit. Eine Vorlesungsreihe.

Verlag:

Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2004. 324 S. m. Tab. gr.8° = Zwingliana, 31. Geb. € 30,00. ISBN 3-290-17306-2.

Rezensent:

Herman Selderhuis

Das Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte in Zürich hat sich mit Erfolg dafür eingesetzt, anlässlich des 500. Geburtstages Heinrich Bullingers die Forschung zur Theologie und Person des Reformators nicht nur anzuregen, sondern diese auch selbst mit Veröffentlichungen zu bereichern.
In dieser Hinsicht sei zuerst auf den ersten Band einer Ausgabe der wichtigsten Schriften Heinrich Bullingers hingewiesen. Im Auftrag des Zwinglivereins soll eine siebenbändige Ausgabe erscheinen, die in Konzept und äußerer Form der vierbändigen Zwingli-Ausgabe (1995) gleich ist. Es geht um eine vollständige Wiedergabe der einzelnen Werke in deutscher Sprache. Der erste Band enthält Das Amt des Propheten (1532), Das Testament oder der Bund (1534), Unterweisung der Kranken (1535), Der alte Glaube (1537), Der Ursprung des Irrglaubens (1539), Der christliche Ehestand (1540) und Gegensatz und kurzer Begriff (1551). Jedes Werk wird vom jeweiligen Bearbeiter eingeleitet. Die Anmerkungen sind knapp und präzise und reichen sicher aus für das breitere Publikum, für das diese Ausgabe vor allem bestimmt ist. Obwohl die Reihe noch nicht vollständig ist, wird mit der Auswahl für diesen ersten Band schon deutlich, wie eigenständig die Theologie Bullingers ist und dass er viel mehr ist als ›nur‹ der Nachfolger Zwinglis. Diese Eigenständigkeit ist verbunden mit einer Relevanz für die heutige Theologie, Kirche und Welt, die es erhoffen lässt, dass bald auch die restlichen Bände erscheinen werden.
Den Bearbeitern des besprochenen Werkes begegnen wir zusammen mit einigen anderen Spezialisten auch in der Sonderausgabe der Zwingliana, die ebenfalls Bullinger gewidmet ist. Diese Aufsatzsammlung geht zurück auf eine Vorlesungsreihe an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich, die 2003 stattfand. Emidio Campi zeichnet ein klares kirchengeschichtlich-theologisches Porträt Bullingers. Campi zeigt deutlich, wie sehr manche Ansichten zu Bullingers Theologie revisionsbedürftig sind. Peter Stotz und Hans Ulrich Bächtold behandeln Bullinger als Historiker bzw. sein Bild des Mittelalters und seinen Beitrag zur Geschichtsschreibung der Schweiz. Urs Leu zeichnet ein interessantes Bild von der Zürcher Buch- und Lesekultur zwischen 1520 und 1575. Die Beiträge von Irena Backus und Thomas Krüger beschäftigen sich mit der Schriftauslegung des Reformators. Backus kommt zu dem Schluss, dass Bullinger an der Einheit des Alten und Neuen Testaments festhält, aber seine besondere Aufmerksamkeit der Auslegung der Evangelien gilt. Krüger behauptet anhand von Predigten, dass dieses Bekenntnis zur Einheit der Schrift zu einer gewissen Vereinheitlichung der inneren Vielfalt der Bibel geführt hat. Die Untersuchung von Bullingers Umgang mit den griechischen Kirchenvätern bringt Silke-Petra Bergjan zu dem Ergebnis, dass es bei Bullinger eine Spannung zwischen historischer Arbeit und konfessioneller Auseinandersetzung gibt. Alfred Schindler stellt auf Grund der Verwendung der lateinischen Kirchenväter fest, dass Bullinger neben einer positiven Rezeption auch eine kritische Einstellung zu den Patres hat. Die Ausstrahlungen auf Ungarn und Polen werden von Erich Bryner beschrieben. Andres Mühling analysiert die Kirchenpolitik Bullingers und entkräftet nochmals die These, dass die internationale Orientierung von Zürich nach Zwinglis Tod auf Genf übergegangen sei. Die Theologie Bullingers wird im Aufsatz von Peter Opitz behandelt. Zentraler Gedanke bei Bullinger ist die communio cum Christo und nicht der Bund, wie oft behauptet worden ist. Pierre Bühler behandelt die Confessio Helvetica Posterior und interpretiert dieses Bekenntnis als eine kompakte Dogmatik. Im letzten Aufsatz beschreibt Detlef Roth gründlich Bullingers Eheschriften, die, besonders in England, große Verbreitung gefunden haben.
Der Aufsatzband kann wegen der Vielfalt der Themen als ein Gesamtüberblick zu Bullingers Werk und Leben verstanden werden, aber er zeigt zugleich, wie viel es in der Bullingerforschung noch zu tun gibt.