Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

April/1998

Spalte:

323–334

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Reinhart Hummel

Titel/Untertitel:

Neue religiöse Bewegungen und "Sekten"

Zur Terminologie

Neue religiöse Bewegungen (NRB) sind ein weltweites Phänomen und ein wichtiger Aspekt der gegenwärtigen religiösen Pluralisierungsprozesse. Im Westen handelt es sich überwiegend um religiösen Import und somit um einen nicht zu übersehenden Aspekt der Globalisierung(1). Solche global operierenden, im Westen präsenten NRB bilden den Gegenstand dieser Untersuchung. Zwar haben einige Afrikanische Unabhängige Kirchen einen kleinen Anhang unter Immigranten in Europa; es gibt hier auch Rastafaris und Anhänger indianischer Religiosität. Wir beschränken uns jedoch auf Bewegungen, die sich quantitativ und/oder qualitativ im Westen bemerkbar gemacht haben und die Gegenstand der Forschung, oft auch öffentlicher Kontroversen geworden sind.

Ursprünglich diente der im englischsprachigen Bereich entstandene Begriff NRB als neutraler Sammelbegriff für Gruppierungen, die seit den sechziger Jahren im Westen auftraten und auch Sekten, Kulte, destruktive Kulte, Jugendreligionen bzw. Jugendsekten, spirituelle Gruppen, alternative Glaubenssysteme oder unkonventionelle Religionen genannt wurden. In diesem Sinne ist der Begriff NRB "somewhat arbitrary, but useful" (E. Barker(2)) und ohne den pejoratorischen Beigeschmack anderer Termini. Es ist allerdings keineswegs sicher, ob alle NRB die Bezeichnung neu, religiös und Bewegung verdienen. Einschlägige Publikationen(3), überwiegend aus dem angloamerikanischen Bereich, behandeln heutzutage eine potentiell unübersehbare Fülle von mehr oder weniger religiösen Gruppierungen: Indische Gurubewegungen, tibetisch-buddhistische Gruppierungen, islamische Sufi-Bewegungen, japanische und koreanische Neureligionen, gnostisch-esoterisch-spiritistische Gruppierungen und andere Bewegungen westlichen Ursprungs, neopentekostale und andere neue christliche Bewegungen, sogenannte "self religions", welche Religion und Therapie verbinden mit dem Ziel, die Verwirklichung des individuellen Selbst zu fördern, sowie Erfolgsreligionen vom Scientology-Typ auf der Grenze zwischen Religion und Säkularität.

Organisationsstruktur und Wirkungsbereich sind denkbar unterschiedlich: Neben straff geführten Organisationen stehen unterinstitutionalisierte Bewegungen und lockere Netzwerke; manche traditionellen Sektenstrukturen und -methoden finden sich heute auch auf dem Psychomarkt. E. Benz und G. Lanczkowski(4) sprachen noch pauschal von "neuen Religionen", obgleich viele von ihnen, wie sie wohl wußten, im Bannkreis der großen religiösen Traditionen verblieben sind.

Die Vielfalt der NRB dokumentiert sich in terminologischer Unsicherheit. Neuere katholische Texte(5) verwenden häufig die Begriffe "Sekten und neue religiöse Bewegungen", die angelsächsische Religionssoziologie(6) spricht in ähnlichem Sinn von

"sects and cults", je nach deren Ursprung innerhalb oder außerhalb des religiös-kulturellen mainstream. Neuere Regierungsdokumente gebrauchen die Wendung "sogenannte Sekten und Psychogruppen"(7).

Der unterschiedliche Grad von Organisation und gefordertem Engagement ("commitment") in NRB kommt in der Unterscheidung zwischen audience cult, client cult und cult movement(8) oder zwischen Kult und kultischem Milieu(9) zum Ausdruck. Anders ausgedrückt: NRB bilden nur die organisierte, teilweise "versektete" Gestalt der neuen bzw. alternativen Religiosität(10). Auch dieser muß die Aufmerksamkeit der Forschung gelten. Esoterik, Meditation, Reinkarnation, Kosmologie und anderes mehr sind wichtige Themen der neuen Religiosität sowie vieler NRB und werden in diesem Zusammenhang auch behandelt(11). Die Gruppenselbstmorde des Sonnentemplerordens(12) in Kanada und der Schweiz haben die Leichtigkeit demonstriert, mit der an sich harmlose esoterische und UFO-Vorstellungen, die sonst überwiegend in Gestalt von Publikums- und Kundenkult auftreten, auch die Form einer Kultbewegung mit sektiererischen Strukturen annehmen und mißbraucht werden können, wenn bestimmte gruppendynamische Prozesse hinzukommen.

Wandlungsprozesse

Gegen die frühere Sicht der NRB hat J. G. Melton 1992(13) drei Einwände erhoben, die auch heute noch bedenkenswert sind. Erstens sei die Bedeutung der charismatischen Gründergestalten, die als Messias, Erleuchtete Meister u. ä. verehrt werden, überschätzt worden. Es hat sich gezeigt, daß viele Bewegungen den Tod des Gründers überleben(14) und in der Lage sind, die nötigen Formen von Organisation und Autorität zu entwickeln. Max Webers Überlegungen über die Routinisierung von Charisma kommen erneut zu Ehren. Die Vorstellung, im Zentrum einer "Sekte" stehe die charismatische Gründergestalt und der ihr gewidmete Personenkult, mag für die Gründungsphase zutreffen; die Entstehung von NRB ist ohne solchen Anschub in der Tat nicht denkbar. Für die Zeit nach dem Tod des Gründers gilt sie keineswegs immer. Die Leitung der Bewegung mag von einem oder mehreren Nachfolgern oder von einer bürokratischen Institution oder von einer Mischung aus beiden übernommen werden(15).

Zweitens ist laut Melton die Diskontinuität zwischen den "neuen" NRB der sechziger bzw. siebziger Jahre und älteren Bewegungen überschätzt worden. In der Tat hat die neue religiöse Welle ältere Gruppierungen wie die Anthroposophie unddie Mormonen revitalisiert. Historische Zusammenhänge zwischen älteren und neueren Bewegungen lassen sich aufweisen. So läßt sich die New Age-Bewegung als Weiterentwicklung des Erbes der Theosophischen Gesellschaft deuten ­ darüber später mehr. Die Wurzelstränge der neuen Religiosität und des New Age-Denkens(16) gehen jedenfalls auf das vorige Jahrhundert zurück. Die wichtigsten Jahreszahlen sind 1848 (Entstehung des modernen Spiritismus, der sich in Neuoffenbarungsgruppen, im Channeling und auf andere Weise weiterentwickelt hat), 1875 (Entstehung der Theosophischen Gesellschaft mit ihrer Verbindung von westlichem Okkultismus und östlicher, bzw. pseudo-östlicher, Religiosität), 1893 (Weltparlament der Religionen in Chicago als Symbol der beginnenden Ausbreitung östlicher Religionen im Westen). Hinzufügen kann man 1913 (Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft) und 1962 (Gründung des kalifornischen Esalen-Zentrums mit seiner Verbindung von östlicher Meditation und westlicher Psychologie sowie der Findhorngemeinschaft). Methodisch gehört die Erforschung der neueren und älteren Bewegungen jedenfalls zusammen.

Drittens ist, laut Melton, die Bedeutung sozialer Unruhen, speziell der achtundsechziger Unruhen, als Ursache der Ausbreitung NRB überschätzt worden. Motive und Herkunft von Konvertiten haben sich verändert, Anpassungs- und Konsolidierungsprozesse haben den Grad des geforderten commitments und das Verhältnis zur Gesellschaft und zu anderen religiösen Gemeinschaften in nicht wenigen Fällen (nicht in allen!) entspannt(17). In der öffentlichen Auseinandersetzung sollten solche Wandlungen zur Kenntnis genommen und Klischees gegebenenfalls korrigiert werden. Allzu viele Darstellungen der NRB in Medien, kirchlicher Literatur und regierungsamtlichen Stellungnahmen leiden darunter, daß sie überholte Klischees perpetuieren. Vor allem die populäre "Sektenliteratur" ist ein Tummelplatz von Plagiatoren(18) Häufig wird aus Mangel an eigenen Erfahrungen und Kenntnissen hemmungslos voneinander abgeschrieben, ohne Quellen zu nennen und geschilderte (oder behauptete) Ereignisse zu datieren.

Zur Lage der Forschung. Methodische Probleme

Die wissenschaftliche Erforschung NRB ist in Mitteleuropa unterentwickelt. Es gibt eine reiche kirchlich-apologetische Literatur sehr unterschiedlichen Niveaus, welche Standardwerke der "Sektenliteratur", Lexika und Handbücher sowie eine Anzahl wachsender Buchreihen hervorgebracht hat(19). Einige Theologen (Missionswissenschaftler, Ökumeniker u. a.) wie H. Obst, N.-P. Moritzen und H. Waldenfels haben sich auf hohem wissenschaftlichen Niveau mit dieser Thematik befaßt(20). Es ist erfreulich, daß neureligiöse Thematik zunehmend zum Gegenstand von Dissertationen und Habilitationsschriften wird(21). Dem steht eine geringe Zahl deutschsprachiger religions- und sozialwissenschaftlicher Arbeiten gegenüber, im Unterschied zur umfangreichen englischsprachigen Literatur. (J. A. Salibas(22)Bibliographie sozialwissenschaftlicher Literatur zu diesem Thema führt 2219 Titel auf!). Das Nebeneinander von theologischer und nichttheologischer wissenschaftlicher Literatur sowie von säkularer und kirchlicher Gebrauchsliteratur verschärft die Frage nach einer angemessenen Methode zur Erforschung und Darstellung der NRB.

Als ein Beispiel soll J. Süss’ Dissertation(23) über die Rajneesh-Bewegung genannt werden. Im Anschluß an Usarski(24) sieht er die Aufgabe einer religionswissenschaftlichen Erforschung NRB darin, der vorherrschenden pauschalen und marginalisierenden Behandlung der "Jugendsekten" eine differenzierte Sicht entgegenzustellen. Er möchte die Rajneesh-Bewegung als Religion ernstnehmen und (unter Berufung auf W. Cantwell Smith) die "subjektive Glaubenswirklichkeit der Sannyasins" (26) erforschen. Mit Hilfe narrativer Interviews soll die individuelle religiöse Erfahrung erschlossen werden. Die Gefahren dieser Methode erwähnt Süss selbst, ohne ihnen völlig entgehen zu können: Die Erforschung der Bewegung kann "zu einer Apologie mit umgekehrtem Vorzeichen mutieren" (24), und die Darstellungen der Interviewten können von der objektiven Wahrheit abweichen. Süss sieht sich denn auch gezwungen, im Unterschied zu den abwiegelnden Stellungnahmen seiner Interviewpartner das Oregon-Desaster von 1985, das in Gerichtsurteilen gegen Rajneesh und seine Vertraute Anand Sheela endete, selbst nachzutragen (200) und sich hinter den unauflösbaren Widerspruch zwischen Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung zurückzuziehen (214 f.).

Diese Dissertation(25) bietet Anlaß, grundsätzliche methodische Fragen zu stellen: In welchem Umfang darf sich die Darstellung auf das Selbstverständnis einer umstrittenen Gruppierung gründen oder gar auf deren Binnenperspektive beschränken? Aus welchen Quellen und mit welchen Methoden ist dieses Selbstverständnis zu erheben? Welche Rolle kommt dabei dem Gründer zu? Kann man dessen Äußerungen in den Hintergrund drängen und beispielsweise aus der von Rajneesh gelehrten Philosophie und Praxis eine "sannyatische Religion" machen? Wie weit kann man sich bei der Auswahl von Interviewpartnern auf das Führungspersonal und die Profis beschränken?

Lassen sich die Konfliktaspekte ausklammern, ohne dem Gesamtbild Schaden anzutun? Wenn schon dem Selbstverständnis so entscheidendes Gewicht zugemessen wird, darf eine Bewegung als "Religion" dargestellt werden, die sich, abgesehen von der Oregonphase (und damals zu juristischen Zwecken), selbst nicht als Religion verstanden hat? Muß man nicht gerade bei kontroversen Gruppierungen mit einer Differenz zwischen Selbstverständnis und propagandistischer Selbstdarstellung rechnen?

Eileen Barker, Religionssoziologin an der "London School of Economics" und eine der führenden Persönlichkeiten in diesem Forschungsbereich, hat die verwirrende Vielzahl von Brillen beklagt, die der Forscher in der Begegnung mit einer NRB braucht. An anderer Stelle hat sie zu ihrer weithin als Vorbild geltenden Arbeit über die Vereinigungskirche(26) angemerkt: "I wanted to study the members (and their parents and other persons) as individuals; I wanted to study the kinds of interactions that took place when they took account of each other ... and ... I wanted to note sociological phenomena such as power structures, communication networks und the unintended consequences of the beliefs and practices of the movement".(27) Was hier über das Studium von Interaktion zwischen Innen und Außen sowie von Machtstrukturen und über die Vielzahl von Brillen gesagt wird, gehört zur unverzichtbaren Methodik der Erforschung NRB. Das Funktionieren intakter Gruppierungen muß ebenso untersucht werden wie die oft konfliktreichen Außenbeziehungen und die Führungs- und Abhängigkeitsstrukturen, die das Lieblingsthema der säkularen und kirchlichen Kritiker bilden.

Fragen sind auch an die kirchliche Literatur zu diesem Thema zu richten. Hat nicht ein Teil davon eher die Funktion von Munitionskästen als von fairer und sachlicher Information? Findet sich die gebotene Trennung von Darstellung und Wertung nicht viel zu selten? Kann die Anhängerschaft einer kritisierten NRB sich in manchen Darstellungen auch nur ansatzweise wiedererkennen? Ist der kritisch angelegte Kanon des Christlichen nicht häufig künstlich verengt und den polemischen Bedürfnissen angepaßt? Je deutlicher die Bemühung um Fairness und Sachlichkeit die Darstellung prägt, um so glaubwürdiger kann die "Wertung aus christlicher Sicht" ausfallen. Andererseits macht eine eigene theologische Position nicht automatisch unfähig zu einer angemessenen Darstellung, wie von religionswissenschaftlicher Seite gern behauptet wird.

Zur Kritik an Neuen religiösen Bewegungen

Vor etwa einem Jahrzehnt haben F. Usarski, A. C. Scheffler und N. Thiel, der langjährige Pressesprecher der Vereinigungskirche, sich mit der öffentlichen Kritik an NRBen durch die sogenannte "Antisekten-Bewegung" polemisch auseinandergesetzt. J. A. Beckford u. a. haben unter dem Stichwort "anticult movement" ähnliches im englischsprachigen Raum getan(28). Was bislang fehlt, ist eine bis in die Gegenwart führende, sachliche und um Verständnis bemühte historische Darstellung der vielschichtigen Auseinandersetzung mit NRB. Es ist wenig sinnvoll, die Klischees der "Antisekten"-Polemik einfach gegen deren Urheber zu kehren und mit ähnlichen pauschalen Verschwörungsvorwürfen zu operieren. Vielmehr benötigen wir genauere Kenntnisse über die Wechselwirkung zwischen "Kult" und "Antikult", über die unterschiedlichen Positionen und Motive sowie über die dabei wirksamen ideologischen Hintergründe:

Konservative Familienideale, linke Antifaschismus- und Antifundamentalismustheorien und deren Anwendung auf einzelne NRBen, etwa auf die familienfeindlichen Äußerungen Rajneeshs oder auf den Antikommunismus der Vereinigungskirche. In manchen NRB (z. B. ISKCON und Vereinigungskirche) gibt es gegenwärtig selbstkritische Überlegungen über eigene Fehler im Umgang mit den Empfindlichkeiten der Gesellschaft und entsprechende Wandlungen in den vielkritisierten Missionsmethoden und anderes mehr.(29) M. Introvigne(30) hat die Unterscheidung zwischen säkularer "anticult movement" und kirchlicher (besonders evangelikaler) "countercult movement" in die Diskussion eingeführt.

Auch aus der Sicht staatlicher Stellen wird gelegentlich der Wunsch nach einer kirchlich und religiös ungebundenen "Sektenarbeit" geäußert(31). Freilich löst die Lektüre von säkularen Antisekten-Büchern wie dem (an sich verdienstvollen) von Hugo Stamm(32) zumindest bei mir den Wunsch aus, Autoren ohne religiöse Kompetenz und Sensibilität möchten ihre Finger aus diesem Geschäft lassen. In vielen NRB (nicht in allen!) geht es eben doch, wenngleich in oft fragwürdiger oder gar pervertierter Form, auch um Religion(33). Wer zwischen Mantra-Singen und Methoden der Gehirnwäsche nicht zu unterscheiden weiß, muß bei der Beurteilung solcher Bewegungen zu falschen Ergebnissen kommen.

Aus den Kreisen der amerikanischen Antikult-Bewegung stammt das neue voluminöse Werk der Professorin für klinische Psychologie M. Thaler Singer und ihrer Mitarbeiterin J. Lalich(34). Singer hat als Gerichtsgutachterin eine wichtige Rolle gespielt und dabei mit der "American Family Foundation" und dem "Cult Awareness Network" zusammengearbeitet. Sie ist also Partei und macht keinen Hehl daraus. Die "cults" (in der deutschen Übersetzung als "Sekten" bezeichnet) werden als Täter betrachtet, die Mitglieder als deren Opfer, nicht als "Sucher". Schon das Inhaltsverzeichnis ist voller Pauschalurteile: Sekten schaden Kindern, sind gewalttätig, arbeiten mit Verschwörung und Betrug usw. Immer wieder werden die Opfer von Jonestown und Waco beschworen, die Volktempelsekte und die Davidianer als Modell der gefährlichen Kulte hingestellt, obgleich die Autorin selbst schreibt, daß nicht alle gleich sind. Immer noch geht sie von dem bei vielen Bewegungen überholten Modell der Kommune und Wohngemeinschaft aus, aus der man ohne fremde Hilfe kaum ausbrechen könne. In Wirklichkeit ist die drop-out-Rate durchweg sehr hoch(35).

Trotzdem kann man bei Singer/Lalich über die Realitäten auf der Schattenseite der neureligiösen Szene viel lernen: über das Eindringen sektiererischer Abhängigkeitsstrukturen in den Psychomarkt, fragwürdige New Age-Kurse in der Wirtschaft und über die Notwendigkeit, "informierte Zustimmung" als einklagbare Voraussetzung für die verordnete Teilnahme an solchen Kursen durchzusetzen; über Repressalien und Terror, denen Kritiker bestimmter Gruppierungen ausgesetzt sein können, auch über die psychischen und praktischen Probleme nach dem Ausstieg.

Der Sektenbegriff

Klärung auf dem umstrittenen und unübersichtlichen Feld der "Sekten" bietet das Buch des theologisch versierten Verhaltensbiologen und früheren EZW-Referenten H. Hemminger(36). Neben dem traditionellen theologischen Sektenbegriff, so lernen wir, hat sich längst ein umgangssprachlicher etabliert, der primär Konfliktträchtigkeit signalisiert und auch im politischen und therapeutischen Bereich Anwendung findet. (Daran scheitern übrigens alle wohlgemeinten Versuche, den Sektenbegriff aus dem Verkehr zu ziehen). Sektenabhängigkeit ist nicht mit Gehirnwäsche- und ähnlichen Theorien, sondern vor allem aus den sozialen Beziehungen in der Gruppe zu erklären. Gruppierungen, die mit einem sektiererischen Anspruch und Verhältnis zur Außenwelt begonnen haben, können sich wandeln. An die Stelle eines statischen Sektenbegriffs sollte ein dynamisches Verständnis von Versektungs- und Entsektungsprozessen treten.

Die in Mitteleuropa noch schwach entwickelte interdisziplinäre Diskussion über dieses Thema auf ihrem neuesten Stand findet man im Sammelband von H. Gross(37). Den umstrittenen Sonderfall des rituellen Mißbrauchs, hauptsächlich des sexuellen Mißbrauchs von Kindern in "Kultgruppen", behandelt M. Smith(38).

Daß sich das heutige Sektenproblem nicht auf der Basis eines konfessionskundlichen Sektenbegriffs lösen läßt, demonstriert ungewollt die Untersuchung von M. van Wijnkoop Lüthi(39). Die ausführliche Darstellung der Begriffsgeschichte, die die gesamte Kirchengeschichte umfaßt, kann hier außer Betracht bleiben. Der Autor löst das Problem eines notorisch negativen Sektenbegriffs, indem er diesen ethisch statt dogmatisch füllt. Um dem außerchristlichen Sektentum gerecht zu werden, stellt er neben den christlichen einen "interreligiösen" Sektenbegriff. Vereinfacht ausgedrückt: Eine christliche Sekte erkennt man daran, daß sie dem Außenstehenden Solidarität verweigert (267), eine interreligiöse daran, daß sie die Menschenwürde nach außen und innen mißachtet (305). Aus dieser Sicht stellt sich die katholische Kirche "in mancher Hinsicht" als Sekte dar (325), das Urteil über die Baha’i fällt ähnlich gemischt aus (334). Über den schiitischen Islam des Iran schweigt der Autor. Der Begriff bleibt negativ gefüllt; der westliche Finger des Sektenverdachts weist, wenngleich unbeabsichtigt, doch auf die anderen Kulturen. Der Sektenbegriff verliert seinen Sinn, wenn er seines soziologischen Aspekts beraubt wird und nicht mehr das Verhältnis zwischen dissidierenden Minderheiten und den entsprechenden Mehrheitskirchen, -religionen bzw. -kulturen beschreibt. Das gilt auch im Fall, daß er dogmatisch gefüllt und mit Häresie gleichgesetzt wird(40).

Attraktivität und Erfolg

Über die Gründe für Erfolg und Mißerfolg NRB gibt es leider kaum Untersuchungen. R. Stark(41) schätzt, daß nur eine unter tausend Bewegungen eine Größe von 100 000 Anhängern und ein Alter von 100 Jahren erreicht. Seine Analyse geht überwiegend von amerikanischen Verhältnissen, speziell von empirischen Untersuchungen über das Wachstum der Zeugen Jehovas, Mormonen und der Soka Gakkai aus. Zu den Voraussetzungen des Erfolgs zählt er u. a. das Verbleiben in der kulturellen Kontinuität (das von asiatischen Gruppierungen im Westen natürlich schwerer zu leisten ist), ein mittleres Maß an Spannung zur Außenwelt (nicht zu viel, nicht zu wenig), eine effektive, religiös legitimierte Führerschaft, die allerdings für Partizipation von "Laien" offen sein muß, hohe Bereitschaft zu freiwilliger Mitarbeit und Missionstätigkeit, ausreichende Kinderzahl, um eine nachwachsende Jugend zu garantieren, und eine gute religiöse Sozialisation derselben, außerdem möglichst schwache lokale Konkurrenten auf dem religiösen Markt. Starks Erfolgsanalyse hat bislang kein großes Echo hervorgerufen, vielleicht weil er nicht nach dem Inhalt der jeweiligen Botschaft und danach fragt, wie sie den Erwartungen der Menschen entgegenkommt.

Das Sammelbändchen "Religionswechsel"(42) kommt zu dem meines Erachtens einseitigen Ergebnis, daß die heutige Heilssuche sich auf Religionen richtet, die das Individuum ernstnehmen und ihm Wachstumsmöglichkeiten anbieten. Eher zugunsten des Starkschen Modells spricht der anhaltende Zulauf zu den traditionellen Sondergemeinschaften und Sekten (Zeugen Jehovas, Neuapostolische Kirche usw.)(43). Das gibt jenen recht, die die gegenwärtige Attraktivität geschlossener Weltbilder und Gruppierungen und die Gefahr fundamentalistischer Engführungen beklagen.

Wahrscheinlich spiegelt sich die Aufsplitterung der Gesellschaft in unterschiedliche kulturelle Milieus(44) in einer Vielfalt religiöser Interessenlagen, Affinitäten und Konversionsmotiven wider. Hier bedarf es dringend weiterer empirischer Untersuchungen. Immer noch leuchtet die alte Unterscheidung von B. Hargrove(45) ein zwischen "integrativen" Religionen, die auf den konservativen, von Anomie angefochtenen Persönlichkeitstyp anziehend wirken, weil sie ihm eine feste Ordnung anbieten, und "transformativen" Religionen, die auf den liberalen Persönlichkeitstyp anziehend wirken, weil sie ihm zur Überwindung von Entfremdung und zu innerem Wachstum zu verhelfen versprechen. Inzwischen hat sich die Aufsplitterung freilich fortgesetzt. Der (Scientology-)Typ der Erfolgsreligion, die Hilfe bei der Bewältigung von Leistungsdruck und bei der Selbstbehauptung in der modernen Wettbewerbsgesellschaft verspricht und dafür positives Denken und Psychotechniken einsetzt, hat das Spektrum bereichert. Dieser Befund würde für die Kirchen bedeuten, daß es im Blick auf den Zulauf zu den NRB kein einfaches Rezept gibt, sondern daß sie sich auf die Vielfalt von Erwartungen einlassen müssen, ohne ihr Profil und ihre Einheit preiszugeben.

Dazu kommen gruppenspezifische Attraktivitäten. Ein Bhagwan/Osho-Anhänger, auch ein potentieller, wird kaum Neigungen verspüren, der Vereinigungskirche beizutreten, und umgekehrt. Neigung zu Vegetarismus und zu Reinkarnationsvorstellungen prädisponiert für die Hare Krishna-Bewegung oder eine andere indische Gurubewegung; die väterliche Gestalt des Guru oder Lama scheint bestimmte archetypische Sehnsüchte anzusprechen usw. Immer wieder hört man von "Coming home-Erlebnissen" oder anderen Erfahrungen, die zum Beitritt zu einer NRB beigetragen haben. In die gleiche Richtung zielt die Erklärung, daß die Moderne dem Menschen keine Sprache und Gedankenwelt zur Verfügung stellt, in denen er immer noch gemachte religiöse oder "übersinnliche" Erfahrungen ausdrücken und einordnen kann, daß NRB aber genau dies leisten. Der Jugendpsychiater G. Klosinski hat interessante psychologische Einsichten zur Attraktivität von NRB und den damit verbundenen Problemen beigesteuert(46).

Die New Age-Bewegung

Die New Age-Bewegung hat eine Reihe interessanter Untersuchungen angeregt. C. Bochinger(47) sieht in der Bezeichnung "New Age" nicht mehr als ein vor allem von kirchlichen und sonstigen Gegnern verliehenes Etikett für eine Reihe disparater Themen, die sich weder auf eine zusammenhängende soziale Bewegung noch auf eine Weltanschauung reduzieren lassen. Auf der Suche nach den Wurzeln wird er vor allem bei den Zeitspekulationen E. Swedenborgs und W. Blakes fündig. New Age erweist sich in Bochingers voluminöser Untersuchung als Fokus unterschiedlicher religiöser, esoterischer und säkularer Strömungen, über die er kompetent informiert.

Ich neige eher der Sicht von W. J. Hanegraaff(48) zu, der der New Age-Bewegung mehr Substanz zugesteht und ihre Konzepte und deren Deutungen mit größerer Ausführlichkeit referiert. Ihre Wurzeln sieht er vor allem in den spiritistischen Channeling-Botschaften von Jane Roberts, D. Spangler u. a. Er geht so weit, daraus zu folgern, die New Age-Religion sei in erheblichem Umfang eine Offenbarungsreligion. Er stellt eine deutliche Verbindung zwischen New Age-Denken und New Age-Basis, dem "kultischen Milieu", her und definiert:

"The New Age movement is the cultic milieu having become conscious of itself ... as constituting a more or less unified ’movement’. All manifestations of this movement are characterized by a popular western culture criticism expressed in terms of a secularized esotericism" (522).

Im Rückblick zeigt sich die geschichtliche Entwicklung der Bewegung in ihrer verwirrenden geistigen und geographischen Vielfalt deutlicher, bei der Hanegraaff New Age im engeren und ­ in einer späteren Phase ­ im weiteren Sinn unterscheidet. Wer sich durch die gut 1200 Seiten hindurchgelesen hat, die beide New Age-Darstellungen zusammen ausmachen, hat nicht nur ­ aus New Age-Sicht ­ eine Menge schlechten Karmas abgearbeitet, sondern auch eine Fülle lange vernachlässigter Kenntnisse und neuer Einsichten gewonnen. Er begreift auch, warum die Überlebenschancen eines so vielschichtigen, in sich widersprüchlichen Konglomerats, falls es das überhaupt gegeben hat, so gering waren(49).

Anthroposophie und Gnosis

In der theologischen Auseinandersetzung mit Esoterik und New Age-Denken wird häufig, nicht selten kurzschlüssig, auf den Kampf der Kirche mit der Gnosis verwiesen. Daß diese Frage nach der Kontinuität christlicher Auseinandersetzung mit ihrem gnostischen "Schatten" nicht auf eine billige Ketzerjagd hinauslaufen muß, hat R. Geisen(50) mit seinem sorgfältig darstellenden und vorsichtig wertenden Vergleich von Anthroposophie und Gnostizismus illustriert.

Sein Vorsatz, die inhaltlichen Grundlinien des Gnostizismus in der Anthroposophie wiederzuentdecken und diese auf dem Hintergrund der Gnostizismus-Folie verständlich zu machen, ist nicht ungefährlich, scheint mir aber gelungen zu sein. R. Steiners Weltanschauung ist für Geisen "die prägende Gestalt des Gnostizismus im zwanzigsten Jahrhundert" (514). Die weiträumige anthroposophische Kosmogonie und Anthropogonie gewinnt auf diesem Hintergrund in der Tat eine ungewohnte Plausibilität. Der kosmische Christus im Verständnis Steiners ist eine typisch gnostische Erlösergestalt. Indem Geisen den Gnostizismus als "Konkurrrenz- und Komplementärphänomen" zum Christentum beurteilt, gewinnt er einen Ansatz für einen kritischen Dialog im Sinne von Abgrenzung und Aneignung. Die abschließenden "Leitlinien für eine dialogische Anthroposophiekritik" bieten über den Bereich katholischer Theologie hinaus wertvolle Anregungen für eine neue Phase der Begegnung mit der Anthroposophie. Über die Themen Anthroposophie und Gnosis hinaus ist es wichtig, die Kirchen- und Theologiegeschichte (besonders die frühe) für die Auseinandersetzung mit dem modernen Pluralismus auf eine Weise fruchtbar zu machen, die die Kontinuität, aber auch den zeitlichen Abstand ernstnimmt.

Die Revitalisierung anthroposophischer Vorstellungen und Praxisbereiche in den letzten Jahrzehnten hat auch im evangelischen Bereich eine Fülle von Publikationen hervorgerufen. Das Buch von K. von Stieglitz(51) zeichnet sich nicht nur durch seinen dialogischen Stil aus, sondern auch durch die Beschreibung anthroposophischer Positionen zu wichtigen Gegenwartsfragen: Zur Stellung zu anderen Kulturen, zu Judentum und Islam. Steiner erweist sich hier als Kind seiner Zeit, ohne daß Stieglitz daraus billige Triumphe zu machen versucht.

Wenn man bedenkt, daß immer noch an der Gesamtausgabe der Werke Steiners gearbeitet wird, so wird das Ausmaß noch zu leistender Arbeit in der Begegnung mit der Anthroposophie deutlich. Die Probleme vieler Zeitgenossen mit der Anthroposophie und ihren gesellschaftlichen Betätigungsfeldern liegen freilich nicht primär im religiösen Bereich, sondern beziehen sich auf das, was an ihr als okkultistisch, vormodern, antiaufklärerisch, unwissenschaftlich und fundamentalistisch empfunden wird. Damit hat sich aus der Sicht der Erziehungswissenschaften Heiner Barz(52) auseinandergesetzt, wobei er vermittelnd auf den "lebendigen Goetheanismus" zurückgreift.

Neu im Vergleich zu den traditionellen Sekten sind viele der NRB auch in ihrer inklusivistischen Haltung zu anderen Religionen. Diese "universalreligiösen Bewegungen", wie J. Figl(53) sie nennt, erheben den Anspruch, die "Mitte aller Religionen zu verstehen und zu leben" (2). Dazu gehören unter anderem die Adyar-Theosophie, neohinduistische Gruppierungen und viele japanische Neureligionen, der Baha’ismus und Hazrat Inayat Khans Sufi-Bewegung, auch die Vereinigungskirche. Figl beschreibt sie mit Recht als eine neue Form des Synkretismus, als Synthese, die sich einer esoterischen Interpretation verdankt und gewisse Übereinstimmungen mit der Gnosis aufweist (161ff.). Daß viele dieser inklusivistisch vereinnahmenden Positionen mit einem gewissen exklusiven Anspruch vertreten werden, macht den Dialog mit ihnen zu einem ungewohnten Unternehmen, das sich vom Umgang mit den "alten", sektiererischen Bewegungen unterscheidet.

Scientology

Wie problemreich sich das Verhältnis zwischen einer NRB und der Gesellschaft gestalten kann, zeigt sich an der Scientology-Kirche, die gegenwärtig Regierungen und Parlamente, Staatskirchenrechtler und Verfassungsschutz in Atem hält. Staat und Wirtschaft fürchten, von straff geführten Scientology-Organisationen wie WISE und ABLE unterwandert zu werden, und sind geneigt, jede religiöse Substanz in Abrede zu stellen; Scientology-Kritiker fühlen sich bespitzelt und terrorisiert. H. Hemminger(54) qualifiziert das Scientology-System als "Pseudowissenschaft der vierziger Jahre", als "überwertiges Ideensystem mit fanatischen Zügen", als "zwanghaftes Macht- und Erfolgsstreben in organisierter Form" und insofern als Karikatur der modernen Wettbewerbsgesellschaft.

Bei ihm finden sich auch Überlegungen zum Unterschied zwischen dem Verständnis von Religionsfreiheit im US-amerikanischen und im europäischen Verfassungsrecht und zum unterschiedlichen Stil der Auseinandersetzung, der sich in weit überzogenen Protesten aus Kreisen des amerikanischen Senats und der Filmwirtschaft niedergeschlagen hat: Die Situation der Scientologen im heutigen Deutschland sei mit der Judenverfolgung der Nazizeit vergleichbar. In Wirklichkeit sind die weitgefächerten Scientology-Organisationen ein extremes Beispiel für die Schwierigkeiten, religiös-säkulare Mischphänomene im Grenzbereich zwischen Religion, Therapie, Wirtschaft und Politik einzuordnen und aus rechtlicher Sicht zu bewerten. W. Thiede(55) hat einen interessanten Versuch in dieser Richtung gemacht. Er plädiert im Anschluß an F.-W. Haack dafür, Scientology als "Geistesmagie" zu deuten. Was das für deren Anspruch auf den Schutz des Artikel 4 GG bedeutet, ist damit freilich noch längst nicht entschieden.

Fussnoten:

(1) P. Beyer: Religion and Globalisation, London 1993.
(2) E. Barker: Art. "New Religions: New Religions and Cults in Europe", in EncRel(E) Bd. 10, 405 ff. Hier: 405.
(3)Zur älteren Literatur vgl. meine Sammelrezension "Neue religiöse Bewegungen", in: VF 32, 1987, 78-95.
(Allgemein:) E. Arweck, P. B. Clarke: New Religious Movements in Western Europe. An Annotated Bibliography, London 1997; E. Barker: New Religious Movements. A Practical Introduction, London 31992; dies.: Neue Religiöse Bewegungen, in: Religion und Kultur, Sonderband der KZfSS, Opladen 1993, 231-248; J. A. Saliba: Perspectives on New Religious Movements, London 1995; C. Minhoff, H. Lösch: Neureligiöse Bewegungen, München 21994; R. Hummel: Religiöser Pluralismus oder christliches Abendland? Darmstadt 1994, 61 ff.
(Lexikalische Werke und Handbücher:) Lexikon der Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen, hrsg. von H. Gasper, J. Müller, F. Valentin. Freiburg/Br. u. a. Neuausgabe 1994; O. Eggenberger: Die Kirchen, Sondergruppen und religiösen Vereinigungen, Zürich 61994; J. Gordon Melton: Encyclopedic Handbook of Cults in America, New York 21992; ders.: Biographical Dictionary of American Cult and Sect Leaders, New York 1986; Handbuch Religiöse Gemeinschaften, hrsg. von H. Reller u. a., Gütersloh 41993: Vgl. auch: Dictionary of Pentecostal and Charismatic Movements, hrsg. von S. M.. Burgess, G. B. McGee, Grand Rapids 1988. Einige Kurzinformationen in: M. Klöcker, U. Tworuschka: Religionen in Deutschland, München 1994.
(Buchreihen ) (überwiegend für das breitere Publikum): "Münchener Reihe", hrsg. von Th. Gandow im Evang. Presseverband für Bayern; "Weltanschauungen im Gespräch" im Paulusverlag; "Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen", hrsg. von F. Valentin, H. Gasper im Herder Verlag; "Reihe Apologetische Themen" hrsg. von Werner Thiede im F. Bahn Verlag; Reihe "Sekten ­ Sondergruppen ­ neue weltanschauliche Bewegungen", hrsg. von H. Hemminger im Quell Verlag.
(Neuere Literatur zu speziellen Themen:) R. Hummel: Gurus, Meister, Scharlatane, Freiburg/Br. 1996; J. Laube [Hrsg.]: Neureligionen: Stand ihrer Erforschung in Japan. Ein Handbuch, Wiesbaden 1995; H. Obst: Außerkirchliche religiöse Protestbewegungen der Neuzeit, Berlin 1990; Woirgardt, Ryuko: Die Neuen Religionen Japans und ihr Sendungsbewußtsein im Hinblick auf den Weltfrieden. Eine Analyse am Beispiel der Seichô-no-ie-Bewegung. Frankfurt/M.-Berlin-Bern-New York-Paris-Wien: Lang 1995. 308 S. 8° = Europäische Hochschulschriften. Reihe XXIII: Theologie, 269. Kart. DM 89,­. ISBN 3-631-48900-5.
(Forschungs- und Informationszentren und Zeitschriften) betreffs im Westen aktive NRBen: Institute for the Study of American Religion (ISAR) in Santa Barbara, geleitet von J. Gordon Melton, der als Autor mehrerer Enzyklopädien und Handbücher über Religionen und Kulte in Amerika bekannt geworden und auch als Gutachter für NRBen vor Gericht tätig ist; Center for Studies on New Religions (CESNUR) in Turin, geleitet von M. Introvigne; beide sind Sponsoren der Zeitschrift Syzygy. Journal of Alternative Religion and Culture, die in Stanford/USA erscheint (zuletzt 1994), hrg. von J. R. Lewis. Am King’s College London arbeitet das Centre for New Religious Movements unter der Leitung von Peter Clarke, der auch Herausgeber der Zeitschrift Journal of Contemporary Religion (JCR, früher: Religion Today) ist. Vornehmlich der Verbreitung von Information und Beratung dient INFORM (Information Network Focus on Religious Movements) in London, hervorgegangen aus der Tätigkeit von Eileen Barker und getragen von verschiedenen religiösen und säkularen Organisationen. In Kopenhagen hat das Research Network on New Religions (RENNER), eingerichtet vom Dänischen Forschungsrat für Humanwissenschaften, seinen Sitz und gibt einen Newsletter heraus. In Montreal/Kanada wirkt das Centre d’information sur les Nouvelles Religions (CINR). REMID (Religionswissenschaftlicher Medien- und Informationsdienst) in Marburg gibt die Zeitschrift "Spirita" heraus. Der Erforschung NRBen in Stammeskulturen (PRINERMs) widmet sich das Centre for New Religious Movements (CENERM) in Selly Oak, das aus der Forschungsarbeit von Harold W. Turner hervorgegangen ist. Internationale Konferenzen werden gemeinsam organisiert von ISAR, CESNUR, INFORM und gelegentlich auch von anderen Instituten.
Stärker kirchlich geprägt und, neben der Forschungsarbeit, auch der Auseinandersetzung gewidmet sind einige weitere Institute: Das Dialog Center International in Aarhus, geleitet von J. Aagaard; dessen Zeitschrift ist unter wechselnden Titeln erschienen, gegenwärtig: Spirituality in East and West. Update and Dialog. In Berlin (früher Stuttgart) wirkt die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen als Einrichtung der EKD, hervorgegangen aus der Arbeit von Kurt Hutten; Zeitschrift: Materialdienst (MEZW). Die Ev. Orientierungsstelle arbeitet in der Schweiz und gibt ein Informationsblatt heraus. ­ Einige NRBen bzw. deren Paraorganisationen publizieren eigene Zeitschriften mit wissenschaftlichem Niveau: ISKCON Communications Journal; Dialogue and Alliance, hrsg. von der Moon-inspirierten International Religious Foundation.
(4) E. Benz: Neue Religionen, Stuttgart 1971; G. Lanczkowski: Die neuen Religionen, Frankfurt/M. 1974.
(5) Hans Gasper: Ein problematisches Etikett, in: HK 1996, 576-580. Kardinal F. Arinze: Die Herausforderung der Sekten oder der neuen religiösen Bewegungen: Ein pastoraler Zugang. In: Osservatore Romano vom 26. 4. 1991, Beilage XVI; J. A. Saliba: Vatican Response to the New Religious Movements, in: TS 53, 1992, 3-39; M. Fuss: Unsichtbar bleibt ihre Frömmigkeit. Kritische Begegnung mit Neuen Religiösen Bewegungen, in: StMiss 41, 1992, 353-389.
(6) R. Stark, W. S. Bainbridge: The Future of Religion. Secularization, Revival and Cult Formation, Berkeley u. a. 1985, u. ö.
(7) Das ist die Bezeichnung der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, die im Mai 1996 einen Zwischenbericht veröffentlicht hat.
(8) So Stark/Bainbridge (s. A. 6), passim.
(9) C. Campbell: The Cult, the Cultic Milieu and Secularization, in: A Sociological Yearbook of Religion in Britain 5, 1972, 119-136.
(10) R. Hummel: Religiöser Pluralismus oder christliches Abendland? 68 f.; J. Sudbrack: Neue Religiosität ­ Herausforderung für die Christen, Mainz 1987.
(11) Vgl. R. Sachau: Westliche Reinkarnationsvorstellungen, Gütersloh 1996; K. Engel: Meditation. Geschichte ­ Systematik ­ Forschung ­ Theorie, Frankfurt/M. 1995; W. Thiede: Esoterik ­ die postreligiöse Dauerwelle, Neukirchen-Vluyn 1995.
(12) S. J. Palmer: Purity and Danger in the Solar Temple, in: JCR 11, 1996, 303-318. Dort weitere Literaturangaben.
(13) J. Gordon Melton: European Receptivity to the New Religions, in: Syzygy I, 1, 1992, 3-13, hier: 4.
(14) T. Miller [Ed.]: When Prophets Die, Albany 1991.
(15) R. Hummel: Gurus, Meister, Scharlatane, 40.
(16) Ders.: Kult statt Kirche. Wurzeln und Erscheinungsformen neuer Re-ligiosität außerhalb und am Rande der Kirchen, in: G. Baadte, A. Rauscher [Hrsg.]: Neue Religiosität und säkulare Kultur (Kirche heute 2), Graz u. a. 1988, 43-61.
(17) R. Hummel: Hare Krishna-Bewegung auf Reformkurs, in: MEZW 57, 1994, 115-117; ders.: Vereinigungskirche im Wandel, in: MEZW 60, 1997, 205-209; ders.: Vereinigungskirche. Die "Moon-Sekte" im Wandel, Neukirchen-Vluyn, erscheint 1998.
(18) Vgl. A. Finckes Rezension in ThLZ 121, 1996, 1039 ff.
(19) S. die Buchreihen in A. 3.
(20) Aus der wissenschaftlichen Theologie stammen beispielsweise: N.-P. Moritzen: Sun Myung Muns Vereinigungskirche, Erlangen 1981; H. Obst: Neureligionen, Jugendreligionen, destruktive Kulte, Berlin 1984 (in einer späteren Auflage um ein Kapitel über New Age erweitert). ders.: Neuapostolische Kirche ­ die exklusive Endzeitkirche? Neukirchen-Vluyn: Bahn 1996. 208 S. 8° = Reihe Apologetische Themen, 8. Kart. DM 29,80. ISBN 3-7615-4945-8; H. Waldenfels: Zwischen Dialog und Protest. Religionstheologische Anmerkungen zu den Neuen Religiösen Bewegungen, in: StZ 117, 1992, 183-198, sowie in verschiedenen Publikationen; M. Fuss (s. A. 5). ­
Aus religionswissenschaftlicher Perspektive: R. Flasche: Neue Religionen als Forschungsgegenstand der Religionswissenschaft, in: ZMiss 3, 1978, 164-173; ders.: Neuer Wein in alten Schläuchen ­ zur religiösen Symbolik in neuen Religionen, in: Symbolon NF 7, 1982, 83, 91-105; vom gleichen Autor Aufsätze und Buchbeiträge zur Vereinigungskirche, z. B. im Sammelband von G. Kehrer [Hrsg.]: Das Entstehen einer neuen Religion. Das Beispiel der Vereinigungskirche, München 1981.
(21) C. Bochinger: New Age und moderne Religion, Gütersloh 1994; A. Nehring: Rissho Kosei-kai (EM 16), Erlangen 1992; W. Mirbach: Universelles Leben. Originalität und Christlichkeit einer Neureligion, Erlangen 1994; F.-R. Huth: Das Selbstverständnis des Bhagwan Shree Rajneesh in seinen Reden über Jesus, Frankfurt/M. u. a. 1993; R. Sachau (s. A. 11). Von Mirbach, Wolfram stammt auch "Universelles Leben". Die einzig wahren Christen? Eine Neureligion zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1996. 187 S. 8°. Kart. DM 26,80. ISBN 3-451-23619-2.
(22) J. A. Saliba: Social Science and the Cults. An Annotated Bibliography, New York/London 1990.
(23) J. Süss: Zur Erleuchtung unterwegs. Neo-Sannyasin in Deutschland und ihre Religion, Berlin 1994.
(24) F. Usarski: Die Stigmatisierung neuer Spiritueller Bewegungen in der Bundesrepublik Deutschland, Köln/Wien 1988.
(25) J. Süss hat in der Reihe "Kontur" unter dem Titel "Bhagwans Erbe. Die Osho-Bewegung heute" (München 1996) eine weitere Darstellung vorgelegt, die die Geschichte der Bewegung und die Philosophie des Gründers ausführlicher beschreibt.
(26) E. Barker: The Making of a Moonie. Brainwashing or Choice? Oxford 1984; dies.: Der professionelle Fremde. Erklärung des Unerklärlichen beim Studium einer abweichenden religiösen Gruppe, in: G. Kehrer [Hrsg.]: Das Entstehen einer neuen Religion (s. A. 20), 13-40. Über die "Brillen": ebd. 28, 40.
(27) Dies.: And what do you believe? Methods and perspectives in the investigation of religion, in: R. G. Burgess [Ed.]: Investigating Society, London/New York, 32-49; hier 43.
(28) F. Ursarski (s. A. 24); Scheffler, Albert Cornelius: "Jugendsekten" in Deutschland. Öffentliche Meinung und Wirklichkeit. Eine religionswissenschaftliche Untersuchung. Frankfurt/M.-Bern-New York-Paris: Lang 1989. 229 S. 8° = Europäische Hochschulschriften. Reihe XXIII: Theologie, 360. Kart. DM 60,­. ISBN 3-631-41719-5; N. Thiel: Der Kampf gegen neue religiöse Bewegungen. Anti-"Sekten"-Kampagne und Religionsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland, Mörfelden-Walldorf 1986.
(29) S. A. 17.
(30) M. Introvigne: Strange Bedfellows or Future Enemies? In: Update & Dialog, Oct. 1993, 13-22.
(31) B. Roderigo: Sektenberatung als gesellschaftliche Herausforderung, in: MEZW 59, 1996, 324-331.
(32) H. Stamm: Sekten. Im Bann von Sucht und Macht, Zürich 1995, München 1996.
(33) H. Hemminger: Was ist eine Sekte? Mainz/Stuttgart 1995, 146 ff.
(34) Singer, Margaret Thaler, u. Jana Lalich: Sekten. Wie Menschen ihre Freiheit verlieren und wiedergewinnen können. Aus dem Amerik. von G. Kuby. Heidelberg: Auer 1997. 407 S. gr.8°. ISBN 3-89670-015-4.
(35) D. G. Bromley [Ed.]: Falling from the Faith. Causes and Consequences of Religious Apostasy, London u. a. 1988, mit Beiträgen von E. Barker und anderen.
(36) H. Hemminger (s. A. 33).
(37) W. Gross [Hrsg.]: Psychomarkt ­ Sekten ­ Destruktive Kulte, Bonn 21996.
(38) Smith, Margaret: Gewalt und sexueller Mißbrauch in Sekten. Wo es geschieht, wie es geschieht und wie man den Opfern helfen kann. Aus dem Amerik. von A. Charpentier. Zürich: Kreuz 1994. 257 S. 8°. ISBN 3-268-0166-1. Der Originaltitel ist präziser: "Ritual Abuse".
(39) Wijnkoop Lüthi, Marc van: Die Sekte ... die Anderen? Beobachtungen und Vorschläge zu einem strittigen Begriff. Luzern: Exodus 1996. 364 S. gr.8°. Kart. DM 54,­. ISBN 3-905577-08-9.
(40) Hahn, E.: Kirche und Sekte. Dogmatische Definition und Differenzierung, in: KuD 39, 1993, 293-313.
(41) Stark, R.: Why Religious Movements Succeed or Fail: A Revised General Model, in: JCR 11, 1996, 133-146; ders.: How New Religious Succeed. A Theoretical Model, in: D. Bromley, P. E. Hammond [Eds.]: The Future of New Religious Movements, Macon 1987, 11-29.
(42) Süss, Joachim, u. Renate Pitzer-Reyl [Hrsg.]: Religionswechsel. Hintergründe spiritueller Neuorientierung. München: Claudius 1996. 169 S. 8°. Kart. DM 19,80. ISBN 3-532-64011-2.
(43) Vgl. die Sektenstatistik in MEZW 56, 1993, 240 f.
(44) G. Schulze: Die Erlebnis-Gesellschaft, Frankfurt/M. 1992.
(45) B. Hargrove: Integrative and Transformative Religions, in: J. Needleman/G. Baker [Eds.]: Understanding the New Religions, New York 1978, 257-266.
(46) G. Klosinski: Psychokulte. Was Sekten für Jugendliche so attraktiv macht, München 1996. Ders.: Warum Bhagwan? Auf der Suche nach Heimat, Geborgenheit und Liebe, München 1995. Karow, Yvonne: Bhagwan-Bewegung und Vereinigungskirche. Religions- und Selbstverständnis der Sannyasins und der Munies. Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1990. XII, 370 S. gr.8°. Kart. DM 79,­. ISBN 3-17-010772-0, diagnostiziert bei beiden Gruppen (im Anschluß an E. Fromm) eine "Vernichtung des individuellen Selbst", ein "Selbstverlöschen in Unterwerfung oder Verschmelzung", eine Entlastung durch die Erlaubnis, nach einem mißglückten Individuationsprozeß subjektlos sein zu dürfen (266).
(47) C. Bochinger (s. A. 21), 515.
(48) Hanegraaff, Wouter J.: New Age Religion and Western Culture. Esotericism in the Mirror of Secular Thought. Leiden-New York-Köln: Brill 1996. XIII, 580 S. gr.8° = Studies in the History of Religions, 72. Kart. hfl 80.­. ISBN 90-04-10696-0.
(49) Vgl. auch P. Heelas: The New Age Movement: Celebrating the Self and the Sacralization of Modernity, Oxford/Cambridge Mass. 1996; M.
York: The Emerging Network: A Sociology of the New Age and Neo-Pagan Movements, London 1995; H.-J. Ruppert: Durchbruch zur Innenwelt. Spirituelle Impulse aus New Age und Esoterik in kritischer Beleuchtung, Stuttgart 1988; ders.: Okkultismus. Geisterwelt oder neuer Weltgeist? Wiesbaden/Wuppertal 1990 (mit einer ausführlichen Dokumentation).
(50) Geisen, Richard: Anthroposophie und Gnostizismus. Darstellung, Vergleich und theologische Kritik. Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 1992. 584 S. gr.8° = Paderborner Theologische Studien, 22. Kart. DM 76,­. ISBN 3-506-76272-9.
(51) K. von Stieglitz: Einladung zur Freiheit. Gespräch mit der Anthroposophie, Stuttgart 1996.
(52) Barz, Heiner: Anthroposophie im Spiegel von Wissenschaftstheorie und Lebensweltforschung. Zwischen lebendigem Goetheanismus und latenter Militanz. Weinheim: Deutscher Studien Verlag 1994. 332 S. 8°. ISBN 3-89271-458-4. Vgl. den Disput über Steiners Rassentheorie zwischen G. O. Schmid und C. Bohlen bei Müller, Joachim [Hrsg.]: Anthroposophie und Christentum. Eine kritisch-konstruktive Auseinandersetzung. Freiburg/Schweiz: Paulusverlag 1995. 233 S. 8° = Weltanschauungen im Gespräch, 13. ISBN 3-7228-0360-8. Hier: 128 ff., 195 ff.
(53) J. Figl: Die Mitte der Religionen. Idee und Praxis universalreligiöser Bewegungen, Darmstadt 1993.
(54) Hemminger, Hansjörg: Scientology. Der Kult der Macht. Stuttgart: Quell 1997. 163 S. kl.8°. Kart. DM 24,80. ISBN 3-7918-3490-8.
(55) W. Thiede: Scientology. Religion oder Geistesmagie? Neukirchen-Vluyn 21995.