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Ausgabe:

Januar/2006

Spalte:

10 f

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Lies, Lothar

Titel/Untertitel:

Die Sakramente der Kirche. Ihre eucharistische Ausrichtung auf den dreifaltigen Gott.

Verlag:

Innsbruck-Wien: Tyrolia-Verlag 2004. 240 S. 8°. Kart. € 19,90. ISBN 3-7022- 2621-4.

Rezensent:

Matthias Zeindler

Die Frage der Sakramente ist von eminenter ökumenischer Relevanz.
Die gemeinsame Eucharistie bewegt katholische und evangelische Kirchen von der Basis bis zur Spitze; das katholische Ehesakrament bleibt durch zunehmende gemischtkonfessionelle und gemischtreligiöse Eheschließungen auf der Tagesordnung; und das Verständnis des ordinierten Amtes ist die ökumenische crux schlechthin. Deshalb nimmt man eine sakramentstheologische Darstellung aus der Feder eines namhaften katholischen Theologen mit Spannung zur Hand.
Der Innsbrucker Dogmatiker Lothar Lies legt in seinem neuen Buch eine Gesamtschau der sieben katholischen Sakramente vor. Organisierender Begriff ist dabei der Segen: Der Segensbegriff, so die Ausgangsthese, vermag das Sakrament als wechselseitiges Geschehen zwischen Gott und Mensch zu artikulieren.
Zentrum und Spitze der Sakramente bildet dabei die Eucharistie, an welcher in besonderer Weise der Segenscharakter der Sakramente ablesbar wird. Ist doch die Eucharistie zum einen ein (katabatisches) »Segensgeschehen des himmlischen Vaters an uns«, zum andern ein (anabatisches) Segnen des himmlischen Vaters durch die Feiernden (9). Der Segen lässt sich seinerseits noch einmal differenzieren in die Elemente der Anamnese, der Epiklese, der Koinonia und der Prosphora. Damit ist das Programm des Buches gegeben: Es geht L. darum zu zeigen, dass und inwiefern in jedem der Sakramente diese vier Elemente wiederkehren, welche es als »eulogisches« Begegnungsgeschehen qualifizieren. Auf diese Weise soll eine moderne Sakramentsdeutung erarbeitet werden, in welcher dem personalen Charakter des Menschen angemessen Rechnung getragen ist.
Eine Vorrangsstellung kommt unter den Sakramenten der Eucharistie zu, weil in ihr das Heilshandeln Gottes in der Person Jesu Christi am deutlichsten zum Ausdruck kommt. Sie ist das »eulogische Zentralsakrament« (51). Zeichen der Nähe Gottes wird die Eucharistie durch die »wirkliche Gegenwart des Erhöhten «, welche L. näherhin als »somatische Realpräsenz« fasst (62).
Zur Explikation der Realpräsenz bestätigt L. den Interpretationswert der Transsubstantiationslehre, während er neueren Deutungsversuchen – einschlägig unter den Begriffen der Transfinalisation, der Transsituierung oder der Transsignifikation – nur eine begrenzte Leistungsfähigkeit zugesteht. Die eucharistische Realpräsenz vermittelt Partizipation an der Wirklichkeit Gottes in drei Stufen: »persönliche Teilhabe am Auferstehungsleib Christi«, »vertieftes Hineinwachsen in den Leib Christi, die Kirche« und »eine tiefere Eingliederung in den dreifaltigen Gott« (68 f.). Das Sakrament, so die Konklusion, entfaltet seine Wirksamkeit in einer christologischen, einer ekklesiologischen und schließlich einer trinitarischen Dimension. Es bezieht den Menschen ein in die von gegenseitiger Hingabe und Freiheit bestimmte innergöttliche Gemeinschaft.
Indem L. mit Hilfe dieses an der Eucharistie entwickelten segenstheologischen Sakramentsverständnisses auch die restlichen sechs (katholischen) Sakramente erläutert, gelingt ihm ein Entwurf von beeindruckender Geschlossenheit. Die konsequent durchgehaltene Begrifflichkeit wirkt dabei nie schematisch.
Vielmehr leitet die Beachtung des anamnetischen, epikletischen, gemeinschaftlichen sowie des prosphorischen Charakters der einzelnen Sakramente zu einer Fülle von anthropologischen und theologischen Entdeckungen an.
Trotzdem eignet dem Buch eine unübersehbare Hermetik.
Das zeigt sich bereits an seinem modus docendi: L. schreibt einen dichten, streckenweise fast meditativen Stil, und er beschränkt sich über lange Partien auf die Zitation biblischer Texte und lehramtlicher Verlautbarungen. Entsprechend fehlt die diskursive Dimension. Auseinandersetzungen mit anderen Entwürfen werden – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht geführt. So sucht man beim Leitbegriff des Segens vergebens einen Reflex der intensiven Diskussion der letzten Jahre. Inhaltlich führt dies dazu, dass man nur selten Überraschungen erlebt.
Traditionelle Positionen werden entfaltet und affirmiert, nicht aber erklärt oder diskutiert, und schon gar nicht problematisiert.
Die von L. in Anspruch genommene Modernität erschließt sich deshalb dem Rezensenten weder formal noch inhaltlich.
Ähnlich enttäuschend fällt aus diesen Gründen auch die ökumenische Bilanz der Lektüre aus. L. hält zwar eingangs fest, dass in einer sakramentstheologischen Arbeit heute »der ökumenische Aspekt nicht vergessen werden« dürfe (8). Was aber soll man im Lichte dieser Maxime davon halten, dass in den nachfolgenden Kapiteln die vielfältigen ökumenischen Bemühungen insbesondere um die Eucharistie und das Amtsverständnis überhaupt keine Erwähnung finden? Ja, dass nicht einmal die ökumenische Problematik der Sakramente als solche thematisiert ist? Also: Man hat in dieser Studie eine stringente theologische Durchdringung der Sakramente aus katholischer Sicht vor sich, aber keinen Beitrag zur ökumenischen Debatte.