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Ausgabe:

Januar/2006

Spalte:

98–100

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Bryner, Erich

Titel/Untertitel:

Die orthodoxen Kirchen von 1274 bis 1700.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2004. 161 S. gr.8° = Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen, II/9. Geb. € 19,80. ISBN 3-374-02186-7.

Rezensent:

Gisela-Athanasia Schröder

Mit dem Erscheinen des Buches schließt sich die Lücke über die orthodoxen Kirchen in dem Sammelwerk »Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen«. Wie der Vf. bemerkt, umfasst der Band »vielgestaltige und spannungsreiche Jahrhunderte, in denen sich die orthodoxen Kirchen unter sehr verschiedenen äußeren Bedingungen … bewähren mussten« (5).
Das gewählte Einstiegsdatum, 1274, steht mit dem in Lyon unternommenen Versuch in Verbindung, eine Union zwischen Rom und einigen orthodoxen Kirchen zu Stande zu bringen. Der weit gespannte Bogen reicht bis in das 17. Jh., so ergibt sich der Anschluss zum 1996 erschienenen Band »Die Ostkirchen vom 18.bis zum 20. Jahrhundert«. – Der Vf. gliedert den Stoff in fünf Kapitel. Ein Abkürzungs- und ein Literaturverzeichnis (10–20), unterteilt in allgemeine und spezielle Schriften, gehen der Darstellung voraus. Eine Zeittafel, ein Personen- und Sachregister beschließen den Band (151–161) und erleichtern die Arbeit.
Kapitel 1 beschreibt die Situation der orthodoxen Kirche im Byzantinischen Reich und den Nachbarländern (21–52) bis zum Untergang Konstantinopels 1453. Der Vf. geht dabei sowohl auf die politischen Ereignisse ein: die Rückeroberung Konstantinopels 1261 unter Kaiser Michael VIII., die das Ende des Lateinischen Kaiserreiches brachte; den starken militärischen Druck hauptsächlich durch die Osmanen und die Bürgerkriege, als auch auf relevante Auseinandersetzungen in Theologie und Spiritualität.
Die schwierige Materie des palamitischen Streites wird vereinfacht, aber gerade deshalb auch für den Laien verständlich dargeboten. Die Unterabschnitte behandeln die Patriarchate Alexandria, Antiochia, Jerusalem sowie die Lage der orthodoxen Kirchen in Zypern, Bulgarien, Serbien, Bosnien, Georgien und den rumänischen Fürstentümern.
Kapitel 2, »Die orthodoxe Kirche im Osmanischen Reich« (53–75), zeigt den Wiederaufbau Konstantinopels nach 1453 und die staatliche Religionspolitik auf. Christen wie Juden wurden zwar geduldet; die Politik schwankte jedoch allzu oft zwischen Toleranz, Drangsalierung und Martyrium. Obwohl das Klosterwesen und die theologische Bildung sich im Niedergang befanden, fehlte es nicht an Persönlichkeiten, die den Dialog mit den Tübinger Reformatoren führten und, im Ausland ausgebildet, die bedeutende Leistung erbrachten, für die Orthodoxie Katechismen zu erstellen, deren Geschichte ja erst mit Luther begann.
Das 3. Kapitel, »Die orthodoxe Kirche in Russland und Polen- Litauen« (76–113), gibt einen Überblick über die Mongoleneinfälle, den sich bildenden Moskauer Staat sowie die wichtigsten kirchlichen Ereignisse: Zurückweisung der Union von Lyon, die Autokephalieerklärung, Hundertkapitelsynode, Kirchenspaltung unter Patriarch Nikon und die Union von Brest.
Die Entfaltung starker geistiger und geistlicher Kräfte durch Vermittlung des Mönchtums zur Zeit des Tatarenjochs ist mit Sympathie dargestellt und wird dankbare Leser finden.
Kapitel 4 informiert über die Altorientalischen Orthodoxen Kirchen, die Vorchalkedonenser also: Kopten, Äthiopier, Armenier, syrische Jakobiten, Thomaschristen und die Assyrische Kirche (Nestorianer) (114–130). Die äußerst knappen Ausführungen haben ihren Verdienst, denn inzwischen leben Christen dieser Kirchen unter uns, sie haben sogar Klöster hier, der zeitgeschichtliche Kontext und die Umwelt, in der sich ihre Religiosität ausprägte, sind den evangelischen und katholischen Christen jedoch unbekannt.
Der Rahmen einer Gesamtdarstellung zwingt zu Beschränkungen.
Darum soll hier auch nicht in dem einen oder anderen Fall größere Ausführlichkeit angemahnt werden. Allein bei der Darstellung des palamitischen Streites ist bedauerlich, dass ein Hinweis auf das hervorragende Buch von R. Flogaus: »Theosis bei Palamas und Luther«, 1997, fehlt. Flogaus stellt die Palamas- Forschung auf eine völlig neue Grundlage, indem er seine Abhängigkeit von Augustin (De trinitate, in der griechischen Übersetzung durch Planudes, die der Umsetzung der Synode von Lyon dienen sollte) »bis in einzelne Formulierungen hinein «, die das ganze Werk durchziehen, nachweist. Damit dürfte auch die These, die Theologie Palamas »entstammt ganz orthodoxen Wurzeln«, nicht mehr absolut zutreffen (30).
Die Transliteration ist nicht immer durchgehalten, so findet man »Weljamin« (113) und »Veljamin«, »Kiprijan« statt »Kiprian« (102), »Solovki« (82) und Solovikikloster (98) statt Solovkij und Soloveckijkloster. »Idiorythmie« (33 u. a.) wird im Alt- wie im Neugriechischen Idiorrhythmia geschrieben.
Im Schlusskapitel, »Die Kirchen des Ostens und die Kirchen des Westens« (134–149), geht der Vf. nochmals auf die Bemühungen »der westlichen Kirchen zur Wiedererlangung der Einheit « ein, denn »der Blick auf die Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität der Kirche blieb stets erhalten«. So kommt es zwar zu Wiederholungen, der Überblick über Konzepte und Absichten der reformatorischen Kirchen jedoch bietet neue Gesichtspunkte.
Sie sollten gerade unter den schwierigen Bedingungen in der Ökumene uns heute Motivation sein, die gemeinsamen Gespräche nicht aus dem Blick zu verlieren – zumal in einem geeinten Europa die Zusammenarbeit und nicht die Rivalität der Kirchen das Bild bestimmen sollte. Dazu ist natürlich eine »gründliche Beschäftigung« (6) mit den Ostkirchen nötig.
Der vorgelegte Band bietet hierzu Anregung und Hilfe.