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Ausgabe:

Februar/2006

Spalte:

145

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Gnilka, Joachim

Titel/Untertitel:

Bibel und Koran. Was sie verbindet, was sie trennt. 4. Aufl.

Verlag:

Freiburg-Basel-Wien: Herder 2004. 216 S. 8°. Kart. € 14,90. ISBN 3-451-28316-6.

Rezensent:

Horst Georg Pöhlmann

Nach dem »historischen Hintergrund« und einem »allgemeinen Vergleich« von Bibel und Koran werden folgende spezielle Themen im Vergleich der beiden heiligen Bücher behandelt: 1. »Das Gottesbild«, 2. »Die Welt als Gottes Schöpfung«, 3. »Schöpfungsmittler«, 4. »Die Sendung der Gottesboten und ihr Schicksal«, 5. »Jesus – Christologie«, 6. »Jesuslogien im Koran?«, 7. »Die gemeinsame Berufung auf Abraham«, 8. »Das Menschenbild«, 9. »Eschatologie«, 10. »Juden – Christen – Muslime«, 11. »Ethische Weisung: Dekalog, heiliger Krieg und anderes«.
Kann man Bibel und Koran miteinander vergleichen trotz des verschiedenen Schriftverständnisses? Der Vf. bringt den überzeugenden Nachweis, dass man das kann. Er bietet eine tiefenscharfe und detailgenaue Bestandsaufnahme, die die Gemeinsamkeiten zwischen Bibel und Koran aufweist, ohne die echten Gegensätze zu vertuschen – wie das oft im christlich-islamischen Dialog geschieht. Verstaubte apologetische Vorurteile gegenüber dem Islam werden widerlegt, Fehldeutungen ausgeräumt. Das Buch bietet in seinem religionsgeschichtlichen Vergleich enorme Informationen, kein relevantes Thema und Problem wird ausgelassen. Es hebt sich gerade durch seinen Informationswert von anderen Veröffentlichungen ab, die sehr oft nur Themenschwerpunkte bringen und einseitig informieren. Ein Buch, das nicht durch Sensationsmache, sondern durch Solidität besticht. Eine sachlich ausgewogene Expertise, die frei ist von jeder Polemik und Apologetik, wie sie in der christlichen Wahrnehmung des Islam leider immer noch gang und gäbe ist – ganz zu schweigen vom Feindbild Islam in den Massenmedien. Über dem religionsgeschichtlichen Vergleich kommt in dem Buch freilich die interreligiöse Verständigung und Durchdringung etwas zu kurz. Mitunter unterlaufen dem Vf. auch groteske Fehldeutungen wie die, der Gott Mohammeds sei »der absolut Transzendente«, zum Gott des Koran hätten »die Menschen keinen Zugang«. Wenn dies so wäre, welchen Sinn hätte dann das fünfmalige tägliche Gebet der Moslems? Ganz zu schweigen von der islamischen Mystik, die nach Annemarie Schimmel Wesensmerkmal, nicht Randphänomen des Islam ist. Hat doch der Koran sogar die jüdische Schechinalehre übernommen, wie etwa in Sure 48,4: »(Allah) ist’s, der hinabgesandt hat die Gegenwart (Sakina) in die Herzen der Gläubigen«. Ein anderes Missverständnis des Islam, das dem Vf. unterläuft, ist seine Meinung, »der Mensch erlöst sich in gewisser Weise selbst« im Islam. Ich habe in meinen Dialogen ganz andere Auskünfte bekommen. Nach M. Razvi ist Gott nach dem Koran der einzige Erlöser; der Mensch könne sich nicht selbst erlösen (Sure 4,49; 53,32).
Der Vf. kommt zu dem Schluss: »Das Bekenntnis zu Jesus Christus, das die christliche Kirche prägt, ist der Scheidepunkt, an dem die Wege auseinander gehen. Es ist das Bekenntnis zu Jesus, dem Messias und Gottessohn … Muhammed war nicht bereit, diesen Glauben, den er kennen lernte, zu übernehmen« trotz aller Hochschätzung Jesu als Propheten.
Es sind vor allem »zwei Aspekte in Bibel und Koran«, die Christen und Moslems näher bringen und einen: »Einmal ist es die Berufung auf Abraham. Mit der Erwählung Abrahams beginnt die ›Heilsgeschichte‹ … Abraham ist unser aller Vater des Glaubens«. »Der zweite Aspekt ist der Glaube an Gott den Schöpfer, der die Konsequenz in sich schließt, dass wir uns als Geschöpfe dieses Gottes verstehen … Die Erkenntnis, Geschöpf zu sein, stößt uns gemeinsam zur Verantwortung für die Schöpfung«.