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Ausgabe:

Februar/2006

Spalte:

123–130

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Pannenberg, Wolfhart

Titel/Untertitel:

Der Glaube an Gott und die Welt der Natur

Der christliche Glaube an Gott, den Vater, an den sich das Gebet Jesu mit der Bitte um das Kommen seines Reiches richtet, ist untrennbar von dem Glauben, dass er der Schöpfer der Welt ist. Für Jesus wie für die ersten Christen war der Schöpfungsglaube durch das Alte Testament vorgegeben, und ohne diesen Glauben, dass Gott der Schöpfer nicht nur des Menschen, sondern des ganzen Universums ist, könnten auch wir nicht in unserem Leben mit Gott rechnen, ihm vertrauen und uns auf ihn verlassen. Martin Luther hat 1529, in seinem Großen Katechismus, zur Begründung des Glaubens an Gott den Vater gesagt: »Außer diesem einigen halte ich nichts für Gott; denn sonst keiner ist, der Himmel und Erden schaffen könnte« (1. Artikel). Das ist eine sehr starke Behauptung. Besagt sie doch, dass kein anderer Erklärungsgrund für das Dasein der Naturwelt und ihrer Gestalten ernsthaft konkurrieren könnte mit dem Verweis auf Gott den Schöpfer. Um die Plausibilität dieser Behauptung des christlichen Glaubens geht es im Dialog christlicher Theologie mit den Naturwissenschaften. Die Welterkenntnis der Naturwissenschaften und der biblische Schöpfungsglaube können sich nicht einfach gleichgültig zueinander verhalten. Denn es geht bei beiden um dieselbe eine Welt. Jedenfalls die theologische Auslegung des Schöpfungsglaubens muss sich deshalb positiv auf die Welt der Natur beziehen, so, wie sie von den Naturwissenschaften beschrieben wird.
Das hat übrigens die Theologie schon vom biblischen Schöpfungsbericht an getan, wie er im ersten Kapitel der Bibel vorliegt. Bei einer Reihe von Vorstellungen des Schöpfungsberichts sind Beziehungen zum Stand der Welterkenntnis nachgewiesen worden, wie er in der Zeit seiner Abfassung, also im 7. und 6. Jh. v. Chr. vorhanden war, besonders Beziehungen zu den Vorstellungen des babylonischen Weltentstehungsepos enuma elish. So geht die Vorstellung von der Entstehung des Himmels über der Erde auf das babylonische Epos zurück. Beide, Himmel und Erde, sind danach aus einem Urmeer entstanden. Das Urmeer wurde von Gott geteilt dadurch, dass er das Himmelsgewölbe schuf, ein glockenförmiges Gebilde, das die Wasser über dem Gewölbe davon abhielt, nach unten zu stürzen. Die Folge war, dass die unteren Wasser keinen Nachschub von oben mehr bekamen und sich an tieferen Stellen sammelten, so dass das Trockene hervortrat (1Mose 1,9). Das ist die Entstehung der Erde. Die handgreifliche Vorstellung davon im biblischen Schöpfungsbericht stammt also aus Babylonien und gibt sozusagen das naturwissenschaftliche Wissen der Zeit wieder. Zu diesem sehr rationalen, handwerklichen Bild gehört auch die Erklärung für die Möglichkeit des Regens auf Erden: Am Himmelsgewölbe sind Luken angebracht, und wenn diese geöffnet werden, kommt etwas von dem Wasser des oberen Ozeans, der durch das Himmelsgewölbe von der Erde abgehalten wird, auf die Erde herab. Wenn man dort oben aber vergisst, die Luken wieder zu schließen, kommt es auf Erden zu einer Sintflut, wie die Bibel es an späterer Stelle berichtet.
Schon der biblische Schöpfungsbericht hat also das Naturwissen seiner Zeit in Anspruch genommen für die Beschreibung der Schöpfertätigkeit Gottes. Die Kenntnisse und Vorstellungen von der Entstehung von Himmel und Erde haben sich natürlich seit dem 7. Jh. v. Chr. erheblich verändert, und der Autorität des biblischen Schöpfungsberichts für die heutige Menschheit wird man nicht dadurch gerecht, dass man sich an die einzelnen biblischen Vorstellungen von einem Firmament, einer Himmelsglocke und von den Wassern über und unter der Himmelsglocke klammert. Seine Autorität hat der biblische Schöpfungsbericht vielmehr darin, dass er ein Vorbild darstellt für die Inanspruchnahme des Naturwissens der jeweiligen Zeit für den Zweck, Gottes Verfahren bei der Weltschöpfung zu verdeutlichen. Wenn wir uns versteifen auf einzelne biblische Vorstellungen, die nur einen für unsere Zeit längst überholten Wissensstand über das Naturgeschehen repräsentieren, dann kommt es zu unnötigen Gegensätzen zum heutigen wissenschaftlichen Naturverständnis. Solche unnötigen Gegensätze haben das Verhältnis zwischen Theologie und Naturwissenschaft in der Vergangenheit schwer belastet. Es gibt natürlich auch echte, mehr oder weniger tiefgehende Differenzen. Eine gute Theologie wird sorgfältig zwischen diesen beiden Fällen unterscheiden. Sie wird die unnötigen Gegensätze möglichst vermeiden oder bereinigen und die wirklichen Differenzen zu klären suchen mit dem Ziel, die heutige Kenntnis des Naturgeschehens in ähnlicher Weise in Anspruch zu nehmen für die Erläuterung des Bekenntnisses zur Schöpfung der Welt durch den Gott der Bibel, wie das der biblische Schöpfungsbericht selbst getan hat mit Hilfe der Naturkenntnisse der damaligen Zeit.
Im 18. und 19. Jh. war das Verhältnis zwischen Schöpfungsglaube und Naturwissenschaft durch scharfe Gegensätze geprägt. Sie waren weitgehend das Ergebnis einer mechanistischen Beschreibung und Erklärung des Naturgeschehens durch die klassische Physik. Schon der französische Philosoph René Descartes hatte diese Betrachtungsweise begründet, indem er alle Veränderungen im Naturgeschehen als Wirkungen einer Übertragung von Bewegungsimpulsen der Körper aufeinander auffasste. Gott habe die Körper mit Bewegung geschaffen und erhalte sie darin, und zwar unveränderlich. Er sei darum nicht Ursprung ihrer Veränderungen, die vielmehr auf die Einwirkungen der Körper aufeinander zurückgehen. Kein Geringerer als Isaac Newton befürchtete, dass eine solche Betrachtungsweise zum Atheismus führen müsse, weil Gott so bei den Veränderungen im Naturgeschehen keine Rolle mehr spiele. Newton suchte diese Konsequenz durch seinen Begriff der Kraft zu vermeiden, die er nicht nur als mechanische Bewegungsübertragung verstanden wissen wollte, sondern auch als über Distanzen hinweg wirkende Kraft wie im Falle der Schwerkraft. Sie galt ihm als Beispiel dafür, dass Gott durch seinen Willen das Naturgeschehen lenkt, so wie wir durch unseren Willen unseren Körper lenken können. Doch die Nachfolger Newtons im 18. Jh. interpretierten seine Lehre von Kraft und Bewegung wieder ganz mechanistisch, so dass alle Kraft als ausgehend von Körpern gedacht wurde. Dadurch war natürlich Gott von aller Einwirkung auf das Naturgeschehen ausgeschlossen, weil Gott, was immer er ist, jedenfalls kein Körper ist. Erst mit der Einführung des Feldbegriffs durch Michael Faraday und durch den Aufstieg des Feldbegriffs von der Beschreibung elektrischer und magnetischer Kraftfelder zu einem der Grundbegriffe der Physik überhaupt eröffnete sich wieder eine Möglichkeit, ein schöpferisches Einwirken Gottes auf das Naturgeschehen zu denken, wie es Faraday sich tatsächlich vorgestellt hat. Denn er verstand Kraftfelder nicht als Funktion von Körpern, sondern neigte eher um gekehrt dazu, die Existenz und den Bestand von Körpern als Wirkung von Kraftfeldern aufzufassen. Der physikalische Feldbegriff ist allerdings auf dem Weg von Faraday zu Einstein und zur Quantenfeldtheorie vielerlei Veränderungen ausgesetzt gewesen. Dennoch konnte der bedeutende und um den Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaft verdiente britische Theologe Thomas Torrance 1969 den Feldbegriff für das Wirken des göttlichen Geistes im Naturgeschehen in Anspruch nehmen. Ich werde darauf noch zurückkommen.
Durch die mechanistische Naturbeschreibung zusammen mit dem Glauben an die Anfangslosigkeit und Endlosigkeit der Welt ist im 18. und 19. Jh. eine tiefgehende Entfremdung zwischen Naturwissenschaft und christlichem Schöpfungsglauben eingetreten. Für viele Menschen schien diese Entfremdung ihren Höhepunkt (oder Tiefpunkt) zu erreichen mit der Evolutionstheorie Darwins, weil hier nun auch die Entstehung der Lebewesen und ihrer Arten nicht mehr die Annahme eines zweckvoll handelnden, intelligenten Schöpfers zu erfordern schien, sondern vielmehr als Ergebnis eines quasi mechanischen Zusammenwirkens von zufälligen Varianten des Lebens und einer Selektion durch die Umweltbedingungen verständlich zu sein schien. Es hat allerdings in den leidenschaftlichen Diskussionen um Darwins Theorie schon früh Theologen gegeben, die Darwins Theorie nicht als den letzten Triumph eines mechanistischen Weltbildes einschätzten, sondern als Durchbruch zu einem ganz neuen Bild des Naturgeschehens, nämlich zur Auffassung des Naturgeschehens als einer Geschichte des Lebens von primitiven Anfängen bis hin zur Entstehung des Menschen. Diese Geschichte der Lebensformen konnte in der Perspektive der biblischen, heilsgeschichtlichen Betrachtungsweise als Vorgeschichte der Heilsgeschichte Gottes mit der Menschheit gesehen werden, so dass die Inkarnation Gottes in Jesus Christus sich nun als Höhepunkt und Vollendung der Evolution des Lebens darstellte.
Das ist die Konzeption, die ein Kreis britischer Theologen 1889 in dem von Charles Gore herausgegebenen Band Lux Mundi vorgetragen hat. Diese großzügige Konzeption hat eine ganze Reihe von späteren britischen Evolutionstheologen inspiriert wie William Temple und gegenwärtig Arthur Peacocke, und ihr verwandt war auch das Denken von Teilhard de Chardin. Beiträge zur weiteren Entwicklung der Evolutionstheorie aus dem 20. Jh. wie der Gedanke einer »emergent evolution« als eines Lebensprozesses, der immer wieder Neues entstehen lässt, haben in dieselbe Richtung einer na turgeschichtlichen Deutung der Evolution gewirkt.
Der stärkste Anstoß zur Auffassung des Naturgeschehens als einer Geschichte der Natur ist im 20. Jh. von der physikalischen Kosmologie ausgegangen. Die Beobachtung, dass die Sternsysteme sich zunehmend weiter voneinander entfernen, führte zu der Annahme, dass unser gesamtes Universum vor etwa 15 Milliarden Jahren auf engstem Raum zusammengedrängt gewesen sein muss und damals mit einer Urexplosion, einem »big bang«, begonnen hat sich auszudehnen. Im Prozess dieser Ausdehnung und der damit verbundenen Abkühlung des sehr heißen Anfangszustandes haben sich dann erst feste Körper, die uns bekannten Elemente, Atome und Moleküle, bilden können sowie schließlich Sterne und Sternsysteme. Schon 1948 hat der bekannte Göttinger Physiker, später Philosoph, Carl Friedrich von Weizsäcker, diesen Prozess als eine »Geschichte der Natur« beschrieben, bis hin zur Entstehung des Lebens auf der Erde, unter den besonderen auf diesem Planeten gegebenen Bedingungen, und schließlich bis zur Entstehung des Menschen.
Eine solche Betrachtung des Naturgeschehens ergibt ein Bild, das sich tiefgreifend unterscheidet von dem Weltbild, das die neuere Physik in den Jahrhunderten zuvor den Menschen vermittelt hat. Nicht nur hatte die Welt der Natur als anfangslos und endlos gegolten, sondern die Naturprozesse erschienen auch als grundsätzlich umkehrbar, reversibel und als wiederholbar. Die neue naturwissenschaftliche Kosmologie dagegen, für die das Universum mit einem Urknall begonnen hat und sich seitdem immer weiter ausdehnt, fasst den Weltprozess als eine einmalige und unumkehrbar ablaufende Geschichte auf. Das besagt bereits, dass jeder Moment in der Geschichte des Universums als etwas Neues eintritt, das nur beschränkt vergleichbar ist mit allem Vorhergegangenen und daher auch nur beschränkt die Gleichförmigkeiten im Geschehensablauf aufweist, die durch die naturwissenschaftlichen Gesetzesformeln beschrieben werden. Das Moment der Kontingenz, des unberechenbar Neuen im Ablauf der Ereignisse, hat ein immer größeres Gewicht in der Naturwissenschaft des 20. Jh.s gewonnen, zuerst durch die Quantenphysik, für die jedes einzelne Ereignis streng genommen unvorhersehbar neu ist, obwohl der Ablauf der Ereignisse im Großen statistischen Regelmäßigkeiten folgt. Der Physiker Hans-Peter Dürr hat zu diesem Sachverhalt einmal gesagt: »… diese Welt ereignet sich gewissermaßen in jedem Augenblick neu«. Sodann hat Ilya Prigogine zusammen mit seiner Mitarbeiterin Isabelle Stengers seit 1980 nachgewiesen, dass in Strömungsvorgängen fern vom thermonuklearen Gleichgewicht »chaotische« Situationen auftreten können mit unvorhersehbar neuen Ereignissen, die aber dem ganzen Prozess eine neue Richtung geben können. Die naturgesetzliche Ordnung des Geschehens wird dadurch nicht durchbrochen, aber sie er weist sich, mit John Polkinghorne zu sprechen, als »elastischer«, als frühere Generationen mit ihrem Bild von einer deterministisch rigiden Geschlossenheit des Naturgeschehens sich das vorstellen konnten.
Das neue Bild von der Geschichtlichkeit der Natur und besonders die neue naturwissenschaftliche Kosmologie, die das Universum mit einem Urknall vor begrenzter Zeit beginnen lässt, hat vielfach den Eindruck einer größeren Nähe zur biblischen Sicht eines Anfangs der Welt mit einem göttlichen Schöpfungsakt entstehen lassen, als das vordem für möglich gehalten wurde. So hat Papst Pius XII. 1951 die neue physikalische Kosmologie als Bestätigung des christlichen Schöpfungsglaubens mit seiner Annahme eines Anfangs des Universums vor endlicher Zeit begrüßt und darin sogar den Ansatzpunkt eines neuen Beweises für die Existenz eines Schöpfers gesehen. Später ist der Sachverhalt zurückhaltender und realistischer eingeschätzt worden. Doch spricht der katholische Philosoph Ernan Mc Mullin mit Recht von einer heute wieder bestehenden »Konsonanz«, einer Harmonie zwischen christlichem Schöpfungsglauben und Naturwissenschaft. Die naturwissenschaftliche Kosmologie liefert keinen Beweis für die Richtigkeit des Schöpfungsgedankens. Dazu sind ihre Annahmen zu vieldeutig. Aber sie steht auch nicht mehr im Widerspruch zum Schöpfungsglauben, und dieses Urteil trifft nicht nur auf die Frage nach dem Anfang des Universums zu, sondern gilt auch – was vielleicht noch wichtiger ist – für die ganze Konzeption einer Geschichtlichkeit der Natur. Diese neue Situation ermöglicht es der Theologie heute, die biblische Lehre von der Schöpfung der Welt durch den Gott der Bibel wieder mit den Mitteln unserer heutigen Welterkenntnis zu erläutern und darzustellen, so wie das der Schöpfungsbericht im ersten Kapitel der Bibel mit den Mitteln der Welterkenntnis, die zu seiner Zeit gegeben waren, versucht hat. Heutige Theologie wird dabei nicht mehr von der Erschaffung eines Firmaments, einer Himmelsglocke sprechen, durch die der Schöpfer Himmel und Erde voneinander getrennt habe. Sie wird vielmehr sagen, dass Gott das Universum und die Fülle seiner geschöpflichen Gestalten hervorgebracht habe durch den Prozess der Abkühlung des ursprünglichen heißen Anfangszustandes bei fortschreitender Expansion des Universums. Der Vorgang der kosmischen Abkühlung ist sozusagen das Instrument, oder ein besonders wichtiges Instrument, dessen sich Gott bei seiner Schöpfertätigkeit bedient hat. So wie ja auch der biblische Schöpfungsbericht davon spricht, dass Gott sich bei seiner Schöpfungstätigkeit der Mitwirkung schon existierender Geschöpfe bedient. Insbesondere gilt das im biblischen Schöpfungsbericht von der Erde, die nach 1Mose 1,11 von Gott aufgefordert wird, Vegetation hervorzubringen. Das bedeutet in unserer heutigen Sprache Entstehung von Organismen aus anorganischer Materie, so wie das heutige Hypothesen zur ursprünglichen Entstehung organischen Lebens durch Selbstorganisation von Eiweißkörpern behaupten.
Solche Vorstellungen stehen also keineswegs im Widerspruch zur Betrachtungsweise des biblischen Schöpfungsberichts. Eine Anrede der Erde durch den Schöpfer mit der Aufforderung zur Kooperation bei Gottes Schöpfungshandeln findet sich im ersten Kapitel der Bibel überdies noch ein zweites Mal: Auch bei der Erschaffung der Landtiere, nämlich von Vieh, kriechenden Tieren und Wild des Feldes, also von Säugetieren, wendet sich Gott der Schöpfer noch einmal an die Erde mit der Aufforderung: »Die Erde bringe hervor lebende Wesen« (1Mose 1,24) Der biblische Schöpfungsbericht kannte noch nicht die Vorstellung einer Evolution der Lebensformen, aber die Vorstellung, dass die Erde unmittelbar Säugetiere hervorbringt, übertrifft in ihrer Kühnheit alles, was Darwin zu behaupten wagte. Er lehrte zwar die Entstehung neuer Arten aus anderen, primitiveren Lebensformen, aber doch nicht direkt aus anorganischer Materie. Darwins Evolutionstheorie war sehr viel maßvoller als der biblische Schöpfungsbericht an dieser Stelle ist. Die Kämpfe christlicher Theologen früherer Generationen gegen die Evolutionstheorie Darwins waren also vielleicht doch ein unnötiger Konflikt, und auch die konservativen christlichen Kreationisten, die noch heute den Kampf gegen den Darwinismus fortsetzen, sollten etwas milder gestimmt werden durch die Aussagen des biblischen Schöpfungsberichts über die Rolle der Erde bei der Entstehung des Lebens, der Vegetation und sogar der höheren Tiere.
Die angedeutete Inanspruchnahme heutiger naturwissenschaftlicher Auffassungen von der Entstehung und Entwicklung des Universums, seiner Sterne und Galaxien sowie von Entstehung und Entwicklung des Lebens auf der Erde für eine theologische Beschreibung des göttlichen Schöpfungshandelns setzt nun allerdings die Klärung einer Reihe von Fragen voraus, die das Verhältnis von Gott und Natur betreffen und von denen hier wenigstens zwei Themen noch erwähnt werden sollen. Dabei geht es einmal um die genauere Fassung des Schöpfungsbegriffs und zum anderen um die Frage, wie ein Wirken Gottes im Naturgeschehen gedacht werden soll, ohne in Konkurrenz mit den kreatürlichen Kräften und ihren Wirkungsweisen zu geraten.
Der Begriff der Schöpfung wird im ersten Kapitel der Bibel auf die uranfängliche Hervorbringung der verschiedenen Formen von Kreaturen bezogen, auf die Entstehung von Himmel und Erde, von Land und Meer, auf die Entstehung der Gestirne, der Vegetation auf der Erde, der Pflanzen und Tiere nach ihren Arten und schließlich des Menschen. Gemeint ist dabei die erstmalige Entstehung all dieser Gestalten kreatürlichen Daseins, die Schöpfung am Anfang, die für alle Folgezeit die Gestalten und Arten kreatürlichen Daseins festlegt. Dabei liegt die Vorstellung zu Grunde, dass die Ordnung der Welt an ihrem Anfang ein für allemal begründet worden ist. Neben dieser Schöpfungsvorstellung des ersten Kapitels der Bibel gibt es aber in den Psalmen, besonders in Psalm 104, und in den prophetischen Büchern der Bibel auch die Vorstellung, dass Gott fortgesetzt schöpferisch tätig ist und dabei auch immer wieder Neues hervorbringt, wie es im Jesajabuch heißt: »Siehe, nun schaffe ich Neues« (Jes 43,19). Dem heutigen Verständnis des Naturgeschehens entspricht diese Vorstellung einer fortgesetzten Schöpfungstätigkeit Gottes, einer creatio continua, besser als eine Auffassung, die den Gedanken der Schöpfung nur auf die Schöpfung am Anfang als Grundlegung für alle Folgezeit bezieht. Zwar hat das Universum für uns in der Tat einen Anfang gehabt, der durchaus für alle Folgezeit grundlegend geblieben ist, aber es ist doch in der Geschichte des Universums immer wieder Neues entstanden, das zu Anfang nicht da war – die Elemente, Atome und Moleküle, die Gestirne und Galaxien, schließlich die Planeten, unter ihnen die Erde, und auf der Erde nach Milliarden von Jahren das Leben, die Welt der Pflanzen und Tiere und schließlich der Mensch. Die Geschichte des Universums gehört zur Form seiner Erschaffung, und seine Vollendung, die Vollendung der Schöpfung Gottes, erwartet der christliche Glaube erst von der letzten Zukunft, die Gott he raufführen wird mit der vollen Verwirklichung seines Reiches in seiner Schöpfung, einer Zukunft der Vollendung, die nach dem Glauben der Christen schon angebrochen ist in der Auferweckung Jesu von den Toten. Schöpfung und Weltvollendung gehören in dieser Sicht zusammen, und mit dieser Sichtweise ist eine vorchristliche jüdische Auslegung des biblischen Schöpfungsberichts schon vorangegangen, indem der siebente Tag der Weltschöpfung, an dem Gott von seinen Werken ruht, auf die Zukunft der Weltvollendung bezogen wurde – ein Gedanke, der auch im Neuen Testament aufgenommen worden ist, nämlich im Brief an die Hebräer (Hebr 4,4 ff.).
Die Schöpfungsabsicht Gottes zielt von Anfang an darauf, einer Vielfalt von Geschöpfen selbständiges Dasein vor ihm zu geben, wenn solches Dasein auch begrenzt und vergänglich ist. Eine Form solcher Selbständigkeit ist schon das dauerhafte Bestehen fester Körper im Unterschied zu dem ephemeren Dasein der Elementarteilchen. Atome und Moleküle sowie alle daraus bestehenden Gebilde wie Sterne, Gebirge besitzen diese Form selbständigen Daseins, die (wenn auch begrenzte) Dauer. Bedingung ihres Entstehens wie auch allen höher organisierten geschöpflichen Daseins, ist übrigens die Dauerhaftigkeit der Naturgesetze. Ohne naturgesetzliche Ordnung ist kein dauerhaftes Bestehen denkbar. Eine höhere, komplexere Form der Selbständigkeit haben sodann die Lebewesen, weil sie ihr Da sein in unterschiedlichem Maße selbst gestalten können, am meisten der Mensch. Obwohl auch der Mensch ein vergängliches Wesen ist, besitzt er doch in höherem Maße Selbständigkeit des Daseins als die Berge oder Gestirne, weil sein Leben ihm zu selbständiger Gestaltung aufgegeben ist. Die Zielbestimmung solcher selbständigen Lebensgestaltung ist übrigens in biblischer Sicht, dass die Menschen ihr Leben in sohnhafter, freiwilliger Unterordnung unter ihren Schöpfer und Vater führen und so an Gottes ewigem Leben Anteil gewinnen. Die künftige Vollendung der Schöpfung zur Teilhabe am ewigen Leben Gottes, wie sie der Apostel Paulus im achten Kapitel seines Römerbriefs beschrieb, wird die Vollendung des göttlichen Schöpfungshandelns sein, die Vollendung der Absicht des Schöpfers, seinen Geschöpfen ein eigenes, selbständiges Dasein vor ihm zu gewähren.
Es bleibt noch die Frage, wie das schöpferische Handeln Gottes im Naturgeschehen zu denken sei, wenn es nicht in Konkurrenz zum Wirken der Naturkräfte gedacht werden soll. Der Schöpfungsbericht im ersten Kapitel der Bibel spricht von einer Hervorbringung der Geschöpfe durch das göttliche Befehlswort, aber damit ist nicht immer auch schon die Frage nach der Art und Weise der Hervorbringung beantwortet. Es gibt vielmehr im Schöpfungsbericht ein Ineinander von Wortbericht und Tatbericht, wobei der Tatbericht auch die Mitwirkung geschöpflicher Faktoren wie der Erde beinhalten kann. Das schöpferische Wort bezieht sich immer auf die Eigenart dessen, was hervorgebracht werden soll. Über die Hervorbringung selbst, die Art des schöpferischen Handelns Gottes, erfahren wir mehr aus dem 104. Psalm, wo von den Lebewesen gesagt wird, dass sie durch den Atem Gottes, durch seinen Geist geschaffen werden (Ps 104,30). Der Geist Gottes ist in der Bibel nicht so etwas wie sein Bewusstsein oder Selbstbewusstsein, sondern schöpferische Lebenskraft, wie sie sich im Atem oder im Wind bekundet. Sie ist auch nicht beschränkt auf die Lebewesen, sondern nach dem ersten Kapitel der Bibel geht die Urform aller Bewegung auf das Wehen des göttlichen Geistes zurück, von dem es heißt, dass er über dem Urmeer »rüttelte« (1Mose 1,2), es also in stürmische Bewegung versetzte.
Ich habe an früherer Stelle dieses Beitrags erwähnt, dass der schottische Theologe Thomas Torrance 1969 das Wirken des göttlichen Geistes durch den physikalischen Feldbegriff erläutert hat, im Sinne von Faradays Konzeption des Kraftfeldes. Der Vergleich mag auf den ersten Blick überraschend sein, aber die Vorgeschichte des physikalischen Feldbegriffs zeigt, dass hier in der Tat ein sachlicher Zusammenhang besteht. Der israelische Wissenschaftshistoriker Max Jammer, einer der bedeutendsten Erforscher der Begriffsgeschichte naturwissenschaftlicher Grundbegriffe, hat in einem Artikel zum Feldbegriff 1972 den Feldbegriff der Physik zurückgeführt auf die antiken, stoischen Lehren vom Pneuma, das sowohl »Geist« als auch »Luft« bedeutet, und zwar bewegte, von Spannungszuständen erfüllte Luft. Das trifft auch auf den biblischen Begriff des Pneuma zu, wie wir ihn im Johannesevangelium (Joh 3,8) finden, und auf seine Wurzel im hebräischen Begriff des göttlichen Geistes, ruah. Angesichts dieser Zusammenhänge erscheint es nicht mehr als abwegig, den göttlichen Schöpfergeist und sein Wirken durch den physikalischen Begriff des Kraftfeldes zu er läutern. Allerdings kann man beim Wirken des göttlichen Geistes nicht Wellenbewegungen zählen und berechnen. Aber als umfassendes Kraftfeld kann der Geist Gottes alle kreatürlichen Feldwirkungen durchdringen und durch sie hindurch in seiner Schöpfung wirksam sein. Wenn es im Johannesevangelium heißt, »Gott ist Geist« (pneuma), Joh 4, 24, so sollte man dabei nicht an ein göttliches Bewusstsein oder Selbstbewusstsein denken, sondern viel eher an ein die ganze Schöpfung durchdringendes, belebendes und zusammenhaltendes Kraftfeld. Gott steht als Vater des Alls seiner Schöpfung gegenüber und ist durch seinen Logos Ursprung ihrer besonderen Gestaltungen, aber durch seinen Geist ist er in seinen Geschöpfen schöpferisch belebend gegenwärtig.

Summary
Faith in the God of the Bible requires belief in the creation of the world by him. This regards the world as it is described by natural science. The biblical report on the creation of the world uses the description of nature as it was available then. Similarly, contemporary science must be used today in theological teach ing about creation. The biblical report is authoritative as an example of such use, not in the details of a now obsolete understanding of nature. Contemporary science is more in »consonance« with a Christian view of the world as creation than the science of earlier centuries was. It suggests a conception of a history of nature from the »Big Bang« all the way to the emergence of life and of humanity.
Theologians describe this as a process of continuous creation. Even the Darwinian doctrine of evolution fits into such a pic ture, as British theologians argued with Charles Gore as early as 1889. The incarnation and the future, eschatological completion will then be considered as completing the progress of creation, which is empowered along its way by the creative spirit of God operating in it like a field of force.